Entscheidungsstichwort (Thema)
Zustimmungsersetzung zur Eingruppierung – einseitige Änderung der Vergütungsordnung durch den Arbeitgeber
Leitsatz (amtlich)
1. Eine Eingruppierung nach § 99 BetrVG umfaßt jedenfalls die Entscheidung über die anzuwendende Vergütungsordnung sowie über die Einreihung in die zutreffende Vergütungsgruppe.
2. Eine Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats und die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung können sich jeweils nur auf die Eingruppierung in ihrer Gesamtheit beziehen.
Leitsatz (redaktionell)
Vgl. Beschlüsse vom 27. Juni 2000 – 1 ABR 29/99 und 1 ABR 35/99 –
Normenkette
BetrVG § 99
Verfahrensgang
Tenor
Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers gegen den Teilbeschluß des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 21. Juni 1999 – 18 TaBV 26/99 – wird zurückgewiesen.
Zur Klarstellung wird Satz 2 des Tenors wie folgt neu gefaßt:
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, wegen der Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Von Rechts wegen!
Gründe
A. Zwischen den Beteiligten besteht Streit wegen der Eingruppierung der für die Einrichtung „Jugendhilfeverband S.” des Arbeitgebers eingestellten Arbeitnehmerin Ute S.. Gegenstand der Rechtsbeschwerde ist der Widerantrag des Betriebsrats (Beteiligter zu 2), mit welchem er begehrt, daß der Arbeitgeber (Antragsteller – Beteiligter zu 1) wegen der Festsetzung einer die Vergütung betreffenden Lebensaltersstufe das Zustimmungsersetzungsverfahren durchführen muß.
Der Arbeitgeber ist freier Träger der Jugend-, Sozial- und Bildungsarbeit mit bundesweit über 600 Einrichtungen an 300 Orten. Er hat mit der Gewerkschaft ÖTV zuletzt am 18. Februar 1994 einen Tarifvertrag nach § 3 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG zur Bildung selbständiger betriebsratsfähiger Einheiten vereinbart. Außerdem hatte er mit der ÖTV ua. einen Manteltarifvertrag (MTV Nr. 2) sowie den Tarifvertrag Nr. 3 über die Tätigkeitsmerkmale zum Manteltarifvertrag abgeschlossen. Beide Tarifverträge kündigte er im September 1997 jeweils zum 31. Dezember 1997. Die Wirksamkeit der Kündigung bezogen auf den MTV Nr. 2 ist zwischen den Tarifvertragsparteien streitig, da der Arbeitgeber im Zusammenhang mit Tarifvertragsverhandlungen gegenüber der ÖTV am 14. Dezember 1996 unter bestimmten Voraussetzungen auf eine Kündigung des Manteltarifvertrags zum 31. Dezember 1997 verzichtet hatte.
Zur Vergütung enthält der MTV Nr. 2 ua. folgende Regelungen:
„§ 20
Eingruppierung, Vergütung (Gehälter und Löhne)
(1) Über die Tätigkeitsmerkmale sowie über die Höhe der Vergütungen werden besondere Tarifverträge abgeschlossen.
…
§ 21
Grundvergütung (Gehalt, Monatslohn)
(1) Im Vergütungstarifvertrag sind die Grundvergütungen nach Lebensaltersstufen zu bemessen.
…”
Im Tarifvertrag Nr. 3 heißt es ua.:
„§ 3
Bewährungsaufstieg
1.a) Angestellte, die nach Tätigkeitsmerkmalen der Vergütungsgruppen IX bis V b eingruppiert sind, erhalten nach 4jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist.
1.b) Erzieher (außer Erzieher nach Aufgabenfeld 8.7 – Vc) und Erzieher in Kindertagesstätten, Kinderpfleger, Sozialberater, Gruppenerzieher, Ausbilder, Werkerzieher erhalten nach 2jähriger Bewährung einen Bewährungsaufstieg, sofern dem Tätigkeitsmerkmal kein Stern (*) beigefügt ist. Dies gilt auch für AidTe-Angestellte.
…”
Im Vergütungstarifvertrag vom 14. Dezember 1996 waren aufbauend auf den Vergütungsgruppen die Lebensaltersstufen nach den Maßgaben des § 21 MTV Nr. 2 bestimmt. Die tarifschließende Gewerkschaft ÖTV hat den Tarifvertrag mit Schreiben vom 12. November 1997 zum 31. Dezember 1997 gekündigt.
Der Arbeitgeber wendet bei Neueinstellungen ab dem 1. Januar 1998 die bisher geltenden Tarifverträge weiter an mit Ausnahme des Systems der Lebensaltersstufen sowie der im Tarifvertrag Nr. 3 vorgesehenen Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs. Für die neu eingestellten Arbeitnehmer wird unabhängig von ihrem tatsächlichen Lebensalter stets die niedrigste Lebensaltersstufe (21) zugrunde gelegt.
Der Arbeitgeber beabsichtigte, auf dieser Grundlage die Diplom-Sozialpädagogin Ute S. als Sozialberaterin befristet vom 1. April 1998 bis zum 31. Dezember 2001 einzustellen. Im Zeitpunkt der Einstellung war sie 41 Jahre alt. Von der beabsichtigten Einstellung unterrichtete er den Betriebsrat mit „Einstellungsbogen” vom 24. März 1998. Unter „Vergütung” war aufgeführt: „Eingruppierungsmerkmale entsprechend Vergütungsgruppe/Fallgruppe des gekündigten TVTM LA 21”. In der Spalte „Gehalts-/Lohngruppe” war V b und in der Spalte „Fallgruppe” 12.2a angegeben. Mit Schreiben vom 31. März 1998 verweigerte der Betriebsrat seine Zustimmung. Darin heißt es ua.:
„Vorsorglich widerspricht der Betriebsrat der vorgesehenen Vergütung. Gemäß § 99 Abs. 2, Nummer 1, verstoßen die vorgenommenen Eingruppierungsmerkmale gegen die beim I. geltenden Tarifverträge.”
Der Betriebsrat hat der Einstufung in VergGr. VI b Fallgr. 12.2 a ausdrücklich zugestimmt, aber der Festsetzung der Lebensaltersstufe 21 widersprochen.
Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. bedürfe nicht der Zustimmung des Betriebsrats. Die Kündigung insbesondere des MTV Nr. 2 sei wirksam, daher liege kein Verstoß gegen diesen Tarifvertrag vor. Er halte sich zudem an die bisherige Vergütungsgruppenordnung. Die Lebensaltersstufen beträfen nicht die Eingruppierung. Die gegenteilige Meinung führe zu dem Ergebnis, daß jeder erreichte Lebensalterssprung eine mitbestimmungspflichtige Umgruppierung nach sich ziehe. Die Festlegung auf die Lebensaltersstufe 21 bedeute zudem lediglich eine Regelung der Entgelthöhe und sei deshalb nicht nach § 87 Abs. 1 Ziff. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Die vom Betriebsrat angenommene Verpflichtung zur Durchführung eines Mitbestimmungsverfahrens bezogen auf die Lebensaltersstufen bestehe daher nicht.
Der Arbeitgeber hat zuletzt beantragt
Der Betriebsrat hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat, soweit für die Rechtsbeschwerde von Bedeutung, folgenden Widerantrag zu 1 gestellt:
Dem Arbeitgeber wird aufgegeben, wegen der Festsetzung der Lebensaltersstufe 21 der Anlage 1 des Vergütungstarifvertrages in Bezug auf die Arbeitnehmerin Ute S. das Zustimmungsersetzungsverfahren einzuleiten.
Der Arbeitgeber hat Abweisung des Widerantrags beantragt.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, auch das Merkmal „Lebensalter” sei Bestandteil der Eingruppierung. Die Handhabung des Arbeitgebers stelle eine Nichtbeachtung des MTV Nr. 2 dar, welcher die Vergütung nach Lebensaltersstufen festlege. Eine Änderung sei jedenfalls nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG mitbestimmungspflichtig. Er sei deshalb zur Verweigerung der Zustimmung berechtigt gewesen.
Zu den Anträgen des Arbeitgebers hat er vorgetragen, für diese bestehe kein Raum, da er der Einstufung in Vergütungs- und Fallgruppe zugestimmt habe. Wegen der Lebensaltersstufen hingegen, auf die sich seine Verweigerung beziehe, müsse der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren noch durchführen.
Das Arbeitsgericht hat die Anträge und den Widerantrag abgewiesen. Auf die Beschwerde des Betriebsrats hat das Landesarbeitsgericht unter Zurückstellung weiterer Wideranträge dem Widerantrag 1 durch Teilbeschluß stattgegeben. Hiergegen wendet sich der Arbeitgeber mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde. Insoweit begehrt er die Wiederherstellung des den Widerantrag 1 abweisenden arbeitsgerichtlichen Beschlusses. Der Betriebsrat bittet um die Zurückweisung der Rechtsbeschwerde.
B. Die Rechtsbeschwerde des Arbeitgebers hat keinen Erfolg.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht erkannt, daß der Arbeitgeber ein Zustimmungsersetzungsverfahren für die Arbeitnehmerin Ute S. durchzuführen hat, wobei klarzustellen war, daß dieses Zustimmungsersetzungsverfahren die Eingruppierung der Mitarbeiterin Ute S. insgesamt und nicht nur die Festsetzung der Lebensaltersstufe betrifft.
I. Der Widerantrag ist zulässig.
1. Gegenstand des Rechtsbeschwerdeverfahrens ist lediglich der Widerantrag 1 des Betriebsrats.
Das folgt zum einen daraus, daß der Beschluß des Arbeitsgerichts über die Anträge des Arbeitgebers, festzustellen, daß die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. als Sozialberaterin in die VergGr. V b Fallgr. 12.2 entsprechend dem gekündigten Tarifvertrag „Tätigkeitsmerkmale” als erteilt gilt, hilfsweise, die vom Betriebsrat verweigerte Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. als Sozialberaterin in die VergGr. V b Fallgr. 12.2 entsprechend dem gekündigten Tarifvertrag „Tätigkeitsmerkmale” zu ersetzen, nicht angefochten worden, dieser Teil der Entscheidung somit rechtskräftig geworden ist. Zum andern ergibt sich das daraus, daß das Landesarbeitsgericht – insoweit folgerichtig – in seinem Teilbeschluß auf die Beschwerde des Betriebsrats – unter Zurückstellung weiterer Wideranträge – lediglich über den Widerantrag 1 entschieden und insoweit die Rechtsbeschwerde zugelassen hat.
2. Eine anderweitige Rechtshängigkeit – hier auf Grund der Anträge des Arbeitgebers – steht dem Widerantrag 1 nicht entgegen.
Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, daß der Streitgegenstand der Anträge des Arbeitgebers nicht mit dem im Widerantrag 1 des Betriebsrats identisch ist, ist dem zwar im Ergebnis, nicht jedoch in der Begründung zu folgen.
Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist Teil der Eingruppierung hier auch die Festsetzung der Lebensaltersstufe. Auch wenn es dem Willen des Arbeitgebers entsprochen haben sollte, seine Anträge auf die Eingruppierung nach Maßgabe des TV Nr. 3, aber ohne Lebensaltersstufe, zu beschränken, ist eine solche Aufspaltung des Eingruppierungsvorgangs in die Einreihung in eine Vergütungs- und Fallgruppe der zugrundeliegenden Vergütungsordnung und in die Festsetzung der Lebensaltersstufe nicht zulässig.
Das Mitbestimmungsverfahren bei einer Eingruppierung nach § 99 BetrVG ist ein einheitliches Verfahren, das die Eingruppierung in allen ihren Teilen erfaßt. Auch wenn die Eingruppierungsentscheidung mehrere Fragestellungen beinhaltet – hier die Auswahl zwischen einer Vergütungsordnung mit und einer solchen ohne Aufstieg nach Lebensaltersstufen sowie die Einreihung in die zutreffende Vergütungs- und Fallgruppe –, kann der Arbeitgeber das Mitbestimmungsverfahren nicht auf die einzelnen Teile beschränken. Eine „richtige” Eingruppierung, zu der die Zustimmung nach § 99 BetrVG einzuholen ist, liegt nur dann vor, wenn alle Teilfragen zutreffend beurteilt worden sind; eine „Teileingruppierung” kommt einer unrichtigen, unzutreffenden Eingruppierung gleich(BAG 27. Juli 1993 – 1 ABR 11/93 – BAGE 74, 10). Dementsprechend hätte das Arbeitsgericht – wie der Arbeitgeber zutreffend vorträgt – die Zustimmung zur Eingruppierung der Mitarbeiterin Ute S. ersetzen müssen, da es die Festsetzung der Lebensaltersstufe hier nicht als Teil der Eingruppierungsentscheidung angesehen hat, der Betriebsrat der Eingruppierung aber nur zustimmen wollte, wenn diese sich auch auf die Lebensaltersstufe erstreckt. Der Arbeitgeber hat nämlich die Zustimmung zu einer Eingruppierung ohne die Lebensaltersstufe begehrt.
Hat das Arbeitsgericht demnach fehlerhafterweise ausdrücklich nur über einen Teil der Eingruppierung, nämlich über die Einreihung in die Vergütungs- und Fallgruppe entschieden, kann nicht davon ausgegangen werden, daß die Rechtskraft dieser Entscheidung über die Zustimmung zur Vergütungs- und Fallgruppe einer Entscheidung über den Widerantrag 1 des Betriebsrats entgegensteht, der sich auf die Lebensaltersstufe und damit auf die Frage bezieht, welche Vergütungsordnung anzuwenden ist. Der Umfang der Rechtskraft einer gerichtlichen Entscheidung bestimmt sich auch im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren(Senat 6. Juni 2000 – 1 ABR 21/99 – zur Veröffentlichung vorgesehen) danach, worüber das Gericht entschieden hat(§ 322 Abs. 1 ZPO – BGH 25. Februar 1985 – VIII ZR 116/84 – BGHZ 94, 29), nicht danach, worüber es hätte entscheiden müssen.
3. Eine Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht kommt aber trotz der – insoweit fehlerhaften – Entscheidung nicht in Betracht.
Das Rechtsbeschwerdegericht kann durch Klarstellung des Tenors in der Sache entscheiden, wenn es davon ausgeht, daß die Festsetzung der Lebensaltersstufe Teil der Eingruppierung ist, und weiter zu dem Ergebnis kommt, daß eine Eingruppierung ohne Festsetzung der Lebensaltersstufe mangels Beteiligung des Betriebsrats bei der Schaffung einer entsprechenden Vergütungsordnung einen Gesetzesverstoß darstellt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG).
II. Der Widerantrag ist begründet.
1. Der vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. liegt ein Eingruppierungssystem zugrunde, das die im MTV Nr. 2 enthaltenen Lebensaltersstufen nicht mehr vorsieht. Insoweit will der Arbeitgeber – der bei Eingruppierungen neu eingestellter Arbeitnehmer ab 1998 generell so vorgehen möchte – der Eingruppierung ein Vergütungssystem zugrunde legen, bei dem der Betriebsrat nicht beteiligt worden ist. Darin liegt ein Gesetzesverstoß im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 iVm. § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, der die Zustimmungsverweigerung des Betriebsrats rechtfertigt.
a) Der Arbeitgeber hat das Zustimmungsverfahren allerdings ordnungsgemäß eingeleitet; er hat den Betriebsrat hinreichend informiert (§ 99 BetrVG).
Der „Einstellungsbogen” vom 24. März 1998 enthält die für den Betriebsrat erforderlichen Informationen bezogen auf die Tätigkeit der Arbeitnehmerin Ute S. sowie die Auffassung des Arbeitgebers, welche Vergütungsgruppe hieraus folgt. Die streitige Frage der Lebensaltersstufe ist mit dem Kürzel „LA 21” benannt. Der Betriebsrat hat insoweit keine Rügen erhoben; es ist somit davon auszugehen, daß er die Übermittlung des „Einstellungsbogens” als Einleitung des Mitbestimmungsverfahrens nach § 99 BetrVG betreffend die Einstellung sowie die Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. verstanden hat. Hierfür spricht auch sein Antwortschreiben vom 31. März 1998.
b) Die Zustimmung des Betriebsrats gilt nicht nach § 99 Abs. 3 Satz 2 BetrVG als erteilt. Es liegt eine beachtliche Zustimmungsverweigerung vor.
Die Zustimmungsverweigerung ist form- und fristgerecht erfolgt. Der Betriebsrat hat sie auch hinreichend begründet. Er hat ua. die Zustimmungsverweigerung darauf gestützt, die vorgenommenen Eingruppierungsmerkmale verstießen gegen die beim Arbeitgeber geltenden Tarifverträge. Damit läßt es die Zustimmungsverweigerung als möglich erscheinen, daß einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG abschließend aufgezählten Gründe geltend gemacht wird(st. Rspr. seit Senat 26. Januar 1988 – 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242). Die Begründung des Betriebsrats genügt daher den an sie zu stellenden Anforderungen. Es entspricht der ständigen Senatsrechtsprechung, daß der Betriebsrat einer beabsichtigten Eingruppierung auch mit der Begründung widersprechen kann, die vom Arbeitgeber angewandte Vergütungsgruppenordnung sei nicht diejenige, welche im Betrieb zur Anwendung kommen müsse(BAG 27. Januar 1987 – 1 ABR 66/85 – BAGE 54, 147; 30. Januar 1990 – 1 ABR 98/88 – BAGE 64, 94; 1. März 1995 – 1 ABR 43/94 – ZTR 1995, 427; 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 99 Umgruppierung Nr. 1). Zum mitbestimmungspflichtigen Eingruppierungsvorgang (§ 99 Abs. 1 BetrVG) gehört auch die Frage, ob der Arbeitgeber die für den Arbeitnehmer zutreffende Vergütungsordnung anwendet(BAG 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – aaO). Es geht bei der Eingruppierung nicht nur darum, ob innerhalb der einen oder anderen Vergütungsordnung die richtige Fallgruppe bzw. Vergütungsgruppe ermittelt worden ist(Senat 27. Januar 1987 – 1 ABR 66/85 – aaO; 1. März 1995 – 1 ABR 43/94 – aaO, zu B I 1 der Gründe), vielmehr ist bereits die Entscheidung des Arbeitgebers, nicht mehr das tarifvertragliche Eingruppierungschema des MTV Nr. 2 unter Einbeziehung der Lebensaltersstufe und eines Bewährungsaufstiegs anzuwenden, sondern ein neues Vergütungssystem unter Ausschluß der Lebensaltersstufen und der Möglichkeit des Bewährungsaufstiegs, eine Eingruppierungsentscheidung.
Daß der Betriebsrat in der Zustimmungsverweigerung nicht zwischen der Einstellung und der Eingruppierung unterschieden hat, ist unschädlich. Da der Arbeitgeber einheitlich zu beiden Maßnahmen angehört und um Zustimmung gebeten hat, mußte er – da der Betriebsrat der personellen Maßnahme mit Bezug auf die Unterrichtung durch den Arbeitgeber seine Zustimmung verweigert hat – die Verweigerung selbst und die Begründung zumindest auch auf die Eingruppierung beziehen.
c) Der Betriebsrat hat die Zustimmung zu Recht verweigert, weil die vom Arbeitgeber beabsichtigte Eingruppierung der Mitarbeiterin Ute S. gegen ein Gesetz verstößt (§ 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG).
Eine Eingruppierung stellt keine Rechtsgestaltung dar, sondern einen gedanklichen Vorgang. Sie ist ein Akt der Rechtsanwendung und die Kundgabe des hierbei gefundenen Ergebnisses, daß nämlich die vom Arbeitnehmer zu verrichtenden Tätigkeiten den Tätigkeitsmerkmalen einer bestimmten Vergütungsgruppe entsprechen und daher der Arbeitnehmer in diese Gruppe einzuordnen ist. An diesem Akt der Rechtsanwendung ist der Betriebsrat nach § 99 Abs. 1 BetrVG zu beteiligen. Bei seinem Mitbestimmungsrecht handelt es sich um ein Mitbeurteilungsrecht im Sinne einer Richtigkeitskontrolle(st. Senatsrechtsprechung vgl. 20. Dezember 1988 – 1 ABR 68/87 – BAGE 60, 330; 20. März 1990 – 1 ABR 20/89 – BAGE 64, 254; 2. April 1996 – 1 ABR 50/95 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 7 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 138).
Der Zustimmungsersetzung durch die Arbeitsgerichte nach § 99 Abs. 4 BetrVG steht entgegen, daß der Arbeitgeber die Eingruppierung in eine einseitig aufgestellte – neue – Vergütungsordnung vornehmen möchte, der der Betriebsrat nicht zugestimmt hat (§ 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG). Die vom Arbeitgeber der Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. zugrunde gelegte Vergütungsordnung ist nicht wirksam. Sie hat die bisher im Betrieb bestehende nicht abgelöst. Die Eingruppierung nach einer unwirksamen Vergütungsordnung ist ein Gesetzesverstoß im Sinne von § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG.
2. Hat der Betriebsrat demnach zu Recht die Zustimmung zur Eingruppierung der Arbeitnehmerin Ute S. verweigert, war im Tenor klarzustellen, daß bezüglich der Eingruppierung noch ein Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen ist.
Nach ständiger Rechtsprechung des Senats kann der Betriebsrat nach § 101 Satz 1 BetrVG nicht die „Aufhebung einer Eingruppierung” verlangen, wenn der Arbeitgeber die Eingruppierung unter Verletzung des Mitbestimmungsrechts durchgeführt hat. Da die Eingruppierung kein konstitutiver Akt, sondern die Kundgabe einer Rechtsansicht ist, kann sie nicht aufgehoben, sondern nur aufgegeben werden. In Fällen der Eingruppierung kann der Betriebsrat deshalb zur Sicherung seines Mitbestimmungsrechts nach § 101 Satz 1 BetrVG vom Arbeitgeber die Einholung seiner Zustimmung und bei Verweigerung derselben die Durchführung des arbeitsgerichtlichen Zustimmungsersetzungsverfahrens verlangen, solange nicht die Zustimmung vorliegt(Senat 20. Dezember 1988 – 1 ABR 68/87 – BAGE 60, 330; 3. Oktober 1989 – 1 ABR 66/88 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 75 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 83; 23. November 1993 – 1 ABR 34/93 – AP BetrVG 1972 § 99 Nr. 111 = EzA BetrVG 1972 § 99 Nr. 119; 12. August 1997 – 1 ABR 13/97 – AP BetrVG 1972 § 99 Eingruppierung Nr. 14 = EzA BetrVG 1972 § 99 Umgruppierung Nr. 1).
Da weder der Betriebsrat der vom Arbeitgeber beabsichtigten Eingruppierung der Mitarbeiterin Ute S. in ein Eingruppierungschema ohne Lebensaltersstufen, das vom MTV Nr. 2 abweicht, zugestimmt hat, noch die Vorinstanzen die Zustimmung ersetzt haben, hat der Arbeitgeber – was die Klarstellung des Tenors zum Ausdruck bringt – nach § 101 BetrVG hinsichtlich der Eingruppierung der Mitarbeiterin Ute S. noch das Zustimmungsersetzungsverfahren durchzuführen.
Unterschriften
Wißmann, Rost, Hauck, Gnade, Münzer
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 27.06.2000 durch Klapp, Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 558068 |
BB 2001, 1094 |
BB 2001, 580 |
DB 2001, 600 |
NZA 2001, 626 |
AP, 0 |