Entscheidungsstichwort (Thema)
Versäumung der Revisionsbegründungsfrist. Wiedereinsetzung in den vorigen Stand
Leitsatz (redaktionell)
Fehladressierung infolge Verwechslung der Telefax-Nummer (Parallelurteil des Senats vom 30. März 1995 – 2 AZR 1020/94 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Normenkette
ZPO §§ 233, 554, 554a
Verfahrensgang
LAG Brandenburg (Urteil vom 11.07.1994; Aktenzeichen 6 (4) Sa 926/93) |
ArbG Eberswalde (Urteil vom 07.10.1993; Aktenzeichen 3 Ca 25/93) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Brandenburg vom 11. Juli 1994 – 6 (4) Sa 926/93 – wird auf ihre Kosten unter gleichzeitiger Zurückweisung des Antrages auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand als unzulässig verworfen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um die Wirksamkeit einer fristgemäßen Kündigung laut Schreiben vom 11. Dezember 1992 zum 30. Juni 1993, die die Beklagte wegen Auflösung eines von der NVA der DDR übernommenen Lagers ausgesprochen hat. Das Arbeitsgericht Eberswalde hat durch Urteil vom 7. Oktober 1993 unter Klageabweisung im übrigen festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei durch die Kündigung erst am 30. September 1993 aufgelöst worden. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht Brandenburg durch Urteil vom 11. Juli 1994 diese Entscheidung abgeändert und festgestellt, das Arbeitsverhältnis sei – wegen fehlerhafter Personalratsbeteiligung – durch die Kündigung der Beklagten nicht aufgelöst worden. Gegen dieses ihr am 24. November 1994 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 23. Dezember 1994 Revision eingelegt und diese nach Verlängerung der Revisionsbegründungsfrist bis 23. Februar 1995 mit einem am 24. Februar 1995 beim Bundesarbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz begründet.
Nach Hinweis auf die Versäumnis der Revisionsbegründungsfrist macht die Beklagte mit ihrem Wiedereinsetzungsantrag geltend, bei der Übermittlung der Revisionsbegründung per Telefax sei der ansonsten gut geschulten und zuverlässigen Anwaltssekretärin Lehmann das Mißgeschick passiert, das Telefax nicht unter der richtigen Nummer an das Bundesarbeitsgericht, sondern an die falsche Telefax-Nummer 0561/7120062 der Prozeßbevollmächtigten des Klägers – bei richter Adressierung des Schriftsatzes an das Bundesarbeitsgericht – abgesandt zu haben. Aus dem Sendebericht, der das Ergebnis als O.K. bezeichnet habe, sei der Fehler, an dem auch die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten kein Verschulden treffe, nicht zu ersehen gewesen. Die Prozeßbevollmächtigten der Beklagten hätten sich darauf verlassen dürfen, die angegebene Telefax-Nummer stimme, nachdem in den Zeilen vorher ausdrücklich die Adresse des Bundesarbeitsgerichts angeführt und zuvor auch die Revisionsschrift (mit der richtigen Telefax-Nummer des Bundesarbeitsgerichts) ohne Komplikationen übermittelt worden sei.
Entscheidungsgründe
II. Die Revision ist unzulässig, § 554 a ZPO. Die Beklagte hat die Revision nicht innerhalb der am 23. Februar 1995 abgelaufenen Frist (§ 554 Abs. 2 ZPO) begründet.
Gegen die Fristversäumung hat die Beklagte zwar in zulässiger Weise Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt; insbesondere hat sie den Antrag in der gebotenen Form (§ 236 ZPO) und innerhalb der hierfür geltenden Frist (§ 234 ZPO) gestellt. Ihr Antrag ist jedoch sachlich unbegründet. Es kann nämlich nicht ausgeschlossen werden, daß die Fristversäumung auf einem Organisationsverschulden der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten im Sinne von § 233 ZPO beruht, welches der Beklagten gemäß § 85 Abs. 2 ZPO zuzurechnen ist.
Fristgebundene Schriftsätze können mit Telefax fristwahrend übermittelt werden (vgl. BVerfGE 74, 228, 234 = AP Nr. 37 zu Art. 103 GG; BAG Urteil vom 14. September 1994 – 2 AZR 95/94 – BB 1995, 102, m.w.N.). Dabei darf der Anwalt das Absenden der Telekopie auch einer zuverlässigen, hinreichend geschulten und überwachten Bürokraft übertragen (vgl. BGH Beschluß vom 28. Oktober 1993 – VII ZB 22/93 – AP Nr. 28 zu § 233 ZPO 1977). Allerdings ist der Anwalt gehalten, durch entsprechende organisatorische Maßnahmen Fehlerquellen bei der Behandlung von Fristsachen in größtmöglichem Umfang auszuschließen (vgl. BGH Beschluß vom 17. November 1992 – X ZB 20/92 – NJW 1993, 732, m.w.N.). Für die richtige Adressierung des Schriftsatzes trägt der Anwalt auch bei der Übermittlung per Telefax die persönliche Verantwortung; soweit er die Adressierung seinem Büropersonal überläßt, hat er sie selbst auf Vollständigkeit und Richtigkeit zu überprüfen (vgl. BGH Beschluß vom 10. Januar 1990 – XII ZB 141/89 – NJW 1990, 990). Streitig ist allerdings, ob dies auch für die Ermittlung der richtigen Telefax-Nummer des zutreffend bezeichneten Empfängers gilt (bejahend Ebnet, NJW 1992, 2985, 2988; vgl. auch BGH Beschluß vom 26. Mai 1994 – III ZB 35/93 – AnwBl 1994, 520; a.A. BVerwG Urteil vom 26. April 1988 – 9 C 271/36 – NJW 1988, 2814; vgl. auch BGH Beschluß vom 30. März 1994 – XII ZB 134/93 – AnwBl, a.a.O.). Selbst wenn man aber annehmen wollte, der Anwalt müsse die zutreffende Telefax-Nummer weder selbst feststellen noch selbst überprüfen, so ist doch nicht zu übersehen, daß bei der Ermittlung und der Eingabe der Empfängernummer – wie auch der vorliegende Fall zeigt – leicht Fehler unterlaufen können, zu deren Vermeidung der Anwalt die möglichen und zumutbaren organisatorischen Vorkehrungen zu treffen hat. Wenn sich aufgrund technischer Übermittlungsmöglichkeit (Telefax) die dafür erforderliche „Adresse” auf wenige Ziffern reduziert – bei gleichzeitiger und richtiger buchstabengetreuer Wiedergabe der Anschrift des Empfängers –, dann gilt eine erhöhte Sorgfaltspflicht. Dazu gehört die Anweisung an das Büropersonal, den Sendebericht nicht nur auf die vollständige und fehlerfreie Übermittlung des Textes, sondern auch auf die richtige Empfängernummer abschließend zu kontrollieren, denn die Verwendung der richtigen Empfängernummer kommt im Telefaxverkehr der Adressierung des Schriftsatzes gleich (ebenso BayObLG Beschluß vom 13. Oktober 1994 – 1 Z RR 39/94 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
Die Beklagte hat nicht vorgetragen, daß im Büro des Prozeßbevollmächtigten der Beklagten eine solche Anweisung bestanden hätte. Es ist auch nicht ersichtlich, daß eine solch abschließende Kontrolle des Sendeberichts einschließlich der Empfängernummer erfolgt ist, denn andernfalls hätte der unterlaufene Ablesefehler, den offensichtlich schon der Prozeßbevollmächtigten der Beklagten bei Unterzeichnung der Revisionsbegründung übersehen hat, festgestellt und die Revisionsbegründung dem Bundesarbeitsgericht noch fristgerecht übermittelt werden können.
Unterschriften
Etzel, Bitter, Fischermeier
Fundstellen