Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Arbeitnehmerähnliche Person
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 1 S. 1, § 2 Abs. 1 Nr. 3b; GVG § 17a
Verfahrensgang
LAG Köln (Beschluss vom 22.09.1994; Aktenzeichen 12 Ta 144/94) |
ArbG Bonn (Beschluss vom 08.06.1994; Aktenzeichen 2 Ca 1302/94) |
Tenor
1. Die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten gegen den Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. September 1994 – 12 Ta 144/94 – wird zurückgewiesen.
2. Die Beklagte hat die Kosten der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
Tatbestand
A. Die Parteien streiten darüber, ob für die vom Kläger beim Arbeitsgericht erhobene Klage der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten gegeben ist oder der zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit.
Die Beklagte befaßt sich mit der Herstellung und dem Vertrieb von Fotokopiergeräten. Sie bietet hierfür gegenüber ihren Kunden einen sog. Service an, der u.a. in der Wartung der Geräte und dabei vor allem dem Austausch der sog. CopyBox besteht. Den Service läßt sie durch sog. Service-Beauftragte durchführen.
Der Kläger war seit Februar 1991 für die Beklagte als Service-Beauftragter tätig. Seiner Beschäftigung lag ein Formularvertrag der Beklagten zugrunde, wonach der Service-Beauftragte „als freier Mitarbeiter tätig” wird. Wegen der Einzelheiten wird auf das eingereichte Vertragsmuster (Anlage K 1) Bezug genommen. Die Vergütung erfolgte für jede Installation bzw. Einweisung des Telekopierers beim Kunden der Beklagten bzw. für jede Wartung nach festen Vergütungssätzen zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Die Umsätze des Klägers mit der Beklagten betrugen im 1. Halbjahr 1991 10.303,00 DM, im 2. Halbjahr 1991 34.978,00 DM, im Jahre 1992 77.155,00 DM und im Jahre 1993 81.750,00 M. jeweils zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Der Kläger war nur für die Beklagte tätig.
Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 29. März 1994 den Servicebeauftragten-Vertrag mit Wirkung zum 1. Mai 1994. Mit seiner am 18. April 1994 beim Arbeitsgericht Bonn eingereichten Klage gegen diese Kündigung hat der Kläger Kündigungsschutzklage mit dem Antrag erhoben festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten vom 29. März 1994 nicht aufgelöst wird, sondern über den 1. Mai 1994 hinaus fortbesteht.
Der Kläger hat geltend gemacht, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Seine Stellung als freier Mitarbeiter habe nur auf dem Papier gestanden. Nach dem Rahmenvertrag sei er ausdrücklich persönlich zur Dienstleistung verpflichtet gewesen. Ohne Gefährdung des Rechtsverhältnisses zur Beklagten sei es ihm nicht möglich gewesen, die Durchführung der ihm auf getragenen und nach Art, Inhalt und Ort vorgegebenen Arbeitsleistung abzulehnen. In zeitlicher Hinsicht sei er bis hin zu Fixaufträgen gebunden gewesen. Die Beklagte habe ihm schließlich auch noch das benötigte Werkzeug zur Verfügung gestellt. Insgesamt sei der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben.
Die Beklagte hält dem entgegen, es sei nicht der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gegeben, sondern der zu den Gerichten der ordentlichen Gerichtsbarkeit. Der Kläger sei kein Arbeitnehmer. Er sei von der Beklagten nicht hinreichend persönlich abhängig. Vielmehr bestimme der Kläger seinen Arbeitseinsatz und den Arbeitsumfang völlig selbst. Er sei nicht verpflichtet, Aufträge anzunehmen. Es werde lediglich von ihm erwartet, daß er die Beklagte wissen lasse, wenn er eingehende Aufträge nicht innerhalb der üblichen Zeitspanne abarbeiten könne oder wolle. Dann würde der Auftrag an andere Service-Beauftragte vergeben. Die Einhaltung der im Dienst- oder Werkvertrag vereinbarten Leistungsmerkmale stelle keine arbeitsrechtliche Weisung dar. Entsprechendes gelte auch für die Vereinbarung eines Zeitrahmens, wonach die Aufträge regelmäßig innerhalb von fünf Tagen erledigt werden sollten.
Mit seinem Beschluß vom 8. Juni 1994 hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen verneint und den Rechtsstreit an das sachlich zuständige Landgericht verwiesen, allerdings ohne anzugeben, welches Landgericht örtlich zuständig sei (Bonn oder Düsseldorf). Gegen diesen am 22. Juni 1994 zugestellten Beschluß hat der Kläger am 30. Juni 1994 sofortige Beschwerde eingelegt; die Beklagte hat sich im Wege der Anschlußbeschwerde gegen den Beschluß gewandt.
Das Landesarbeitsgericht hat auf die sofortige Beschwerde des Klägers den Beschluß des Arbeitsgerichts aufgehoben und festgestellt, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen zulässig ist. Es hat die weitere sofortige Beschwerde zugelassen.
Mit ihrer weiteren sofortigen Beschwerde möchte die Beklagte erreichen, daß der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt wird.
Entscheidungsgründe
B. Die weitere sofortige Beschwerde ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 b i.V.m. § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG im Ergebnis zu Recht bejaht. Er ist schon deswegen eröffnet, weil der Kläger im Verhältnis zur Beklagten zumindest als arbeitnehmerähnliche Person im Sinne des § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG anzusehen ist. Hiernach ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für solche Personen gegeben, „die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind”. Arbeitnehmerähnliche Personen im Sinne dieser Bestimmung sind keine Arbeitnehmer. Denn sie sind wegen der fehlenden Eingliederung in eine betriebliche Organisation und wegen im wesentlichen freier Zeitbestimmung nicht im selben Grad persönlich abhängig wie Arbeitnehmer. An die Stelle der persönlichen Abhängigkeit und Weisungsgebundenheit tritt allerdings das Merkmal der wirtschaftlichen Unselbständigkeit (BAG Urteil vom 17. Oktober 1990 – 5 AZR 639/89 – BAGE 66, 113 = AP Nr. 9 zu § 5 ArbGG 1979). Dabei kann eine arbeitnehmerähnliche Person auch für mehrere Auftraggeber tätig sein, jedoch ist für sie kennzeichnend, daß die Beschäftigung für einen der mehreren Auftraggeber wesentlich ist und die daraus fließende Vergütung die entscheidende Existenzgrundlage darstellt (BAG Urteil vom 17. Oktober 1990, a.a.O.).
II. Diese Voraussetzungen liegen hier im Verhältnis des Kläger zur Beklagten vor.
1. Er war schließlich für die Beklagte als deren „Auftragnehmer” tätig; seine Einnahmen aus dieser Betätigung erreichten eine Größenordnung, die ohne weiteres den Schluß auf eine wirtschaftliche Abhängigkeit zuläßt. Zu Unrecht verweist die Beklagte in diesem Zusammenhang auf eine Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts, wonach ein Dienstnehmer nicht als arbeitnehmerähnliche Person angesehen worden ist, der als Berater tätig war und 6.300,00 DM monatlich an Bezügen zuzüglich Garantieprovisionen erhielt. Sie übersieht, daß es sich um eine Entscheidung aus dem Jahre 1961 handelt (BAG Urteil vom 23. Dezember 1961 – 5 AZR 53/61 – AP Nr. 2 zu § 717 ZPO) und der dortige Dienstnehmer (Kläger) mit seinen damaligen Bezügen weit über dem lag, was damals für Arbeitnehmer normalerweise erreichbar war.
2. Auf die angeblich fehlende soziale Schutzbedürftigkeit des Klägers kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten ebenfalls nicht an. Das Tatbestandsmerkmal der sozialen Schutzbedürftigkeit ist im § 5 Satz 1 Abs. 2 ArbGG (wie auch in § 2 Satz 2 BUrlG) nicht genannt, sondern nur in § 12 Abs. 1 Nr. 1 TVG (vgl. RGRK-Schliemann, 70. Lieferung (1994), § 611 BGB Rz 1069, 1070, 1074).
3. Unerheblich wäre auch, wenn der Kläger – wie die Beklagte anhand von Tatsachenbehauptungen deutlich macht – nicht derart in die Organisation der Beklagten eingeordnet ist, daß hieraus auf eine persönliche Abhängigkeit des Klägers zur Beklagten zu schließen wäre. Arbeitnehmerähnliche Personen unterscheiden sich von Arbeitnehmern gerade dadurch, daß bei den arbeitnehmerähnlichen Personen kein hinreichender Grad persönlicher Abhängigkeit, sondern nur eine wirtschaftliche Abhängigkeit festzustellen ist.
III. Bei dieser Sach- und Rechtslage kann dahinstehen, ob der Begründung im angefochtenen Beschluß zu folgen ist, wonach es genüge, daß der Kläger schlüssig vorgetragen habe, Arbeitnehmer zu sein, oder ob es – wie die Beklagte unter Hinweis auf den Beschluß des Bundesarbeitsgerichts vom 13. Juli 1994 – 2 AZB 19/94 –, n.v., meint – angesichts des Tatsachenstreits der Parteien einer Beweisaufnahme bedurft hätte.
IV. Ob der Kläger dagegen materiell-rechtlich Arbeitnehmer ist, vor allem, ob auf das Rechtsverhältnis der Parteien das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden ist, werden die Gerichte für Arbeitssachen, ggf. nach entsprechender Beweisaufnahme, im Verfahren über die Sache selbst zu entscheiden haben.
Unterschriften
Griebeling, Schliemann, Reinecke
Fundstellen