Entscheidungsstichwort (Thema)
Teilweiser Entzug von Arbeitsaufgaben als Versetzung
Leitsatz (amtlich)
- Eine mitbestimmungspflichtige Versetzung durch Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs (§ 95 Abs. 3 BetrVG) kann auch darin bestehen, daß dem Arbeitnehmer ein wesentlicher Teil seiner Aufgaben entzogen wird.
- Wenn einem Autoverkäufer, der bisher als sog. Gebietsverkäufer und zugleich mit einem zeitlichen Anteil von ca. 25 % als Ladenverkäufer eingesetzt war, der Ladendienst entzogen wird, so kann das – je nach den Umständen des Falles – als mitbestimmungspflichtige Versetzung zu bewerten sein.
Normenkette
BetrVG §§ 99, 95 Abs. 3; BGB § 611
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Berlin vom 22. August 1995 – 12 Sa 54 und 60/95 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Revision nur noch darüber, ob die Beklagte dem Kläger einen Teil der von ihm bisher wahrgenommenen Aufgaben wirksam entzogen hat.
Der Kläger ist seit dem 1. Juni 1979 als Autoverkäufer in einer Niederlassung der Beklagten in Berlin beschäftigt. Der Anstellung liegt ein schriftlicher Arbeitsvertrag vom 3. Mai 1979 zugrunde. Bis Juli 1990 war der Kläger ausschließlich als Gebrauchtwagenverkäufer in den Verkaufsräumen H… straße tätig. Mit Schreiben vom 21. Juni 1991 versetzte ihn die Beklagte in ihre Neuwagen-Verkaufsabteilung. Der hiergegen erhobenen Klage wurde rechtskräftig stattgegeben. Mit Schreiben vom 29. Januar 1991 wies die Beklagte dem Kläger einen Arbeitsplatz in den Verkaufsräumen am K… zu. Auch hiergegen erhob der Kläger Klage. Im Zuge außergerichtlicher Vergleichsverhandlungen ließ er die Beklagte wissen, daß er nicht ausschließlich im Außendienst arbeiten wolle, sondern wert darauf lege, zur Anknüpfung von Geschäftskontakten weiterhin auch eine Tätigkeit im Ladendienst auszuüben; insoweit könne er sich einen ca. 12stündigen Einsatz in der Woche, verteilt auf drei Tage, vorstellen. Die Parteien schlossen am 9. Januar 1992 vor dem Arbeitsgericht einen Vergleich, in dem u.a. folgendes geregelt ist:
“
Der Kläger wird von der Beklagten ab 01. Dezember 1991 als Neuwagenverkäufer für das Gebiet Nr. 12 mit den statistischen Bezirken
Priesterweg, Rubensstraße, Schloßstraße 2, Albrechtstraße 1, 2, 3 und 4, Ostpreußen 1 und Lankwitz 1
eingesetzt.
- …
- Die Beklagte verpflichtet sich, den Kläger nach den jeweils geltenden Regelungen und unter Beachtung des Gleichheitsgrundsatzes die Verkaufstätigkeit im Ladengeschäft einzuräumen.
”
Der Kläger wurde seither an jeweils 11 Tagen im Monat halbtags als Verkäufer in den Verkaufsräumen H… straße oder K… eingesetzt. Die übrige Zeit war er als Gebietsverkäufer tätig. Dabei hatte er im wesentlichen neue Kunden zu werben, die bisher noch kein Fahrzeug der Marke … fahren, und bei Altkunden darauf hinzuwirken, daß sie einen Neuwagen der gleichen Marke erwerben.
Mit Schreiben vom 20. April 1994 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß der Ladendienst neu geregelt werde. Wegen der angestrebten weiteren Intensivierung der Gebietsarbeit könne er nur noch an Samstagen wahrgenommen werden, die Einteilung erfolge durch die Verkaufsleitung. Der Ladendienstplan für die Zeit von Mai bis Mitte Juli 1994 sah für den Kläger nur einen Einsatz am 28. Mai 1994 vor. Er wird seither nur noch sporadisch an Samstagen im Ladendienst eingesetzt. Dies gilt in gleicher Weise für alle Gebietsverkäufer. Der in der Niederlassung bestehende Betriebsrat ist bei der Neuordnung des Ladendienstes nicht beteiligt worden.
Am 19. Juli 1994 forderte die Beklagte den Kläger auf, den Vorführwagen, der ihm bis dahin zur Nutzung auch an Wochenenden und im Urlaub überlassen worden war, jeweils am Freitag nach Dienstschluß auf dem Firmengelände abzustellen.
Mit seiner am 24. Mai 1994 erhobenen Klage hat der Kläger sich gegen die Änderung seines Aufgabengebietes gewandt. Er hat die Auffassung vertreten, die Beklagte sei aufgrund des geschlossenen Vergleichs verpflichtet, ihn auch im Ladendienst einzusetzen. Der praktisch vollständige Entzug sei nicht durch das Direktionsrecht gedeckt, sondern hätte einer Änderungskündigung bedurft. Er entspreche auch nicht billigem Ermessen. Der Einsatz im Ladendienst sei von erheblicher Bedeutung für die Verkaufstätigkeit, da hier Kundenkontakte besonders erfolgversprechend aufgebaut werden könnten. Dies wirke sich auf seine provisionsabhängige Vergütung aus. Die Tätigkeit als Gebietsverkäufer sei praktisch eine reine Außendiensttätigkeit als Vertreter und bestehe zu einem großen Teil im “Klinkenputzen”. Die Abschlußmöglichkeiten seien erheblich geringer als bei Verkäufern im Ladendienst.
Im Entzug der Verkaufstätigkeit im Laden liege zugleich eine mitbestimmungspflichtige Versetzung, weil sich dadurch sein Arbeitsbereich wesentlich geändert habe. Die Beklagte hätte daher den Betriebsrat beteiligen müssen.
Der Kläger hat sich außerdem gegen den Entzug des Vorführwagens für die private Nutzung im bisherigen Umfang gewandt.
Er hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, den Kläger an mindestens 11 Arbeitstagen im Monat jeweils halbtags als Neuwagen-Verkäufer in den Verkaufsräumen K…, 10719 Berlin und/oder H…straße …, 10553 Berlin, zu beschäftigen:
hilfsweise,
festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, den Kläger überwiegend, hilfsweise in angemessenem Umfang, für den Ladendienst in den vorgenannten Verkaufsräumen einzuteilen;
- die Beklagte zu verurteilen, dem Kläger den jeweils an den Wochentagen zur Verfügung gestellten Vorführwagen auch an Wochenenden, Feiertagen sowie Urlaubstagen ohne Unterbrechung zur privaten Nutzung für einen Umkreis von 150 km zu überlassen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat die Auffassung vertreten, sie sei aufgrund ihres Direktionsrechts berechtigt, den Einsatz des Klägers neu zu ordnen. In dem Vergleich von 1992 sei dem Kläger kein bestimmter Einsatz im Ladendienst zugesagt worden. Er habe nur den anderen Gebietsverkäufern gleichbehandelt werden sollen. Die Reduzierung des Einsatzes im Ladendienst treffe aber alle Gebietsverkäufer in gleicher Weise. In der Maßnahme liege keine mitbestimmungspflichtige Versetzung, da sich der Arbeitsbereich des Klägers nicht geändert habe. Er sei nach wie vor Gebietsverkäufer und nicht Ladendienstverkäufer. Den Entzug der privaten Nutzung des Dienstwagens hat die Beklagte mit den gesunkenen Verkaufsleistungen gerechtfertigt, und sich dabei auf entsprechende vertragliche Bestimmungen berufen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage bezüglich des Dienstwagens stattgegeben, im übrigen hat es sie abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten wegen des Dienstwagens zurückgewiesen. Hingegen hat es auf die Berufung des Klägers der Klage hinsichtlich des Einsatzes im Ladendienst stattgegeben. Mit der Revision begehrt die Beklagte insoweit die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger zur Zeit verlangen kann, in der zuletzt für ihn maßgeblichen Art und Weise im Ladendienst beschäftigt zu werden.
I. Die Anordnung der Beklagten, nach der der Kläger statt bisher monatlich elfmal halbtags nur noch sporadisch im Ladendienst eingesetzt wird, ist eine Versetzung im Sinne von § 95 Abs. 3 BetrVG.
1. Nach § 95 Abs. 3 Satz 1 BetrVG ist Versetzung die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs, die voraussichtlich die Dauer von einem Monat überschreitet, oder die mit einer erheblichen Änderung der Umstände verbunden ist, unter denen die Arbeit zu leisten ist. Dabei liegt nach ständiger Rechtsprechung des Senats die Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs dann vor, wenn dem Arbeitnehmer ein neuer Tätigkeitsbereich zugewiesen wird, so daß sich der Gegenstand der nunmehr geforderten Arbeitsleistung und das Gesamtbild der Tätigkeit ändern. In diesem Zusammenhang ist unerheblich, ob die angeordnete Maßnahme dem Arbeitnehmer gegenüber individualrechtlich zulässig, also vom Direktionsrecht des Arbeitgebers gedeckt ist.
Ob ein anderer Tätigkeitsbereich zugewiesen wurde, beurteilt sich ausschließlich nach den tatsächlichen Verhältnissen im Betrieb. Es kommt darauf an, ob sich die Tätigkeiten des Arbeitnehmers vor und nach der personellen Maßnahme so voneinander unterscheiden, daß ein mit den betrieblichen Verhältnissen vertrauter Beobachter die neue Tätigkeit als eine andere betrachten kann. Der Begriff des Arbeitsbereichs wird in § 81 BetrVG durch die Aufgabe und die Verantwortung sowie die Art der Tätigkeit und ihre Einordnung in den Arbeitsablauf des Betriebes umschrieben. Welche Arbeitsbereiche in einem Betrieb vorhanden sind, ergibt sich aus dessen Organisation. In jedem Arbeitsbereich treten ständig Änderungen ein, die die Unterrichtungspflicht des Arbeitgebers nach § 81 BetrVG auslösen. Nicht jede dieser Veränderungen stellt jedoch eine Versetzung dar, die der Zustimmung des Betriebsrats bedarf. Bagatellfälle und Änderungen innerhalb der üblichen Schwankungsbreite werden nicht erfaßt. Die Veränderung muß so erheblich sein, daß sich das Gesamtbild der Tätigkeit des Arbeitnehmers dadurch ändert (ständige Rechtsprechung vgl. etwa Senatsbeschlüsse vom 23. November 1993 – 1 ABR 38/93 – AP Nr. 33 zu § 95 BetrVG 1972, vom 16. Juli 1991 – 1 ABR 71/90 – BAGE 68, 155 = AP Nr. 28 zu § 95 BetrVG 1972 sowie vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 21/90 – BAGE 67, 225 = AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG 1972).
Eine solche Veränderung kann sich auch dadurch ergeben, daß eine neue Teilfunktion übertragen oder ein Teil der bisher wahrgenommenen Funktionen entzogen wird (BAG Urteil vom 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 – BAGE 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 33/90 –, n.v.). Dabei muß die neu übertragene oder die entzogene Tätigkeit nicht unbedingt überwiegen. Maßgeblich ist, daß sie der Gesamttätigkeit ein solches Gepräge gibt, daß nach ihrem Wegfall bzw. ihrem Hinzutreten insgesamt von einer anderen Tätigkeit ausgegangen werden kann. Erforderlich ist also auch hier, daß es sich um eine erhebliche Änderung der Teilfunktionen handelt (BAG, aaO; Kittner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, BetrVG, 4. Aufl., § 99 Rz 98; Fitting/Kaiser/Heither/Engels, BetrVG, 18. Aufl., § 99 Rz 25; v. Hoyningen-Huene/Boemke, Die Versetzung, S. 143; Griese, BB 1995, 458).
2. Von diesen Grundsätzen ist das Landesarbeitsgericht ausgegangen und hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise angenommen, daß ein anderer Arbeitsbereich gebildet wurde.
a) Der dem Kläger entzogene Einsatz im Ladendienst unterscheidet sich nach der Aufgabenstellung wesentlich von der Tätigkeit eines Gebietsverkäufers. Das Landesarbeitsgericht vergleicht den Sachverhalt zu Recht mit dem Unterschied zwischen Vertretertätigkeit einerseits und Verkäufertätigkeit andererseits bzw. Innendienst und Außendienst. Der Beklagten ist zuzugeben, daß es in beiden Fällen Ziel der Tätigkeit ist, Kunden zum Kauf eines Fahrzeugs zu animieren. Der Ladenverkäufer hat es aber mit Kunden zutun, die von sich aus eine Verkaufsstätte aufsuchen, bei denen also ein Kaufinteresse, mindestens aber ein Informationsinteresse vorhanden ist. Der Verkäufer braucht dieses Interesse nicht erst zu wecken. Dies ist aber die Hauptaufgabe des Gebietsverkäufers. Er muß die potentiellen Kunden ausfindig machen – sei es auch mit Unterstützung des Arbeitgebers – und den Kontakt zu ihnen herstellen, um ein Kauf- oder Informationsinteresse zu wecken. Im Vordergrund steht also nicht die Beratung des Kunden; ein Schwerpunkt der Tätigkeit besteht vielmehr in der Anbahnung des Verhältnisses. Das gilt besonders hinsichtlich solcher Kunden, die bisher kein Fahrzeug des von der Beklagten produzierten Fabrikats fahren. Aber auch hinsichtlich der “Altkunden” besteht die Hauptaufgabe des Gebietsverkäufers darin, Kontakte zu pflegen und Interesse am Erwerb eines neuen Fahrzeugs zu wecken und zu fördern. Dabei ändert sich nicht nur die Art der Tätigkeit, sondern auch die Umstände, unter denen die Arbeitsleistung “Verkaufen” zu erbringen ist. Der Wechsel zwischen Außendienst und Innendienst wird jedenfalls in der Regel als Änderung des Arbeitsbereichs angesehen (Senatsbeschluß vom 19. Februar 1991 – 1 ABR 21/90 – BAGE 67, 235 = AP Nr. 25 zu § 95 BetrVG; MünchArbR-Matthes, § 345 Rz 11).
Die Beklagte hat in der Revisionsbegründung vorgetragen, zwischen dem Gebietsverkäufer und dem Ladendienstverkäufer bestehe bei ihr kein wesentlicher Unterschied, weil einerseits der Gebietsverkäufer einen festen Arbeitsplatz in der Niederlassung habe, von der aus er Kontakte anknüpfe, andererseits der Ladendienstverkäufer häufig außer Hauses eingesetzt werde. Damit kann sie jedoch nicht mehr gehört werden. Die tatsächlichen Umstände, aus denen sich die Gleichartigkeit der Tätigkeiten ergeben soll, sind in dieser Form noch nicht in den Tatsacheninstanzen vorgetragen worden und schon deshalb nicht zu berücksichtigen. Der Kläger hatte von Anfang an dargelegt, bei der Tätigkeit eines Gebietsverkäufers handele es sich im Unterschied zum Ladendienst um eine reine Akquisitionstätigkeit. Gerade darin hatte er den wesentlichen Unterschied gesehen. Dem ist die Beklagte nicht entgegengetreten. Das Landesarbeitsgericht mußte daher davon ausgehen. Im übrigen stellt die Beklagte auch in der Revisionsbegründung den grundsätzlichen Unterschied von Innen- und Außendienst nicht in Abrede.
b) Dem Landesarbeitsgericht ist weiter in der Annahme zu folgen, der Ladendienst habe die bisherige Tätigkeit des Klägers so geprägt, daß der praktisch vollständige Entzug das Gesamtbild der Tätigkeit wesentlich verändert hat.
aa) Die Begriffe des Gepräges und der wesentlichen oder erheblichen Änderung, auf die es hier ankommt, sind sog. unbestimmte Rechtsbegriffe (vgl. für den Begriff des Gepräges etwa Urteil vom 18. September 1986 – 6 AZR 446/83 – AP Nr. 9 zu § 15 BAT). Ihre Anwendung ist eng mit der Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse verknüpft. Diese obliegt aber vorrangig den Instanzgerichten. So kann es auch hier nicht Aufgabe des Revisionsgerichts sein, jeweils im einzelnen zu prüfen, ob der Entzug von Teilfunktionen bezogen auf die tatsächlichen betrieblichen Gegebenheiten ein ausreichendes Gewicht hat, um einen anderen Arbeitsbereich anzunehmen. Die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs wird vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft, ob das Tatsachengericht von den richtigen Wertungsmaßstäben ausgegangen ist, nicht gegen Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstoßen und alle erheblichen Tatsachen berücksichtigt hat (Germelmann/Matthes/Prütting, ArbGG, 2. Aufl., § 73 Rz 7, m.w.N.). Dieser eingeschränkten Überprüfung hält die angefochtene Entscheidung stand.
bb) Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die Frage, ob der Entzug von Teilfunktionen nur zu einer Verkleinerung des unveränderten Arbeitsbereichs führt oder einen neuen Arbeitsbereich schafft, nicht allein quantitativ zu beantworten ist (vgl. auch Belling, DB 1985, 335, 337). Überwiegt der entzogene Teilbereich, wird man zwar schon deshalb in der Regel eine Änderung des Arbeitsbereichs insgesamt annehmen können (vgl. etwa v. Hoyningen-Huene/Boemke, aaO, S. 143). Die Teilfunktion kann aber auch dann prägend sein, wenn sie einen zeitlich geringeren Anteil ausmacht (s. schon Senatsbeschluß vom 19. September 1991 – 1 ABR 33/90 –, n.v.; BAG Urteil vom 27. März 1980 – 2 AZR 506/78 – BAGE 33, 71 = AP Nr. 26 zu § 611 BGB Direktionsrecht; LAG Frankfurt Beschluß vom 22. Februar 1983 – 5 TaBV 88/82 –, DB 1983, 2143, 2144).
Allerdings wird diskutiert, ob es eine quantitative Untergrenze gibt, bei der Entzug oder Hinzufügung von Teilfunktionen regelmäßig als unerheblich anzusehen sind. Insoweit wird etwa ein Anteil von 20 % als Grenze angenommen (vgl. Griese, BB 1995, 458). Dieser Anteil wird andererseits aber auch schon als quantitativ erheblich und deshalb als Indiz für die Bildung eines neuen Arbeitsbereichs gewertet (Kittner in Däubler/Kittner/Klebe/Schneider, aaO, § 99 Rz 98; Galperin/Löwisch, BetrVG, 6. Aufl., § 99 Rz 18b; LAG München Beschluß vom 16. November 1978 – 8 TaBV 6/78 – BB 1979, 1092). Im Streitfall muß der Senat das nicht entscheiden. Der Anteil des Ladendienstes betrug für den Kläger nach der unbestrittenen Feststellung des Landesarbeitsgerichts vor der Neuordnung elf halbtägige Einsätze im Monat und damit ca. 25 % der Gesamtarbeitszeit. Dieser Einsatz ist praktisch auf Null reduziert worden. Das Landesarbeitsgericht schätzt den verbliebenen Anteil auf ca. 2 %. Dem Kläger ist also fast ein Viertel seiner bisherigen Tätigkeit entzogen worden. Darin liegt eine Aufgabenänderung, die auch zeitlich über eine übliche Schwankungsbreite hinausgeht.
Das Landesarbeitsgericht hat aber zu Recht nicht allein auf den zeitlichen Anteil der Veränderung abgestellt. Es hat weiter berücksichtigt, daß der Ladendienst die Gesamttätigkeit des Klägers auch qualitativ geprägt habe. Dafür sprächen schon die deutlich unterschiedlichen Schwerpunkte der zu vergleichenden Tätigkeitsbereiche, nämlich der Akquisition von neuen Kunden einerseits und der Beratung von präsenten Kunden andererseits. Der Kläger weist weiter darauf hin, daß der Ladendienst sich auf seine Außendiensttätigkeit auswirke, weil er ihm eine sonst nicht gegebene Möglichkeit eröffne, Kundenkontakte anzuknüpfen. Dies wiederum kann seine Chance verbessern, Abschlüsse zu erzielen.
Als weiteren Umstand hat das Landesarbeitsgericht vertretbar die Entwicklung des Arbeitsverhältnisses berücksichtigt. Der Kläger war ursprünglich ausschließlich im Ladendienst eingesetzt und wurde im Januar 1992 gegen seinen Willen in den Gebietsverkauf umgesetzt. Es wurde damals ein Vergleich geschlossen, in dem der Ladendienst immerhin besonders hervorgehoben wurde. Auch wenn man mit dem Landesarbeitsgericht annimmt, daß dieser Vergleich den Mindesteinsatz im Ladendienst nicht festlegte, zeigt die Klarstellung doch, daß diese Tätigkeit nach den Vorstellungen der Parteien für den Kläger besonders wichtig war und jedenfalls zunächst den Arbeitsbereich mitbestimmte; der Kläger sollte eben nicht nur Gebietsverkäufer sein.
II. Wollte die Beklagte dem Kläger einen anderen Arbeitsbereich zuweisen, mußte sie zuvor gem. § 99 BetrVG die Zustimmung des Betriebsrats einholen. Der Betriebsrat wurde aber unstreitig nicht beteiligt. Solange die Zustimmung des Betriebsrats oder eine gerichtliche Ersetzung (§ 99 Abs. 4 BetrVG) fehlen, ist der Arbeitgeber gehindert (abgesehen von Eilmaßnahmen i.S.v. § 100 BetrVG), eine geplante Versetzung durchzuführen. Hierauf kann sich der Arbeitnehmer berufen, und zwar auch dann, wenn die Versetzung nach dem Arbeitsvertrag im Wege des Direktionsrechts angeordnet werden könnte. Die personelle Maßnahme ist ihm gegenüber wegen Verletzung des Mitbestimmungsrechts unwirksam (Senatsbeschluß vom 26. Januar 1988- 1 AZR 531/86 – BAGE 57, 242 = AP Nr. 50 zu § 99 BetrVG 1972; BAG Urteil vom 30. September 1993 – 2 AZR 283/93 – BAGE 74, 291 = AP Nr. 33 zu § 2 KSchG 1969; a.A. insoweit v. Hoyningen-Huene, NZA 1993, 145, 150). Solange ein neuer Tätigkeitsbereich nicht wirksam zugewiesen werden kann, bleibt es bei dem zuletzt erteilten Arbeitsauftrag.
In diesem Sinne hat das Landesarbeitsgericht entschieden, daß der Kläger wie bisher monatlich elfmal halbtags im Ladendienst eingesetzt werden muß. In den Entscheidungsgründen hat es zutreffend klargestellt, daß dieser Einsatz nicht auf Dauer festgeschrieben ist. Das bedeutet allerdings praktisch, daß die Verurteilung sich im Ergebnis in einer Feststellung der derzeitigen Rechtslage erschöpft. Sie hindert die Beklagte nicht, den Einsatz des Klägers im Ladendienst ohne Beteiligung des Betriebsrats abweichend zu regeln, soweit dadurch kein neuer Arbeitsbereich im Sinne des § 95 Abs. 3 BetrVG entsteht. Sollte darüber Streit entstehen, wäre über die Wirksamkeit der Maßnahme in einem neuen Verfahren zu entscheiden. Hingegen ist eine Vollstreckung des ausgeurteilten Anspruchs (Einsatz an mindestens 11 Arbeitstagen im Monat jeweils halbtags) bei dieser Sachlage nicht möglich, da es nicht Aufgabe des Vollstreckungsgerichts sein kann, darüber zu befinden, ob die erneute Zuweisung eines anderen Arbeitsbereichs wiederum Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats verletzt.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, H. Blanke, Gentz
Fundstellen
Haufe-Index 872464 |
BB 1996, 1940 |
JR 1997, 176 |
NZA 1997, 112 |
PersR 1997, 38 |