Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristeter Auslands-Arbeitsvertrag

 

Leitsatz (redaktionell)

Wiederholte Befristungen von Auslandsarbeitsverträgen in der Entwicklungshilfe; steigende Anforderungen an den Sachgrund der Befristung.

 

Normenkette

BGB § 620

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 06.07.1988; Aktenzeichen 10 Sa 838/87)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 08.04.1987; Aktenzeichen 10 Ca 454/85)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1988 – 10 Sa 838/87 – aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob das zwischen ihnen begründete Arbeitsverhältnis infolge seiner Befristung am 30. September 1985 geendet hat.

Die Beklagte führt für die Bundesrepublik Deutschland Entwicklungshilfeprojekte durch und entsendet hierzu u. a. Fachpersonal in Länder der Dritten Welt. Grundlage dafür ist ein Generalvertrag der Beklagten mit dem Bundesminister für wirtschaftliche Zusammenarbeit (BMZ), der die einzelnen Projekte in Auftrag gibt und finanziert. Die Beklagte beschäftigt im Inland rd. 1.100 und im Ausland weitere rd. 1.650 Mitarbeiter. Von den Auslandsmitarbeitern stehen knapp 100 in unbefristeten Arbeitsverhältnissen.

Die am 16. Dezember 1942 geborene Klägerin ist als Krankenschwester ausgebildet. Sie wurde von der Beklagten aufgrund mehrerer befristeter Arbeitsverträge in Entwicklungshilfeprojekten ununterbrochen von Dezember 1973 bis September 1984 im Ausland eingesetzt und war jeweils mit Ausbildungs- und Beratungsaufgaben betraut.

Von Dezember 1973 bis Mai 1976 war die Klägerin für die Beklagte am Al-Hussein-Hospital in Amman/Jordanien als Beraterin tätig, von Juni 1976 bis April 1979 am Bilharziose-Institut in Kairo/Ägypten sowie von April 1979 bis Januar 1982 im Gesundheitszentrum in Amran/Jemen.

Ab Februar 1982 wurde die Klägerin als Ausbildungsschwester im Projekt „Beratung am King-Hussein-Medical-Center” in Amman/Jordanien beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde zunächst bis zum 15. März 1983 befristet und später dreimal verlängert, zuletzt bis zum 30. September 1984. Das Projekt war Teil eines Gesamtprojektes mit der Kurzbezeichnung „Experten-Pool Jordanien”. Das Gesamtprojekt beruhte auf einer im Jahre 1981 zwischen der Bundesrepublik Deutschland und dem Königreich Jordanien getroffenen Regierungsvereinbarung über die Entsendung deutscher Fachkräfte an verschiedene staatliche Stellen in Jordanien. Zuständig für die Genehmigung und Finanzierung der Einzelprojekte war der BMZ. Er erteilte der Beklagten zunächst einen Auftrag über 36 sog. Mann/Monate für das Projekt „Beratung am King-Hussein-Medical-Center”. Die Beklagte sollte drei Fachleute für jeweils ein Jahr nach Jordanien entsenden. Später wurde der Auftrag um 50 Mann/Monate erweitert. Auf die Klägerin entfielen insgesamt 32 Mann/Monate. Am 30. September 1984 lief der Projektauftrag des BMZ an die Beklagte aus.

Die Beklagte rechnete damit, daß der BMZ in absehbarer Zeit noch eine Nachbetreuungsmaßnahme am Projektstandort genehmigen werde. Der Vorgesetzte der Klägerin beantragte unter dem 4. Juli 1984 bei der Geschäftsleitung der Beklagten die Auslandseinsätze der Klägerin durch eine Inlandstätigkeit der Klägerin zu überbrücken, weil Anfang 1985 mit einem neuen Auslandseinsatz der Klägerin gerechnet werde, wenn das jordanische Planungsministerium offizielle Anträge für medizinische Vorhaben an den BMZ unter anderem für eine Ausbildungsstätte für Krankenschwestern im ländlichen Raum stelle, und weil die Klägerin vorbehaltlich der Zustimmung durch den Auftraggeber eventuell im Rahmen des Drittgeschäftes bei den drei Krankenhäusern in Saudi-Arabien eingesetzt werden könne.

Am 26. September 1984 schlossen die Parteien einen sog. „Überbrückungsvertrag”. Danach wurde die Klägerin befristet vom 1. Oktober 1984 bis zum nächsten Auslandseinsatz als Fachberaterin in der Zentrale der Beklagten in Deutschland beschäftigt. Sie wurde in die Vergütungsgruppe Z 17 A des Vergütungstarifvertrages Zentrale (VTV-Z) eingruppiert. Ihre Gesamtvergütung betrug monatlich 4.233,– DM brutto.

Am 18. Januar 1985 beauftragte der BMZ die Beklagte mit der erwarteten Nachbetreuungsmaßnahme in Jordanien. Der Auftrag umfaßte einen fünfmonatigen Einsatz der Klägerin zur Abrundung des alten Projektes sowie eine zweimonatige Beteiligung an der Erstellung einer Studie über ein Folgeprojekt zur Ausbildung von Krankenschwestern im ländlichen Raum. Die Parteien schlossen daraufhin am 29. Januar 1985 einen weiteren Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin befristet vom 1. Februar 1985 bis zum 30. September 1985 in Amman/Jordanien im Rahmen des Projektes „Krankenpflege-Beratung Royal Medical Service” beschäftigt wurde. Sie sollte als Krankenschwester mit Beratungsaufgaben für den Aufbau der Zentralsterilisation, Krankenhaushygiene und Infektionskontrollmaßnahmen in Landkrankenhäusern tätig werden und an der Studie mitarbeiten. Ihre Vergütung bestimmte sich nach dem Vergütungstarifvertrag für Auslandsmitarbeiter der Beklagten (VTV-A) und betrug ohne Auslandsbezüge, aber einschließlich einer übertariflichen Zulage monatlich 4.293,– DM brutto.

Im April 1983 bewarb sich die Klägerin bei der Beklagten um ein unbefristetes Arbeitsverhältnis. Die Beklagte lehnte die Bewerbung der Klägerin ab, weil sie ohne umfassende Weiterbildung für die Klägerin kaum Einsatzmöglichkeiten auf Dauer sehe. Die Klägerin erklärte sich daraufhin grundsätzlich bereit, auf eigene Kosten eine Fortbildung durchzuführen, wenn die Beklagte ihr ein unbefristetes Arbeitsverhältnis zusage. Die Beklagte erklärte sich bereit, die etwa einjährige Fortbildungsmaßnahme mit einem zinslosen Darlehen von 16.000,– DM zu unterstützen, wenn die Klägerin sich verpflichte, anschließend vier Jahre lang für die Beklagte im Ausland tätig zu werden.

Mit ihrem Schreiben vom 19. September 1985 erklärte die Klägerin, daß für sie eine etwaige Fortbildungsmaßnahme nur im Zusammenhang mit der Klärung ihrer arbeitsvertraglichen Situation annehmbar sei. Nach Ablauf der Befristung am 30. September 1985 setzten die Parteien ihre Verhandlungen fort. Eine gemeinsame Besprechung mit dem Ziel einer vergleichsweisen Einigung verlief am 22. November 1985 ergebnislos. Mit seinem Schreiben vom 29. November 1985 kündigte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin an, innerhalb von zwei Wochen Klage zu erheben, falls die Beklagte nicht zumindest eine Abfindung zahle. Die Beklagte wies dies mit ihrem Schreiben vom 6. Dezember 1985 zurück. Am 17. Dezember 1985 reichte die Klägerin die vorliegende Klage ein.

Nach der Klageerhebung war die Klägerin zunächst als freie Mitarbeiterin einer UNO-Organisation in Kairo tätig. Mit ihrem Schreiben vom 11. September 1986 bot ihr die Beklagte an, für die Zeit vom 1. November 1986 bis zum 31. Januar 1988 als leitende Hygieneschwester am King-Khaled-Hospital in Hail/Saudi-Arabien tätig zu werden. Gleichzeitig sollte damit der vorliegende Rechtsstreit erledigt sein. Dieses Angebot lehnte die Klägerin ab.

Die Klägerin hat geltend gemacht, es sei nicht nur die Wirksamkeit der Befristung im letzten Auslandsvertrag zu prüfen. Dieser sei nur ein unselbständiger Annex-Vertrag zum vorherigen Überbrückungsvertrag gewesen, so daß auch die Wirksamkeit von dessen Befristung geprüft werden müsse. Es fehle an einem sachlichen Grund für die Befristungen. Bei Abschluß des letzten Vertrages sei u. a. ein Folgeprojekt in Jordanien, für das sie bereits eine gutachterliche Vorprüfung vorgenommen habe, für die Beklagte absehbar gewesen. Zudem hätte sie in Saudi-Arabien eingesetzt werden können. Im übrigen sei nicht durchschaubar, nach welchen Kriterien die Beklagte unbefristete Arbeitsverhältnisse vergebe.

Die Klägerin hat im ersten Rechtszug zuletzt beantragt

festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht durch Zeitablauf zum 30. September 1985 beendet ist und über diesen Termin hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis fortbesteht, bei einer monatlichen Vergütung von 4.233,– DM.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat entgegnet, die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, warum die Befristungsvereinbarung vom 29. Januar 1985, die hier allein zu überprüfen sei, unwirksam sei. Die zeitlich begrenzte Genehmigung der einzelnen Entwicklungshilfe-Projekte durch den BMZ erfordere zwangsläufig das Eingehen entsprechend befristeter Arbeitsverhältnisse. Die Befristungen der Auslandseinsätze seien außerdem gemäß dem MTV-GTZ-A wirksam. Am 29. Januar 1985 sei ein über den 30. September 1985 hinausgehender Bedarf an Krankenhauspflegepersonal für Auslandseinsätze nicht erkennbar gewesen. Das Folgeprojekt in Jordanien sei weder spruchreif noch endgültig absehbar gewesen. Im übrigen könne und wolle sie nicht ihren Mitarbeitern die Risiken abnehmen, die durch wiederholte Auslandseinsätze für deren berufliche Weiterentwicklung bestünden.

Das Arbeitsgericht hat der Klage mit folgendem Tenor stattgegeben:

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht durch Zeitablauf zum 30. September 1985 beendet worden ist und über diesen Zeitpunkt hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den zuletzt gültigen finanziellen Bedingungen fortbesteht.

Danach wiederholte die Beklagte ihr Angebot, die Klägerin befristet bis zum 31. Januar 1988 in Saudi-Arabien zu beschäftigen. Die Klägerin nahm das Angebot unter dem Vorbehalt an, daß sie noch nicht in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zur Beklagten stehe. Das Arbeitsverhältnis wurde befristet verlängert.

Die Beklagte hat gegen das erstinstanzliche Urteil Berufung eingelegt mit dem Ziel der Abweisung der Klage. Die Klägerin hat um Zurückweisung der Berufung gebeten und hilfsweise beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin einen Arbeitsvertrag entsprechend den Konditionen des Überbrückungsvertrages vom 1. Oktober 1984 auf unbestimmte Zeit anzubieten und mit Geltung vom 1. Oktober 1984 an in der Weise abzuschließen, daß die Rechte und Pflichten aus diesem Vertrag während der Dauer von Auslandsaufenthalten seitens der Klägerin auf Grundlage befristeter Arbeitsverträge ruhen. Die Beklagte hat noch beantragt, die Klage auch hinsichtlich des Hilfsantrages abzuweisen.

Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision begehrt die Beklagte die Abweisung der Klage. Die Klägerin beantragt, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision der Beklagten ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht.

I. Der zuletzt von der Klägerin verfolgte Hauptantrag geht dahin festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin mit der Beklagten nicht durch Zeitablauf zum 30. September 1985 beendet worden ist und über diesen Zeitpunkt hinaus als unbefristetes Arbeitsverhältnis zu den zuletzt gültigen finanziellen Bedingungen fortbesteht. Die Klägerin hat nicht mit ihrem im ersten Rechtszug zuletzt gestellten Antrag weiter verhandelt, sondern mit einem Hauptantrag, der dem Tenor des Urteils des Arbeitsgerichts entspricht. Damit begehrt die Klägerin in der Sache die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1985 über ihren Einsatz in Jordanien mit der Folge, daß sie zur Beklagten in einem Arbeitsverhältnis auf unbestimmte Zeit mit der Maßgabe steht, ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend für die Beklagte im Ausland und gegebenenfalls im Rahmen des beiderseits Zumutbaren übergangsweise bis zum nächsten Auslandseinsatz im Inland tätig zu sein.

Dies hat das Landesarbeitsgericht verkannt, indem es gemeint hat, mit der Klage werde auch die Feststellung der Unwirksamkeit der Befristung des vorletzten Arbeitsvertrags der Parteien, nämlich des Überbrückungsvertrages, begehrt.

II. Zwischen dem Ablauf des Arbeitsvertrages über den Einsatz der Klägerin in Jordanien am 30. September 1985 und dem Einreichen der Klage am 17. Dezember 1985 liegt zwar ein Zeitraum von gut 2 1/2 Monaten. Das hat jedoch nicht zur Folge, daß die Klägerin die Unwirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses unter dem rechtlichen Gesichtspunkt der Verwirkung gegenüber der Beklagten nicht mehr geltend machen könnte. Der auf § 242 BGB zu stützende Tatbestand der Verwirkung setzt u. a. voraus, daß der Arbeitnehmer beim Arbeitgeber das Vertrauen erweckt hat, sich nicht mehr auf die Unwirksamkeit der Befristung berufen zu wollen (vgl. statt vieler: BAG Urteil vom 7. März 1980 – 7 AZR 177/78 – AP Nr. 54 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag; BAG Urteil vom 27. November 1987 – 7 AZR 314/87 – RzK I 9 a Nr. 29, zu II 1 der Gründe). Daran fehlt es hier. Die Beklagte durfte nicht darauf vertrauen, die Klägerin wolle die Unwirksamkeit der Befristung ihres letzten Arbeitsvertrages mit der Beklagten nicht mehr geltend machen. Bereits vor Ablauf der Befristung haben die Parteien seit September 1985 laufend über ihre arbeitsvertraglichen Beziehungen verhandelt. Mit seinem Brief vom 29. November 1985 drohte der Prozeßbevollmächtigte der Klägerin der Beklagten die Erhebung der Klage an, nachdem mehrere Vergleichsgespräche gescheitert waren.

III. Entgegen der Ansicht des Landesarbeitsgerichts ist nicht zu prüfen, ob die Befristung des vorletzten Arbeitsvertrages vom 26. September 1984, also des Überbrückungsvertrages, wirksam ist, sondern nur, ob die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Klägerin über ihren Einsatz in Jordanien zum 30. September 1985 wirksam ist.

1. Dies ergibt sich zum einen aus der sachgerechten Auslegung des Hauptantrages, mit welchem die Klägerin in der Berufungsinstanz verhandelt hat und den sie auch in der Sache in der Revision aufrechterhält. Er ist nicht auf die Feststellung gerichtet, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien deshalb fortbesteht, weil die Zweckbefristung des vorletzten Arbeitsvertrages (Überbrückungsvertrages) unwirksam sei, sondern darauf, daß die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Klägerin zum 30. September 1985 unwirksam ist.

2. Zudem hat das Landesarbeitsgericht verkannt, daß der letzte Arbeitsvertrag im Sinne der gerichtlichen Befristungskontrolle nicht der Überbrückungsvertrag der Klägerin gewesen ist, sondern der Arbeitsvertrag vom 29. Januar 1985 über den Einsatz der Klägerin in Jordanien für die Zeit vom 1. Februar 1985 bis 30. September 1985.

a) Nach ständiger Rechtsprechung des Senats ist bei mehreren aneinandergereihten befristeten Arbeitsverträgen im Rahmen der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle grundsätzlich nur die Befristung des letzten Arbeitsvertrages auf ihre Rechtfertigung hin zu prüfen. Ob vorangegangene Arbeitsverträge wirksam zeit- oder zweckbefristet waren, ist im Grundsatz unerheblich. Durch den vorbehaltlosen Abschluß eines neuen Arbeitsvertrages stellen die Parteien ihr Arbeitsverhältnis auf eine neue Rechtsgrundlage, die fortan für ihre Rechtsbeziehungen allein maßgeblich sein soll. Will der Arbeitnehmer dieses Ergebnis vermeiden und sich seine Rechte aus einer etwaigen Unwirksamkeit der Befristung des vorangegangenen Arbeitsvertrages erhalten, so muß er mit dem Arbeitgeber einen entsprechenden Vorbehalt des Inhaltes vereinbaren, daß der neue befristete Vertrag nur gelten soll, wenn die Parteien nicht schon aufgrund des vorangegangenen Vertrages in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis stehen (vgl. BAGE 49, 73, 79 f. = AP Nr. 97 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II der Gründe; BAGE 50, 298, 307 = AP Nr. 100, aaO; BAGE 57, 13, 16 = AP Nr. 8 zu § 119 BGB, zu I 1 der Gründe).

b) Im Gegensatz zu ihrem nachfolgenden Vertrag über ihren Einsatz in Saudi-Arabien, den die Klägerin mit der Beklagten im Laufe des Rechtsstreits geschlossen hat, ist der Arbeitsvertrag der Parteien vom 29. Januar 1985 ohne einen solchen Vorbehalt abgeschlossen worden. Das hat zur rechtlichen Beendigung des vorherigen Überbrückungsvertrags vom 26. September 1984 geführt.

c) Diese von Gesetzes wegen eingetretene Rechtsfolge ist nicht durch die Anfechtungserklärung der Klägerin beseitigt worden. Die Klägerin hat zwar in ihrem Schriftsatz vom 23. Oktober 1987 erklärt, rein vorsorglich ihre Willenserklärungen im Zusammenhang mit dem Abschluß des letzten Auslandsarbeitsvertrages vom 29. Januar 1985 wegen Irrtums nach § 119 BGB anzufechten. Die Anfechtungserklärung ist jedoch ohne rechtliche Wirkung.

Zum einen ist sie nicht unverzüglich (vgl. § 121 Abs. 1 Satz 1 BGB) erfolgt. Die Klägerin ist spätestens im ersten Rechtszug mit dem Schriftsatz der Beklagten vom 28. Oktober 1986 auf die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zur Erforderlichkeit der Vereinbarung eines Vorbehaltes im oben dargestellten Sinn hingewiesen worden. Auf den Schriftsatz der Beklagten vom 28. Oktober 1986 hat die Klägerin ihrerseits mit ihrem Schriftsatz vom 5. November 1986 erwidert, ohne jedoch die Irrtumsanfechtung zu erklären. Vielmehr hat sie die Irrtumsanfechtung erst etwa ein Jahr später erklärt. Dies war nicht unverzüglich.

Darüber hinaus ist in der Sache auch eine Irrtumsanfechtung nicht möglich. Die mit dem vorbehaltlosen Abschluß eines befristeten Arbeitsvertrages verbundene Auflösung eines bis dahin etwa bestehenden unbefristeten Arbeitsverhältnisses tritt automatisch und unabhängig von einem auf diese rechtliche Nebenfolge gerichteten Willen der Vertragsparteien ein. Die Unkenntnis dieser Rechtsfolge berechtigt den Arbeitnehmer nicht, den von ihm abgeschlossenen befristeten nachfolgenden Arbeitsvertrag nach § 119 Abs. 1 BGB wegen Irrtums über den Inhalt seiner Erklärung anzufechten (BAGE 57, 13, 17 f. = AP Nr. 8 zu § 119 BGB, zu I 2 der Gründe).

3. Ausnahmsweise kann auch ohne Beseitigung des nachfolgenden Arbeitsvertrages und ohne Vereinbarung eines Vorbehaltes über dessen Wirksamkeit die Befristung des vorhergehenden Arbeitsvertrages auf ihre Wirksamkeit zu prüfen sein, wenn sich der zeitlich letzte Vertrag nach den Umständen des Falles lediglich als ein unselbständiger Annex des vorhergehenden befristeten Arbeitsvertrages darstellt. Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, der letzte Arbeitsvertrag der Parteien vom 29. Januar 1985 stelle zum vorherigen Überbrückungsvertrag vom 26. September 1984 lediglich einen solchen Annex-Vertrag ohne selbständige Bedeutung dar.

a) Von einem Annex-Vertrag ist nur auszugehen, wenn die Parteien dem letzten Vertrag keine eigenständige Bedeutung beimessen, sondern durch ihn den bisherigen Vertrag nur hinsichtlich seines Beendigungszeitpunktes modifizieren wollen. Hierzu reicht nicht schon aus, daß der letzte und der vorletzte Arbeitsvertrag in ihren Bedingungen bis auf den Zeitpunkt der Befristung übereinstimmen oder die zu erfüllende Arbeitsaufgabe die gleiche bleibt. Vielmehr müssen neben diesen Voraussetzungen weitere Umstände vorliegen, damit aus dem Abschluß des befristeten letzten Arbeitsvertrages nicht geschlossen werden darf, der vorherige Arbeitsvertrag sei in seinen Wirkungen beseitigt worden. Solche besonderen Umstände liegen vor, wenn es sich bei dem Anschlußvertrag nur um eine verhältnismäßig geringfügige Korrektur des Befristungszeitpunktes handelt und sich diese Korrektur am Sachgrund für die Befristung des früheren Vertrages orientiert. Die Vertragsänderung darf nur in der Anpassung der ursprünglich zutreffend vereinbarten Vertragszeit an später eingetretene, nicht vorgesehene Umstände bestehen. Es muß den Parteien bei der Vereinbarung des neuen Befristungsendes also gleichsam darum gegangen sein, die Laufzeit des alten Vertrages mit dem Sachgrund für dessen Befristung in zeitlicher Hinsicht wieder in Einklang zu bringen. Nur in solchen Fällen wird der Wille der Parteien erkennbar, beide Verträge in dem Sinn als Einheit behandeln zu wollen, daß der frühere Vertrag Grundlage des Arbeitsverhältnisses bleibt und lediglich der Beendigungszeitpunkt des Arbeitsverhältnisses geringfügig in einer Weise korrigiert wird, wie es die Parteien von vorherein getan hätten, wenn die während der Laufzeit des Vertrages eingetretene Änderung der Sachlage ihnen bereits bei Abschluß des früheren Arbeitsvertrages bekannt gewesen wäre (vgl. BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu I 2 der Gründe; BAG Urteil vom 31. Januar 1990 – 7 AZR 125/89 –, zur Veröffentlichung vorgesehen).

b) Das Landesarbeitsgericht hat zu Unrecht angenommen, die Voraussetzungen für einen Annex-Vertrag lägen hinsichtlich des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1985 vor. Dieser Arbeitsvertrag stellt keinen unselbständigen Annex zum vorhergehenden Arbeitsvertrag der Parteien, nämlich zum Überbrückungsvertrag vom 26. September 1984, dar. Die Zwecke beider Verträge und die Vertragsbedingungen sind völlig unterschiedlich. Überdies galt der Überbrückungsvertrag ausdrücklich nur bis zum nächsten Auslandseinsatz der Klägerin, zu dem dann der Vertrag vom 29. Januar 1985 abgeschlossen worden ist. Der Arbeitsvertrag vom 29. Januar 1985 ist nicht abgeschlossen worden, um die Überbrückungstätigkeit der Klägerin im Inland zu verlängern, sondern gerade, um ihren Auslandseinsatz in Jordanien für die Zeit vom 1. Februar 1985 bis 30. September 1985 zu ermöglichen.

4. Insgesamt ist daher nur zu prüfen, ob die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien vom 29. Januar 1985 wirksam vereinbart worden ist oder nicht.

IV. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, auch die Befristung des letzten Arbeitsvertrages der Parteien zum 30. September 1985 sei unwirksam. Es ist hierbei jedoch von rechtlich unzutreffenden Erwägungen ausgegangen. Ob sich diese Befristung als wirksam erweist oder nicht, kann der Senat mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht nicht entscheiden.

1. Das Landesarbeitsgericht hat gemeint, die Befristung dieses letzten Auslandsarbeitsvertrages der Klägerin zum 30. September 1985 sei zumindest hinsichtlich der gewählten Befristungsdauer als rechtsunwirksam anzusehen. Damit hat es der aus seiner Sicht falsch gewählten Befristungsdauer die Wirkung beigemessen, daß die Befristung insgesamt unwirksam ist.

2. Dem kann der Senat nicht folgen. Zur wirksamen Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf es unter dem Gesichtspunkt der Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften außer einem sachlichen Grund für die Befristung selbst nicht noch zusätzlich einer eigenen sachlichen Rechtfertigung der gewählten Dauer der Befristung. Die im Einzelfall vereinbarte Vertragsdauer hat nur Bedeutung im Rahmen der Prüfung des sachlichen Befristungsgrundes selbst. Sie muß sich am Sachgrund der Befristung orientieren und so mit ihm im Einklang stehen, daß sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrundes spricht. Aus der vereinbarten Befristungsdauer darf sich nicht ergeben, daß der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vorgeschoben ist. Das bloße Zurückbleiben einer vereinbarten Befristungsdauer hinter der bei Vertragsabschluß voraussehbaren Dauer des Befristungsgrundes ist nicht stets und ohne weiteres geeignet, den Sachgrund für die Befristung in Frage zu stellen. Dies ist erst dann der Fall, wenn die Befristungsdauer derart hinter der voraussichtlichen Dauer des Befristungsgrundes zurückbleibt, daß eine sinnvolle, dem angegebenen Sachgrund der Befristung entsprechende Mitarbeit des Arbeitnehmers nicht mehr möglich erscheint (BAGE 59, 265, 271 f. = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu III der Gründe).

Die von den Parteien vereinbarte Dauer der Befristung des Auslandseinsatzes der Klägerin für die Zeit vom 1. Februar 1985 bis 30. September 1985 stimmt mit der Dauer des der Beklagten erteilten Auftrages des BMZ überein. Dabei orientiert sich die Befristungsdauer in vollem Umfang am Sachgrund für die Befristung. Dementsprechend läßt sich aus der Befristungsdauer für sich allein nicht schließen, im vorliegenden Fall sei der Befristungsgrund vorgeschoben oder bestehe tatsächlich nicht.

V. Auf diesen Rechtsfehlern beruht das angefochtene Urteil. Sie haben seine Aufhebung zur Folge.

VI. Mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht ist der Senat nicht in der Lage, selbst zu entscheiden, ob die Befristung im Arbeitsvertrag der Parteien vom 29. Januar 1985 wirksam ist oder nicht. Das Landesarbeitsgericht wird die fehlenden Tatsachenfeststellungen, gegebenenfalls nach ergänzendem Sachvortrag durch die Parteien, nachzuholen haben.

Dabei wird das Landesarbeitsgericht folgendes zu beachten haben:

1. Im Ansatz ist die Tatsache, daß die Klägerin im Rahmen eines der Beklagten erteilten Auftrages des BMZ in Jordanien für die Dauer der Auftragsdurchführung befristet angestellt worden ist, geeignet, einen sachlichen Grund für die Befristung dieses Auslandsarbeitsverhältnisses abzugeben (vgl. BAGE 52, 122, 131 = AP Nr. 101 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu II 2 b aa der Gründe; BAGE 52, 133, 143 = AP Nr. 102, aa0, zu I 3 der Gründe). Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts steigen jedoch mit zunehmender Dauer der Beschäftigung auch die Anforderungen an den Sachgrund der Befristung des letzten Arbeitsvertrages. Denn mit zunehmender Dauer der Beschäftigung wächst die Abhängigkeit des Arbeitnehmers. Für ihn wird es schwerer, anderweitig Arbeit zu finden, so daß er mehr und mehr auf den Fortbestand seines Arbeitsverhältnisses angewiesen ist. Entsprechend der immer stärker werdenden Ausprägung des Bestandsschutzes des Arbeitsverhältnisses wächst auch die Verantwortung des Arbeitgebers. Nach langjähriger Beschäftigung genügt die allgemeine Unsicherheit, ob im Anschluß an das befristete Projekt noch ein weiterer Einsatz des Arbeitnehmers möglich ist, für sich allein nicht mehr, um unter dem Gesichtspunkt der Projektbindung die Befristung des Arbeitsverhältnisses sachlich zu rechtfertigen. Vielmehr muß sich der Arbeitgeber dann besonders mit den Verhältnissen der betroffenen Stelle und der Frage einer künftigen Verwendung des Arbeitnehmers befassen. Im Ergebnis ist eine Befristung dann nur noch sachlich gerechtfertigt, wenn zur Zeit des Abschlusses des Arbeitsvertrages hinreichend konkrete objektive Anhaltspunkte dafür vorliegen, daß dieser Arbeitnehmer nach Auslaufen des konkreten Projekts nicht mehr weiterbeschäftigt werden kann, weil für ihn Arbeit nicht mehr vorhanden sein wird.

2. Die Klägerin war beim Abschluß des letzten Arbeitsvertrages am 29. Januar 1985 bei der Beklagten bereits mehr als elf Jahre lang beschäftigt. Bei einer so langen Beschäftigungszeit kann die bloße Projektgebundenheit ihres Einsatzes in Jordanien für sich allein nicht mehr ausreichen, die Befristung des Arbeitsvertrages vom 29. Januar 1985 sachlich zu rechtfertigen. Die Befristung kann jedoch sachlich gerechtfertigt sein, wenn die Beklagte aufgrund objektiver Tatsachen bei Abschluß des Arbeitsvertrages am 29. Januar 1985 davon ausgehen durfte, für die Klägerin werde im Anschluß an das Projekt in Jordanien und gegebenenfalls nach einer für beide Seiten zumutbaren Überbrückungszeit im Inland kein weiterer Einsatz im Ausland möglich sein. Zumutbar ist indessen eine Überbrückungstätigkeit im Inland für beide Seiten nur dann, wenn die Klägerin ihren Kenntnissen und Fähigkeiten entsprechend bei der Beklagten eingesetzt werden konnte. Nicht zumutbar wäre dagegen ein Überbrückungs-Arbeitsvertrag für mehrere Monate, ohne daß bei der Beklagten entsprechende Arbeitsaufgaben für die Überbrückungstätigkeit der Klägerin vorhanden gewesen wären. Hinsichtlich der Zeitdauer eines solchen Überbrückungsvertrages wird sich das Landesarbeitsgericht an den Zeiträumen zu orientieren haben, die sich die Beklagte mit dem mit der Klägerin abgeschlossenen Überbrückungsvertrag selbst zugemutet hat oder die sonst bei ihr für befristet eingestellte Auslandsmitarbeiter üblich sind. Auch dies ist aus der Sicht bei Abschluß des letzten Arbeitsvertrages zu beurteilen.

Zumutbar wäre eine solche Überbrückungsmaßnahme aber nur dann gewesen, wenn aufgrund konkreter, bei Abschluß des Arbeitsvertrages am 29. Januar 1985 vorliegender Umstände erkennbar war, daß sich für die Klägerin in absehbarer Zeit eine weitere Einsatzmöglichkeit im Ausland abzeichnete, z. B. weil bestimmte Aufträge des BMZ bereits erteilt waren oder weil aufgrund konkreter Umstände feststand, daß die Klägerin in einem bereits laufenden Projekt eingesetzt werden könnte, z.B. wegen voraussehbaren Ausfalls einer vergleichbaren Arbeitskraft oder eines zusätzlichen Arbeitskräftebedarfs. Insbesondere hierzu fehlt es noch an hinreichenden Tatsachenfeststellungen durch das Landesarbeitsgericht. Seine Erwägungen zu einem – aus damaliger Sicht – künftigen Jordanienprojekt des BMZ oder zu einem Einsatz der Klägerin in Saudi-Arabien lassen nicht erkennen, inwieweit hinreichend sichere Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, daß bei der Beklagten konkrete Auslandsprojekte, die einen Einsatz der Klägerin ermöglichten, nicht zu erwarten waren oder der Einsatz der Klägerin im Ausland deswegen ausgeschlossen war, weil in vorhandenen Projekten alle Arbeitsplätze, auf denen die Klägerin hätte eingesetzt werden können, besetzt waren.

 

Unterschriften

Dr. Seidensticker, Dr. Steckhan, Schliemann, Ruppert, Lappe

 

Fundstellen

Dokument-Index HI969685

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