Entscheidungsstichwort (Thema)
Ordentliche betriebsbedingte Änderungskündigung. Änderung des Anforderungsprofils
Orientierungssatz
1. Die Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO entfällt, wenn die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind auch ohne Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen.
2. Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliegt grundsätzlich der freien „unternehmerischen” Disposition. Die Vorgabe kann von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin überprüft werden. Sind allerdings die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme – ggf. im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern. Es muss sich um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2 S. 1, Abs. 3 S. 1, § 2; ZPO § 559 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 06.07.2016; Aktenzeichen 4 Sa 67/15) |
ArbG Heilbronn (Urteil vom 29.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 431/13) |
Tenor
1. Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 6. Juli 2016 – 4 Sa 67/15 – aufgehoben.
2. Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Revisionsverfahrens – an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit zweier Änderungskündigungen.
Die Beklagte betrieb in B zwei Rehabilitationskliniken. Der Kläger war bei ihr und ihrer Rechtsvorgängerin seit Juli 2005 als Chefarzt der Inneren Abteilung der Klinik He beschäftigt. Ab August 2010 wurde ihm zudem die chefärztliche Leitung der internistischen Abteilung der Klinik Ho übertragen. Der Kläger führt die Bezeichnung „Facharzt für Innere Medizin und Kardiologie” und verfügt über die Zusatzqualifikation „Diabetologe DDG”.
Zur Abwendung einer Insolvenz schloss die Beklagte Ende 2011 die Klinik He und verringerte den Personalbestand der Klinik Ho. Sie kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers ordentlich zum 31. Dezember 2011. Die dagegen vom Kläger erhobene Kündigungsschutzklage hatte Erfolg.
Zu einem nicht näher festgestellten Zeitpunkt wurde die internistische Abteilung der Klinik Ho in gastroenterologische Abteilung umbenannt. Um eine wirtschaftliche Fortführung der Klinik durch kontinuierliche Patientenzuweisungen sichern zu können, strebte die Beklagte an, mit der Deutschen Rentenversicherung (DRV) Knappschaft-Bahn-See einen Basisvertrag nach § 21 SGB IX abzuschließen. Sie beschloss, sowohl die Chefarztstelle als auch die Oberarztstelle der gastroenterologischen Abteilung durch Ärzte mit der Facharztbezeichnung „Gastroenterologe” zu besetzen, um die Anforderungen der DRV an die Strukturqualität von Reha-Einrichtungen zu erfüllen.
Den sich daraus ergebenden Bedarf deckte die Beklagte zunächst durch Ärzte auf Honorararztbasis. Ab April 2012 stellte sie Frau Dr. K ein und beschäftigte diese später in einem festen Anstellungsverhältnis als Chefärztin der gastroenterologischen Abteilung. Frau Dr. K ist vier Jahre jünger als der Kläger und – anders als dieser – nicht verheiratet.
Gemäß einem Schreiben von August 2013 war die DRV Knappschaft Bahn-See grundsätzlich bereit, für die gastroenterologische Abteilung der Klinik Ho die Federführung innerhalb der DRV zu übernehmen und einen entsprechenden Basisvertrag mit der Beklagten abzuschließen.
Die Beklagte kündigte – nach Anhörung des Betriebsrats – das Arbeitsverhältnis der Parteien mit Schreiben vom 9. August 2013 zum 31. März 2014 und bot dem Kläger gleichzeitig eine Weiterbeschäftigung als Assistenzarzt an. Nach erneuter Anhörung des Betriebsrats erklärte sie mit Schreiben vom 12. September 2013 eine weitere Änderungskündigung zum 31. März 2014.
Der Kläger hat das Änderungsangebot jeweils unter dem Vorbehalt seiner sozialen Rechtfertigung angenommen und die vorliegende Änderungsschutzklage erhoben. Er hat beide Änderungskündigungen für sozial ungerechtfertigt gehalten. Die Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle der gastroenterologischen Abteilung der Klinik Ho sei nicht durch einen zwingenden äußeren arbeitsplatzbezogenen Grund gedeckt. Soweit die Beklagte bei dem Stelleninhaber die Facharztbezeichnung „Gastroenterologe” erwarte, sei dies in Bezug auf die Anforderungen der DRV überschießend. Die soziale Auswahl in Bezug auf Frau Dr. K sei fehlerhaft durchgeführt worden.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, dass die Änderung der Arbeitsbedingungen gemäß den Änderungskündigungen vom 9. August 2013 und vom 12. September 2013 sozial ungerechtfertigt ist.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat behauptet, die DRV Knappschaft-Bahn-See verlange für den Abschluss eines Basisvertrags für die gastroenterologische Abteilung, dass sowohl der Chefarzt als auch der Oberarzt die Facharztbezeichnung „Gastroenterologe” tragen müssten. Mit Frau Dr. K sei der Kläger daher nicht vergleichbar.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr stattgegeben. Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Wiederherstellung der erstinstanzlichen Entscheidung.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Mit der gegebenen Begründung durfte das Landesarbeitsgericht der Änderungsschutzklage nicht stattgeben (I.). Ob zumindest eine der Änderungskündigungen zum 31. März 2014 wirksam ist, steht noch nicht fest (II.).
I. Die Annahme des Landesarbeitsgerichts, zwischen dem Kläger und Frau Dr. K habe eine Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG getroffen werden müssen, wird nicht von seinen Feststellungen getragen. Das Berufungsgericht hat angenommen, die „Stellenprofile” eines Facharztes für Gastroenterologie und eines Diabetologen DDG seien vergleichbar. Nach den im Zeitpunkt der Änderungskündigungen geltenden Anforderungen der DRV an die Strukturqualität habe der Chefarzt einer gastroenterologischen Abteilung nicht zwingend Gastroenterologe sein müssen. Er habe ebenso Facharzt für Diabetologie sein dürfen. Diese Feststellung bindet den Senat nicht, und zwar ungeachtet der Frage, weshalb das Landesarbeitsgericht überdies einen Diabetologen DDG einem „Facharzt für Diabetologie” gleichsetzte.
1. Das Landesarbeitsgericht hat zunächst auf Anforderungen der DRV an die Strukturqualität mit Stand Mai 2010 Bezug genommen. Zusammen mit den Erhebungsbögen Stand 2006 ergebe sich als strukturrelevantes Merkmal, dass der Chefarzt oder Oberarzt einer stationären Reha-Einrichtung im Bereich der Gastroenterologie „Gastroenterologe” oder „Diabetologe DDG” sein müsse.
Diese Anforderungen hätten sich zum Zeitpunkt der Änderungskündigungen nicht geändert. Mit einer E-Mail von Anfang Januar 2014 habe die DRV Knappschaft-Bahn-See darauf hingewiesen, dass die geltenden Kriterien mit Herausgabe einer neu erarbeiteten Strukturanforderung klargestellt würden. Dabei habe es sich um die „Strukturanforderung Stand Juli 2014” gehandelt. Diese hat das Landesarbeitsgericht in den Entscheidungsgründen dahin wiedergegeben, „in Nr. 3.6 des Anhangs II zu (den) Strukturanforderungen (sei) ausgeführt, dass es in der Indikation Gastroenterologie belegungsrelevant einen Facharzt der Inneren Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie oder mit dem Schwerpunkt Endokrinologie oder Diabetologie geben müsse”.
2. An diese Feststellung ist der Senat nicht gebunden. Die Bindungswirkung nach § 559 Abs. 2 ZPO entfällt, wenn die Feststellungen des Landesarbeitsgerichts unklar, lückenhaft oder widersprüchlich sind. Solche Mängel sind auch ohne Verfahrensrüge iSv. § 551 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b, § 559 Abs. 1 Satz 2 ZPO von Amts wegen zu berücksichtigen (BAG 23. Februar 2016 – 3 AZR 44/14 – Rn. 38; 13. April 2010 – 9 AZR 113/09 – Rn. 16). So liegt der Fall hier. Die Feststellung in den Entscheidungsgründen widerspricht dem im Tatbestand der angefochtenen Entscheidung wiedergegebenen Inhalt der Nr. 3.6 „Personelle Ausstattung” des Anhangs II des Merkblatts „Strukturqualität von Reha-Einrichtungen – Anforderungen der Deutschen Rentenversicherung” idF von Juli 2014. Dort ist unter der Rubrik „Qualifikationen (der) in der Fachabteilung beschäftigten Ärzte” als belegungsrelevant für die Indikation Gastroenterologie unter laufender Nummer 10 aufgeführt „Innere Medizin mit SP Gastroenterologie” und unter laufender Nummer 11 „Innere Medizin mit SP Endokrinologie und Diabetologie”. Damit wäre ggf. der Schwerpunkt „Endokrinologie und Diabetologie” gefordert, nicht lediglich ein Schwerpunkt „Endokrinologie oder Diabetologie”.
3. Es ist auch objektiv nicht ersichtlich, wie das Landesarbeitsgericht zu der Annahme gelangt ist, nach den Strukturanforderungen genüge die Bezeichnung „Facharzt für Diabetologie”. Nach der vom Kläger im erstinstanzlichen Verfahren zur Akte gereichten Anlage K 16 gibt vielmehr die Formulierung im Tatbestand des Berufungsurteils den Anhang II des Merkblatts Stand Juli 2014 zutreffend wieder. Dem entspricht das übereinstimmende Vorbringen der Parteien im Revisionsverfahren, einen „Facharzt für Diabetologie” gebe es weder nach der Weiterbildungsordnung der Landesärztekammer Baden-Württemberg noch nach der (Muster-)Weiterbildungsordnung der Bundesärztekammer.
II. Das Berufungsurteil stellt sich nicht iSd. § 561 ZPO aus anderen Gründen als richtig dar. Das Landesarbeitsgericht hat die Änderungskündigungen nicht noch aus einem anderen Grund für sozial ungerechtfertigt gehalten. Es hat auch nicht angenommen, es liege zudem ein sonstiger Unwirksamkeitsgrund vor. Es unterliegt daher der Aufhebung (§ 562 Abs. 1 ZPO). Ob zumindest eine der Änderungskündigungen wirksam ist, steht noch nicht fest. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 ZPO).
1. Der Senat kann nicht selbst entscheiden, ob zumindest eine der Änderungskündigungen sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1, § 2 KSchG ist.
a) Eine betriebsbedingte Änderungskündigung ist sozial gerechtfertigt iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 iVm. § 2 KSchG, wenn das Beschäftigungsbedürfnis für den Arbeitnehmer zu den bisherigen Vertragsbedingungen entfallen ist und der Arbeitgeber sich darauf beschränkt hat, solche Änderungen vorzuschlagen, die der Arbeitnehmer billigerweise hinnehmen muss. Ob der Arbeitnehmer eine ihm vorgeschlagene Änderung billigerweise hinnehmen muss, ist nach dem Verhältnismäßigkeitsgrundsatz zu ermitteln. Die Änderungen müssen geeignet und erforderlich sein, um den Inhalt des Arbeitsvertrags an die verbliebenen Beschäftigungsmöglichkeiten anzupassen. Die angebotenen Änderungen dürfen sich nicht weiter vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernen, als dies zur Erreichung des angestrebten Ziels erforderlich ist (BAG 24. September 2015 – 2 AZR 680/14 – Rn. 13, BAGE 153, 9; 29. September 2011 – 2 AZR 523/10 – Rn. 28).
b) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, aufgrund der Schließung der Klinik He habe dort keine Beschäftigungsmöglichkeit mehr bestanden. In der Klinik Ho habe es einen Überhang von einem Chefarzt gegeben. Die Chefarztstelle in der vormaligen internistischen Abteilung sei im Jahre 2011 noch mit dem Kläger besetzt gewesen, nach der Kündigung seines Arbeitsverhältnisses im Jahre 2012 aber Frau Dr. K übertragen worden.
c) Danach hätten letztlich die Neueinstellung der Frau Dr. K bzw. die „Rückkehr” des Klägers nach seinem Obsiegen im Kündigungsrechtsstreit zu dem Arbeitskräfteüberhang geführt. Die bloße Absicht, einen Arbeitnehmer durch einen neu eingestellten oder neu einzustellenden Arbeitnehmer zu ersetzen, stellt allerdings kein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für die Kündigung des Stammarbeitnehmers dar. Es läge vielmehr eine unzulässige sog. Austauschkündigung vor (BAG 31. Juli 2014 – 2 AZR 422/13 – Rn. 41, BAGE 149, 18; 26. November 2009 – 2 AZR 658/08 – Rn. 25). Anhaltspunkte für ein rechtsmissbräuchliches Verhalten der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht indes bisher nicht gesehen. Dabei mag es angenommen haben, die Beklagte habe von einer wirksamen Beendigung des Arbeitsverhältnisses des Klägers bereits zu Ende 2011 ausgehen dürfen, als sie Frau Dr. K einstellte. Eine abschließende Bewertung ist dem Senat mangels näherer Feststellungen nicht möglich.
d) Die bisherigen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts lassen es aber auch als möglich erscheinen, dass jedenfalls im Kündigungszeitpunkt die von der Beklagten behauptete Änderung des Anforderungsprofils der Chefarztstelle in der vormaligen internistischen Abteilung der Klinik Ho ein dringendes betriebliches Erfordernis iSd. § 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG für die hier streitbefangenen Änderungskündigungen darstellte.
aa) Die Gestaltung des Anforderungsprofils für einen Arbeitsplatz unterliegt grundsätzlich der freien „unternehmerischen” Disposition. Das Bestreben des Arbeitgebers, bestimmte Tätigkeiten – nach Möglichkeit – von Arbeitnehmern mit einer bestimmten Qualifikation ausführen zu lassen, ist grundsätzlich zu akzeptieren. Die Vorgabe kann von den Arbeitsgerichten nur auf Willkür und offenbare Unrichtigkeit hin gerichtlich überprüft werden (BAG 22. Oktober 2015 – 2 AZR 582/14 – Rn. 15, BAGE 153, 126; 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 19). Sind allerdings die betreffende Organisationsentscheidung und der Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich, weil der Arbeitnehmer dem neuen Anforderungsprofil nicht genügt, kann die generelle Vermutung, dass eine unternehmerische Entscheidung auf sachlichen Gründen beruht, nicht unbesehen greifen. Der Arbeitgeber kann sich nicht lediglich auf seine Entscheidungsfreiheit berufen. Er muss vielmehr konkret darlegen, wie seine Entscheidung sich auf die tatsächlichen Möglichkeiten, die Arbeitnehmer einzusetzen, auswirkt und in welchem Umfang durch sie ein konkreter Änderungsbedarf entstanden ist (BAG 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – Rn. 20). Beruft sich der Arbeitgeber zur Rechtfertigung einer betriebsbedingten Kündigung auf eine Neubestimmung des Anforderungsprofils, muss er den zugrunde liegenden betrieblichen Anlass im Einzelnen darlegen. Die Entscheidung zur (neuen) Stellenprofilierung muss im Zusammenhang mit einer organisatorischen Maßnahme – ggf. im Zusammenhang mit einer Neuausrichtung der Geschäftstätigkeit – stehen, nach deren Durchführung sich die bisherigen Anforderungen an den Stelleninhaber ändern (BAG 18. März 2010 – 2 AZR 337/08 – aaO; 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 31). Es muss sich bei einer geänderten Anforderung an die Qualifikation des Stelleninhabers nicht nur um eine „wünschenswerte Voraussetzung” für die Ausführung der Tätigkeit, sondern um ein nachvollziehbares, arbeitsplatzbezogenes Kriterium für die Stellenprofilierung handeln (BAG 10. Juli 2008 – 2 AZR 1111/06 – Rn. 26; 7. Juli 2005 – 2 AZR 399/04 – zu II 4 c der Gründe).
bb) Nach den bislang getroffenen Feststellungen ist unklar, ob sich die Beklagte auf eine Änderung des Anforderungsprofils der fraglichen Chefarztstelle ausschließlich im Hinblick auf die erstrebte Anpassung an die Strukturanforderungen der DRV berufen hat. Es erscheint nicht ausgeschlossen, dass außerdem die Ausrichtung oder der Zuschnitt der Abteilung in einer Weise geändert worden sind, dass dadurch auch die Aufgaben ihres chefärztlichen Leiters eine Änderung erfuhren. Dafür könnte sprechen, dass die Abteilung bei Übernahme der Chefarztstelle durch den Kläger im August 2010 noch als „internistische Abteilung” bezeichnet war (S. 2, drittletzter Absatz des amtlichen Umdrucks), später dagegen als „gastroenterologische Abteilung” bzw. „Abteilung Gastroenterologie” (S. 3, drittletzter und vorletzter Absatz des amtlichen Umdrucks). Hätten sich durch organisatorische Änderungen auch die Aufgaben des Chefarztes geändert, wäre die Beklagte in der Profilierung der Stelle freier gewesen als bei einer bloßen Änderung der Qualifikationsanforderungen für im Übrigen unverändert gebliebene Aufgaben. Ob mögliche Veränderungen in der Klinik Ho sogar Teil der dem Interessenausgleich vom 22. Juni 2011 zugrunde liegenden Betriebsänderung waren, wie die Revision – vom Kläger bestritten – ausführt, kann der Senat nicht selbst beurteilen. Das Landesarbeitsgericht hat zwar festgestellt, der Interessenausgleich, dem eine den Namen des Klägers enthaltende Namensliste beigefügt gewesen sei, sei im Zusammenhang mit der Schließung der Klinik He vereinbart worden. Dass dies sein ausschließlicher Bezugspunkt gewesen wäre, folgt hieraus jedoch nicht. Feststellungen zum Inhalt des Interessenausgleichs vom 22. Juni 2011 hat das Berufungsgericht nicht getroffen.
cc) Soweit das Landesarbeitsgericht angenommen hat, das Ziel der Beklagten, mit der DRV Knappschaft-Bahn-See zur Sicherung der Bettenbelegung einen Basisvertrag nach § 21 SGB IX zu schließen, sei nachvollziehbar und könne daher ggf. schon für sich genommen die fragliche Änderung der Qualifikationsanforderungen für die Chefarztstelle der gastroenterologischen Abteilung der Klinik Ho rechtfertigen, ist dies im Grundsatz revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Die Beklagte hat sich darauf berufen, das Anforderungsprofil an die maßgeblichen Strukturanforderungen der DRV in der Indikation Gastroenterologie angepasst zu haben. Es steht bislang jedoch nicht fest, welche Strukturanforderungen die DRV Knappschaft-Bahn-See an die Besetzung einer Chefarztstelle der Indikation Gastroenterologie im Zeitpunkt des Zugangs der Änderungskündigungen stellte. Das Landesarbeitsgericht hat zwar angenommen, die im Anhang II des Merkblatts Stand Juli 2014 aufgeführten Strukturanforderungen seien die bereits im Zeitpunkt der Änderungskündigungen maßgeblichen gewesen. Es fehlt aber an Feststellungen dazu, ob danach zwingend der Chefarzt über die Facharztqualifikation mit einem der angegebenen Schwerpunkte verfügen musste oder ob der Chefarzt nur Facharzt für „Innere Medizin” zu sein brauchte, sofern etwa der Oberarzt den indikationsspezifischen Schwerpunkt abdeckte.
e) Das Landesarbeitsgericht hat – nach seiner Auffassung konsequentnicht geprüft, ob das dem Kläger unterbreitete Änderungsangebot sich nicht weiter als erforderlich vom bisherigen Inhalt des Arbeitsverhältnisses entfernte, ob es also andere, weniger einschneidende Beschäftigungsmöglichkeiten als die angebotene Assistenzarztstelle gegeben hätte. Feststellungen dazu hat es nicht getroffen, so dass der Senat die Würdigung nicht selbst vornehmen kann.
f) Das Berufungsgericht hat ebenso wenig geprüft, ob die übrige Ausgestaltung des Änderungsangebots sozial gerechtfertigt war, ob insbesondere die angebotene Vergütung einem innerbetrieblichen Vergütungssystem entsprach oder inwiefern sonst der angebotenen Tätigkeit angemessen war. Auch dazu fehlt es bislang an Feststellungen, so dass dem Senat eine eigene Würdigung nicht möglich ist.
g) Der Senat kann ebenfalls nicht selbst entscheiden, ob es einer Sozialauswahl nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG zwischen dem Kläger und Frau Dr. K bedurfte. Dies wäre zu verneinen, wenn die Beklagte das Anforderungsprofil in zulässiger Weise geändert hätte und zwar Frau Dr. K es erfüllte, der Kläger aber nicht.
2. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts erweist sich nicht deshalb im Ergebnis als richtig, weil die Änderungskündigungen mangels ordnungsgemäßer Anhörung des Betriebsrats nach § 102 Abs. 1 Satz 3 BetrVG unwirksam wären.
a) Das Landesarbeitsgericht hat – nach seiner Rechtsauffassung konsequent – nicht gewürdigt, ob der Kläger an der Rüge, der Betriebsrat sei nicht ordnungsgemäß beteiligt worden, im Berufungsverfahren festgehalten hat.
b) Sollte die Rüge nicht fallen gelassen sein, ist die Betriebsratsanhörung nicht etwa schon deshalb nicht zu prüfen, weil dies nach dem gestellten Antrag nicht erforderlich wäre. Hätte sich der Kläger weiterhin auch auf diesen Unwirksamkeitsgrund berufen, wäre vielmehr sein Antrag dahin auszulegen, dass er entsprechend § 4 Satz 2 KSchG festgestellt wissen will, die Änderung der Arbeitsbedingungen sei sozial ungerechtfertigt oder aus anderen Gründen rechtsunwirksam. Das Landesarbeitsgericht müsste deshalb, sollten sich die Änderungskündigungen nicht erneut als sozial ungerechtfertigt erweisen, über die Ordnungsmäßigkeit der Betriebsratsanhörung befinden.
c) Von näheren Hinweisen hierzu sieht der Senat ab. Die vom Landesarbeitsgericht in Bezug genommenen Anhörungsschreiben nehmen ihrerseits auf die schon im Rahmen der Anhörung zu der früheren Beendigungskündigung übermittelten Informationen Bezug. Um welche es sich hierbei handelte, ist nicht festgestellt.
Unterschriften
Koch, Berger, Rachor, Alex, Sieg
Fundstellen
Haufe-Index 10865094 |
BB 2017, 1395 |
DStR 2017, 14 |