Entscheidungsstichwort (Thema)
Berechnung des Urlaubsanspruchs. Differenzierte Arbeitszeit
Orientierungssatz
1. Auslegung des § 48 Abs 4 Unterabs 5 BAT und des § 48 Abs 8 Unterabs 5 MTB II (Manteltarifvertrag für Arbeiter des Bundes vom 27.3.1964 idF des Ergänzungstarifvertrages Nr 32 vom 1.7.1981).
2. Diese Bestimmungen enthalten eine Kürzungsregelung für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, deren durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage verteilt ist.
3. Als Arbeitsfreie Tage sind nach § 48 Abs 4 Unterabs 3 BAT die sich aus der jeweils für den Arbeitnehmer maßgeblichen anderen Verteilung der Arbeitszeit ergebenden Tage anzusetzen, an denen er anders als ein an fünf Tagen der Kalenderwoche tätiger Arbeitnehmer nicht arbeitet. Dabei bleiben Wochenfeiertage unberücksichtigt.
Normenkette
TVG § 1; BUrlG §§ 1, 3, 13; MTB § 48 Abs. 8; BAT § 48 Abs. 4; MTB 2 § 48 Abs. 8; BAT § 48 Abs. 4 Unterabs. 3; MTB 2 § 48 Abs. 8 UAbs. 5
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Entscheidung vom 16.05.1986; Aktenzeichen 6 (3) Sa 442/85) |
ArbG Flensburg (Entscheidung vom 25.06.1985; Aktenzeichen 2 Ca 478/85) |
Tatbestand
Die Kläger sind bei der Beklagten als Wachmänner beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis des Klägers zu 2) ist der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT), auf die Arbeitsverhältnisse der übrigen Kläger der Manteltarifvertrag für die Arbeiter des Bundes (MTB II) anzuwenden.
§ 48 Abs. 8 MTB II in der Fassung des Ergänzungstarifvertrags Nr. 32 vom 1. Juli 1981 lautet auszugsweise:
"Arbeitstage sind alle Kalendertage, an denen der Arbeiter dienstplanmäßig oder betriebsüblich zu arbeiten hat oder zu arbeiten hätte, mit Ausnahme der gesetzlichen Feiertage, für die kein Freizeitausgleich gewährt wird. Endet eine Arbeitsschicht nicht an dem Kalendertag, an dem sie begonnen hat, gilt als Arbeitstag der Kalendertag, an dem die Arbeitsschicht begonnen hat.
.....
Ist die durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit regelmäßig oder dienstplanmäßig im Durchschnitt des Urlaubsjahres auf weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt, vermindert sich der Urlaub für jeden zusätzlichen arbeitsfreien Tag im Urlaubsjahr um 1/250 des Urlaubs nach Absatz 7 zuzüglich eines etwaigen Zusatzurlaubs. Ein Zusatzurlaub nach § 48 a und den entsprechenden Sonderregelungen hierzu, nach dem Schwerbehindertengesetz und nach Vorschriften für politisch Verfolgte bleibt dabei unberücksichtigt.
.....
Ergibt sich bei der Berechnung des Urlaubs nach den Unterabsätzen 2 bis 4 ein Bruchteil eines Urlaubstages, bleibt er unberücksichtigt."
Der Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) in der Fassung des 51. Änderungstarifvertrags vom 20. Juni 1983 hat in § 48 Abs. 4 einen entsprechenden Wortlaut.
Die Kläger arbeiten im Schichtdienst, der entweder von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr oder von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr dauert. Zwischen den Schichten liegen jeweils 24 Stunden Freizeit. Bei einer auf fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilten Arbeitszeit hätten der Kläger zu 2) nach § 48 Abs. 1 BAT einen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen, die übrigen Kläger nach § 48 Abs. 7 MTB II einen Urlaubsanspruch von 28 Arbeitstagen.
Die Beklagte gewährte für das Jahr 1983 dem Kläger zu 2) 27, den anderen Klägern jeweils 26 Urlaubstage. Die Kläger haben die Auffassung vertreten, die Beklagte habe die Urlaubsansprüche falsch berechnet.
Mit ihren am 2. Mai 1985 erhobenen Klagen haben die Kläger beantragt festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, für das Urlaubsjahr 1983 dem Kläger zu 2) zwei Urlaubstage, den übrigen Klägern je einen Urlaubstag nachzugewähren.
Die Beklagte hat beantragt, die Klagen abzuweisen.
Die Klagen hatten in beiden Vorinstanzen keinen Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihre Klageanträge weiter. Die Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Das Landesarbeitsgericht hat die Klagen zu Recht abgewiesen. Den Klägern steht für das Urlaubsjahr 1983 über die von der Beklagten berechneten Urlaubstage kein weiterer Urlaub zu.
1. Die Beklagte hat den dem Kläger zu 2) für 1983 nach § 48 Abs. 1 BAT zustehenden Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen zutreffend nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 und Unterabs. 5 BAT um drei Arbeitstage gekürzt. Die Beklagte hat auch zu Recht die den anderen Klägern für 1983 nach § 48 Abs. 7 MTB II zustehende Urlaubsansprüche von je 28 Urlaubstagen nach § 48 Abs. 8 Unterabs. 3 und Unterabs. 5 MTB II um jeweils zwei Arbeitstage gekürzt.
a) Die Schichttätigkeit der Kläger führt dazu, daß ihre durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage in der Kalenderwoche verteilt ist. Deshalb vermindern sich nach § 48 Abs. 8 Unterabs. 3 MTB II bzw. nach § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT die Urlaubsansprüche der Kläger für jeden zusätzlichen arbeitsfreien Tag im Kalenderjahr um 1/250 des Urlaubs nach § 48 Abs. 7 MTB II bzw. nach § 48 Abs. 1 BAT.
b) Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend angenommen, daß die Beklagte ihrer Kürzungsberechnung jeweils 17 zusätzliche arbeitsfreie Tage zugrunde legen durfte. Der Schichtdienst der Kläger von 7.00 Uhr bis 19.00 Uhr oder von 19.00 Uhr bis 7.00 Uhr mit einer jeweils dazwischen liegenden 24-stündigen Freizeit hat zur Folge, daß die Kläger in jeder dritten Woche an vier, in den anderen Wochen an fünf Arbeitstagen arbeiten. Dies ergibt sich, wie das Landesarbeitsgericht zu Recht festgestellt hat, aus § 48 Abs. 8 Unterabs. 1 Satz 2 MTB II bzw. aus § 48 Abs. 4 Unterabs. 1 Satz 2 BAT. Danach ist bei einer Arbeitsschicht, die nicht an dem Tag endet, an dem sie begonnen hat, nur der Tag als Arbeitstag zu werten, an dem die Schicht begonnen hat.
Da die Kläger in jeder dritten Kalenderwoche nur an vier Arbeitstagen arbeiten, haben sie jeweils 17,33 zusätzliche arbeitsfreie Tage im Urlaubsjahr (vgl. BAG Urteil vom 2. Oktober 1987 - 8 AZR 211/85 - unter 2 der Gründe, unveröffentlicht). Damit vermindert sich der Urlaubsanspruch der Kläger um jeweils 17,33/250, also der Urlaubsanspruch des Klägers zu 2) um 2,07 Urlaubstage, die Urlaubsansprüche der anderen Kläger um jeweils 1,94 Urlaubstage. Nach diesem Abzug verbleibt ein Urlaubsanspruch des Klägers zu 2) von 27,93 Urlaubstagen und ein Urlaubsanspruch der anderen Kläger von je 26,06 Urlaubstagen.
Nach § 48 Abs. 8 Unterabs. 5 MTB II und § 48 Abs. 4 Unterabs. 5 BAT bleibt ein Bruchteil eines Urlaubstages unberücksichtigt (vgl. BAG Urteil vom 2. Oktober 1987 - 8 AZR 160/86 - unter 5 der Gründe, unveröffentlicht). Damit haben für das Urlaubsjahr 1983 der Kläger zu 2) einen Anspruch auf 27, die übrigen Kläger auf je 26 Urlaubstage. Diese Ansprüche hat die Beklagte erfüllt. Weitere Urlaubstage stehen den Klägern nicht zu.
2. Die Revision meint, der Urlaubsanspruch der Kläger mindere sich nicht um 17/250, sondern nur um 6/250, denn die Kläger hätten gegenüber einem regelmäßig an fünf Arbeitstagen in der Woche arbeitenden Arbeitnehmer nicht 17, sondern nur 6 zusätzliche arbeitsfreie Tage. Dies ergebe sich daraus, daß 11 gesetzliche Feiertage abzuziehen seien. Diese seien keine zusätzlichen arbeitsfreien Tage. Deshalb sei der Urlaubsanspruch der Kläger jeweils nur um einen Tag auf 29 bzw. 27 Arbeitstage zu kürzen.
Die Auffassung der Revision ist unzutreffend. Das Landesarbeitsgericht hat zu Recht angenommen, daß für die Berechnung der zusätzlichen arbeitsfreien Tage von der in der Woche nach dem Dienstplan oder sonst regelmäßig durchschnittlich zu leistenden Zahl von Arbeitstagen ausgegangen werden muß, unabhängig davon, ob die Arbeit gegebenenfalls wegen eines gesetzlichen Feiertags ausfällt bzw. ob ein gesetzlicher Feiertag auf einen zusätzlichen arbeitsfreien Tag fällt. Dies hat der erkennende Senat in seinen Urteilen vom 2. Oktober 1987 (- 8 AZR 166/86 - AP Nr. 4 zu § 48 BAT; - 8 AZR 160/86 - unveröffentlicht) sowie vom 26. Mai 1988 (- 8 AZR 655/85 - unveröffentlicht) bereits entschieden.
Die Angriffe der Revision hiergegen rechtfertigen keine andere Beurteilung. Die Revision beachtet nicht, daß für die Tarifauslegung in erster Linie auf den Tarifwortlaut abzustellen ist. Sinn und Zweck der tariflichen Regelung sind erst dann für die Auslegung heranzuziehen, wenn der Wortlaut der Tarifregelung nicht eindeutigen Aufschluß gibt. Dem Willen der Tarifvertragsparteien kommt nur Bedeutung zu, wenn er erkennbarer Inhalt der Bestimmung geworden ist (BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung).
Wie der erkennende Senat zu § 48 Abs. 4 BAT bereits entschieden hat (BAG Urteil vom 2. Oktober 1987 - 8 AZR 166/86 - AP Nr. 4 zu § 48 BAT), ist dem Tarifwortlaut nicht zu entnehmen, daß die Tarifvertragsparteien die Jahresarbeitszeit auf 250 Arbeitstage begrenzt hätten. Die Bestimmung enthält vielmehr lediglich eine Kürzungsregelung für Urlaubsansprüche von Arbeitnehmern, deren durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit auf weniger als fünf Arbeitstage verteilt ist. Mit Hilfe dieser Berechnungsregelung sind zusätzliche arbeitsfreie Tage zu ermitteln, die sich aus einer anderen Verteilung der Arbeitszeit als der nach dem Tarifvertrag allgemein geregelten ergeben. Inhalt der Berechnungsregelung ist die Addition der zusätzlichen arbeitsfreien Tage, die sich im Durchschnitt des Urlaubsjahres aufgrund der anderen Verteilung der Arbeitszeit ergeben und die Kürzung des Urlaubsanspruchs mit dem Divisor 250 für die Gesamtzahl der pauschal für das Jahr zu bestimmenden zusätzlichen arbeitsfreien Tage (BAG, aaO).
Damit rechtfertigt sich auch die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, daß Wochenfeiertage bei der Berechnung nach § 48 Abs. 8 Unterabs. 3 MTB II bzw. § 48 Abs. 4 Unterabs. 3 BAT nicht von der vom Arbeitnehmer durchschnittlich zu leistenden Arbeitszeit abgezogen werden dürfen. Für die Berechnung muß von der in der Woche nach dem Dienstplan oder sonst regelmäßig durchschnittlich zu leistenden Zahl von Arbeitstagen ausgegangen werden, unabhängig davon, ob die Arbeit gegebenenfalls wegen eines Wochenfeiertags ausfällt. Zu berücksichtigen ist, daß diese Berechnung bundesweit gilt und es sich schon aus diesem Grunde verbietet, besondere landesrechtliche Feiertagsregelungen zu berücksichtigen. Als arbeitsfreie Tage sind damit nur die sich aus der jeweils für den Arbeitnehmer maßgeblichen anderen Verteilung der Arbeitszeit ergebenden Tage anzusetzen, an denen er anders als ein an fünf Tagen der Kalenderwoche tätiger Arbeitnehmer nicht arbeitet. Nicht jedoch können Tage berücksichtigt werden, die aufgrund anderer Umstände, etwa als Wochenfeiertage, arbeitsfrei sind. Dies entspricht auch der Regelung in § 48 Abs. 7 MTB II und in § 48 Abs. 1 BAT, nach der der Urlaubsanspruch des in der Fünf-Tage-Woche tätigen Arbeitnehmers sich ebenfalls ohne Rücksicht auf Wochenfeiertage bestimmt.
Michels-Holl Dr. Leinemann Dr. Wittek
Dr. Weiss K. Fox
Fundstellen