Entscheidungsstichwort (Thema)
Pflicht zur Mitteilung der Gehaltshöhe nach § 99 BetrVG
Orientierungssatz
1. Nach § 99 Abs 1 S 2 BetrVG hat der Arbeitgeber bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Dagegen besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Betriebsrat über die Mitteilung der vorgesehenen Eingruppierung nach § 99 Abs 1 S 2 BetrVG hinaus auch die Höhe des tatsächlichen Gehalts mitzuteilen.
2. Im vorliegenden Fall verlangt der Betriebsrat eine Mitteilung des Gehalts der dem "International Staff" angehörenden Angestellten grundsätzlich nur bei der Einstellung als Teil der dem Arbeitgeber aus § 99 BetrVG obliegenden Unterrichtung. Ein solcher Anspruch des Betriebsrats besteht nicht.
Normenkette
BetrVG § 99 Abs. 2 Nr. 1, Abs. 1 Sätze 2, 1
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 26.01.1987; Aktenzeichen 15/5 TaBV 210/86) |
ArbG Frankfurt am Main (Entscheidung vom 27.03.1986; Aktenzeichen 13 BV 54/85) |
Gründe
A. Der Arbeitgeber (Antragsgegner) betreibt in der Rechtsform einer AG eine Bank in Frankfurt am Main, in der ca. 500 Arbeitnehmer beschäftigt sind. In diesem Betrieb, für den ein Betriebsrat (Antragsteller) gewählt ist, werden auch Arbeitnehmer tätig, die in einem Anstellungsverhältnis zur Hauptaktionärin, der C New York stehen, und von dieser in den Frankfurter Betrieb vorübergehend entsandt werden. Diese Angestellten gehören zum sog. "International Staff" der C New York, dessen Angehörige von dieser jeweils für bestimmte Zeit weltweit versetzt werden.
In der Rechtsbeschwerdeinstanz streiten die Beteiligten noch darum, ob der Arbeitgeber verpflichtet ist, bei der Einstellung von Angehörigen des "International Staff" dem Betriebsrat das tatsächlich bezogene Gehalt dieser Angestellten mitzuteilen. Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er könne nach § 99 Abs. 1 BetrVG verlangen, daß der Arbeitgeber ihn über das effektive Gehalt dieser Angestellten unterrichtet.
Der Betriebsrat hat insoweit in erster Instanz beantragt,
den Arbeitgeber zu verpflichten, bei Einstellungen
von Arbeitnehmern, die dem sogenannten "International
Staff" zugehören, das tatsächliche Gehalt mitzuteilen
und auch mitzuteilen, innerhalb welcher Obergrenzen
Housing Allowance (Haushaltszuschuß) gewährt wird.
Der Arbeitgeber hat beantragt, den Antrag abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, er sei zu der begehrten Unterrichtung nicht verpflichtet. Zur Mitteilung der Daten sei er nicht imstande, weil ihm diese vor der Einstellung der Angestellten selbst nicht bekannt seien. Die Angehörigen des "International Staff" könnten hinsichtlich der Mitteilung des Effektivgehalts nicht mit anderen Arbeitnehmern verglichen werden. Er habe nicht die Möglichkeit, die Höhe der Vergütung der entsandten Kräfte zu beeinflussen, da diese nicht von ihm, sondern von der C New York entlohnt würden. Für die Angehörigen des "International Staff" gelte auch ein vollkommen anderes System von Steuer- und Versicherungspflichten.
Das Arbeitsgericht hat unter Zurückweisung des Antrags auf Mitteilung der Obergrenze der "Housing Allowance" dem Antrag im übrigen stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Beschwerde des Arbeitgebers den Antrag insgesamt abgewiesen.
Mit der zugelassenen Rechtsbeschwerde begehrt der Betriebsrat hinsichtlich des noch im Streit befindlichen Antrags die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung, während der Arbeitgeber um Zurückweisung der Rechtsbeschwerde bittet.
B. Die Rechtsbeschwerde des Betriebsrats ist nicht begründet.
I. Die Rechtsbeschwerde ist in vollem Umfang zulässig. Das Landesarbeitsgericht hat die Rechtsbeschwerde im Tenor seiner Entscheidung zugelassen. Wenn es in den Entscheidungsgründen heißt, die Rechtsbeschwerde werde zugelassen, da nach dem Kenntnisstand des Gerichts zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung noch nicht höchstrichterlich geklärt gewesen sei, welche Anforderungen an die Rechtsmittelschrift im arbeitsgerichtlichen Verfahren hinsichtlich der Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift der Parteien bzw. Beteiligten zu stellen sind, so liegt darin keine Beschränkung der Zulassung der Rechtsbeschwerde. Mit diesem Hinweis wird die Zulassung der Rechtsbeschwerde lediglich begründet (vgl. Beschluß des Senats vom 12. Januar 1988 - 1 ABR 54/86 - AP Nr. 8 zu § 81 ArbGG 1979, zu B I der Gründe).
II. Die Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, die Beschwerde des Arbeitgebers sei zulässig. Durch den Beschluß des Großen Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 16. September 1986 (- GS 4/85 - BAGE 53, 30 = AP Nr. 53 zu § 518 ZPO) ist geklärt, daß im arbeitsgerichtlichen Verfahren eine Rechtsmittelschrift auch dann ordnungsgemäß ist, wenn sie nicht die ladungsfähige Anschrift des Rechtsmittelbeklagten oder seines Prozeßbevollmächtigten enthält. Die Erwägung des Großen Senats über die an eine Berufungs- und Revisionsschrift zu stellenden Anforderungen gelten im Ergebnis auch für die Beschwerde- und Rechtsbeschwerdeschrift im arbeitsgerichtlichen Beschlußverfahren (aaO, zu B II 1 der Gründe).
2. Gegen den Antrag des Betriebsrats bestehen keine verfahrensrechtliche Bedenken (vgl. für einen ähnlichen Antrag auf Verpflichtung des Arbeitgebers zur Einhaltung bestimmter Rechte des Betriebsrats nach § 99 Abs. 1 BetrVG Beschluß des Senats vom 3. Dezember 1985 - 1 ABR 72/83 - BAGE 50, 236, 237 = AP Nr. 29 zu § 99 BetrVG 1972, zu II der Gründe).
3. Der Antrag ist aber unbegründet.
a) Zutreffend ist das Landesarbeitsgericht davon ausgegangen, die Aufnahme der Arbeitnehmer, die dem "International Staff" angehören, in den Betrieb stelle eine Einstellung i.S. von § 99 Abs. 1 BetrVG dar. Der Senat hat unter Einstellung i.S. von § 99 BetrVG stets auch einen Vorgang verstanden, durch den Personen für eine bestimmte Zeit in den Betrieb eingegliedert werden und dort genauso arbeiten wie jeder Arbeitnehmer dieses Betriebes. Er hat dies damit begründet, daß das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bei der Einstellung die Interessen der im Betrieb schon vorhandenen Arbeitnehmer wahren soll (Beschluß vom 14. Mai 1974, BAGE 26, 149 = AP Nr. 2 zu § 99 BetrVG 1972; Beschluß vom 15. April 1986, BAGE 51, 337 = AP Nr. 35 zu § 99 BetrVG 1972). Der Betriebsrat hat daher immer dann nach § 99 BetrVG mitzubestimmen, wenn Personen in den Betrieb eingegliedert werden, um zusammen mit den im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmern den arbeitstechnischen Zweck des Betriebs durch weisungsgebundene Tätigkeit zu verwirklichen. Auf das Rechtsverhältnis, in dem diese Personen zum Arbeitgeber stehen, kommt es nicht an (Beschluß vom 15. April 1986, aaO; Beschluß vom 16. Dezember 1986 - 1 ABR 52/85 - AP Nr. 40 zu § 99 BetrVG 1972, zu B II 1 a der Gründe).
b) Zu Unrecht wendet sich die Rechtsbeschwerde gegen die Auffassung des Beschwerdegerichts, der Betriebsrat könne Angaben über die Höhe des den entsandten Arbeitnehmern tatsächlich gezahlten Gehalts nicht verlangen.
Nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hat der Arbeitgeber bei Einstellungen und Versetzungen insbesondere den in Aussicht genommenen Arbeitsplatz und die vorgesehene Eingruppierung mitzuteilen. Dagegen besteht keine Verpflichtung des Arbeitgebers, dem Betriebsrat über die Mitteilung der vorgesehenen Eingruppierung nach § 99 Abs. 1 Satz 2 BetrVG hinaus auch die Höhe des tatsächlichen Gehalts mitzuteilen.
Der Umfang der vom Arbeitgeber geforderten Unterrichtung des Betriebsrats bestimmt sich nach dem Zweck der Beteiligung an der jeweiligen personellen Maßnahme. Der Arbeitgeber muß den Betriebsrat so unterrichten, daß dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe geltend gemacht werden kann. Das hat der Senat in seiner Entscheidung vom 18. Oktober 1988 (- 1 ABR 33/87 - zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen näher begründet und insbesondere ausgesprochen, der Arbeitgeber sei nicht verpflichtet, Angaben zum Inhalt des abgeschlossenen oder abzuschließenden Arbeitsvertrages - abgesehen von der vorgesehenen Eingruppierung - zu machen. Danach ist Gegenstand der Beteiligung des Betriebsrats bei einer Einstellung die Beschäftigung des einzustellenden Arbeitnehmers, seine Eingliederung in den Betrieb, nicht aber der Inhalt des Arbeitsvertrages. Dementsprechend kann einer Einstellung auch nicht nach § 99 Abs. 2 Nr. 1 BetrVG die Zustimmung mit der Begründung verweigert werden, einzelne Bestimmungen des Arbeitsvertrages würden gegen Gesetz, Tarifvertrag oder eine Betriebsvereinbarung verstoßen (vgl. zur Befristung des Arbeitsverhältnisses zuletzt BAGE 49, 180 = AP Nr. 21 zu § 99 BetrVG 1972).
Mit dem einzustellenden Arbeitnehmer vereinbarte Vertragsbedingungen können im Hinblick auf die möglichen Zustimmungsverweigerungsgründe nur insoweit von Bedeutung sein, als sie den vorgesehenen Einsatz des Arbeitnehmers, seine Tätigkeit im Betrieb, betreffen. Nur aus dieser Tätigkeit können sich Nachteile für die im Betrieb schon beschäftigten Arbeitnehmer ergeben, nicht aber aus möglicherweise ungewöhnlichen oder gar unzulässigen Vereinbarungen im Arbeitsvertrag, im vorliegenden Fall über die Höhe des tatsächlich bezogenen Gehalts. Auch der einzustellende Arbeitnehmer wird durch die Einstellung, d.h. durch die von ihm gewünschte Beschäftigung im Betrieb, nicht benachteiligt, auch wenn Vereinbarungen im Arbeitsvertrag - hier über die Höhe des tatsächlich gezahlten Gehalts - gegen geltendes Recht verstoßen. In einem solchen Falle kann der Arbeitnehmer die dem geltenden Recht entsprechende Arbeitsbedingung nach seiner Einstellung einklagen. Der Betriebsrat hat im Rahmen von § 80 Abs. 1 BetrVG zwar darüber zu wachen, daß das zugunsten der Arbeitnehmer geltende Recht angewandt wird. Um diese Aufgabe wahrzunehmen hat er gegenüber dem Arbeitgeber nach § 80 Abs. 2 BetrVG auch einen Unterrichtungsanspruch. In dem Beschluß vom 18. Oktober 1988 (aaO) hat der Senat jedoch klargestellt, daß die Mitteilungspflichten des Arbeitgebers nach § 99 Abs. 1 BetrVG nicht im Hinblick auf jene allgemeinen Aufgaben des Betriebsrats nach § 80 BetrVG zu bestimmen sind. Die Auffassung des Senats, daß der Arbeitgeber bei der Unterrichtung nach § 99 Abs. 1 BetrVG bei Einstellungen - von der Mitteilung der vorgesehenen Eingruppierung abgesehen - nicht verpflichtet ist, dem Betriebsrat auch Angaben zur Höhe der Vergütung zu machen, entspricht im Ergebnis auch der ganz überwiegenden Auffassung im Schrifttum (Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 132; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 53; Hess/Schlochauer/Glaubitz, BetrVG, 3. Aufl., § 99 Rz 77; Fitting/Auffarth/Kaiser/Heither, BetrVG, 15. Aufl., § 99 Rz 36; a.A. Gnade/Kehrmann/Schneider/Blanke, BetrVG, 2. Aufl., § 99 Rz 46) und in der Rechtsprechung (ArbG Stuttgart, DB 1979, 2235; LAG Frankfurt am Main, Beschluß vom 21. Juni 1988 - 4 TaBV 34/88 - in der beigezogenen Sache - 1 ABR 73/88 -; vgl. auch LAG Hamm, DB 1975, 360).
Um eine solche Unterrichtung des Betriebsrats zur Wahrnehmung bestimmter Aufgaben geht es im vorliegenden Falle nicht. Der Betriebsrat verlangt eine Mitteilung des Gehalts der dem "International Staff" angehörenden Angestellten grundsätzlich nur bei der Einstellung als Teil der dem Arbeitgeber aus § 99 BetrVG obliegenden Unterrichtung. Ein solcher Anspruch des Betriebsrats besteht nicht.
Dr. Kissel Matthes Dr. Weller
Andersch Dr. Federlin
Fundstellen