Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitnehmerweiterbildung. Lohnfortzahlungspflicht
Leitsatz (amtlich)
- Eine Lehrveranstaltung einer anerkannten Einrichtung der Weiterbildung (§ 9 Satz 1 Buchst a AWbG) oder eine behördlich genehmigte Lehrveranstaltung einer anderen Einrichtung (§ 9 Satz 1 Buchst d AWbG) gilt als anerkannte Bildungsveranstaltung, wenn sie für jedermann zugänglich ist (§ 9 Satz 1 AWbG i Verb m § 2 Abs 4 WbG). Dies setzt voraus, daß sie mindestens den in § 2 AWbG genannten Anspruchsberechtigten (Arbeitnehmer und arbeitnehmerähnliche Personen) offensteht. Sind nur Gewerkschaftsmitglieder eingeladen worden, ist die Veranstaltung nicht für jedermann zugänglich.
- Die Gerichte für Arbeitssachen haben bei der Entscheidung über den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu prüfen, ob die Bildungsveranstaltung für jedermann zugänglich war. Die Verwaltungsakte nach § 23 Abs. 2 WbG (Anerkennung einer Bildungsstätte) und § 9 Satz 1 Buchst d AWbG (behördliche Genehmigung einer Veranstaltung) entfalten insoweit keine Tatbestandswirkung. Auch begründen sie keine Vermutung dafür, daß eine Veranstaltung für jedermann zugänglich ist.
Normenkette
AWbG §§ 7, 9 S. 1 Buchst. a, d, §§ 1-2, 5 Abs. 1-4, § 10 Abs. 2, § 11; WbG §§ 1, 2 Abs. 4, § 4 Abs. 3, § 23 Abs. 2; BVerfGG § 31 Abs. 2; VwVfG § 44 Abs. 1; BetrVG § 37 Abs. 7
Verfahrensgang
LAG Köln (Urteil vom 22.01.1987; Aktenzeichen 3 Sa 705/86) |
ArbG Aachen (Urteil vom 19.06.1986; Aktenzeichen 5 Ca 10/86) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Köln vom 22. Januar 1987 – 3 Sa 705/86 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten. Vom 20. Oktober bis zum 1. November 1985 nahm er an einem Seminar über das Thema “Geschichte der Arbeiterbewegung” teil, das im Bildungszentrum S… der Gewerkschaft IG Metall stattfand.
Der Kläger hat von der Beklagten verlangt, ihm für die Dauer der Veranstaltung das Arbeitsentgelt, dessen Höhe unstreitig ist, fortzuzahlen. Er hat sich auf § 7 des Gesetzes zur Freistellung von Arbeitnehmern zum Zwecke der beruflichen und politischen Weiterbildung – Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz (AWbG) – vom 6. November 1984 (GV NW 1984 S. 678) berufen und die Auffassung vertreten, das Seminar sei Arbeitnehmerweiterbildung im Sinne de Gesetzes gewesen. Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.196,-- DM brutto zuzüglich 4 % Zinsen aus 850,-- DM netto seit dem 31. Dezember 1985 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Sie hat die Auffassung vertreten, das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz sei verfassungswidrig. Außerdem habe die Veranstaltung, wie sich aus ihrer Ankündigung ergebe, der Funktionärsschulung gedient. Sie sei daher nicht für jedermann zugänglich gewesen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Mit der Revision bittet der Kläger um Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage als unbegründet abgewiesen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts für die Zeit vom 20. Oktober bis zum 1. November 1985. Das Seminar, an dem der teilgenommen hat, war keine Arbeitnehmerweiterbildung im Sinne des AWbG.
I. Nach § 7 AWbG hat der Arbeitgeber für die Zeit der Arbeitnehmerweiterbildung das Arbeitsentgelt fortzuzahlen. Diese Bestimmung ist mit dem Grundgesetz vereinbar. Dies hat das Bundesverfassungsgericht durch Beschluß vom 15. Dezember 1987 (BVerfGE 77, 308 ff. = AP Nr. 62 zu Art. 12 GG) entschieden. Die Entscheidung hat Gesetzeskraft (§ 31 Abs. 2 BVerfGG).
II. Arbeitnehmerweiterbildung erfolgt in anerkannten Bildungsveranstaltungen (§ 1 Abs. 1, § 5 Abs. 3 AWbG). Das Seminar, das der Kläger besucht hat, war keine anerkannte Bildungsveranstaltung.
III. Bildungsveranstaltungen gelten als anerkannt, wenn sie § 1 Abs. 2 AWbG entsprechen und von Volkshochschulen, von anerkannten Einrichtungen der Weiterbildung in anderer Trägerschaft oder von anderen Einrichtungen auf Antrag und nach Genehmigung durch den zuständigen Minister gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes durchgeführt werden (§ 9 Satz 1 Buchst. a und d AWbG).
1. Es kann offen bleiben, ob die Veranstaltung vom Bildungszentrum S… der Gewerkschaft IG Metall oder von einer anderen Organisationseinheit dieser Gewerkschaft durchgeführt wurde (zum Begriff “durchgeführt werden” i. S. des § 9 Satz 1 AWbG: vgl. Urteile des Senats vom 23. Februar 1989 – 8 AZR 185/86, 133/87 und 185/88 – zur Veröffentlichung bestimmt).
Im ersten Fall erfüllte das Seminar die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG, denn das Bildungszentrum Sprockhövel ist durch Bescheid des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 19. Dezember 1977 als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt worden.
Im zweiten Fall erfüllte es die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 Buchst. d AWbG, denn es ist auf Antrag der Gewerkschaft IG Metall durch den Kultusminister des Landes Nordrhein-Westfalen mit Bescheid vom 17. Dezember 1984 genehmigt worden. Unerheblich ist, daß dieser Bescheid vor dem 1. Januar 1985 erging, also bevor das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz in Kraft trat (§ 11 AWbG). Dadurch wird seine Wirksamkeit und damit seine Tatbestandswirkung nicht beeinträchtigt. Der Bescheid leidet nicht an dem im arbeitsgerichtlichen Verfahren allein erheblichen Mangel der Nichtigkeit. Dieser kommt nur in Betracht, wenn ein Verwaltungsakt von einem besonders schwerwiegenden Fehler betroffen und dies bei verständiger Würdigung aller in Betracht kommenden Umstände offenkundig ist (§ 44 Abs. 1 VwVfG). Das wird nur bei offensichtlichem Fehlen jeder Rechtsgrundlage anzunehmen sein (vgl. Kopp, VwVfG, 4. Aufl., § 44 Anm. 25). Davon kann hier aber keine Rede sein. Die Genehmigung vom 17. Dezember 1984 sollte für die Zeit nach dem 1. Januar 1985 gelten und damit ab Inkrafttreten des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes wirken. Selbst wenn rechtlich zu verlangen wäre, daß ein Genehmigungsbescheid erst nach Inkrafttreten seiner Rechtsgrundlage ergeht, haftet ihm kein zur Nichtigkeit führender Fehler an, wenn der Zeitpunkt seines Erlasses – wie hier – zwar vor Inkrafttreten aber immerhin nach Verkündung der gesetzlichen Regelung liegt, auf die er gestützt ist.
2. Das Seminar, an dem der Kläger teilgenommen hat, wurde aber nicht gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes durchgeführt (§ 9 Satz 1 AWbG). Es war nicht im Sinne des § 2 Abs. 4 des Ersten Gesetzes zur Ordnung und Förderung der Weiterbildung im Lande Nordrhein-Westfalen (Weiterbildungsgesetz – WbG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 7. Mai 1982 (GV NW 1982 S. 276) “für jedermann” zugänglich. Insoweit ist dem Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu folgen.
a) Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Veranstaltung habe nach ihrem den Interessenten schriftlich mitgeteilten Lernziel die Absicht verfolgt, Funktionsträger der Gewerkschaften in den Organen der Interessenvertretungen den geschichtlichen Zusammenhang ihres Handelns erkennbar zu machen. Die Schulung habe nicht Allgemeinwissen auf politischem Gebiet oder allgemeines Wissen um die Geschichte der Arbeiterbewegung an die Arbeitnehmerschaft vermitteln sollen. Sie habe die Aufgabe gehabt, Funktionsträger der Gewerkschaft IG Metall zu schulen im Hinblick auf ihre Stellung in den Organen der Interessenvertretungen. Dazu gehörten nach dem Selbstverständnis der Gewerkschaft nicht nur Betriebsratsmitglieder, sondern auch alle anderen Funktionäre der Gewerkschaft, also Mitglieder des Vertrauenskörpers und ehrenamtliche Funktionäre. Die Schulung habe sich somit an einen genau abgegrenzten Personenkreis der Arbeitnehmerschaft gerichtet, nämlich nur an den, der in der IG Metall organisiert sei und außerdem in dieser Gewerkschaft Funktionen ausübe.
b) Die Revision bekämpft die Auslegung des Landesarbeitsgerichts, indem sie geltend macht, unter “Funktionsträger in den Organen der Interessenvertretung” seien nicht nur “Funktionäre der Gewerkschaft IG Metall” zu verstehen. Vielmehr würden damit alle Arbeitnehmer bezeichnet, die “betriebs- oder personalverfassungsrechtliche” Funktionen bekleiden, auch wenn sie nicht der Gewerkschaft zugehörten.
c) Es bedarf keiner Stellungnahme dazu, ob in diesem Punkt dem Landesarbeitsgericht oder der Revision zu folgen wäre und wie gegebenenfalls Bildungsveranstaltungen unter dem Gesichtspunkt des § 9 Satz 1 AWbG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 Satz 1 WbG zu beurteilen wären, die für betriebliche Funktionsträger ohne Rücksicht auf deren Gewerkschaftszugehörigkeit bestimmt sind. Das Seminar war schon deshalb nicht für jedermann zugänglich, weil es nach dem Inhalt des Einladungsschreibens nur von Mitgliedern der Gewerkschaft IG Metall besucht werden sollte.
In den beiden Absätzen des Einladungsschreibens, die dem Abschnitt über das “Lernziel” vorangehen, heißt es:
“Liebe Kollegin, lieber Kollege!
In den Ländern Bremen, Hamburg und Niedersachsen, Hessen und NRW gibt es bereits Bildungsurlaubsgesetze. In Berlin für Arbeitnehmer bis zum Alter von 25 Jahren. Wenn Du in Berlin oder einem dieser Länder wohnst, hast Du für den Besuch dieses Seminars gegenüber dem Arbeitgeber Anspruch auf Freistellung für begrenzte Zeit bei Fortzahlung von Lohn oder Gehalt. Für den Besuch des Seminars ist in jedem Falle der zustehende Bildungsurlaub zu verwenden. Auskünfte über Einzelheiten, insbesondere über Aktenzeichen der Anerkennungsbescheide, erteilen die Verwaltungsstellen. Dort sind auch notwendige Formulare erhältlich.
Nur wenn kein Bildungsurlaubsgesetz gilt oder wenn der Anspruch aus einem solchen bereits genutzt wurde, erhältst Du von der IG Metall als Ersatz für Lohn- bzw. Gehaltsausfall eine Entschädigung nach den “Richtlinien für die Erstattung von Verdienstausfall”. Ist der Bildungsurlaub bereits verbraucht oder weigert sich der Arbeitgeber, Lohn bzw. Gehalt gemäß Bildungsurlaubsgesetz fortzuzahlen, so ist darauf zu achten, daß auch die Rückseite der Verdienstausfallbescheinigung ausgefüllt wird.”
Diese in ihrem Wortlaut unstreitige Urkunde, auf die das Berufungsgericht als Schriftsatzanlage Bezug genommen hat, kann der Senat selbst auslegen. Aus der vertrauten Anredeform (“Liebe Kollegin, lieber Kollege”, “Du”) und aus der Ankündigung, daß bei Fehlen eines Anspruchs auf Bildungsurlaub von der IG Metall als Ersatz für Lohn- und Gehaltsausfall eine Entschädigung nach den “Richtlinien für die Erstattung von Verdienstausfall” gezahlt werde, folgt, daß die Einladung sich nur an Gewerkschaftsmitglieder richtete. Die Einzelgewerkschaften machen die Inanspruchnahme von Einrichtungen und Rechten durchweg von der Beitragsleistung abhängig (vgl. z. B. § 5 Nr. 5 der Satzung der IG Metall). Dafür, daß vorliegend auch Nichtmitglieder berechtigt sein sollten, hätte es somit eines Anhaltspunkts bedurft. Ein solcher kann dem Einladungsschreiben nicht entnommen werden. Er ist auch sonst nicht vorgetragen worden.
Das Berufungsgericht hat somit im Ergebnis zu Recht angenommen, daß das Seminar nicht für jedermann zugänglich war. Zwar ist der Begriff “für jedermann zugänglich” aufgrund der Bezugnahme in § 9 Satz 1 AWbG enger auszulegen als im unmittelbaren Anwendungsbereich des § 2 Abs. 4 WbG. Eine Veranstaltung, die nur Gewerkschaftsmitgliedern zugänglich ist, ist jedoch nicht mehr für jedermann zugänglich.
Während das Weiterbildungsgesetz jedem Bürger im Land Nordrhein-Westfalen ein Recht auf Weiterbildung einräumt (vgl. § 1 WbG), sind nach § 2 AWbG anspruchsberechtigt nur Arbeitnehmer, wobei als Arbeitnehmer auch die in Heimarbeit Beschäftigten gelten sowie ihnen Gleichgestellte und andere Personen, die wegen ihrer wirtschaftlichen Unselbständigkeit als arbeitnehmerähnliche Personen anzusehen sind. Für jedermann zugänglich im Sinne des § 9 Satz 1 AWbG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 WbG ist “somit eine Lehrveranstaltung schon dann, wenn sie mindestens dem in dieser Bestimmung genannten Personenkreis offensteht. Dies ist nicht der Fall, wenn sie sich nur an Gewerkschaftsmitglieder richtet.
Zu Unrecht meint die Revision, die Zugänglichkeit für jedermann sei bei Veranstaltungen, die eine nach dem Weiterbildungsgesetz anerkannte Einrichtung der Weiterbildung durchführe zu vermuten und erst dann zu verneinen, wenn Bewerber abgewiesen würden. Für beides finden sich im Gesetz keine Anhaltspunkte. Eine Bildungsveranstaltung, die nach ihrer Bekanntgabe und ihren für die Teilnehmer bestimmten vorbereitenden Unterlagen nur für einen gruppenmäßig abgegrenzten Teil des in § 2 AWbG als anspruchsberechtigt bezeichneten Personenkreises bestimmt ist, erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 9 Satz 1 AWbG in Verbindung mit § 2 Abs. 4 WbG.
3. Zu Unrecht meint die Revision, die Gerichte für Arbeitssachen seien nicht berechtigt zu prüfen, ob eine Bildungsveranstaltung nach den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes durchgeführt wird.
a) Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 9 Satz 1 AWbG hat die unwiderlegliche Vermutung der Anerkennung einer Bildungsveranstaltung drei Voraussetzungen: Nach § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG muß die Veranstaltung von einer anerkannten Einrichtung der Weiterbildung durchgeführt werden, die Veranstaltung muß § 1 Abs. 2 AWbG entsprechen und gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes durchgeführt werden. Der Gesetzeswortlaut läßt keinen Zweifel daran, daß die zweite und die dritte Voraussetzung der Anerkennungsvermutung zu der ersten hinzutreten müssen und daß dies von den Gerichten für Arbeitssachen bei der Entscheidung über den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts (§ 7, § 5 Abs. 3, § 1 Abs. 1, § 9 AWbG) zu prüfen ist (Friauf, DB, Beilage Nr. 2/89 S. 4 u. S. 7; Stege/Sowka, DB, Beilage 14/88 S. 12; Vossen, RdA 1988, 346, 347; Schlömp-Röder, AuR 1988, 373, 376 für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AWbG; BVerfGE 77, 308, 336 für die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 AWbG; a. A. Wahsner/Wichert, Das Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz von Nordrhein-Westfalen, Rechtsgutachten, Hamburg 1987, S. 60 u. S. 76; Kleveman, BB 1989, 209, 214; Schlömp-Röder, AuR 1988, 373, 378 für die Durchführung gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes).
b) Die Revision meint, die Gerichte für Arbeitssachen seien u. a. durch die Tatbestandswirkung der Verwaltungsakte, durch die das Bildungszentrum S… als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannt (§ 23 Abs. 2 WbG) und die Veranstaltung genehmigt wurde (§ 9 Satz 1 Buchst. d AWbG) an dieser Nachprüfung gehindert. Dem ist nicht zu folgen.
aa) Die Tatbestandswirkung der Anerkennung des Bildungszentrums S… zwingt die Gerichte für Arbeitssachen nur dazu, die Tatsache, daß dieser Verwaltungsakt erlassen wurde, und seinen Inhalt als gegeben hinzunehmen und in diesem Sinne den Verwaltungsakt zu beachten, selbst wenn er rechtswidrig sein sollte, es sei denn, er ist nichtig (vgl. Kopp, VwVfG, 3. Aufl., Vorbem. 26 zu § 35; Stelkens/Bonk/Leonhardt, Verwaltungsverfahrensgesetz, 2. Aufl., § 43 Rz 8 bis 10). Die Gerichte für Arbeitssachen haben somit aufgrund des nach § 23 Abs. 2 WbG erlassenen Anerkennungsbescheides vom 19. Dezember 1977 (vgl. oben III 1) davon auszugehen, daß das Bildungszentrum S… eine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft im Sinne des § 9 Satz 1 Buchstabe a AWbG ist. Dies wird jedoch von der Beklagten nicht in Abrede gestellt und unterliegt auch sonst keinem Zweifel.
Der Anerkennungsbescheid legt aber im Gegensatz zur Auffassung der Revision nicht für Arbeitgeber und Arbeitnehmer verbindlich fest, daß alle Veranstaltungen, die eine anerkannte Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft durchführt, anerkannte Bildungsveranstaltungen im Sinne des § 9 AWbG sind. Dagegen spricht der Wortlaut des § 9 Satz 1 AWbG. Auch auf andere gesetzliche Bestimmungen läßt diese Auffassung sich nicht stützen.
bb) Für den Genehmigungsbescheid nach § 9 Satz 1 Buchst. d AWbG gilt Entsprechendes. Auch er regelt nur, daß die durch ihn begünstigte Einrichtung, die nicht die (in § 23 Abs. 2 WbG geregelten) Voraussetzungen einer anerkannten Einrichtung nach § 9 Satz 1 Buchst. a AWbG erfüllt, ebenso wie diese Bildungsveranstaltungen durchführen darf, die nach Maßgabe der weiteren gesetzlichen Bestimmungen die Voraussetzungen für die unwiderlegliche Anerkennungsvermutung (§ 9 Satz 1 AWbG) erfüllen können. Unter welchen Voraussetzungen die Veranstaltungen einer solchen Einrichtung als anerkannt gelten, bestimmt sich aber, wie bei den Veranstaltungen der anerkannten Einrichtungen, nach § 9 Satz 1 AWbG. Sie müssen also § 1 Abs. 2 AWbG entsprechen und sie müssen gemäß den Bestimmungen des Weiterbildungsgesetzes durchgeführt werden. Dem Gesetz ist nicht zu entnehmen, daß der Genehmigungsbescheid eine Regelung dergestalt trifft, daß diese Voraussetzungen gegeben oder zu vermuten sind.
c) Auch durch andere gesetzliche Bestimmungen ist das Prüfungsrecht der Gerichte für Arbeitssachen nicht eingeschränkt.
aa) Entgegen der Revision läßt sich aus den Rechtsgrundsätzen über die Wirkung des behördlichen Anerkennungsbescheids nach § 37 Abs. 7 BetrVG nichts Gegenteiliges herleiten.
Die bindende Wirkung, die der nicht angefochtene Anerkennungsbescheid nach § 37 Abs. 7 BetrVG im Lohnfortzahlungsprozeß entfaltet (vgl. BAG Urteil vom 17. Dezember 1981 – 6 AZR 546/78 – AP Nr. 41 zu § 37 BetrVG 1972 mit insoweit zustimmender Anmerkung von Grunsky), betrifft nur den Gegenstand dieses Verwaltungsakts, also die Frage, ob die Veranstaltung für die Schulung von Betriebsratsmitgliedern geeignet ist. Entsprechend hat auch die bestandskräftig gewordene Anerkennung einer Einrichtung der Weiterbildung nur die Wirkung, daß im Lohnfortzahlungsprozeß nicht mehr geprüft werden darf, ob die Anerkennung zu Recht erfolgt ist, ob also die Einrichtung die Voraussetzungen des § 23 Abs. 2 Nr. 1 bis 10 WbG erfüllt. Für die weiteren Tatbestandsmerkmale des § 9 Satz 1 AWbG kommt dem Anerkennungsbescheid jedoch keine Bindungswirkung zu.
bb) Daraus, daß der Arbeitnehmer bei Inanspruchnahme der Arbeitnehmerweiterbildung und nach Teilnahme an ihr nicht die Voraussetzungen des § 9 AWbG nachweisen muß (§ 5 Abs. 1 und 4 AWbG) folgt nicht, daß der Arbeitgeber zur Lohnfortzahlung auch dann verpflichtet ist, wenn die Tatbestandsmerkmale des § 9 Satz 1 AWbG nicht erfüllt sind. § 5 Abs. 2 AWbG regelt nur die Voraussetzungen, unter denen der Arbeitgeber den ihm mitgeteilten Zeitpunkt der Arbeitnehmerweiterbildung ablehnen kann. Die Bestimmung sagt aber nichts aus über die Voraussetzungen des Lohnfortzahlungsanspruchs. Ebenso nicht § 10 Abs. 2 AWbG; die dort geregelte Berichtspflicht der Träger anerkannter Bildungsveranstaltungen im Sinne des § 9 AWbG gegenüber dem zuständigen Minister erlaubt keinen Schluß auf den Umfang der gerichtlichen Prüfung im Lohnfortzahlungsverfahren. Dies folgt schon daraus, daß bei Verletzung der Anforderungen nach § 9 Satz 1 AWbG keine Rechtsfolgen vorgesehen sind. Die Lehrfreiheit (§ 4 Abs. 3 WbG) und die Lernfreiheit (§ 1 Abs. 1 WbG), auf die der Kläger sich schließlich beruft, führen ebenfalls nicht zu einer Beschränkung des gerichtlichen Prüfungsrechts. Für den Anspruch auf Fortzahlung des Arbeitsentgelts gelten insoweit die besonderen Regelungen des Arbeitnehmerweiterbildungsgesetzes.
Unterschriften
Dr. Leinemann, Dr. Peifer, Dr. Wittek, Pradel, Schömburg
Fundstellen
Haufe-Index 873931 |
BAGE, 280 |
RdA 1990, 60 |