Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung an Verweisungsbeschluß
Normenkette
ZPO § 36 Nr. 6, § 29 Abs. 1; ArbGG n.F. § 48 Abs. 1; GVG n.F. § 17a Abs. 2 n.F.; GG Art. 103 Abs. 1
Verfahrensgang
ArbG Offenbach am Main (Beschluss vom 20.01.1994; Aktenzeichen 1 Ca 227/93) |
Tenor
Als örtlich zuständiges Gericht wird das Arbeitsgericht Köln bestimmt.
Tatbestand
I. Die teilzeitbeschäftigte Klägerin, stellvertretende Betriebsratsvorsitzende, verlangt von der Beklagten für zwei eintägige und eine sechstägige Schulung Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt der mittelbaren Frauendiskriminierung. Die Klägerin ist im Kölner Betrieb der Beklagten beschäftigt. Die Beklagte hat ihren Sitz in Frankfurt (Arbeitsgerichtsbezirk Frankfurt) und ihre Hauptverwaltung in Neu-Isenburg (Arbeitsgerichtsbezirk Offenbach). Die Klägerin erhob Klage vor dem Arbeitsgericht Köln. Mit Schreiben vom 25. Februar 1993 wies dieses auf Bedenken hinsichtlich seiner örtlichen Zuständigkeit hin und äußerte die Auffassung, daß nach dem Klägervorbringen das Arbeitsgericht Offenbach örtlich zuständig sein dürfte. Weiter teilte es mit, daß über eine eventuelle Verweisung am 23. März 1993 entschieden werde. Durch Kammerbeschluß vom 23. März 1993 erklärte sich das Arbeitsgericht Köln für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Arbeitsgericht Offenbach mit der Begründung, daß die Beklagte dort ihren Sitz habe. Ein Schriftsatz der Klägerin vom 22. März 1993, eingegangen am 22. März 1993, in dem die Klägerin ihre Auffassung bekräftigte, daß das Arbeitsgericht Köln zuständig sei, wurde nicht berücksichtigt, da dieser Schriftsatz erst nach dem Erlaß des Verweisungsbeschlusses vorgelegt wurde.
Durch Kammerbeschluß vom 12. Mai 1993 verwies das Arbeitsgericht Offenbach den Rechtsstreit zurück an das Arbeitsgericht Köln, und zwar mit der Begründung, der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Köln sei ohne Gewährung rechtlichen Gehörs erlassen worden. Mit Schreiben vom 9. Juni 1994 lehnte das Arbeitsgericht Köln es ab, in dieser Sache weiter tätig zu werden und sandte die Akten zurück an das Arbeitsgericht Offenbach. Dieses hat mit Kammerbeschluß vom 20. Januar 1994 das Bundesarbeitsgericht ersucht, das örtlich zuständige Arbeitsgericht gemäß § 36 Nr. 6 ZPO zu bestimmen.
Entscheidungsgründe
II. örtlich zuständig ist das Arbeitsgericht Köln. Dessen Verweisungsbeschluß bindet das Arbeitsgericht Offenbach nicht; wohl aber bindet der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Offenbach das Arbeitsgericht Köln.
1. Die Voraussetzungen für die Durchführung des Bestimmungsverfahrens nach § 36 Nr. 6 ZPO sind erfüllt. Die Arbeitsgerichte Köln und Offenbach haben sich rechtskräftig für unzuständig erklärt, ersteres durch formell unanfechtbaren Beschluß vom 23. März 1993, letzteres durch ebenfalls formell unanfechtbaren Beschluß vom 12. Mai 1993.
2. Rechtskräftige Verweisungsbeschlüsse sind für das Gericht, an das der Rechtsstreit verwiesen worden ist, bindend. Dies ergibt sich aus § 48 Abs. 1 ArbGG n.F., § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. Die bindende Wirkung ist nach ständiger Rechtsprechung des Senats auch im Bestimmungsverfahren des § 36 Nr. 6 ZPO zu beachten (vgl. statt vieler: BAG Beschluß vom 11. Januar 1982 – 5 AR 221/81 – AP Nr. 27 zu § 36 ZPO). Nur so kann der Zweck des § 17 a Abs. 2 Satz 3 GVG n.F. erreicht werden, unnötige und zu Lasten der Parteien gehende Zuständigkeitsstreitigkeiten zu vermeiden. Das bedeutet: Es ist das Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den ersten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, dieser ist ausnahmsweise nicht bindend. In diesem Fall ist dasjenige Gericht als zuständig zu bestimmen, an das die Sache durch den zweiten Verweisungsbeschluß gelangt ist, es sei denn, (auch) dieser ist ausnahmsweise nicht bindend.
Auch fehlerhafte Verweisungsbeschlüsse sind grundsätzlich bindend. Lediglich eine offensichtlich gesetzwidrige Verweisung kann diese Bindungswirkung nicht entfalten (BAG Beschluß vom 29. September 1976 – 5 AZR 232/76 – AP Nr. 20 zu § 36 ZPO, zu II 2 der Gründe; zum neuen Recht Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 – EzA § 17 a GVG Nr. 1, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung des Gerichts vorgesehen; Zöller/Vollkommer, ZPO, 18. Aufl., § 36 Rz 25, 28; einschränkend zum neuen Recht Zöller/Gummer, a.a.O., GVG § 17 a Rz 13). Offensichtlich gesetzwidrig ist ein Verweisungsbeschluß dann, wenn er jeder Rechtsgrundlage entbehrt, willkürlich gefaßt ist oder auf der Versagung rechtlichen Gehörs gegenüber den Verfahrensbeteiligten oder einem von ihnen beruht (BAG Beschluß vom 1. Juli 1992 – 5 AS 4/92 –, a.a.O., zu II 3 a der Gründe; BGHZ 71, 69, 72 f. = NJW 1978, 1163, 1164). Letzteres ist aber nur dann anzunehmen, wenn der Beschluß für die Partei, der das rechtliche Gehör verweigert wurde, unanfechtbar ist. Denn der Mangel des rechtlichen Gehörs kann durch nachträgliche Anhörung in der Rechtsmittelinstanz geheilt werden. Die nicht angehörte Partei kann in diesem Fall auf die Einlegung des Rechtsmittels verwiesen werden (BAG Beschluß vom 3. November 1993 – 5 AS 20/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen). In seinem Beschluß vom 31. Januar 1994 (– 5 AS 23/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen) hat der Senat entschieden, daß Beschlüsse, durch die der Rechtsstreit wegen örtlicher Unzuständigkeit verwiesen wird, ausnahmsweise dann nicht bindend sind, wenn das verweisende Gericht über die Zuordnung des von ihm für maßgeblich gehaltenen Ortes (Wohnsitz, Sitz, Erfüllungsort, Begehungsort usw.) zu dem Bezirk des Gerichts, an das verwiesen worden ist, offensichtlich geirrt hat.
Gleiches muß gelten, wenn das verweisende Gericht offensichtlich über den Wohnsitz, Sitz, Erfüllungsort, Begehungsort usw. geirrt hat.
So liegen die Dinge hier. Das Arbeitsgericht Köln hat aus dem Umstand, daß die Beklagte ihre Hauptverwaltung in Neu-Isenburg (Arbeitsgerichtsbezirk Offenbach) hat, den falschen Schluß gezogen, daß sich dort auch ihr Sitz befindet. Das ist jedoch – wie sich aus der Akte ergibt – offensichtlich unrichtig. Die Beklagte hat danach ihren Sitz in Frankfurt am Main.
Es kann daher offenbleiben, ob der Verweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Köln unter Verletzung des Gebots, rechtliches Gehör zu gewähren, zustandegekommen ist. Es sei aber darauf hingewiesen, daß die Auffassung des Arbeitsgerichts Köln dazu nicht unbedenklich erscheint. Es ist Aufgabe des Gerichts, den Parteien klare Fristen zur Stellungnahme zu setzen. Diese Klarheit ist bei der Verfahrensweise des Arbeitsgerichts Köln, wonach nur der Termin der Beschlußfassung angegeben wird, nicht ohne weiteres gewährleistet.
III. Dagegen ist der Rückverweisungsbeschluß des Arbeitsgerichts Offenbach vom 12. Mai 1993 bindend. Dieses hat die Zuständigkeit des Arbeitsgerichts Köln im Ergebnis zu Recht bejaht.
Der Senat hat bereits in seinem Beschluß vom 3. November 1993 (– 5 AS 20/93 –, a.a.O.) darauf hingewiesen, daß bei Arbeitsverhältnissen in der Regel von einem einheitlichen (gemeinsamen) Erfüllungsort auszugehen ist und daß dies der Ort ist, an dem der Arbeitnehmer die Arbeitsleistung zu erbringen hat. Darauf kommt es aber im vorliegenden Fall nicht einmal an. Denn die Parteien haben konkludent Köln als Erfüllungsort für die Gehaltszahlung vereinbart. Dies ergibt sich mit hinreichender Deutlichkeit aus dem Schreiben der Beklagten an die Klägerin vom 9. September 1991, in dem der Klägerin von Köln aus mitgeteilt wurde, daß die Abrechnung falsch sei.
Mit der Verweisung an das Arbeitsgericht Köln hat das Arbeitsgericht Offenbach der von der Klägerin unter mehreren zuständigen Gerichten getroffenen Wahl (§ 35 ZPO) Rechnung getragen.
Unterschriften
Dr. Thomas, Dr. Gehring, Dr. Reinecke
Fundstellen