Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtsweg. Geschäftsführer der Tochtergesellschaft
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 1; GVG § 17a Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Köln (Beschluss vom 03.06.1998; Aktenzeichen 7 Ta 43/98) |
ArbG Bonn (Beschluss vom 05.01.1998; Aktenzeichen 3 Ca 2583/97) |
Tenor
1. Auf die weitere sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluß des Landesarbeitsgerichts Köln vom 3. Juni 1998 – 7 Ta 43/98 – aufgehoben.
2. Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluß des Arbeitsgerichts Bonn vom 15. Januar 1998 – 3 Ca 2583/97 – wird zurückgewiesen.
Der Rechtsstreit wird an das Landgericht Bonn verwiesen.
3. Der Kläger hat die Kosten der sofortigen Beschwerde und der weiteren sofortigen Beschwerde zu tragen.
Tatbestand
I. Die Parteien streiten um Ansprüche des Klägers auf Gehalt und auf Zurverfügungstellung eines Pkw auch zur privaten Nutzung und um die Wirksamkeit einer fristlosen Kündigung.
Der Kläger war seit dem 1. Oktober 1996 als Geschäftsführer einer Tochtergesellschaft (GmbH) der Beklagten (ebenfalls GmbH) tätig, und zwar aufgrund des schriftlichen “Geschäftsführervertrags” vom 18. September 1996, in dem als Vertragspartner des Klägers die beklagte Muttergesellschaft angegeben war. Nach diesem Vertrag belief sich das Jahresbruttogehalt des Klägers auf 384.000,00 DM. Hinzu kamen für die Zeit bis April 1997 eine “Fixprämie” in Höhe von 38.400,00 DM und ab dem Geschäftsjahr 1997/1998 “bei 100 %er Zielerfüllung eine Zielprämie in Höhe von 20 % des Jahresfixeinkommens”. Der Kläger erhielt weiter einen Pkw zur dienstlichen und privaten Nutzung zur Verfügung gestellt. Ferner sah der Geschäftsführervertrag den Abschluß einer Ruhegeldvereinbarung vor. Die Tochtergesellschaft erteilte dann eine Versorgungszusage. Sie zahlte auch die Bezüge des Klägers.
Mit Schreiben vom 22. August 1997 teilte die Beklagte dem Kläger mit, er sei mit Beschluß der Gesellschafterversammlung der Tochtergesellschaft vom selben Tage als Geschäftsführer abberufen worden. Zugleich sprach sie ihm die fristlose Kündigung des Anstellungsvertrags, “handelnd als alleinige Gesellschafterin” der Tochtergesellschaft, aus.
Der Kläger hat Klage beim Arbeitsgericht erhoben. Er hält die Arbeitsgerichte für zuständig, weil er Arbeitnehmer der beklagten Muttergesellschaft gewesen sei. Aufgrund des Ergebnisabführungs- und Beherrschungsvertrags zwischen der Beklagten und der Tochtergesellschaft sei er unmittelbar den Weisungen der Beklagten unterworfen gewesen. Die Beklagte hat die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit gerügt und geltend gemacht: Zu keiner Zeit habe es einen Dienstvertrag mit ihr, der Beklagten gegeben. Der Dienstvertrag sei vielmehr nach den ausdrücklichen Absprachen zwischen dem Kläger und der Tochtergesellschaft zustande gekommen. Lediglich infolge eines Büroversehens sei sie, die Beklagte, als Vertragspartnerin bezeichnet worden. Im übrigen sei der Dienstvertrag auch stets als Vertrag mit der Tochtergesellschaft praktiziert worden. Der Kläger habe ausschließlich für diese tätig werden sollen.
Das Arbeitsgericht hat die Arbeitsgerichte für unzuständig gehalten. Das Landesarbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für gegeben erachtet. Mit der weiteren sofortigen Beschwerde erstrebt die Beklagte die Verweisung des Rechtsstreits an das Landgericht Bonn – Kammer für Handelssachen –.
Entscheidungsgründe
II. Die weitere sofortige Beschwerde ist begründet. Die Gerichte für Arbeitssachen sind nicht zuständig. Der Kläger war nach eigenem Vortrag weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person der Beklagten (§ 5 Abs. 1 Satz 1, 2 ArbGG).
1. Die Zuständigkeit der ordentlichen Gerichte ergibt sich nicht bereits aus § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG. Nach dieser Vorschrift “gelten in Betrieben einer juristischen Person … Personen, die kraft Gesetzes, Satzung oder Gesellschaftsvertrag allein oder als Mitglied des Vertretungsorgans zur Vertretung der juristischen Person … berufen sind”, nicht als Arbeitnehmer im Sinne dieses Gesetzes. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts schließt § 5 Abs. 1 Satz 3 ArbGG die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen nur für Streitigkeiten mit solchen juristischen Personen oder Personengesamtheiten aus, deren Vertreter die Organvertreter sind. Das bedeutet: Der Geschäftsführer einer abhängigen GmbH, dessen Bestellung ein Vertragsverhältnis mit dem herrschenden Unternehmen zugrundeliegt, gilt nur im Verhältnis zur Tochtergesellschaft nicht als Arbeitnehmer (BAG Beschluß vom 20. Oktober 1995 – 5 AZB 5/95 – AP Nr. 36 zu § 2 ArbGG 1979).
Der Kläger hat unter Berufung auf den Vertragswortlaut die Auffassung vertreten, der Vertrag sei mit der beklagten Muttergesellschaft zustande gekommen. Mit der – von verklagten Muttergesellschaften in derartigen Fällen des öfteren aufgestellten – Behauptung, sie sei als Vertragspartnerin nur versehentlich aufgeführt worden, in Wahrheit sei der Vertrag mit der Tochtergesellschaft zustande gekommen, kann die Muttergesellschaft im Rahmen des Verfahrens nach § 17a GVG nicht gehört werden. Sie muß sich vielmehr am Vertragswortlaut festhalten lassen. Ob tatsächlich ein Vertrag mit der Muttergesellschaft zustande gekommen ist, ist eine Frage der Begründetheit der Klage. Nur diese Auffassung wird den praktischen Bedürfnissen gerecht. Anderenfalls wären Rechtssicherheit und Rechtsklarheit gefährdet.
2. Die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit ist aber deshalb nicht gegeben, weil der Kläger im Verhältnis zu der Beklagten weder Arbeitnehmer noch arbeitnehmerähnliche Person war.
a) Hinsichtlich der Entscheidungsgrundlagen für die Prüfung der Rechtswegzuständigkeit unterscheidet der Senat in ständiger Rechtsprechung nach Fallgruppen. Kann die vor dem Arbeitsgericht in einer bürgerlich-rechtlichen Streitigkeit erhobene Klage nur dann Erfolg haben, wenn der Kläger Arbeitnehmer ist (sog. sic-non-Fall), so reicht die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, zur Bejahung der arbeitsgerichtlichen Zuständigkeit aus. Ist der Kläger kein Arbeitnehmer, so ist die Klage als unbegründet abzuweisen. Kommen dagegen für einen Anspruch sowohl arbeitsrechtliche als auch bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht (sog. aut-aut-Fälle und et.-et.-Fälle), so kann die bloße Rechtsansicht des Klägers, er sei Arbeitnehmer, die arbeitsgerichtliche Zuständigkeit nicht begründen (BAG Beschluß vom 24. April 1996 – 5 AZB 25/95 – BAGE 83, 40 = AP Nr. 1 zu § 2 ArbGG 1979 Zuständigkeitsprüfung = NJW 1996, 2948). Der erkennende Senat hat bisher offengelassen, ob es in einem solchen Fall für die Eröffnung des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten ausreicht, wenn der Kläger das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses schlüssig vorträgt, oder ob bereits im Rechtswegbestimmungsverfahren die Arbeitnehmereigenschaft des Klägers bewiesen werden muß (BAG Beschluß vom 10. Dezember 1996 – 5 AZB 20/96 – DB 1997, 833).
b) Das Landesarbeitsgericht hat den Streitgegenstand des Feststellungsantrags zu 3) dahin bestimmt, daß es um die Kündigung des – angeblichen – Arbeitsverhältnisses geht. Diese Auffassung liegt angesichts des Antragswortlauts nahe; sie trifft jedoch nicht zu.
Vielmehr kommen für alle drei Streitgegenstände sowohl arbeitsrechtliche als auch bürgerlich-rechtliche Anspruchsgrundlagen in Betracht. Die Leistungsanträge zu 1) und 2) können auch dann begründet sein, wenn es sich bei dem – etwaigen – Vertragsverhältnis zwischen den Parteien um ein freies (nicht arbeitnehmerähnliches) Dienstverhältnis handelt. Ebenso verhält es sich mit dem Feststellungsantrag, mit dem der Kläger (hilfsweise) die Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung festgestellt wissen will. Auch die außerordentliche Kündigung eines freien Dienstverhältnisses ist nur nach Maßgabe des § 626 BGB wirksam. Bei lebensnaher Betrachtungsweise geht es dem Kläger dabei in erster Linie um den Fortbestand des Rechtsverhältnisses und daraus eventuell folgende Entgeltansprüche, und nicht etwa um die Feststellung der Unwirksamkeit gerade der Kündigung des – etwaigen – Arbeitsverhältnisses. Eine andere Betrachtungsweise würde der Interessenlage des Klägers nicht gerecht. Zumindest hat der Kläger nicht geltend gemacht, er wolle nur die Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung gerade des – etwaigen – Arbeitsverhältnisses geltend machen.
c) Der Vortrag des Klägers über seine Arbeitnehmereigenschaft ist nicht schlüssig.
Der Kläger war zumindest zeitlich ganz überwiegend als Geschäftsführer der Tochtergesellschaft tätig. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, daß er, wie er behauptet, einmal ein Gesamtkonzept für den Handel der Beklagten erarbeitet hat. Eine für ein Arbeitsverhältnis charakteristische persönliche Abhängigkeit ergibt sich noch nicht aus dem Bestehen eines Ergebnisabführungs- und Beherrschungsvertrags zwischen der Beklagten und der Tochtergesellschaft, deren Geschäftsführer der Kläger war. Daß der Kläger einem Weisungsrecht der Beklagten unterlag und in deren Betrieb eingegliedert war, trägt der Kläger selbst nicht vor.
d) Der Kläger war auch nicht arbeitnehmerähnliche Person. Nach § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gelten als Arbeitnehmer im Sinne des Arbeitsgerichtsgesetzes “sonstige Personen”, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind.
Arbeitnehmerähnliche Personen sind Selbständige; sie unterscheiden sich vom Arbeitnehmer durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, an die Stelle der persönlichen Abhängigkeit tritt das Merkmal der wirtschaftlichen Abhängigkeit bzw. wirtschaftlichen Unselbständigkeit. Außerdem muß der wirtschaftlich Abhängige seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar schutzwürdig sein (BAG Beschluß vom 16. Juli 1997 – 5 AZB 29/96 – AP Nr. 37 zu § 5 ArbGG 1979, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt).
Am letzteren Erfordernis fehlt es hier. Der Kläger mag zwar wirtschaftlich unselbständig gewesen sein – eine wirtschaftliche Abhängigkeit gerade von dem Vertragspartner, hier der Beklagten, ist dafür nicht Voraussetzung (vgl. BAG Beschluß vom 21. Mai 1997 – 5 AZB 30/96 – AP Nr. 32 zu § 5 ArbGG 1979) –. Er war jedoch nicht seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig. Der Kläger erhielt unter Berücksichtigung der “Fixprämie” bis April 1997 ein monatliches Gehalt von über 37.000,00 DM. Danach hatte er ein Fixgehalt von 32.000,00 DM zuzüglich erfolgsabhängiger Prämien. Zwar können auch Mitarbeiter mit einer hohen Vergütung arbeitnehmerähnliche Personen sein (vgl. BAG Beschluß vom 29. Dezember 1997 – 5 AZB 38/97 –). Es müssen jedoch dann besondere Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß der Betreffende seiner gesamten sozialen Stellung nach einem Arbeitnehmer vergleichbar sozial schutzbedürftig ist. Das ist hier nicht der Fall.
III. Nach alledem handelt es sich nicht um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 ArbGG. Vielmehr sind die ordentlichen Gerichte nach § 13 GVG zuständig. Dorthin war der Rechtsstreit zu verweisen. Dies wurde im Beschlußtenor ausgesprochen, da der Beschluß des Arbeitsgerichts insofern unvollständig ist.
Nach § 17a Abs. 2 GVG ist bei Unzulässigkeit des beschrittenen Rechtswegs der Rechtsstreit an das zuständige “Gericht” des zulässigen Rechtswegs zu verweisen, nicht an eine bestimmte Kammer. Die Kammer für Handelssachen ist kein Sondergericht, sondern ein besonders besetzter Spruchkörper des Landgerichts. Es ist nicht Sache des verweisenden Gerichts, die zuständige Kammer des Gerichts, an das verwiesen wird, zu bestimmen. Das gilt auch für das gesetzlich geregelte Verhältnis von Kammer für Handelssachen und Zivilkammer.
Unterschriften
Griebeling, Reinecke, Kreft
Fundstellen