Entscheidungsstichwort (Thema)
Anrechnung bei Arbeitszeitverkürzung
Leitsatz (redaktionell)
Wird eine übertarifliche Zulage jederzeit widerruflich und auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar vereinbart, kann sie auch auf die Tariflohnerhöhung in der Metallindustrie angerechnet werden, die ab 1. April 1985 in Höhe von 3,9% zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung gewährt wird. Diese automatische Anrechnung verstößt weder gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz noch unterliegt sie dem Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates.
Normenkette
TVG §§ 1, 4; BGB § 242; BetrVG § 87
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 11.11.1986; Aktenzeichen 13 (15) Sa 2315/85) |
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 16.10.1985; Aktenzeichen 2 Ca 1617/85) |
Tatbestand
Der der IG Metall angehörende Kläger ist seit dem 10. Dezember 1967 bei der Beklagten als Dreher beschäftigt. Die Beklagte ist Mitglied des Verbandes der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen e. V. Der Kläger erhielt seit dem 1. Juli 1984 einen Bruttostundenlohn von 14,49 DM. Dieser Lohn setzte sich zusammen aus dem Tariflohn von 11,77 DM, einer tariflichen Leistungszulage von 1,88 DM sowie einer übertariflichen Zulage von 0,84 DM, bei deren Gewährung darauf hingewiesen wurde, daß es sich "um eine freiwillige, jederzeit widerrufliche übertarifliche Zulage handelt, die mit weiteren Tariflohnerhöhungen verrechnet werden kann".
Durch das "Abkommen vom 3. Juli 1984 über die Erhöhung der Tariflöhne in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens" erhöhten sich die Tariflöhne ab 1. April 1985. Die Beklagte zahlte an den Kläger ab diesem Zeitpunkt weiterhin einen Bruttostundenlohn von 14,49 DM. Dieser setzte sich zusammen aus dem tariflichen Stundenlohn von 12,48 DM, der tariflichen Leistungszulage in Höhe von 2,-- DM sowie einer - um die 5,9 %ige Tariflohnerhöhung gekürzten - übertariflichen Zulage von 0,01 DM.
Mit seiner am 6. Juli 1985 erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die ihm gewährte übertarifliche Zulage. Er hat zunächst die Zahlung der übertariflichen Zulage von 0,84 DM/Stunde für den Monat April 1985 begehrt abzüglich der gezahlten übertariflichen Zulage von 0,01 DM/Stunde in rechnerisch unstreitiger Höhe von 143,37 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit Klagezustellung.
Der Kläger hatte zunächst die Auffassung vertreten, eine Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die gezahlte übertarifliche Zulage komme schon deshalb nicht in Betracht, weil diese Zulage ihm bei seiner Einstellung als feste übertarifliche Zulage zugesichert worden sei. Zudem handele es sich um eine Leistungszulage. Der Anrechnung stehe insbesondere der § 2 Abs. 1 Satz 2 LA entgegen. Sinn und Zweck der Lohnerhöhung um 3,9 v. H. sei es, einen finanziellen Ausgleich zu schaffen für die ansonsten durch die Arbeitszeitverkürzung eintretende Verdienstminderung. Diese Vorschrift wolle das effektive Lohnniveau erhalten. Sie sei deshalb keine Lohnerhöhung im eigentlichen Sinne, sondern ein Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden pro Woche. Außerdem sei der Arbeitgeber nur dann im Hinblick auf erfolgte Tariflohnerhöhungen zur Verrechnung von übertariflichen Lohnbestandteilen befugt, wenn die tarifliche Lohnerhöhung denselben Zweck verfolge wie die übertarifliche Vergütung. An dieser Zweckidentität fehle es hier. Zudem führe eine Anrechnung zu einer Ungleichbehandlung von Arbeitern und Angestellten, denen eine übertarifliche Zulage gewährt wird. Bei Angestellten sei bei unverändertem monatlichen Gehalt die Arbeitszeit reduziert worden, so daß eine wie bei Arbeitern vergleichbare Erhöhung der Tariflöhne unter Anrechnung auf übertarifliche Zulagen nicht vorgenommen worden sei. Dadurch würden Angestellte besser behandelt als Arbeiter. Dies verstoße gegen Art. 3 GG und den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Zudem handele es sich bei der vorgenommenen Anrechnung um einen nach § 87 Abs. 1 Ziffer 10 BetrVG mitbestimmungspflichtigen Tatbestand. Der Betriebsrat der Beklagten sei - was unstreitig ist - jedoch bei der Anrechnung der Zulagen nicht beteiligt worden.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger
143,37 DM brutto nebst 4 % Zinsen auf den
sich hieraus ergebenden Nettobetrag seit
dem 6. Juli 1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Auffassung vertreten, die Zulage, die mit der tariflichen Lohnerhöhung verrechnet worden sei, sei eine freiwillige übertarifliche Zulage. Der Kläger übersehe, daß die Tarifvertragsparteien einen vollen Lohnausgleich für alle Effektivlöhne nicht vereinbaren könnten. Der rechtliche Charakter der hier vorliegenden übertariflichen Zulage stehe einer Anrechnung nicht entgegen. Zudem könne es für die rechtliche Beurteilung keine Rolle spielen, daß das Motiv für die 3,9 %-ige Lohnerhöhung der Lohnausgleich für die Arbeitszeitverkürzung gewesen sei. Dieser Lohnausgleich könne sich nämlich nur auf den tariflichen Teil der Vergütung beziehen, da die Tarifvertragsparteien nur insoweit Verfügungen treffen könnten. Eine Mitbestimmung des Betriebsrats scheide aus, da es sich um die Lohnhöhe handele und die Anrechnung ohne Erklärung des Arbeitgebers automatisch erfolge.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen.
In der Berufungsinstanz hat der Kläger seine Behauptung aufgegeben, ihm sei bei Einstellung eine feste übertarifliche Zulage zugesagt worden. Außerdem wendet er sich nicht mehr gegen die Anrechnung der ebenfalls zum 1. April 1985 wirksam gewordenen 2 %-igen Lohnerhöhung. Entsprechend hat er seine Klageforderung auf den rechnerisch unstreitigen Betrag von 101,92 DM brutto reduziert.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen in der Berufungsinstanz gestellten Klageantrag weiter. Die Beklagte beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision war zurückzuweisen. Zutreffend haben die Vorinstanzen erkannt, daß dem Kläger ein Anspruch auf Fortzahlung der übertariflichen Zulage über den 1. April 1985 hinaus nicht zusteht.
Nachdem der Kläger nicht mehr behauptet, ihm sei die übertarifliche Zulage allgemein oder als Leistungszulage anrechnungsfest zugesagt worden und er sich auch nicht mehr gegen die Anrechnung der zum 1. April 1985 wirksam gewordenen allgemeinen Tariferhöhung um 2 % wendet, geht es in der Revisionsinstanz nur noch um die Frage, ob die gleichzeitig als Ausgleich für die tarifvertraglich vereinbarte Arbeitszeitverkürzung wirksam gewordene Tariflohnerhöhung um 3,9 % auf die dem Kläger gewährte übertarifliche Zulage angerechnet werden konnte. Beide Parteien des Arbeitsvertrages sind tarifgebunden, so daß die Tarifverträge der Metallindustrie Nordrhein-Westfalens mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung finden (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG).
Damit ist auszugehen vom Abkommen vom 3. Juli 1984 über die Erhöhung der Tariflöhne in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie Nordrhein-Westfalens (LA). In § 2 LA ist bestimmt:
"Der gemeinsame Ecklohn von 10,55 DM wird mit
Wirkung vom 1. Juli 1984 um 3,3 % auf 10,90 DM
erhöht. Zum Ausgleich für die ab 1. April 1985
in Kraft tretende Arbeitszeitverkürzung wird
dieser Ecklohn mit Wirkung vom 1. April 1985
um 3,9 % auf 11,33 DM erhöht. Der gemeinsame
Ecklohn von 11,33 DM wird ab 1. April 1985 um
2,0 % auf 11,56 DM erhöht."
Mit den Vorinstanzen und entgegen der Auffassung des Klägers folgt aus dieser Tariflohnerhöhung, daß ab 1. April 1985 nicht nur die Lohnerhöhung von 2 %, sondern auch die weitere Erhöhung des Ecklohnes um 3,9 % zum Ausgleich für die Arbeitszeitverkürzung auf die übertarifliche Zulage des Klägers anrechenbar ist. Denn auch bei dieser Erhöhung des Ecklohnes um 3,9 % handelt es sich um eine Tariflohnerhöhung, die als solche automatisch zu einer entsprechenden Verringerung der übertariflichen Lohnbestandteile führt und den zwischen den Parteien vereinbarten Lohn solange nicht berührt, bis dieser vom Tariflohn überschritten wird. Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß übertarifliche Löhne durch Tariflohnerhöhungen nicht berührt werden, wenn nicht durch eine übertarifliche Zulage besondere Leistungen abgegolten werden sollen oder besondere Umstände neben dem Tariflohn Berücksichtigung finden sollten (vgl. BAG Urteile vom 1. November 1956 - 2 AZR 194/ 54 -, vom 6. März 1958 - 2 AZR 457/55 -, vom 13. November 1963 - 4 AZR 25/63 -, vom 28. Oktober 1964 - 4 AZR 266/63 - und vom 11. August 1965 - 4 AZR 187/64 - AP Nr. 5 bis 9 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Diese Rechtsprechung wurde vom Fünften Senat des Bundesarbeitsgerichts wiederholt (vgl. Urteile vom 19. Juli 1978 - 5 AZR 180/77 -, vom 22. August 1979 - 5 AZR 769/77 - AP Nr. 10, 11 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung). Eine Zusammenfassung dieser Rechtsprechung findet sich noch einmal in den Urteilen vom 8. Dezember 1982 (- 4 AZR 481/80 - AP Nr. 15 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung) sowie in BAGE 38, 118, 123 = AP Nr. 47 zu 242 BGB Gleichbehandlung, vom 12. November 1986 - 4 AZR 736/ 85 - zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen und vom 29. April 1987 - 4 AZR 560/86 - zur Veröffentlichung bestimmt. Um eine solche auf den übertariflichen Lohn anrechenbare Tariflohnerhöhung handelt es sich auch im vorliegenden Fall der Erhöhung des tariflichen Ecklohnes um 3,9 % zum Ausgleich der Arbeitszeitverkürzung.
§ 2 LA regelt ausschließlich die Erhöhung der Tariflöhne. Gemäß dieser Erhöhung der Tariflöhne wurden ein neuer Ecklohn festgelegt und der gesamte tarifliche neue Ecklohn und die Tariflöhne in der Lohntabelle einheitlich normiert. Auch die Überschrift des Abkommens spricht nur von der Erhöhung der Tariflöhne. Absatz 2 der Regelung behandelt die übrigen Tariflöhne und Akkordrichtsätze. Die Aufspaltung der zum 1. April 1985 wirksam werdenden Lohnerhöhung um die allgemeine Erhöhung von 2 % und die weitere Erhöhung um 3,9 % zum Ausgleich der zum gleichen Zeitpunkt wirksam werdenden Arbeitszeitverkürzung hindert nicht, daß trotzdem eine Erhöhung des tariflichen Ecklohnes und damit des Tarifstundenlohnes vorgenommen wird. Die Angabe des Grundes und der Motive, die zur Anhebung des Ecklohnes um weitere 3,9 % geführt haben, ändert nichts am rechtlichen Charakter der Tariflohnerhöhung. Entscheidend bleibt, daß es sich um eine rechnerisch bestimmbare Erhöhung des Arbeitsentgelts handelt, wobei die Arbeitszeitverkürzung zu Lohneinbußen führen würde, wenn nicht gleichzeitig der Lohn entsprechend erhöht wird. Damit ist aber der Grund für die Erhöhung dafür unerheblich, daß es sich trotzdem um eine Tariflohnerhöhung handelt.
Für diese Auslegung spricht auch, daß Arbeitern, die trotz Arbeitszeitverkürzung weiterhin 40 Wochenstunden arbeiten, ohne Einschränkung sowohl die Lohnerhöhung um 2 % als auch die weitere Lohnerhöhung um 3,9 % zugutekommt, obwohl ihre Arbeitszeit nicht verkürzt wird. Damit handelt es sich um eine für alle Arbeitnehmer geltende normale Tariflohnerhöhung, die allgemein gilt und in ihrer Höhe von 3,9 % nur den Wert angibt, bei dem ein voller Lohnausgleich bei der durchschnittlichen Arbeitszeit von 38,5 Stunden pro Woche erreicht wird. Sofern eine geringere Arbeitszeit im Einzelfall geleistet werden soll, besteht eine besondere Regelung für eine Ausgleichszulage, die nur vorübergehend und für bestimmte bereits beschäftigte Arbeitnehmer einen Ausgleich vorsieht, der sich bei weiteren tariflichen Lohnerhöhungen vermindert und bei späteren Arbeitszeitverkürzungen bis auf 0 absinkt. Auch das zeigt, daß durch die Tariflohnerhöhung um 3,9 % nicht die gesamte bisherige tarifliche Lohnhöhe erhalten bleibt, sondern nur stundenlohnbezogen eine durchschnittliche Lohnerhöhung vorgenommen wurde, um die Arbeitszeitverkürzung für den Normalfall im Durchschnitt auszugleichen. Auch insoweit entspricht die Tariflohnerhöhung den bisherigen Regelungen, bei denen infolge der Arbeitszeitverkürzungen beim Übergang von der früheren 48-Stundenwoche auf die 40-Stundenwoche ebenfalls stets ein Ausgleich durch Berücksichtigung entsprechender Lohnerhöhungen erfolgte. Wenn dies auch in früherer Zeit nicht so deutlich wie hier in getrennten Prozentsätzen, sondern nur allgemein bei den Tariflohnerhöhungen mitberücksichtigt worden ist, bleibt doch der Effekt in allen Fällen gleich. Es liegt eine tarifliche Lohnerhöhung vor, die als Erhöhung des Ecklohnes als Stundenlohnerhöhung ausgewiesen ist (vgl. ebenso BAG Urteil vom 29. April 1987 - 4 AZR 560/86 - zur Veröffentlichung bestimmt).
Liegt aber damit eine allgemeine Tariflohnerhöhung auch bei der Erhöhung um 3,9 % ab 1. April 1985 vor, gilt auch für diese Tariflohnerhöhung, daß sie auf den übertariflichen Lohn anzurechnen ist. Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts wurde die übertarifliche Zulage jederzeit widerruflich und auf Tariflohnerhöhungen anrechenbar gewährt. Dem Kläger war damit im Sinne der oben angeführten Rechtsprechung ein Effektivlohn gezahlt worden, der insgesamt über dem Tariflohn lag und auch nach der Tariflohnerhöhung noch - wenn auch nur um 0,01 DM pro Stunde - über dem neuen Tariflohn liegt. Die Behauptung des Klägers, der übertarifliche Lohn sei tariffest oder als Leistungszulage zugesagt worden, ist in der Tatsacheninstanz fallengelassen worden, so daß die allgemeinen Grundsätze der automatischen Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf den übertariflichen Lohn auch hier gelten. Der Kläger selbst hat nicht behauptet, daß ihm eine wöchentliche oder monatliche Gesamtlohnhöhe zugesagt oder zugesichert worden sei. Die Verkürzung des Gesamtlohnes folgt damit aus dem Übergang von der 40-Stunden- auf die 38,5-Stundenwoche aufgrund der Vereinbarung eines Stundenlohnes. Der Ausgleich für diese Verkürzung drückt sich nur im Tariflohn aus und bezieht sich nicht auf den übertariflichen Lohnteil. Hier muß der Kläger aufgrund der Berechnung des Lohnes nach Arbeitsstunden, wie sie im Arbeitsvertrag vereinbart ist, durch die Anrechnung eine entsprechende Kürzung des Gesamtlohnes, wie auch bei früheren Arbeitszeitverkürzungen, hinnehmen. Abgesehen davon, daß die Tarifvertragsparteien einen Gesamtlohn für den übertariflichen Lohnteil ohnehin nicht festlegen könnten, weil es sich um eine Effektivklausel handeln würde, haben sie auch im vorliegenden Fall nur die Tariflöhne entsprechend der neuen Arbeitszeit und der Tariflohnerhöhung festgelegt.
Diese Folge der Vereinbarung des Lohnes nach der Stundenlohnberechnung führt allerdings dazu, wie der Kläger richtig hervorhebt, daß bei Angestellten wegen der Vereinbarung einer Monatsvergütung der übertarifliche Gehaltsteil trotz Arbeitszeitverkürzung auf 38,5 Stunden wöchentlich erhalten bleibt, der bei Stundenlohnarbeitern mit entsprechender Tariflohnerhöhung angerechnet wird. Der Kläger erhält nach wie vor einen Stundenlohn in Höhe von 14,49 DM für jede gearbeitete Stunde. Da er ab 1. April 1985 grundsätzlich nur noch 38,5 Stunden arbeitet, verdient er von diesem Zeitpunkt an für 1 1/2 Stunden weniger Lohn. Bei Angestellten bleibt dagegen der Lohn gleich, da für diese eine Lohnerhöhung um 3,9 % nicht vorgesehen ist und sich deshalb eine Anrechnung bei übertariflichem Gehalt nicht ausrechnen läßt. Bei Angestellten wird vielmehr eine Gehaltserhöhung dadurch erreicht, daß das Monatsgehalt gleich bleibt, dafür aber in der Woche nur noch 1 1/2 Stunden weniger gearbeitet zu werden braucht. Eine genaue Berechnung ergibt, daß durch diese Beibehaltung des bisherigen tariflichen Monatsgehalts die Differenz bei einer Verkürzung der Arbeitszeit um 1 1/2 Stunden wöchentlich 3,9 % ausmacht. Z. B. beträgt bei einem Monatsgehalt von 3.000,-- DM für 173 Stunden das Gehalt je Stunde 17,341 DM. Nach der Arbeitszeitverkürzung um 1 1/2 Stunden hat ein Angestellter monatlich nur noch 166,5 Stunden zu arbeiten (173 zu 40 wie x zu 38,5 = 173 x 38,5 : 40 = x = 166,5). Für dasselbe Monatsgehalt für 166,5 Stunden aber erhält der Angestellte nunmehr pro Stunde 18,010 DM, also 0,677 DM gegenüber dem bisherigen Gehalt je Stunde mehr 0,677 sind von 17,341 genau 3,90 %. Damit werden für Angestellte die Monatsgehälter trotz Arbeitszeitverkürzung beibehalten, die Gehaltserhöhung ergibt sich indirekt aus der Verkürzung der Arbeitszeit. Zwar läßt sich aufgrund der Verkürzung der Arbeitszeit eine entsprechende Gehaltserhöhung auf das Gehalt je Stunde umgerechnet ausrechnen. Trotzdem tritt aber bei Arbeitszeitverkürzung eine Veränderung des Monatsgehalts nicht ein, sondern müßte der übertarifliche Gehaltsteil neu errechnet und gegebenenfalls entsprechend der übertarifliche Teil gekürzt werden. Das wurde von der Beklagten nicht vorgenommen, so daß für Angestellte ein übertarifliches Gehalt unverändert weitergezahlt wurde und eine Anrechnung auf den übertariflichen Gehaltsteil trotz der verkürzten Arbeitszeit nicht eintritt.
Entgegen der Auffassung des Klägers liegt darin kein Verstoß gegen Gleichberechtigung oder Gleichbehandlung im Arbeitsrecht. Die tarifliche Regelung bezieht sich ohnehin nur auf die tariflichen Stundenlöhne und die Gehälter der Angestellten. An Art. 3 GG ist daher diese Regelung nicht zu messen. Vielmehr könnte bei den übertariflichen Lohnteilen nur ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz in Betracht kommen. Der dem Arbeitsvertragsrecht zugehörige Gleichbehandlungsgrundsatz verwehrt es dem Arbeitgeber, in seinem Betrieb einzelne oder Gruppen von Arbeitnehmern ohne sachlichen Grund von allgemeinen Regelungen des Arbeitsverhältnisses auszunehmen und willkürlich schlechter zu stellen (vgl. BAG Urteile vom 17. Mai 1978 - 5 AZR 132/ 77 -, vom 4. Februar 1981 - 4 AZR 967/78 -, vom 10. März 1982 - 4 AZR 540/79 - AP Nr. 42, 45, 47 zu § 242 BGB Gleichbehandlung m. w. N.). Ein solcher Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz liegt aber nicht vor, wenn bei Arbeitnehmern mit einem Monatslohn oder Monatsgehalt keine Anrechnung des übertariflichen Entgeltbestandteils bei Arbeitszeitverkürzungen vorgenommen wird und nur bei Arbeitern mit Stundenlohnvereinbarung die Anrechnung erfolgt. Aus der Vereinbarung eines Wochen- oder Monatslohnes folgt nämlich, daß der vereinbarte Lohn für einen bestimmten Zeitabschnitt ohne Rücksicht darauf gezahlt wird, wieviel Arbeitszeit im Einzelfall tatsächlich geleistet wird. Beim Monatslohn wird dies besonders dadurch deutlich, daß die einzelnen Monate des Jahres unterschiedliche Zahlen von Tagen aufweisen und damit auch die Zahl der Arbeitstage und somit die Arbeitszeit trotz gleichen Gehaltes unterschiedlich sind. Dann wirkt sich die Arbeitszeitverkürzung unterschiedlich aus.
Anders ist aber die Rechtslage, wenn gemäß Arbeits- und hier auch nach dem Tarifvertrag die Bezahlung auf der Grundlage des Stundenlohnes erfolgt. Dann wird nur die jeweils geleistete Stundenzahl vergütet und somit von Woche zu Woche und Monat zu Monat eine unterschiedliche Lohnhöhe erzielt. Dem haben auch die Tarifvertragsparteien dadurch Rechnung getragen, daß sie unterschiedliche Regelungen für die Folgen der Arbeitszeitverkürzung bei Arbeitern und Angestellten festgelegt haben. So muß für Angestellte z. B. der Zuschlag oder die Mehrarbeit auf Stundenbasis umgerechnet werden. Das erfolgt nach § 5 MTV in der Fassung des Änderungstarifvertrages vom 3. Juli 1984 in der Weise, daß das Monatsgehalt mit 1/167 angesetzt wird, obwohl die genaue Umrechnung der bisherigen 40 Stundenwoche 1/166,5 beträgt. Dadurch ergibt sich, daß aus dieser Vereinfachung der Berechnung auf volle Stundenzahlen die Erhöhung ab 1. April 1985 nicht 3,90, sondern nur etwas über 3,6 % ausmacht. Die Vereinbarung eines Lohnes für einen bestimmten Zeitabschnitt führt dazu, daß eine Arbeitszeitverkürzung die effektive Lohnhöhe unberührt läßt. Die daraus sich ergebenden Folgerungen machten bei einem übertariflichen Monatslohn eine hypothetische Berechnung des übertariflichen Lohnteiles und gegebenenfalls seine Veränderung durch die Verkürzung der Arbeitszeit notwendig. Das ist beim Stundenlohn nicht der Fall. Hier wird vielmehr der tarifliche Stundenlohn festgelegt, um 3,9 % erhöht und dann als neuer Stundenlohn ausgewiesen, der entsprechend der Arbeitszeitverkürzung erhöht ist. Damit ergibt sich aber, daß nur beim Stundenlohn eine automatische Anrechnung des übertariflichen Lohnteiles möglich ist. Beim Monatslohn müßte der sich aus der Arbeitszeitverkürzung ergebende Erhöhungsteil besonders berechnet werden, dann festgestellt werden, inwieweit aufgrund der bisherigen Berechnung ein übertariflicher Lohnanteil vorliegt und dieser Lohnanteil gegebenenfalls entsprechend verkürzt werden. Eine solche Verkürzung mag arbeitsvertraglich zulässig sein, wenn der Monatslohn nur auf der Basis der 40-Stundenwoche gewährt worden ist oder bei verkürzter Arbeitszeit die Grundlage der bisherigen Monatslohnvereinbarung wegfällt. In keinem Falle aber kann der übertarifliche Lohnteil ohne weiteres sich vermindern, sondern es bedarf stets einer besonderen Berechnung und Erklärung der Herabsetzung. Während beim Stundenlohn der bisherige Stundenlohn des Klägers in voller Höhe erhalten bleibt, müßte er bei einem Monatslohn entsprechend gekürzt werden. Das wäre aber eine Veränderung der bisherigen Lohnvereinbarung.
Diese rein rechtlichen Unterschiede berechtigen deshalb zu einer ungleichen Behandlung von Stundenlöhnern auf der einen, Wochen- und Monatslöhnern (Gehältern) auf der anderen Seite. Das gleiche folgt aus den zahlreichen anderen Unterschieden, die zwischen Arbeitern und Angestellten nach dem Arbeits- und Sozialversicherungsrecht bestehen. Da die unterschiedliche Entlohnungsform zu unterschiedlichen Folgerungen bei Arbeitszeitverkürzungen und Tariflohnerhöhungen führt, ist auch eine andere Behandlung aufgrund der bisher getroffenen Vereinbarungen rechtlich zulässig. Dementsprechend versuchen auch die Tarifvertragsparteien, einheitliche Entlohnungsgrundsätze für Arbeiter und Angestellte zu schaffen. Insbesondere im Zuge der weiteren Arbeitszeitverkürzung 1987 ist in einzelnen Tarifbezirken erreicht worden, daß auch Arbeiter einen Monatslohn erhalten. In anderen Tarifbezirken ist es dagegen beim bisherigen Stundenlohn für Arbeiter geblieben. Bekannt sind auch die weiteren Bemühungen der Tarifvertragsparteien, einheitliche Manteltarifverträge für Arbeiter und Angestellte zu schließen. Eine solche einheitliche Regelung würde dazu führen, daß Arbeiter und Angestellte auch im Lohn gleichbehandelt werden und alle dieselbe Monatsvergütung erhalten. Dann wäre eine Ungleichbehandlung nicht mehr möglich. Solange das aber noch nicht geschehen ist, haben auch die Arbeitsgerichte der Tatsache Rechnung zu tragen, daß unterschiedlich für Arbeiter und Angestellte Stundenlöhne und Monatsgehälter gelten. Es kann nicht Sache der Gerichte für Arbeitssachen sein, durch Angleichung der Stundenlöhne an für einen bestimmten Zeitraum gezahlte Löhne und Gehälter den tariflichen Regelungen vorzugreifen. Nur soweit, wie etwa in Baden-Württemberg, durch Vereinbarung der Tarifvertragsparteien erreicht wird, daß Arbeiter und Angestellte Monatslöhne bzw. -gehälter erhalten, greift daher der Gleichbehandlungsgrundsatz ein. Er muß dann auch für die übertariflichen Lohnanteile gelten, so daß die Beibehaltung des Gesamtlohnes auch bei Arbeitszeitverkürzung bei Arbeitern wie bei Angestellten gleichmäßig zu gelten hätte. Solange aber, wie hier im vorliegenden Falle, die Stundenlohnvereinbarung besteht und mit dem Tarifvertrag in Einklang steht, kann diesen unterschiedlichen Voraussetzungen auch bei den Folgen einer Lohnerhöhung aufgrund Arbeitszeitverkürzung Rechnung getragen werden.
Entgegen der Auffassung des Klägers ist der übertarifliche Lohnanteil auch ohne Mitbestimmung des Betriebsrates wirksam von der Beklagten angerechnet worden. Die Anrechnung der Tariflohnerhöhung auf die übertarifliche Zulage bedarf nämlich keiner Entscheidung des Arbeitgebers, sondern tritt automatisch ein und greift selbst dann Platz, wenn beispielsweise der Arbeitgeber von der Tariflohnerhöhung überhaupt nichts weiß, sie nicht beachtet hat oder einfach aus Unkenntnis handelt. Bereits in der Entscheidung vom 4. Juni 1980 - 4 AZR 530/78 - (AP Nr. 13 zu § 4 TVG Übertariflicher Lohn und Tariflohnerhöhung) wurde ausgeführt, daß die Anrechnung ohne Einschaltung des Betriebsrates nach § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG möglich ist. Die zur Begründung dafür angeführten Fundstellen zeigen, daß ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates deshalb nicht in Betracht kommt, weil damit die Lohnhöhe und damit der Dotierungsrahmen der freiwilligen Leistung betroffen wird. Selbst in seiner die bisherige Rechtsprechung aufgebenden Entscheidung vom 17. Dezember 1985 (- 1 ABR 6/84 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang, zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) bleibt auch der Erste Senat bei seiner bisherigen Rechtsprechung, daß ein Mitbestimmungsrecht bei dem sog. Dotierungsrahmen nicht besteht. Der Betriebsrat kann danach weder vom Arbeitgeber die Zahlung einer Zulage verlangen noch erzwingen und hat nur ein Mitbestimmungsrecht bei der näheren Ausgestaltung. Das entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des Fünften Senats, der in seinen Urteilen vom 16. April 1986 (- 5 AZR 115/85 -) und vom 16. Oktober 1985 (- 5 AZR 299/84 -) unter Auseinandersetzung mit der Entscheidung des Ersten Senats vom 17. Dezember 1985 (- 1 ABR 6/84 - AP Nr. 5 zu § 87 BetrVG 1972 Tarifvorrang) die Mitbestimmungspflicht ablehnt, weil "die Anrechnung einer Tariflohnerhöhung selbst kein Gestaltungsrecht ist, sondern die Feststellung einer Tarifautomatik" und andernfalls "die Frage, welches Entgelt für die vertraglich geschuldete Arbeitsleistung zu zahlen ist, letztlich nach den Vorstellungen des Betriebsrats bestimmt bzw. mitbestimmt werden." Liegt aber damit keine Maßnahme des Arbeitgebers vor, kann sie auch nicht mitbestimmungspflichtig sein. Die bisherige Regelung der Gewährung einer anrechenbaren Zulage wird beibehalten. Die Anrechnung führt zu keiner Veränderung der arbeitsvertraglichen Gesamtlohnhöhe, sondern lediglich zu einer Erhöhung des Tariflohnanteiles. Die übertarifliche Lohnhöhe wird damit begrenzt, aber nicht aufgrund einer jetzt erfolgenden Maßnahme des Arbeitgebers, sondern aufgrund der früheren ordnungsgemäß festgelegten Vereinbarung und betrifft die Lohnhöhe.
Scheitert aber damit die Anrechenbarkeit der übertariflichen Zulage auf die Tariflohnerhöhung auch nicht an der fehlenden Mitbestimmung des Betriebsrates, war die Revision mit der Kostenfolge des § 97 Abs. 1 ZPO zurückzuweisen.
Dr. Neumann Dr. Etzel Dr. Freitag
Prieschl Dr. Konow
Fundstellen
Haufe-Index 439335 |
BAGE 55, 322-332 (LT1) |
BAGE, 322 |
BB 1987, 1254 |
BB 1987, 1811 |
DB 1987, 1943-1945 (LT) |
JR 1988, 88 |
NZA 1987, 554 |
NZA 1987, 848-851 (LT) |
RdA 1987, 319 |
SAE 1989, 322-324 (LT1) |
AP § 1 TVG, Nr 58 |
AR-Blattei, ES 1540 Nr 20 (ST1) |
AR-Blattei, Tariflohnerhöhung Entsch 20 (ST1) |
EzA § 4 TVG Metallindustrie, Nr 31 (LT) |