Entscheidungsstichwort (Thema)

Annahmeverzug bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers

 

Normenkette

BGB §§ 615, 293 f.; ZPO § 91a; AFG § 141m; KO §§ 12, 146 Abs. 3

 

Verfahrensgang

LAG Düsseldorf (Urteil vom 30.10.1990; Aktenzeichen 8 Sa 1232/90)

ArbG Düsseldorf (Urteil vom 07.08.1990; Aktenzeichen 7 Ca 2661/90)

 

Tenor

1. Die Kosten des Revisionsverfahrens trägt der Beklagte.

2. Wegen der Kosten der ersten und der zweiten Instanz verbleibt es bei den Kostenentscheidungen des Arbeitsgerichts und des Landesarbeitsgerichts.

 

Tatbestand

I. Der Kläger war seit dem 4. Mai 1979 zuletzt als Abteilungsleiter in der Litho-Abteilung der früheren Beklagten – jetzigen Gemeinschuldnerin – zu einem monatlichen Gehalt von 4.777,67 DM brutto einschließlich einer monatlichen Zulage beschäftigt. Nachdem er selbst mit Schreiben vom 7. Februar 1990 das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1990 aufgekündigt hatte, kündigte die Gemeinschuldnerin ihrerseits mit Schreiben vom 15. Mai 1990 das Arbeitsverhältnis fristlos mit der Begründung auf, der Kläger führe endlose Telefongespräche ohne Genehmigung und habe sich gegen ein Gefälligkeitsattest krank schreiben lassen, obwohl er in Wirklichkeit kerngesund sei. Durch insoweit rechtskräftiges Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 30. Oktober 1990 ist festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch diese Kündigung nicht aufgelöst worden ist, sondern bis zum 30. Juni 1990 fortbestanden hat.

In der Zeit vom 15. Mai bis 2. Juni 1990 war der Kläger aufgrund mehrerer Atteste arbeitsunfähig krank geschrieben. Mit Telefax vom 21. Mai 1990 ließ er durch seine Prozeßbevollmächtigten die Gemeinschuldnerin um Rücknahme der Kündigung vom 15. Mai 1990 bis 23. Mai 1990 ersuchen; diese ließ das Schreiben jedoch unbeantwortet. Daraufhin erhob der Kläger die der Gemeinschuldnerin am 5. Juni 1990 zugestellte Kündigungsschutzklage, über die in der Güteverhandlung vom 21. Juni 1990 erfolglos verhandelt wurde. Im Kammertermin vom 7. August 1990 stellte die Gemeinschuldnerin einen Klageabweisungsantrag, unterlag aber aufgrund des Urteils des Arbeitsgerichts Düsseldorf von diesem Tage (7 Ca 2661/90).

Neben weiteren Zahlungsansprüchen hat der Kläger im vorliegenden Prozeß die Vergütung für die Zeit vom 3. bis 30. Juni 1990 mit dem der Höhe nach unstreitigen Betrag von 4.459,15 DM brutto verlangt. Dazu hat er die Auffassung vertreten, die Gemeinschuldnerin müsse diesen Betrag aufgrund Annahmeverzuges bezahlen, zumal sie unmißverständlich zum Ausdruck gebracht habe, ihn nicht mehr beschäftigen zu wollen. Eine gesonderte Mitteilung der Arbeitsfähigkeit sei deshalb überflüssig gewesen. Der Kläger hatte im Rahmen eines weitergehenden Zahlungsanspruches über 12.346,64 DM zunächst beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn einen Teilbetrag von 4.459,15 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit dem 11. Juli 1990 zu zahlen.

Die Gemeinschuldnerin hatte mit ihrem Klageabweisungsantrag u. a. geltend gemacht, für die Zeit ab dem 3. Juni 1990 sei der Anspruch aus Annahmeverzug schon deshalb nicht begründet, weil der Kläger seine Arbeitsfähigkeit nicht angezeigt habe. In der Kündigungsschutzklage könne ein Angebot der Arbeitskraft nicht gesehen werden.

Das Arbeitsgericht hat – soweit für die Revisionsinstanz von Belang – nach dem Klageantrag erkannt; die hiergegen von der Gemeinschuldnerin eingelegte Berufung ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebte die Gemeinschuldnerin die Klageabweisung, während der Kläger nach Eröffnung des Konkursverfahrens über deren Vermögen am 12. Februar 1991 zunächst den Antrag auf Feststellung der angemeldeten Forderungen mit dem Aktenzeichen 67 N 10/91 zur Konkurstabelle ankündigte. Nunmehr stellte sich heraus, daß der Kläger im April oder Mai 1991 aufgrund einer vom Beklagten erstellten Verdienstbescheinigung nach § 141 h AFG gleichzeitig einen Antrag auf Konkursausfallgeld (Kaug) gestellt hatte, der hinsichtlich des im Streit stehenden Betrages positiv beschieden wurde. Im Hinblick hierauf erklären beide Parteien übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt und beantragen nunmehr noch wechselseitig, dem Gegner die Kosten der Revisionsinstanz aufzuerlegen.

 

Entscheidungsgründe

II. Nachdem beide Parteien aufgrund des gesetzlichen Forderungsübergangs nach § 141 m AFG übereinstimmend den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt haben, war nach § 91 a ZPO nur noch über die Kosten des Rechtsstreits zu entscheiden. Unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes waren nach billigem Ermessen die Kosten der Revisionsinstanz dem Beklagten aufzuerlegen, wobei die Kostenregelung der Vorinstanzen beibehalten werden kann. Denn der Senat wäre dem Landesarbeitsgericht zumindest im Ergebnis gefolgt.

1. Insofern entsprach es einer Wahrnehmung berechtigter Interessen, wenn der Kläger gleichzeitig einen Antrag auf Gewährung von Kaug stellte und angesichts des zeitlich vorhergehenden Bestreitens seiner Forderung durch den beklagten Konkursverwalter (vgl. den vorgelegten Auszug aus der Tabelle des Konkursgerichts, Bl. 58 SenA) nach Maßgabe des § 146 Abs. 3 KO den Rechtsstreit gegen ihn zum Zweck der Feststellung seiner Forderung aufnahm, § 12 KO. Es ist auch anerkannt, daß die Aufnahme des Rechtsstreits in der Revisionsinstanz nur mit dem Antrag möglich ist, die angemeldete Forderung zur Konkurstabelle festzustellen (BAG Urteil vom 2. November 1959 – 2 AZR 479/56 – AP Nr. 7 zu § 91 a ZPO; BAGE 50, 221 = AP Nr. 3 zu § 146 KO; Kuhn/Uhlenbruck, Konkursordnung, 10. Aufl., Vorbem. §§ 10 – 12 Rz 23 b und § 146 Rz 16 b). Diese Rechtsverteidigung erschien umso mehr erforderlich, als die Gemeinschuldnerin ihrerseits Revision eingelegt hatte und der Kläger daher nach der Unterbrechung des Verfahrens durch den Konkurs (§ 240 ZPO) einen Kostentitel für die Revisionsinstanz während des Konkurses nur gegen den Beklagten erzielen konnte.

2. Sachlich hätte die Klage schon deshalb Erfolg haben müssen, weil die Gemeinschuldnerin als Arbeitgeberin mit kaum noch zu überbietender Deutlichkeit zum Ausdruck gebracht hat, auf die klägerischen Dienste keinen Wert mehr zu legen, so daß schon in Anlehnung an die frühere Rechtsprechung im Senatsurteil vom 9. August 1984 (BAGE 46, 234 = AP Nr. 34 zu § 615 BGB) neben dem Protest gegen die Kündigung durch Telefax vom 21. Mai 1990 und Klageerhebung auch noch eine besondere Anzeige der Arbeitsfähigkeit entbehrlich war. Zwar hat nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts (§ 561 ZPO) die Gemeinschuldnerin nicht wortwörtlich erklärt, sie lege auf die Arbeitsleistung des Klägers keinen Wert mehr. Genau dies hat sie inhaltlich aber schon durch ihre Nichtreaktion auf das Telefax vom 21. Mai 1990, durch ihren mit Schriftsatz vom 6. Juni 1990 angekündigten Klageabweisungsantrag, verbunden mit dem Hinweis, wegen der simulierten Krankheit sei ihr eine Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unzumutbar, ferner durch ihre Unnachgiebigkeit in der Güteverhandlung vom 21. Juni 1990 und durch den Klageabweisungsantrag am 7. August 1990 zum Ausdruck gebracht. Unter diesen Umständen erscheint das Verlangen, dem Arbeitgeber auch noch den Beginn der Leistungsbereitschaft anzuzeigen, nur noch als Förmelei (so Senatsurteil vom 9. August 1984, BAGE 46, 234, 244 f. = AP, aaO, zu II 5 d der Gründe).

3. Auf die vom Landesarbeitsgericht abgestellte Streitfrage, ob im Falle des Annahmeverzuges des Arbeitgebers bei mehrfach befristeter Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers dessen Anzeige der Arbeitsfähigkeit grundsätzlich entbehrlich ist, braucht deshalb vorliegend nicht eingegangen zu werden. Auch unabhängig von der Beantwortung dieser Frage – vgl. dazu aber Senatsurteil vom 24. Oktober 1991 – 2 AZR 112/91 – zur Veröffentlichung bestimmt – hatte die Klage unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstandes Aussicht auf Erfolg.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Bitter, Thieß, Beckerle

 

Fundstellen

Dokument-Index HI916032

Dieser Inhalt ist unter anderem im TVöD Office Professional enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge