Entscheidungsstichwort (Thema)
Anspruch auf übertarifliche Sonderzahlungen für die Zeit des Erziehungsurlaubs
Normenkette
BGB §§ 611, 242, 823, 826; BErzGG §§ 15-16
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 25. Juni 1998 – 7 Sa 98/97 – wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für die Zeit des Erziehungsurlaubes weitere Sonderzahlungen zustehen.
Die Klägerin ist seit 1978 bei der Beklagten als Angestellte beschäftigt. Die Beklagte ist ein Versicherungsunternehmen mit ca. 2000 Beschäftigten. Nach dem Arbeitsvertrag vom 30. März 1978 unterliegt das Arbeitsverhältnis den Bestimmungen des Tarifvertrages das private Versicherungsgewerbes. Das Bruttomonatsgehalt der Klägerin betrug zuletzt 4.260,00 DM. Regelungen über eine Sonderzahlung enthält der Arbeitsvertrag nicht. In der Zeit vom 18. April 1993 bis 20. Februar 1996 befand sich die Klägerin in Erziehungsurlaub. Sie begehrt für diesen Zeitraum weitere Sonderzahlungen in Höhe von 22.181,70 DM brutto.
Im einschlägigen Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin in der Fassung vom 25. Oktober 1990 (im folgenden: MTV) sind zwei Sonderzahlungen geregelt. Diese sind fällig im zweiten Quartal (Mai) und vierten Quartal (November) des Jahres; die im Mai fällige tarifliche Sonderzahlung beträgt 50 % des jeweiligen Monatsgehalts des betreffenden Arbeitnehmers, die im November fällige tarifliche Sonderzahlung 80 % des jeweiligen Monatsgehalts (§ 13 Ziff. 8, § 3 Ziff. 3 MTV). Daneben zahlt die Beklagte einen übertariflichen Anteil zur Sonderzuwendung, so daß im Mai 90 % eines Monatsgehalts und im November 110 % eines Monatsgehalts zur Auszahlung kommen.
Die Beklagte erklärte bei Auszahlung jeder einzelnen Sonderzahlung an ihre Mitarbeiter jeweils:
“Wir weisen an dieser Stelle wiederum darauf hin, daß die freiwilligen Leistungen des H… weder hinsichtlich der Höhe noch der Zahlweise für die Zukunft als bindend angesehen werden können. Auf die Zahlungen besteht auch kein Rechtsanspruch.”
Am 25. September 1991 vereinbarten die Tarifvertragsparteien eine Protokollnotiz, in der sie die Höhe der Sonderzahlungen an Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen, die sich in Erziehungsurlaub befinden, in der Höhe begrenzten; diese Protokollerklärung lautet wie folgt:
Protokollnotiz zu § 3 Ziff. 3 Abs. 3, § 13 Ziff. 9 Abs. 3, § 19 Ziff. 5 Abs. 4 und § 22 Ziff. 3 Abs. 4 MTV
Die Parteien stimmen darüber überein, daß die Nachzahlungsregelung für Arbeitnehmerinnen, die nach dem Mutterschaftsurlaub in das Unternehmen zurückkehren (jeweils Sätze 3 und 4 der genannten Bestimmungen) in gleichem Umfang, also begrenzt auf die Dauer und auf die anspruchsberechtigten Personen des früheren Mutterschaftsurlaubs, entsprechend anzuwenden ist, wenn das Arbeitsverhältnis nach Abschluß des Erziehungsurlaubs fortgesetzt wird.
Gleichwohl zahlte die Beklagte auch nach dem 25. September 1991 an ihre Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen die vollen tariflichen und übertariflichen Sonderzahlungen weiter, wenn diese im Anschluß an den Erziehungsurlaub sechs Monate ihr Arbeitsverhältnis fortsetzten. Hierzu ist in einem Merkblatt der Beklagten das bis 1994 im Betrieb existierte, ausgeführt:
“Sonderzahlung
Sie haben während des Erziehungsurlaubs Anspruch auf die Sonderzahlungen (im Mai bzw. im November). Der Anspruch auf den freiwillig gewährten Anteil der Sonderzahlungen besteht aber nur dann, wenn während der Zeit des Erziehungsurlaubs diese freiwilligen Anteile auch tatsächlich allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern gewährt wurden.
Fällig werden die Sonderzahlungen allerdings erst dann, wenn sie nach Wiederaufnahme ihrer Tätigkeit mindestens sechs Monate gearbeitet haben.”
Nachdem die Beklagte im Sommer 1994 nach ihren Angaben die Protokollnotiz vom 25. September 1991 registrierte und feststellte, daß sie die Höhe der Sonderzahlungen jeweils auf der Grundlage des gesamten Erziehungsurlaubs berechnet hat, obwohl nach der Protokollnotiz nur die ersten vier Monate des Erziehungsurlaubes berücksichtigungsfähig waren, zog sie die restlichen Merkblätter ein und teilte in einem Rundschreiben vom November 1994 mit, daß sie die Sonderzahlungen an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Erziehungsurlaub nicht mehr in der bisherigen Weise weiterzahlen werde.
Die Beklagte hat der Klägerin im Mai 1993 eine anteilige Sonderzahlung in Höhe von 2.475,00 DM gewährt, von November 1993 bis November 1995 zahlte sie nichts. Im September 1996 erhielt die Klägerin den Rest der Maisonderzahlung 1993 und die anteilige Novembersonderzahlung 1993 in Höhe von 3.006,25 DM.
Die Klägerin ist der Meinung, sie habe einen Anspruch auf die vollen Sonderzahlungen nach Maßgabe der Regelungen wie sie im Merkblatt beschrieben seien. Rechtsgrundlage hierfür sei das Merkblatt, betriebliche Übung, der Gleichbehandlungsgrundsatz, positive Vertragsverletzung sowie eine Zusage gegenüber einem Personalratsmitglied (Frau W…); hierbei habe die Personalsachbearbeiterin (Frau K…) ausdrücklich bestätigt, daß der Klägerin die Sonderzahlungen zustünden. Im übrigen ist die Klägerin der Auffassung, daß durch die Streichung der Sonderzahlungen während des Erziehungsurlaubes das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates verletzt sei.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 22.181,70 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 25. November 1996 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte meint, das Merkblatt sei nicht als Zusage des Arbeitgebers aufzufassen. Es handele sich um eine Informationsschrift über die Sach- und Rechtslage. Individualrechtliche Willenserklärungen würden von der Beklagten stets und ausnahmslos auf offiziellem Briefpapier mit entsprechender Unterschriftenlinie und gemäß den Vertretungsregelungen mit zwei Unterschriften versehen abgegeben. Die Personalabteilung habe bei der Abfassung des Merkblattes übersehen, daß die Tarifvertragsparteien in einer Protokollnotiz vom 25. September 1991 eine anderweitige Regelung festgelegt hätten. Daher habe die Beklagte allen Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen, die bis zum Frühjahr 1994 aus dem Erziehungsurlaub zurückkehrten, die entsprechenden vollen Sonderzahlungen ausgezahlt. Die Klägerin habe das Merkblatt vor Antritt des Erziehungsurlaubes nicht erhalten. Die Beklagte bestreitet, daß Frau K… dem Betriebsratsmitglied W… mitgeteilt habe, der Klägerin stünden die Sonderzahlungen in voller Höhe zu. Die Klägerin könne ihren Anspruch auch nicht auf die betriebliche Übung stützen, da bei Auszahlung der tariflichen und aufgestockten Sonderzahlungen jedesmal betont worden sei, daß die Zahlung der übertariflichen Anteile freiwillig und ohne Bindungswirkung für die Zukunft erfolge. Ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats bestünde nicht; vorliegend gehe es nicht um die Veränderung der Verteilungsgrundsätze für freiwillige Leistungen sondern um eine Ausklammerung der Erziehungsurlauber.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Mit der Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, ein Anspruch der Klägerin auf weitere Sonderzahlungen folge nicht aus dem Arbeitsvertrag, da dieser keine Regelung über die Sonderzahlung beinhalte; Ansprüche aus dem Tarifvertrag seien erfüllt. Es bestehe auch kein Anspruch unter dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung, da die Beklagte die Sonderzahlungen unter einen ausdrücklichen Freiwilligkeitsvorbehalt gestellt habe. Auch unter Berücksichtigung des Merkblattes ergebe sich kein anderes Ergebnis, da aus der Sicht eines objektivierten Empfängerhorizonts das Merkblatt nicht als konkludente, rechtlich verbindliche Willenserklärung der Beklagten zu verstehen sei, durch die Ansprüche begründet werden sollen. Im Merkblatt habe die Beklagte zwischen den Ansprüchen und freiwilligen Anteilen der Sonderzahlungen unterschieden; der Begriff “Anspruch” deute auf das Vorhandensein einer Rechtsgrundlage hin, während demgegenüber der freiwillige Anteil den Vergütungsbestandteil bezeichne, den der Arbeitgeber ohne Rechtsgrundlage freiwillig zu zahlen bereit sei. Daraus folge, daß der Arbeitgeber sich lediglich normgerecht verhalten wollte. In diesem Zusammenhang sei auch der Zusatz “im Mai” bzw. “im November” und der Begriff “Sonderzahlungen” aussagekräftig; diese entsprächen der tariflichen Regelung. Aus diesem Grunde scheide das Merkblatt auch als eigenständige Anspruchsgrundlage aus. Ebensowenig begründe die Auskunft der Frau K… gegenüber dem Betriebsratsmitglied W… einen Anspruch. Insoweit handle es sich lediglich um eine unzutreffende Auskunft einer Sachbearbeiterin der Personalabteilung. Ein Anspruch aus dem arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz bestehe ebenfalls nicht. Die letzte entsprechende Sonderzahlung sei im Jahr 1994 an Arbeitnehmerinnen geleistet worden, die Ende 1993 aus ihrem Erziehungsurlaub zurückgekehrt seien, zu einem Zeitpunkt also, als die Beklagte von einer rechtlichen Verpflichtung zur Leistung der vollen Sonderzahlung ausging. Damit seien die angegebenen Fälle mit dem der Klägerin nicht vergleichbar. Es bestehe auch kein Anspruch aus der Verletzung eines Mitbestimmungsrechts des Betriebsrats, da die einseitige Einstellung von Zahlungen aufgrund einer fehlerhaften Tarifanwendung keine Neuordnung der Verteilungsgrundsätze sei.
Die Ausführungen des Berufungsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
II. Die Klägerin kann die Zahlung weiterer – über den MTV hinausgehender – Sonderzahlungen für die Zeit ihres Erziehungsurlaubs nicht verlangen.
1. Die Revision ist zulässig. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Beschluß vom 11. Dezember 1998 – 6 AZB 48/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen) ist es ausreichend, daß das Landesarbeitsgericht in den Gründen seiner Entscheidung die Revision zugelassen hat. Die anderslautende Rechtsmittelbelehrung steht dem nicht entgegen, da sie ein vom Gericht in der Entscheidung zugelassenes Rechtsmittel nicht beseitigen kann. Auf die Berichtigung des Tenors durch sein Berufungsgericht wegen offensichtlicher Unrichtigkeit kommt es nicht an.
2. Ein Anspruch der Klägerin auf Zahlung des allein mit der Klage geltend gemachten übertariflichen Anteils der Sonderzuwendung besteht nicht.
a) Die Klägerin begehrt mit der zulässigen Klage die Zahlung des übertariflichen Anteils der von der Beklagten an ihre Mitarbeiter gewährten Sonderzuwendung. Der Anspruch auf die tariflichen Sonderzahlungen in den Monaten Mai und November der jeweiligen Jahre ist von der Beklagten – soweit er gegeben ist – jeweils erfüllt worden. Da somit tarifliche Ansprüche der Klägerin auf Sonderzahlungen nicht mehr bestehen, kann der Klageanspruch nicht auf den Manteltarifvertrag für das private Versicherungsgewerbe in der Bundesrepublik Deutschland und im Land Berlin in der Fassung vom 25. Oktober 1990 (MTV) gestützt werden.
Der tarifliche Anspruch ist durch die Protokollnotiz vom 25. September 1991 zu § 3 Ziff. 3 Abs. 3, § 13 Ziff. 9 Abs. 3, § 19 Ziff. 5 Abs. 4 und § 22 Ziff. 3 Abs. 4 MTV auf die Höhe der vor Inkrafttreten des Bundeserziehungsgeldgesetzes zurückgeführt worden. Soweit die Beklagte nach ihrem Vortrag diese Protokollnotiz erst im Jahre 1994 registriert hat, hat sie sich zunächst über die Höhe der tariflichen Zahlungspflichten geirrt. In diesem Fall war sie berechtigt (BAG Urteil vom 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP Nr. 1 zu § 1 TVG Tarifverträge: Brotindustrie) die über den Tarifvertrag hinaus gewährten Leistungen einseitig einzustellen (BAG Urteile vom 21. April 1982 – 4 AZR 671/79 – BAGE 38, 291, 295 = AP Nr. 5 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bundesbahn; vom 29. Januar 1986 – 4 AZR 279/84 – AP Nr. 17 zu § 75 BPersVG; vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT). Dies findet seine Rechtfertigung darin, daß ein Arbeitgeber, der an einen Tarifvertrag gebunden ist, die tarifgemäßen Leistungen erbringen will, nicht aber freiwillige Leistungen.
b) Der von der Klägerin mit der Klage verfolgte Anspruch kann nicht auf eine betriebliche Übung gestützt werden.
aa) Unter einer betrieblichen Übung ist ein gleichförmiges und wiederholtes Verhalten des Arbeitgebers zu verstehen, aus dem die Arbeitnehmer schließen können, ihnen solle eine Leistung oder Vergünstigung auf Dauer eingeräumt werden (st. Rspr. des BAG, vgl. Urteile vom 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; vom 5. Februar 1971 – 3 AZR 28/70 – BAGE 23, 213, 218 ff. = AP Nr. 10 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu I 1 und 2 der Gründe; vom 21. Januar 1997 – 1 AZR 572/96 – AP Nr. 64 zu § 77 BetrVG 1972; vom 16. Juli 1996 – 3 AZR 352/95 – AP Nr. 7 zu § 1 BetrAVG Betriebliche Übung, jeweils m.w.N.). Die betriebliche Übung gründet sich auf eine Willenserklärung des Arbeitgebers, die von den Arbeitnehmern konkludent angenommen wird (§ 151 BGB); dadurch entstehen arbeitsvertragliche Ansprüche der Arbeitnehmer auf die üblich gewordenen Leistungen. Für die Begründung eines solchen Anspruchs aus betrieblicher Übung kommt es dabei nicht darauf an, ob der Arbeitgeber einen Verpflichtungswillen hatte; maßgebend ist vielmehr, ob die Arbeitnehmer aus dem Erklärungsverhalten des Arbeitgebers unter Berücksichtigung von Treu und Glauben sowie aller Begleitumstände auf einen Bindungswillen des Arbeitgebers schließen durften und das entsprechende Angebot stillschweigend annehmen konnten (§ 151 BGB). Die Bindungswirkung tritt ein, wenn die Arbeitnehmer aufgrund des Verhaltens des Arbeitgebers darauf vertrauen dürfen, die Leistung solle auch für die Zukunft gewährt werden (BAG Urteile vom 26. Mai 1993 – 4 AZR 130/93 – BAGE 73, 191 = AP Nr. 3 zu § 12 AVR Diakonisches Werk; vom 7. Mai 1986 – 4 AZR 556/83 – BAGE 52, 33, 49 = AP Nr. 12 zu § 4 BAT, zu 5 der Gründe; vom 3. August 1982 – 3 AZR 503/79 – BAGE 39, 271, 276 = AP Nr. 12 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, zu II 2 der Gründe). Auf die subjektiven Vorstellungen des Arbeitgebers kommt es nicht an; entscheidend ist, ob der Arbeitnehmer dem Verhalten des Arbeitgebers einen Verpflichtungswillen entnehmen kann. Eine irrtümliche Leistung des Arbeitgebers kann eine betriebliche Übung dann nicht begründen, wenn der Arbeitnehmer aus den Umständen den Irrtum erkennen konnte (BAG Urteile vom 11. November 1997 – 3 AZR 163/96 – n.v.; vom 26. Mai 1996 – 4 AZR 130/93 – aaO; vom 28. Mai 1996 – 3 AZR 619/95 – n.v.) und der Arbeitgeber den Irrtum nach Kenntniserlangung korrigiert, indem er die übertariflichen Leistungen einstellt und die überzahlten Beträge – soweit rechtlich möglich – zurückfordert (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Irrtum besteht danach nicht.
Im Zusammenhang mit Sonderzahlungen nimmt die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts an, daß durch eine mindestens dreimalige vorbehaltlose Gewährung einer Weihnachtsgratifikation eine arbeitsvertragliche Verpflichtung des Arbeitgebers aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung begründet wird, wenn nicht die Umstände des Falles eine andere Auslegung bedingen (BAG Urteil vom 14. August 1996 – 10 AZR 69/96 – AP Nr. 47 zu § 242 BGB Betriebliche Übung). Für das Entstehen einer betrieblichen Übung können aber nur solche Zahlungen herangezogen werden, die nicht bereits aufgrund einer anderen – individualrechtlichen oder kollektivrechtlichen – Anspruchsgrundlage erfolgten (BAG Urteile vom 27. Juni 1985 – 6 AZR 392/81 – BAGE 49, 151, 159 = AP Nr. 14 zu § 17 BetrVG 1972, zu 4b der Gründe; vom 9. Februar 1989 – 8 AZR 319/87 – BAGE 61, 87, 93 = AP Nr. 40 zu § 77 BetrVG 1972, zu II 2 der Gründe; vom 6. August 1998 – 6 AZR 458/96 – n.v.). Von der betrieblichen Übung kann sich der Arbeitgeber nicht mehr einseitig lösen, sondern nur mittels einer Änderungskündigung oder einer Änderungsvereinbarung (BAG Urteil vom 26. März 1997 – 10 AZR 612/96 – AP Nr. 50 zu § 242 BGB Betriebliche Übung).
bb) Die Beklagte hat zwar von September 1991 bis zum Sommer 1994 die Sonderzahlung weiterhin in ungekürztem Umfang ausbezahlt, obwohl sie nach der Änderung des MTV durch die Protokollnotiz vom 25. September 1991 hierzu nicht mehr tariflich verpflichtet war. Obwohl die Beklagte damit Zahlungen, die weder individualrechtlich noch kollektivrechtlich vorgesehen waren, mindestens dreimal geleistet hat, kann vorliegend dennoch eine betriebliche Übung nicht angenommen werden. Die ohne tarifvertragliche Verpflichtung gewährten Leistungen wurden jeweils unter einem Freiwilligkeitsvorbehalt gezahlt. Unstreitig hat die Klägerin mit den Sonderzahlungen zweimal jährlich ein Schreiben erhalten, wonach die Beklagte darauf hinweist, daß die freiwilligen Leistungen weder hinsichtlich der Höhe noch der Zahlungsweise für die Zukunft als bindend angesehen werden können sowie auf die Zahlung kein Rechtsanspruch besteht.
Ein Rechtsanspruch der Klägerin auf die freiwilligen Leistungen konnte im Wege einer betrieblichen Übung nicht entstehen, da dieser Hinweis – auch vom Empfängerhorizont – nur so verstanden werden kann, daß diejenigen Anteile der Sonderzahlungen, die über die tariflichen Verpflichtungen der Beklagten hinausgehen, freiwillig erfolgen, also von dem Vorbehalt erfaßt werden. Durch den Hinweis hat die Beklagte klargestellt, daß nur der tarifliche Teil der Sonderleistung als Verpflichtung angesehen werde; darüber hinaus sollte keine Bindungswirkung entstehen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist dieser Freiwilligkeitsvorbehalt, der unstreitig mit jeder Sonderzahlung im Mai und November eines Jahres erfolgte, unmißverständlich und eindeutig.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Merkblatts der Beklagten. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob die Klägerin dieses Merkblatt tatsächlich erhalten hat.
Auch wenn die Klägerin das Merkblatt tatsächlich erhalten hat, konnte sie anhand des Merkblattes erkennen, daß die Sonderzahlung während des Erziehungsurlaubes aus einem Anspruch im Mai bzw. im November und einem freiwillig gewährten Anteil besteht. Soweit das Merkblatt einen Anspruch auf die Sonderzahlung erwähnt, wird durch die Bezugnahme auf die Zeitpunkte im Mai bzw. im November i.V.m. dem MTV deutlich, daß es sich dabei um die tarifliche Leistung handelt. Satz 2 der Ziff. 8 des Merkblatts betrifft dagegen die freiwillige Leistung, soweit hier ausgeführt ist, der “Anspruch auf den freiwillig gewährten Anteil” handelt es sich insofern um einen Widerspruch, als es einen Anspruch auf eine freiwillige Leistung nicht gibt; sobald ein Anspruch gegeben ist, handelt es sich nicht mehr um eine freiwillige Leistung. Aus den Gesamtumständen ergibt sich, daß Satz 2 den jeweils freiwillig gewährten Teil der Sonderzuwendung betrifft, also den übertariflichen Teil. Unter Berücksichtigung des jeweils mit der Auszahlung des freiwilligen Teils verbundenen Hinweises darauf, daß die freiwilligen Leistungen weder hinsichtlich der Höhe noch der Zahlweise für die Zukunft als bindend angesehen werden und ein Rechtsanspruch nicht besteht, folgt, daß auch unter Berücksichtigung des Merkblattes eine betriebliche Übung nicht gegeben ist. Die irrtümlich weiter gezahlten Anteile der tariflichen Sonderzahlung, auf die nach der Protokollnotiz vom 25. September 1991 ein Anspruch nicht mehr besteht, gehören zu den freiwilligen Anteilen an der Sonderzahlung und werden daher vom Freiwilligkeitsvorbehalt erfaßt.
c) Dem Merkblatt ist auch keine eigenständige Anspruchsgrundlage für die von der Klägerin geltend gemachten Sonderzahlungen zu entnehmen. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend festgestellt hat, gibt das Merkblatt lediglich den Rechtsstand wieder, wie er sich aus dem bestehenden individual- und kollektivrechtlichen Verpflichtungen ergibt; er stellt nur die gegebene Rechtslage nach den §§ 3 und 13 des MTV dar.
d) Der von der Klägerin mit der Klage verfolgte Anspruch kann auch nicht auf die Verletzung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes gestützt werden. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz gebietet dem Arbeitgeber, seine Arbeitnehmer oder Gruppen von Arbeitnehmern gleichzubehandeln, soweit sie sich in gleicher oder vergleichbarer Lage befinden. Er verbietet die willkürliche Schlechterstellung einzelner Arbeitnehmer innerhalb einer Gruppe, wie auch eine sachfremde Gruppenbildung (BAG Urteil vom 19. August 1992 – 5 AZR 513/91 – AP Nr. 102 zu § 242 BGB Gleichbehandlung). Sachfremd ist eine Differenzierung dann, wenn es für sie keine billigenswerten Gründe gibt. Liegt ein solcher Grund nicht vor, kann der übergangene Arbeitnehmer verlangen, nach Maßgabe der allgemeinen Regelung behandelt zu werden (BAG Urteil vom 10. März 1998 – 1 AZR 509/97 – AP Nr. 207 zu § 611 BGB Gratifikation). Diese Grundsätze gelten auch für Leistungen, die der Arbeitgeber freiwillig gewährt (BAG Urteil vom 6. Dezember 1995 – 10 AZR 198/95 – AP Nr. 187 zu § 611 BGB Gratifikation). Danach hat die Klägerin keinen Anspruch auf Zahlung des übertariflichen Anteils der Sonderzuwendung, da diese Sonderzahlung auch an andere Arbeitnehmerinnen, die mit der Klägerin gleichzubehandeln sind, nicht gezahlt wurde. Soweit sich die Klägerin auf die Arbeitnehmerinnen, deren Erziehungsurlaub bereits im November 1992 beendet war, bezieht, sind diese Arbeitnehmerinnen mit der Klägerin nicht zu vergleichen.
Die Klägerin kann sich auch nicht auf eine Gleichbehandlung hinsichtlich der von der Beklagten irrtümlich gewährten Anteile der tariflichen Sonderzahlung berufen. Der arbeitsrechtliche Gleichbehandlungsgrundsatz greift nur bei einem gestaltenden Verhalten des Arbeitgebers ein, nicht jedoch bei einem bloßen – auch vermeintlichen – Normenvollzug (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – zur Veröffentlichung vorgesehen). Anders wäre es nur, wenn der Arbeitgeber auch nach Erkenntnis seines Irrtums die bis dahin ohne Rechtsgrund erbrachten Leistungen weitergewährt und rechtlich mögliche Rückforderungsansprüche nicht geltend macht. Erst ab diesem Zeitpunkt läge ein gestaltendes Verhalten des Arbeitgebers vor, indem er bewußt zusätzliche freiwillige Leistungen erbringt. Stellt der Arbeitgeber dagegen die rechtsgrundlosen, irrtümlich geleisteten Zahlungen alsbald nach Kenntniserlangung von seinem Irrtum ein und ergreift er alle rechtlich möglichen Maßnahmen zur nachträglichen Korrektur seines Irrtums, ist für die Anwendung des arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatzes kein Raum (BAG Urteil vom 26. November 1998 – 6 AZR 335/97 – aaO).
Vorliegend ergibt sich, daß die Beklagte nach Erkenntnis ihres Irrtums in Bezug auf die Protokollnotiz vom 25. September 1991 die gebotenen und rechtlich möglichen Maßnahmen zur Korrektur dieses Irrtums ergriffen hat. Sie hat die Merkblätter aus dem Verkehr genommen und für die Zukunft die irrtümlichen Zahlungen eingestellt. Die Beklagte hat damit alle ihr zu Gebote stehenden und rechtlich möglichen Maßnahmen durchgeführt; daß den früher begünstigten Arbeitnehmerinnen die bereits geleisteten Zahlungen verblieben sind, steht dem nicht entgegen, da die Rückforderung dieser Beträge – wie die Beklagte zu Recht angenommen hat – aus Rechtsgründen problematisch war.
e) Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf die behaupteten Aussagen der Personalsachbearbeiterin Frau K… gegenüber dem Betriebsratsmitglied Frau W… stützen. Dieser Vortrag kann – auch wenn man ihn als richtig unterstellt – den Anspruch der Klägerin auf Zahlung der vollen Sonderzuwendung während des Erziehungsurlaubs nicht begründen. Eine konstitutive Zusicherung mit Verpflichtungscharakter kann in dieser Äußerung schon deshalb nicht gesehen werden, weil – wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat – die Beklagte und damit auch die Personalsachbearbeiterin K… in diesem Zeitpunkt noch davon ausgingen, zu den entsprechenden Zahlungen tarifvertraglich verpflichtet zu sein. Bereits aus diesem Grunde kann nicht angenommen werden, daß die Personalsachbearbeiterin K… durch ihre Aussage gegenüber dem Betriebsratsmitglied W… eine konstitutive verpflichtende Erklärung abgeben wollte. Wie das Landesarbeitsgericht zu Recht ausgeführt hat, kann eine unzutreffende Auskunft einer Sachbearbeiterin der Personalabteilung über die gegebene Rechtslage nicht als Zusage einer nach der aktuellen Rechtslage nicht gegebenen Sonderleistung angesehen werden. Im übrigen entsteht aus der behaupteten Auskunft der Personalsachbearbeiterin gegenüber dem Betriebsratsmitglied W… auch keine Schadenersatzpflicht der Beklagten, da diese Auskunft – wenn sie denn gegeben worden ist – nicht fehlerhaft ist, soweit sie die tarifliche Rechtslage wiedergibt.
f) Ein Anspruch der Klägerin besteht auch nicht aufgrund einer positiven Vertragsverletzung durch die Beklagte. Zwar geht die Klägerin zu Recht davon aus, daß eine positive falsche Information die Beklagte schadenersatzpflichtig machen würde, auch ohne Aufklärungs- oder Beratungspflicht. Eine falsche Information durch die Beklagte liegt aber nicht vor. Sowohl durch das Merkblatt wie auch durch die Aussage der Personalsachbearbeiterin K… gegenüber dem Betriebsratsmitglied W… ist keine Falschinformation gegeben worden. Beide sind, soweit sie die tarifliche Rechtslage wiedergeben, richtig. Danach besteht ein Anspruch der Klägerin auf die tariflichen Sonderzahlungen während des Erziehungsurlaubs, soweit die tariflichen Voraussetzungen gegeben sind. Hinsichtlich des freiwilligen Anteils der Sonderzahlung konnte die Klägerin aufgrund des ihr jeweils erteilten Hinweises auf die Freiwilligkeit der Leistung von einem Anspruch nicht ausgehen. Insoweit nimmt das Merkblatt in Satz 2 der Nr. 8 ausdrücklich Bezug auf die Freiwilligkeit dieser Leistung. Daher ist kein Anhaltspunkt ersichtlich, daß die Beklagte vorsätzlich oder fahrlässig durch das Merkblatt eine Fehlinformation geben wollte, die als schuldhafte Verletzung einer Nebenleistungspflicht anzusehen wäre. Somit ist auch keine Verpflichtung der Beklagten gegeben, die Klägerin über die Folgen der Protokollnotiz zum Manteltarifvertrag aufzuklären. Im übrigen ist auch nicht ersichtlich, daß die Klägerin bei einer richtigen Information bzw. Aufklärung durch die Beklagte über die Protokollnotiz ihren Erziehungsurlaub nicht angetreten bzw. abgebrochen hätte. Dafür, daß aber gerade eine eventuelle Fehlinformation bzw. mangelhafte Aufklärung kausal für den Schaden war, trägt die Klägerin die Darlegungs- und Beweislast.
g) Die Klägerin kann ihren klageweise geltend gemachten Anspruch auch nicht auf eine Verletzung des § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG stützen. Dagegen spricht zum einen schon, daß die Protokollnotiz eine tarifvertragliche Regelung darstellt, die nach § 87 Abs. 1 1. Halbsatz BetrVG ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats ausschließt. Im übrigen würde eine Verletzung des Mitbestimmungsrechts nicht dazu führen, daß Ansprüche, die vorher nicht bestanden haben, durch die Verletzung des Mitbestimmungsrechts begründet werden (BAG Urteil vom 15. November 1994 – 5 AZR 682/93 – BAGE 78, 272 = AP Nr. 121 zu § 242 BGB Gleichbehandlung); ein Mitbestimmungsverstoß wäre nämlich nicht geeignet, Ansprüche entstehen zu lassen, die vor der mitbestimmungspflichtigen Maßnahme nicht bestanden und auch bei Beachtung des Mitbestimmungsrechts nicht entstanden wären (BAG Urteil vom 17. November 1998 – 1 AZR 147/98 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen).
III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Hauck, Hermann, N. Schuster
zugleich für den erkrankten Vorsitzenden Richter Dr. Freitag
Fundstellen