Entscheidungsstichwort (Thema)
Feiertagslohn bei Beschäftigung nach wechselndem Bedarf
Leitsatz (redaktionell)
Anspruch auf Feiertagsvergütung besteht auch dann, wenn die Arbeit stundenweise je nach wechselndem Bedarf geleistet wird, ohne daß der Arbeitnehmer zum Arbeitsantritt verpflichtet wäre. Voraussetzung ist nur, daß die Arbeit tatsächlich wegen des Feiertages ausfällt, der Arbeitnehmer also ohne die gesetzlich angeordnete Feiertagsruhe arbeiten würde.
Orientierungssatz
Betrifft Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen gemäß Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen und Einfuhruntersuchungsstellen vom 1. April 1969 in der Fassung des 13. Änderungstarifvertrages vom 29. April 1980.
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 15.01.1981; Aktenzeichen 9 Sa 1171/80) |
ArbG Bochum (Entscheidung vom 04.09.1980; Aktenzeichen 2 Ca 201/80) |
Tatbestand
Die Klägerin verlangt Feiertagsvergütung für Donnerstag, den 1.November 1979, Dienstag, den 25.Dezember 1979 und Dienstag, den 1.Januar 1980.
Die Klägerin arbeitet seit 1974 im Schlachthof der Beklagten als Fleischbeschauerin und Trichinenschauerin. Ihren monatlichen Durchschnittsverdienst gibt sie mit ca. 2.100,-- DM brutto an. Auf das Arbeitsverhältnis findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der "Tarifvertrag über die Regelung der Rechtsverhältnisse der nicht vollbeschäftigten Fleischbeschautierärzte, Fleischbeschauer und Trichinenschauer in öffentlichen Schlachthöfen und in Einfuhruntersuchungsstellen" vom 1.April 1969 in der Fassung des 13. Änderungstarifvertrages vom 29.April 1980 (im folgenden kurz TV) Anwendung.
Über die Arbeitsvergütung, die nach Arbeitsstunden zu berechnen ist, bestimmt der TV unter anderem folgendes:
§ 12
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit des Angestellten richtet sich nach
dem Arbeitsanfall. Die möglichst gleichmäßige Heran-
ziehung zu einer Arbeitsleistung wird vom Arbeitgeber
geregelt. Ist der Angestellte verhindert, seine Arbeit
aufzunehmen, hat er dies dem Arbeitgeber unverzüglich
anzuzeigen.
§ 13
Vergütung
(1) Vergütung wird nur für angeordnete und geleistete
Arbeit gezahlt. Ist der Angestellte nach Auffor-
derung zur Arbeit erschienen und werden seine Dien-
ste aus einem von ihm nicht zu vertretenden Grunde
nicht oder weniger als 2 Stunden in Anspruch genom-
men, wird die Vergütung für 2 Stunden gezahlt.
(2) ...
Der Arbeitsanfall richtet sich nach dem jeweiligen Schlachtaufkommen, das unterschiedlich ist und nicht exakt vorausbestimmt werden kann. Bis Ende des Jahres 1979 waren alle Werktage mit Ausnahme des Mittwochs Schlachttage. Auch der Mittwoch war Schlachttag, wenn wegen eines gesetzlichen Feiertages ein anderer Wochentag ausfiel. Seit Januar 1980 wird mittwochs regelmäßig, wenn auch in geringem Umfang geschlachtet.
Die Klägerin wurde an allen Schlachttagen zur Arbeit herangezogen. Die am 1.November und 21.Dezember 1979 sowie am 1.Januar 1980 ausgefallenen Schlachttage wurden nachgeholt. Dadurch blieben die Arbeitszeit der Klägerin und ihr Verdienst in den betreffenden Wochen unverändert.
Die Klägerin hat die Ansicht vertreten, die an den gesetzlichen Feiertagen ausgefallene Arbeitszeit müsse ihr bezahlt werden. Es sei unerheblich, daß die Arbeitszeit nachgeholt worden sei. An Donnerstagen habe sie im Durchschnitt 6 Stunden als Fleischbeschauerin und 1 Stunde als Trichinenschauerin gearbeitet, an Dienstagen ebenfalls 6 Stunden als Fleischbeschauerin und 3 Stunden als Trichinenschauerin. Nach den jeweiligen Stundensätzen ergebe sich für die ausgefallenen drei Feiertage eine Gesamtforderung von 334,78 DM. Die Klägerin hat einen entsprechenden Zahlungsantrag gestellt.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat geltend gemacht, der Klägerin stehe keine Feiertagsvergütung zu, da sich die Arbeitszeit nach dem Arbeitsanfall richte, an Wochenfeiertagen aber keine Arbeit anfalle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihr in Höhe eines Betrages von 273,-- DM stattgegeben. Mit der Revision erstrebt die Beklagte die Abweisung der Klage in vollem Umfang.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist bis auf einen geringen Teilbetrag unbegründet.
I. Die Klägerin hat Anspruch auf Feiertagsvergütung.
1. Das Berufungsgericht hat angenommen, die an Wochenfeiertagen ausfallende Arbeit sei gemäß § 1 Abs. 1 FeiertLohnzG zu bezahlen. Der hier geltende Tarifvertrag berühre diesen Anspruch nicht. § 12 Satz 1 TV bedeute nur, daß der Angestellte keinen Anspruch auf eine von vornherein zeitlich feststehende Beschäftigungsdauer habe. Das sei sinnvoll, weil das Schlachtaufkommen nicht feststehe. Auch § 13 Abs. 1 TV schließe den Anspruch nicht aus; das Feiertagslohnzahlungsgesetz regele den Fall, daß Arbeit wegen des Feiertags nicht geleistet, also auch nicht angeordnet werden könne. Diese Auffassung ist nicht zu beanstanden.
2. Ein Anspruch auf Feiertagsvergütung nach § 1 Abs.1 Satz 1 FeiertLohnzG setzt voraus, daß an einem Werktag infolge eines gesetzlichen Feiertags Arbeitszeit ausgefallen ist und der Arbeitsausfall sich nachteilig auf die Vergütung ausgewirkt hat. Das ist hier der Fall. Wären die genannten Werktage nicht gesetzliche Feiertage gewesen, hätte die Klägerin gearbeitet und dafür Lohn erhalten.
Die Beklagte stellt nicht in Abrede, daß Schlachtgut angeliefert und damit Arbeit angefallen wäre, die Klägerin also auch an den ausgefallenen Tagen gearbeitet hätte, wenn diese nicht gesetzliche Feiertage gewesen wären. Es handelte sich um Schlachttage, an denen die Klägerin regelmäßig Dienst tat. Die Beklagte meint, der Klägerin stehe gleichwohl kein Feiertagslohn zu, denn sie habe keinen Anspruch auf Beschäftigung gerade an diesen Tagen gehabt, sondern sei allein nach dem Arbeitsanfall angefordert worden. Dabei habe sie nicht erwarten können an jedem Tag zur Arbeit herangezogen zu werden, nur eine gleichmäßige Verteilung des Arbeitsanfalls auf alle Arbeitnehmer sei tariflich vorgeschrieben. Die Klägerin habe ihrerseits die Arbeit aus nicht nachprüfbaren Gründen ablehnen können. Mithin könne sie auch für die ausgefallenen Tage keinen Lohn verlangen. Dieser Auffassung der Beklagten kann nicht gefolgt werden.
Es kommt nicht darauf an, ob die Klägerin ohne den Feiertag hätte arbeiten müssen. Für den Anspruch nach § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG reicht es aus, daß der gesetzliche Wochenfeiertag für den Arbeitsausfall ursächlich ist. Das Gesetz verlangt weder ausdrücklich noch nach seinem Sinn und Zweck, daß die Arbeitnehmer zur Leistung der ausgefallenen Arbeit ohne die gesetzlich angeordnete Feiertagsruhe verpflichtet wären. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts verfolgt das Feiert-LohnzG das Ziel, dem Arbeitnehmer für den ausgefallenen Arbeitstag die Vergütung zu sichern, ohne die Gegenleistung erbringen zu müssen; darum ist es auch unerheblich, ob durch Vor- oder Nacharbeit eine Lohneinbuße vermieden wird (BAG 8, 76, 78 = AP Nr. 5 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG; 10, 29, 32 = AP Nr. 11 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG, zu I 1 der Gründe; 18, 213, 215 f. = AP Nr. 20, aaO, zu 1 der Gründe; 22, 45, 48, 50 = AP Nr. 27, aaO, zu 2 b und 3 c der Gründe; 23, 248, 252 f. = AP Nr. 9 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Berlin, zu I 2 b der Gründe; Urteil vom 17. April 1975 - 3 AZR 289/74 - AP Nr. 32, zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG). Soll aber dem Arbeitnehmer ein Lohnausfall nicht entstehen, den er durch einen gesetzlichen Feiertag erleiden würde, so kann es nicht darauf ankommen, ob der Arbeitgeber berechtigt gewesen wäre, einen anderen Arbeitnehmer zur Arbeit heranzuziehen. Ebensowenig kann es erheblich sein, ob der Arbeitnehmer nach den Abmachungen des Arbeitsvertrags von sich aus der Arbeit fernbleiben durfte. Daß ohne den Feiertag gearbeitet worden wäre, erfüllt bereits die Anspruchsvoraussetzungen des § 1 Abs. 1 Satz 1 FeiertLohnzG.
Im vorliegenden Rechtsstreit ist davon auszugehen, daß die Klägerin an den umstrittenen Wochenfeiertagen in dem behaupteten Umfang gearbeitet hätte. Es fehlt jeder Anhaltspunkt dafür, daß der normale Geschehensablauf ausnahmsweise durchbrochen worden wäre.
Die Beklagte kann sich für ihre abweichende Rechtsauffassung nicht auf das Urteil des Ersten Senats des Bundesarbeitsgerichts vom 9.Juli 1959 (BAG 8, 76 = AP Nr. 5 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG) berufen. Richtig ist, daß in der Entscheidung ausgeführt wird, die Klägerin jenes Rechtsstreits sei nach den das Revisionsgericht bindenden Feststellungen der Vorinstanz nicht für die Schlachttage, sondern bestimmte Wochentage angestellt gewesen; daraus wird gefolgert, daß der Klägerin Feiertagslohn für einen auf ihre Arbeitstage fallenden Wochenfeiertag zustand. Die Frage, ob die Klägerin jenes Rechtsstreits auch dann einen Anspruch nach § 1 Abs.1 FeiertLohnzG gehabt hätte, wenn sie nur für die Schlachttage einen Anspruch auf Beschäftigung gehabt hätte, ist damit nicht verneint worden, sondern offengeblieben. Der Erste Senat hat hervorgehoben, daß er dies nicht prüfen könne (BAG 8, 76, 77 = AP, aaO).
3. Daß die §§ 12 und 13 Abs.1 TV dem Anspruch der Klägerin nicht entgegenstehen, hat das Berufungsgericht zutreffend entschieden. Beiden Vorschriften läßt sich für den hier geltend gemachten Anspruch nichts entnehmen. Der in § 12 Satz 1 TV genannte Arbeitsanfall, der die Arbeitszeit bestimmen soll, wird in seinem Umfang von einem gesetzlichen Wochenfeiertag nicht verändert. Darum mußte die ausgefallene Arbeit nachgeholt werden. Der Hinweis in § 13 Abs.1 TV, daß nur angeordnete Arbeit bezahlt werde, war lediglich deshalb notwendig, weil die Dauer der Arbeitszeit nicht von vornherein festgelegt ist.
II. Soweit die Revision das Berufungsurteil hinsichtlich der Höhe des Anspruchs angreift, hat sie teilweise Erfolg.
1. Auszugehen ist allerdings von der nicht angegriffenen Feststellung der Vorinstanz, das monatliche Einkommen der Klägerin habe in den Jahren 1979 und 1980 2.100,-- DM betragen (§ 561 Abs.2 ZPO). Mit ihren abweichenden, erstmals in der Revisionsinstanz vorgetragenen Behauptungen über die Einkünfte der Klägerin kann die Beklagte nicht mehr gehört werden. Auch die vom Berufungsgericht angewandte Berechnungsmethode, den Lohnausfall der Klägerin in Anlehnung an die §§ 14 Abs.3 Satz 1 und 16 Abs.2 des zwischen den Parteien geltenden Tarifvertrags zu schätzen, ist nicht zu beanstanden. Danach sind für die durch Krankheit und Urlaub ausgefallene Arbeitszeit pro Werktag 1/300 der Bezüge des vorausgegangenen Kalenderjahres zu zahlen. Dies ist eine Berechnungsweise, deren Übertragung auf Feiertagsvergütung der Tarifvertrag nahelegt (vgl. auch BAG 23, 248, 254 = AP Nr. 9 zu § 1 FeiertagslohnzahlungsG Berlin, zu I 2 c der Gründe).
2. Die Revision rügt jedoch zu Recht, daß das Berufungsgericht bei der Berechnung des Jahreseinkommens der Klägerin von 13 Monatsgehältern ausgegangen ist. Nach § 13 Abs.2 des einschlägigen Tarifvertrags erhält die Klägerin für ihre Tätigkeiten als Fleischbeschauerin und Trichinenschauerin Stundenvergütungen in unterschiedlicher Höhe. Eine zusätzliche Jahressonderzahlung ist nicht vorgesehen. Das bedeutet, daß nur von 12 durchschnittlichen Monatseinkommen von je 2.100,-- DM ausgegangen werden kann. Dann aber errechnet sich ein Tagessatz von (2.100,-- DM x 12 = 25.200,-- DM : 300 =) 84,-- DM. Für drei ausgefallene Arbeitstage ergibt dies eine Gesamtforderung in Höhe von (84,-- DM x 3 =) 252,-- DM.
Dr. Dieterich Schaub Griebeling
Heimann Arntzen
Fundstellen
Haufe-Index 438302 |
BAGE 42, 324-329 (LT1) |
BAGE, 324 |
DB 1983, 2784-2785 (LT1) |
ARST 1984, 5-6 (LT1) |
BlStSozArbR 1984, 37-37 (T) |
USK, 8375 (ST1) |
AP § 1 FeiertagslohnzahlungsG (LT1), Nr 39 |
EzA § 1 FeiertagslohnzahlungsG, Nr 24 (LT1) |