Entscheidungsstichwort (Thema)
Sozialzuschlag. Tätigkeit des Ehegatten im öffentl. Dienst
Leitsatz (amtlich)
Der Sozialzuschlag eines Arbeiters nach § 32 Abs 6 DRK-TV entfällt, wenn sein Ehegatte im öffentlichen Dienst tätig ist.
Normenkette
Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) § 29 B; Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) § 32; Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) Anlage 11 § 6
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 25.04.1988; Aktenzeichen 6 Sa 149/88) |
ArbG Bonn (Urteil vom 04.11.1987; Aktenzeichen 3 Ca 1892/87) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 25. April 1988 – 6 Sa 149/88 – wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Von Rechts wegen !
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe des tariflichen Sozialzuschlags.
Der 1950 geborene, verheiratete Kläger ist seit März 1982 bei dem Beklagten als Hausmeister beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis findet der Tarifvertrag über Arbeitsbedingungen für Angestellte, Arbeiter und Auszubildende des Deutschen Roten Kreuzes (DRK-TV) in der jeweiligen Fassung kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. In diesem Tarifvertrag ist u.a. geregelt:
Ҥ 29 B
Stufen des Ortszuschlages
- Zur Stufe I gehören die ledigen und die geschiedenen Angestellten sowie Angestellte, deren Ehe aufgehoben oder für nichtig erklärt ist.
- …
- Zur Stufe 3 (des Ortszuschlages) und den folgenden Stufen gehören die Angestellten der Stufe 2, denen Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz (BKGG) zusteht oder ohne Berücksichtigung des § 3 oder § 8 BKGG zustehen würde. Die Stufe richtet sich nach der Anzahl der berücksichtigungsfähigen Kinder.
- …
Steht der Ehegatte eines Angestellten im öffentlichen Dienst oder ist er auf Grund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt, erhält der Angestellte den Ortszuschlag nach Stufe 1.
Ein evtl. eintretender Nachteil ist durch Zahlung des Unterschiedsbetrages auszugleichen.
- …
§ 32
Lohngrundlagen für Arbeiter
§ 6 der Anlage 11 zum DRK-TV hat folgenden Wortlaut:
“ Sozialzuschlag
Neben dem Lohn und dem Urlaubslohn erhält der Arbeiter Sozialzuschlag für die Kinder, die bei einem Angestellten für die Zuordnung zu den Stufen des Ortszuschlages zu berücksichtigen wären.
Der Sozialzuschlag beträgt ab 01.01.1987:
bei 1 |
Kind |
DM 119,74 |
bei 2 |
Kindern |
DM 239,48 |
bei 3 |
Kindern |
DM 359,22 |
bei 4 |
Kindern |
DM 478,96 |
bei 5 |
Kindern |
DM 598,70 |
bei 6 |
Kindern |
DM 718,44. |
Der Betrag von DM 718,44 erhöht sich für jedes weitere Kind um DM 119,74.”
Nach dieser Bestimmung erhielt der Kläger zuletzt Sozialzuschlag für zwei Kinder in Höhe von 239,48 DM.
Die Ehefrau des Klägers war bei Beginn des Arbeitsverhältnisses der Parteien beim D… e.V. als Angestellte beschäftigt. Seit dem 22. Oktober 1984 ist sie beim Bundesverband für den Selbstschutz mit 26,5 Wochenstunden tätig. Sie erhält dort den kinderbezogenen Ortszuschlag für die beiden gemeinsamen Kinder in Höhe von 26,5/40. Da der Kläger es versäumt hatte, dem Beklagten den Arbeitsplatzwechsel seiner Ehefrau anzuzeigen, erhielt der Beklagte von der Ortszuschlagszahlung an die Ehefrau des Klägers erst Kenntnis durch Vergleichsmitteilung vom 16. Februar 1987. Daraufhin stellte der Beklagte die Zahlung des bisherigen Sozialzuschlags ein und leistete ab Mai 1987 lediglich einen auf 80,82 DM gekürzten Betrag (13,5/40 von 239,48 DM). Zugleich berühmte er sich einer Rückforderung von 4.815,25 DM, auf deren Rückzahlung er jedoch im Verlauf des Rechtsstreits verzichtete.
Der Kläger hat gemeint, die in § 29 DRK-TV vorgesehene Kürzung des Ortszuschlages für Angestellte mit einem im öffentlichen Dienst beschäftigten Ehegatten sei nicht auf die Regelung des Sozialzuschlages für Arbeiter nach § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV anzuwenden. Es handele sich beim Orts- und Sozialzuschlag nicht um vergleichbare Zulagen.
Der Kläger hat beantragt,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger 634,64 DM nebst 4 % Zinsen seit 02.09.1987 (Rechtshängigkeit) zu zahlen,
- den Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ab Monat September 1987 zusätzlich zu dem derzeit gewährten Sozialzuschlag von 80,82 DM weitere 158,66 DM brutto zu zahlen.
Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die Kürzung sei nach § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht ist nach eigenen Angaben irrtümlich davon ausgegangen, bei dem Betrag von 634,64 DM im Zahlungsantrag zu 1) handele es sich um einen Vergütungsanspruch des Klägers, gegen den der Beklagte mit Rückforderungsansprüchen aufgerechnet habe. Die Aufrechnung hat das Arbeitsgericht für unzulässig gehalten und deshalb dem Zahlungsantrag entsprochen. Den Antrag zu 2) hat es abgewiesen, weil der Kläger keinen Anspruch auf den ungekürzten Sozialzuschlag habe.
Gegen das Urteil haben beide Parteien Berufung eingelegt. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen und auf die Berufung des Beklagten die Klage insgesamt abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger weiter sein erstinstanzliches Ziel, während der Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung des ungekürzten Sozialzuschlags.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe kein weiterer Anspruch auf Zahlung von 158,66 DM monatlich zu. Das folge unmittelbar aus § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV. Die Ehefrau des Klägers übe aufgrund ihrer Beschäftigung bei dem Bundesverband für den Selbstschutz eine Tätigkeit im öffentlichen Dienst aus. Wäre der Kläger Angestellter des Beklagten, so erhielte er nach § 29 Abschn. B Abs. 7 des DRK-Tarifvertrages Ortszuschlag nach der Stufe 1, in der, wie sich aus § 29 Abschn. B Abs. 1 ergebe, Kinder nicht berücksichtigt seien. Da § 6 der Anlage 11 den Kläger im Hinblick auf den Sozialzuschlag so stelle, wie ein Angestellter im Hinblick auf den Ortszuschlag gestellt sei, habe der Kläger keinen Anspruch auf Berücksichtigung seiner Kinder bei der Bemessung des Sozialzuschlags.
II. Das angefochtene Urteil hält einer revisionsrechtlichen Überprüfung in Ergebnis und Begründung stand. Der Kläger hat für die Kinder keinen Anspruch auf Sozialzuschlag gemäß § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV.
1. Bei der Bemessung des Sozialzuschlags sind zugunsten des Arbeiters die Kinder zu berücksichtigen, die bei einem Angestellten für die Zuordnung zu den Stufen des Ortszuschlags zu berücksichtigen wären. Das bedeutet nach dem für die Tarifauslegung in erster Linie maßgebenden Wortlaut, der Arbeiter bekommt Sozialzuschlag nur, wenn er als Angestellter den kinderbezogenen Anteil am Ortszuschlag bekäme. Diese vom Wortlaut gebotene Parallelbewertung findet ihre Begründung in der Tarifgeschichte des öffentlichen Dienstes. Während Angestellte zu ihrer Vergütung einen Ortszuschlag und früher einen Kinderzuschlag erhielten, bekamen Arbeiter einen an den Kinderzuschlag anknüpfenden Sozialzuschlag, der zunächst in den Vergütungstarifverträgen, nicht in den Manteltarifverträgen geregelt war. Als die Kinderzuschläge mit Einführung des Bundeskindergeldgesetzes gestrichen wurden, ist der Sozialzuschlag als verselbständigter Vergütungsbestandteil in den Manteltarifverträgen geregelt worden (vgl. jeweils § 41 MTB II und MTL II). Danach erhält der Arbeiter neben dem Lohn und dem Urlaubslohn als Sozialzuschlag den Betrag, den er bei Vorliegen der gleichen persönlichen Verhältnisse als Angestellter nach § 29 des Bundes-Angestelltentarifvertrages als kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlags der Tarifklasse II erhalten würde. Bei den Sozialzuschlägen in den Tarifverträgen des öffentlichen Dienstes handelt es demnach um die kinderbezogenen Anteile des Ortszuschlags eines Angestellten nach § 29 BAT. So verhält es sich auch beim Sozialzuschlag des für Angestellte und Arbeiter gleichermaßen geltenden DRK-TV. Auch er ist inhaltlich identisch mit dem kinderbezogenen Anteil des Ortszuschlags nach § 29 Abschn. B Abs. 3 DRK-TV.
2. Der Kläger hätte, wäre er Angestellter, grundsätzlich einen Anspruch auf die Stufe 4 nach § 29 Abschn. B Abs. 3 DRK-TV, weil er die dortigen Voraussetzungen erfüllt. Er hat zwei Kinder, für die ihm Kindergeld nach dem Bundeskindergeldgesetz zusteht. Er müßte sich als Angestellter jedoch die Bestimmung des § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 1 DRK-TV entgegenhalten lassen, wonach der Angestellte lediglich den Ortszuschlag nach Stufe 1 erhält, wenn sein Ehegatte im öffentlichen Dienst steht oder aufgrund einer Tätigkeit im öffentlichen Dienst nach beamtenrechtlichen Grundsätzen versorgungsberechtigt ist. So verhält es sich im Streitfall. Die Ehefrau des Klägers ist im öffentlichen Dienst tätig mit der Folge, daß dem Kläger, wäre er Angestellter, lediglich Ortszuschlag der Stufe 1 zustände. Für den Arbeiter bedeutet das, er bekommt überhaupt keinen Sozialzuschlag. Lediglich die Anwendung des § 29 Abschn. B Abs. 7 Satz 2 DRK-TV ermöglicht dem Beklagten, dem Kläger 13,5/40 des Sozialzuschlags zu leisten, um auf diese Weise dem Kläger und seiner Ehefrau zusammen einen Betrag zukommen zu lassen, der den vollen Ortszuschlag inclusive kinderbezogenen Anteil für zwei Kinder ausmacht.
3. Dieses aus dem Wortlaut abgeleitete Ergebnis stimmt mit dem System des Ortszuschlags/Sozialzuschlags im öffentlichen Dienst überein. Dieses geht davon aus, daß ein Ehepaar die familienbezogenen Bestandteile ihrer Vergütung nur einmal voll erhalten soll. Der Doppelbezug ist ausgeschlossen. Das verkennt die Revision, die darüber hinaus zu Unrecht von einer analogen Anwendung des § 29 DRK-TV ausgeht. Der Anspruch des Klägers entfällt vielmehr, weil er die anspruchsbegründenden Voraussetzungen des § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV nicht erfüllt. Seine Auffassung, das Wort “erhält” in § 6 der Anlage 11 zum DRK-TV beschränke sich auf die direkte Anwendung des § 29 Abschn. B Abs. 3 DRK-TV, vom Landesarbeitsgericht auch als Verweisung auf die positiven Bestandteile des § 29 Abschn. B DRK-TV genannt, nicht aber auf die einschränkenden Bestimmungen der Absätze 5 bis 7, ist weder vom Wortlaut noch vom Sinn und Zweck der Regelungen gedeckt.
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Schneider, Dörner, Dr. Steinhäuser, Marx
Fundstellen
Haufe-Index 841050 |
RdA 1990, 192 |