Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Nichtzulassungsbeschwerde

 

Orientierungssatz

Rückgruppierung im Baugewerbe von Lohngruppe M III 2 nach Lohngruppe M IV 4 des Anhangs zum BauRTV. Einzelvertragliche und tarifliche Vergütungsansprüche im Vergleich.

 

Normenkette

BauRTV; TVG § 1; ArbGG § 72a

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Entscheidung vom 15.06.1988; Aktenzeichen 8 Sa 21/88)

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 20.01.1988; Aktenzeichen H 10 Ca 245/87)

 

Gründe

Der Kläger steht als Schweißer in den Diensten der Beklagten. Er wurde zunächst nach der Berufsgruppe M III 2 der Lohntabelle des Anhangs zum BRTV-Bau und der entsprechenden Lohntabelle des Bezirkslohntarifvertrages vergütet. Mit Schreiben vom 15. Juni 1987 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei irrtümlich und tarifwidrig nach der Lohngruppe M III 2 vergütet worden, ihm stehe nur Lohn nach der Lohngruppe IV 4 zu. Dementsprechend zahlte die Beklagte für die Monate Juli bis September 1987 an den Kläger auch nur die reduzierte Vergütung.

Mit der Klage hat der Kläger die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten begehrt, an ihn auch weiterhin Lohn nach der Lohngruppe M III 2 BRTV-Bau zu zahlen. Außerdem hat er die Beklagte für den Zeitraum vom 1. Juli bis 30. September 1987 auf Nachzahlung des Differenzbetrages in Höhe von 193,20 DM in Anspruch genommen.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision nicht zugelassen.

Hiergegen richtet sich die von der Beklagten eingelegte, auf Divergenz und grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache gestützte Nichtzulassungsbeschwerde. Der Kläger beantragt Verwerfung bzw. Zurückweisung der Beschwerde.

Die Beschwerde der Beklagten ist unter beiden rechtlichen Gesichtspunkten unzulässig.

Die Beklagte hat die Erfordernisse einer rechtserheblichen Divergenz nicht dargelegt. Eine solche setzt nach § 72 Abs. 2 Nr. 2 ArbGG voraus, daß die angefochtene Entscheidung einen abstrakten Rechtssatz aufstellt, der seinerseits von einem abstrakten Rechtssatz des Bundesarbeitsgerichts oder eines anderen in der Gesetzesnorm genannten Gerichts abweicht, woraus zugleich folgt, daß eine lediglich fehlerhafte oder den Grundsätzen der höchstrichterlichen Rechtsprechung nicht entsprechende Rechtsanwendung eine Divergenz nicht zu begründen vermag (vgl. den Beschluß des Fünften Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 19. November 1979 - 5 AZN 15/79 - AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 mit weiteren Nachweisen). Dabei müssen sich die voneinander abweichenden Rechtssätze aus der anzufechtenden wie aus der angezogenen Entscheidung unmittelbar ergeben und so deutlich ablesbar sein, daß nicht zweifelhaft bleibt, welche abstrakten Rechtssätze die Entscheidungen jeweils aufgestellt haben (vgl. BAGE 41, 188, 190 = AP Nr. 11 zu § 72 a ArbGG 1979 Divergenz mit weiteren Nachweisen).

Diesen Erfordernissen entspricht das Vorbringen der Beklagten nicht. Die Beklagte beruft sich darauf, es bestehe eine Divergenz zwischen dem angefochtenen und dem Urteil des erkennenden Senats vom 21. April 1982 (- 4 AZR 671/79 - AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn). Entsprechende divergierende abstrakte Rechtssätze legt die Beklagte jedoch nicht dar und kann sie auch nicht darlegen. Das von ihr herangezogene Senatsurteil befaßt sich nämlich ausschließlich mit der Auslegung des Lohntarifvertrages für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV DB), während der vorliegende Fall Eingruppierungsfragen aus dem Bereich der Tarifverträge für das Baugewerbe betrifft. Aber selbst darauf geht das Landesarbeitsgericht nicht ein, weil es von einem einzelvertraglichen Anspruch ausgeht, den der Kläger nach seinen Feststellungen und seiner weiteren rechtlichen Würdigung auf Vergütung nach der Lohngruppe M III 2 der Anlage zum BRTV-Bau erworben hat. Damit fehlt zwischen dem angefochtenen und dem angezogenen Urteil jeglicher rechtliche Bezug. Hinzu kommt noch, daß im Sinne einer Sonderregelung § 34 Abs. 1 Satz 2 LTV DB von den tariflichen Bestimmungen abweichende einzelvertragliche Vereinbarungen im Bereiche der Bundesbahn von der Genehmigung der Hauptverwaltung abhängig macht, während es eine vergleichbare Regelung im Tarifwerk des Baugewerbes nicht gibt.

Auch in Fragen des Rechts der Irrtumsanfechtung (§§ 119 ff. BGB) bestehen in dem angefochtenen und dem angezogenen Urteil entgegen den Andeutungen der Beklagten keine divergierenden abstrakten Rechtssätze.

Aber auch unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache ist die Beschwerde der Beklagten unzulässig.

Unter diesem rechtlichen Gesichtspunkt kann nach § 72 Abs. 2 Nr. 1 ArbGG die unterlassene Zulassung der Revision nur angefochten werden, wenn die Rechtssache "die Auslegung eines Tarifvertrages" betrifft (§ 72 a Abs. 1 Nr. 2 ArbGG). "Auslegung eines Tarifvertrages" im Sinne dieser Gesetzesnorm ist die fallübergreifende, abstrakte Interpretation tariflicher Rechtsbegriffe, so daß der Beschwerdeführer im einzelnen darzulegen hat, welche tariflichen Rechtsbegriffe das Landesarbeitsgericht verkannt oder bei der Subsumtion wieder aufgegeben hat und worin die Gründe für die entsprechenden Rechtsfehler liegen (vgl. BAGE 32, 203, 205 = AP Nr. 1 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz und BAGE 32, 228, 229 = AP Nr. 2 zu § 72 a ArbGG 1979 Grundsatz).

Auch diesen Erfordernissen entspricht die Beschwerdebegründung der Beklagten nicht. Nicht einmal andeutungsweise legt die Beklagte dar, welche tariflichen Bestimmungen das Landesarbeitsgericht fehlerhaft ausgelegt haben soll. Entsprechende Ausführungen sind der Beklagten auch unmöglich, weil das Landesarbeitsgericht - bei seiner Beurteilung konsequent - weder auf die Tarifwerke im Bereiche der Bundesbahn noch auf diejenigen im Bereiche des Baugewerbes eingegangen ist. Im übrigen weist die Beklagte nur in ganz allgemeiner und rechtsunerheblicher Weise darauf hin, die im öffentlichen Dienst (gemeint ist der Bereich der Bundesbahn) geltenden Grundsätze müßten auch in der Privatwirtschaft gelten. Damit kann schon nicht die grundsätzliche Bedeutung der vorliegenden Rechtssache begründet werden. Entscheidend ist im übrigen, daß eine fehlerhafte Tarifauslegung weder behauptet wird noch dargelegt werden kann.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Feller

 

Fundstellen

Dokument-Index HI438875

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge