Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragsergänzung bei lückenhaftem Chefarztvertrag
Orientierungssatz
Eine ergänzende Vertragsauslegung kommt in Betracht, wenn in einem regelungsbedürftigen Punkt eine Vereinbarung der Parteien nicht vorliegt oder wenn sich durch beim Vertragsabschluß nicht erkennbare Umstände später aufgrund der weiteren Entwicklung der Rechtsbeziehungen der Vertragspartner eine Lücke ergibt. Bei der Vertragsergänzung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht und in ihre Abmachungen einbezogen hätten.
Normenkette
BGB §§ 133, 157, 611
Verfahrensgang
LAG Baden-Württemberg (Entscheidung vom 28.10.1983; Aktenzeichen 5 Sa 57/83) |
ArbG Stuttgart (Entscheidung vom 14.04.1983; Aktenzeichen 9 Ca 487/82 A) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger einen finanziellen Ausgleich dafür zu gewähren, daß er ein in seinem Dienstvertrag eingeräumtes Liquidationsrecht für die anästhesiologische Behandlung von Kassenpatienten auf den Belegabteilungen nicht ausüben kann, weil die Kassenärztliche Vereinigung die hierzu erforderliche Ermächtigung nicht erteilt hat, ohne daß der Kläger die Gründe zu vertreten hätte.
Der Kläger ist aufgrund des schriftlichen "Dienstvertrages" vom 13. Mai 1975 (mit Zusatzvertrag vom gleichen Tage) als Chefarzt für Anästhesie im Kreiskrankenhaus E angestellt. Der Beklagte ist Träger dieses Krankenhauses. In § 3 des Dienstvertrages, der die "Dienstaufgaben, Rechte und Pflichten des Chefarztes" regelt, heißt es in Abs. 1 Buchst. a wie folgt:
"(1) Dem Arzt obliegt im Rahmen der Aufgaben-
stellung des Krankenhauses, der vom Kran-
kenhausträger im einzelnen festzulegenden
medizinischen Zielsetzung des Krankenhauses
und der Anästhesieabteilung
a) die Behandlung bzw. Mitbehandlung der
Kranken in allen Hauptabteilungen des
Krankenhauses einschließlich der sta-
tionären Gutachter- und Beobachtungs-
fälle, soweit sein Fachgebiet berührt
wird. Diese Dienstaufgabe wird auf die
Belegabteilungen ausgedehnt, soweit für
den Chefarzt eine gesetzliche Verpflich-
tung für die Behandlung oder Mitbehandlung
in dieser Abteilung besteht."
§ 4 des Vertrages zählt die "Sonstigen Dienstaufgaben" des Chefarztes auf. § 16 regelt die "Tätigkeit außerhalb der Dienstaufgaben". In Abs. 1 dieser Vertragsbestimmung wird dem Kläger die Erlaubnis erteilt, außerhalb der in den §§ 3 und 4 aufgezählten Dienstaufgaben bestimmte Nebentätigkeiten auszuüben. Hierzu gehört - außer Sprechstunden-, Gutachter- und Durchgangsarzttätigkeit, außer konsiliarischer Beratung anderer Ärzte und eventueller Lehrtätigkeit an einer benachbarten Universität - die "stationäre Tätigkeit auf den Belegabteilungen" (Buchst. f). In § 16 Abs. 3 heißt es:
"Durch die Erteilung der Erlaubnis nach Abs. 1
übernimmt der Krankenhausträger keine Gewähr
dafür, ob und in welchem Umfang der Arzt ...
an der kassenärztlichen Versorgung oder an
der Ersatzkassenpraxis beteiligt wird."
Der Zusatzvertrag behandelt ausschließlich die in § 16 des Dienstvertrages genehmigte Nebentätigkeit. Er regelt, welche Räume und Einrichtungen dem Kläger zur Ausübung der Nebentätigkeit zur Verfügung gestellt werden und welches Personal des Krankenhauses der Kläger hinzuziehen kann. Geregelt ist weiter die Verpflichtung des Klägers zur pauschalen Kostenerstattung im Nebentätigkeitsbereich (§ 2) und zur Beteiligung des Personals an den Liquidationserlösen aus der Nebentätigkeit (§ 3).
Die Vergütung des Klägers für "die Tätigkeit im dienstlichen Aufgabenbereich" ist in § 7 des Dienstvertrages geregelt. Die Vergütung setzt sich zusammen aus einem festen Vergütungsbestandteil (Gehalt nach VergGr. I des BAT) und aus einem variablen Bestandteil (Liquidationsrecht). Dem Kläger ist das Liquidationsrecht im stationären Bereich für die ärztlichen Verrichtungen bei den Patienten eingeräumt, mit denen die gesonderte Berechnung der ärztlichen Leistungen vereinbart wurde, sowie für die Mitbehandlung und konsiliarische Betreuung derjenigen Patienten, bei denen der behandelnde Abteilungsarzt liquidationsberechtigt ist. Ferner kann der Kläger liquidieren für die Erstattung von Gutachten und für die ambulante Unfallbehandlung.
§ 7 Abs. 5 des Dienstvertrages lautet wie folgt:
"Der Krankenhausträger gewährleistet dem Arzt
ein Mindestbruttoeinkommen aus den Liquida-
tionserlösen nach Abs. 1 Buchst. b und § 16
Abs. 1 in Höhe von 80.000,-- DM jährlich. Der
Berechnung dieses Mindestbruttoeinkommens sind
zugrunde zu legen:
Die Liquidationseinnahmen aus der
stationären und ambulanten Tätigkeit
(§ 7 Abs. 1 Buchst. b) und § 16
Abs. 1 dieses Vertrages), jeweils
nach Abzug der an den Krankenhaus-
träger abzuliefernden Erstattungsbe-
träge (§ 9 Abs. 1 und § 16 Abs. 7 dieses
Vertrags in Verbindung mit § 2 Abs. 1
des Zusatzvertrages), sowie des zur
Verteilung an die Anästhesie-Abteilung
abzuführenden Betrages (§ 10 Abs. 1
dieses Vertrags)."
In einem weiteren Absatz dieser Vorschrift ist die Dynamisierung der Garantiesumme von 80.000,-- DM geregelt. Sie soll sich im gleichen Verhältnis ändern wie die Endvergütung der VergGr. I der Anlage 1 a zum BAT. Gegenwärtig beträgt sie 109.000,-- DM jährlich.
§ 19 des Vertrages sieht für Änderungen und Ergänzungen die Schriftform vor. § 20 enthält eine Revisionsklausel: Der Vertrag soll zwei Jahre nach Dienstantritt des Klägers einer gemeinsamen Überprüfung unterzogen werden, um festzustellen, ob er den gegebenen Verhältnissen, die im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses noch nicht zu übersehen waren, Rechnung trägt. Die Parteien haben sich in der Revisionsklausel weiter verpflichtet, erforderlichenfalls eine Anpassung an die gegebenen Verhältnisse im Geiste echter, aufrichtiger Partnerschaft vorzunehmen.
Die zur Liquidation der Behandlung von Kassenpatienten auf Belegabteilungen erforderliche Ermächtigung hat die Kassenärztliche Vereinigung dem Kläger nicht erteilt. Das geschah, weil sie - ebenso wie die gesetzlichen Krankenkassen und die Ersatzkassen - den Standpunkt einnahm, nach Inkrafttreten der Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze vom 25. April 1973 (BGBl. I S. 333) seien die von einem im Krankenhaus angestellten Arzt im Rahmen seiner vertraglichen Verpflichtung erbrachten Leistungen in den Belegabteilungen nicht gesondert zu vergüten; diese Leistungen seien vielmehr mit dem allgemeinen Pflegesatz (§ 3 Abs. 1 der genannten Verordnung) abgegolten. Der Kläger konnte daher das Liquidationsrecht für die von ihm erbrachten ärztlichen Leistungen gegenüber den Kassenpatienten auf den Belegabteilungen nicht verwirklichen. Mit seiner Klage verlangt er vom Beklagten einen Ausgleich für entgangene Liquidationserlöse für die Zeit vom 1. Juli 1975 bis zum 31. Dezember 1981 unter Berücksichtigung der zuzahlungspflichtigen Garantiesummen für die einzelnen Kalenderjahre in Höhe von insgesamt 113.434,58 DM.
Der Kläger hat geltend gemacht: Seine anästhesiologischen Leistungen auf den Belegabteilungen seien von der Vergütungsregelung des § 7 des Anstellungsvertrages für die Tätigkeit in dienstlichen Aufgabenbereichen nicht erfaßt. Die Parteien seien bei Vertragsabschluß davon ausgegangen, diese Leistungen gehörten dem Nebentätigkeitsbereich an, für den er, der Kläger, gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung besonders liquidieren könne. Da seine Leistungen nach Wegfall des Liquidationsrechts nicht vergütet worden seien, schulde der Beklagte einen finanziellen Ausgleich. Der Kläger hat daher beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn
113.434,58 DM nebst 8 % Zinsen zu
zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen: Das Risiko für die Erlangung der Ermächtigung zur Liquidation habe, wie sich aus § 16 Abs. 3 des Dienstvertrages ergebe, allein beim Kläger gelegen. Zwar seien die Parteien zunächst davon ausgegangen, daß die anästhesiologische Versorgung der Belegpatienten vom Kläger als Nebentätigkeit wahrgenommen und gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung liquidiert werden könne. Zugleich hätten die Parteien aber den Fall bedacht, daß die ärztliche Versorgung der Belegpatienten nicht als Nebentätigkeit erfolgen könne, und diese daher dem dienstlichen Aufgabenbereich des Klägers zugewiesen. Eine besondere Vergütung sei dafür außer der in § 7 des Vertrages vorgesehenen Liquidationsgarantie nicht vereinbart worden. Weiter hat der Beklagte die Richtigkeit der Berechnung des Klägers bestritten. Für die Jahre 1975 und 1976 habe der Kläger die zuzahlungspflichtigen Summen von 22.604,53 DM bzw. 21.614,34 DM nicht berücksichtigt. Die dynamisierte Garantieregelung des § 7 des Dienstvertrages erstrecke sich auch auf die Liquidationserlöse aus dem Nebentätigkeitsbereich. Zugunsten des Klägers könne sich daher allenfalls ein Ausgleichsbetrag von 87.814,13 DM ergeben.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision, mit welcher der Kläger sein Klageziel weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht ein Ausgleichsanspruch dem Grunde nach zu. Über die Höhe dieses Anspruchs ist ein abschließendes Urteil gegenwärtig noch nicht möglich. Dazu sind weitere Feststellungen erforderlich.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Parteien hätten keine Vereinbarung getroffen, wonach die Beklagte dem Kläger einen finanziellen Ausgleich schulde, wenn die dem Kläger eingeräumte Möglichkeit, einer Nebentätigkeit nachzugehen und dafür Honorare zu liquidieren, sich aus Gründen außerhalb der Einflußsphäre des Beklagten nicht verwirklichen lasse. Daher könnte die Klage nur Erfolg haben, wenn sich die bei Vertragsabschluß bestehenden, den Parteien bekannten und zur Geschäftsgrundlage gemachten Umstände in der Folgezeit so grundlegend verändert hätten, daß das Verhältnis von Leistung und Gegenleistung bis zur Unangemessenheit gestört sei und einer Anpassung an die veränderte Lage bedürfe. Anders als bei dem der Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 4. Mai 1983 (BAG 42, 336 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag) zugrundeliegenden Sachverhalt sei das hier nicht der Fall.
Als die Parteien am 13. Mai 1975 ihre Rechtsbeziehungen geregelt hätten, sei die Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973 bereits in Kraft getreten gewesen und die Kassenärztliche Vereinigung habe, was ebenfalls allseits bekannt gewesen sei, die von ihr erteilte Ermächtigung zur fachärztlichen Behandlung von Kassenpatienten auf Belegabteilungen zum 31. Dezember 1974 widerrufen. Unklar sei im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses jedoch zwischen den Parteien und den beteiligten Kreisen gewesen, wie die Rechtsprechung den Interessenkonflikt zwischen den Funktionsärzten einerseits und der Kassenärztlichen Vereinigung sowie den Krankenkassen andererseits lösen werde. Gerade deshalb hätten die Parteien im Vertrag eine Alternativregelung getroffen:
Primär hätten sie mit dem Kläger wie bei den sogenannten Altverträgen mit Chefanästhesisten die Behandlung von Kassenpatienten auf den Belegabteilungen als Nebentätigkeit vereinbart, um dem Kläger dadurch die Liquidationsmöglichkeit zu eröffnen. Als Sekundärregelung hätten die Parteien in § 3 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 jedoch weiter vereinbart, daß die anästhesiologische Versorgung der Belegpatienten zur Dienstaufgabe des Klägers werden solle, soweit eine solche Versorgungspflicht bestehe. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts habe im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses der Parteien bereits die gesetzliche Verpflichtung des in einem Krankenhaus fest angestellten Funktionsarztes zur anästhesiologischen Versorgung auch der Belegpatienten bestanden. Dieser Rechtslage habe § 3 Abs. 1 Buchst. a) Satz 2 des Anstellungsvertrages von Anfang an Rechnung getragen. Damit stehe fest, daß die anästhesiologische Versorgung der Belegpatienten von Anfang an zu den dienstlichen Aufgaben des Klägers gehört habe. Damit werde sie aber auch von der Vergütungsregelung des § 7 erfaßt. Für den Fall der dienstlichen Verpflichtung des Klägers zur Versorgung der Belegpatienten hätten die Parteien weder eine Ergänzung der Vergütungsvereinbarung vorgesehen noch einen Neuregelungsvorbehalt im Vertrag getroffen, es vielmehr bei der vereinbarten dynamisierten Liquidationseinnahmengarantie belassen. Damit hätten die Parteien aber die damals bestehende Ungewißheit darüber, ob die Kassenärztliche Vereinigung zur Ermächtigungserteilung verpflichtet sei, in die Geschäftsgrundlage ihrer Vereinbarung aufgenommen. Über die vereinbarte Mindestliquidationsgarantie hinaus könne der Kläger vom Beklagten daher keine weitere Vergütung verlangen.
Diese Begründung wird von der Revision zu Recht angegriffen.
II. Das Landesarbeitsgericht hat den ihm vorliegenden Auslegungsstoff nicht vollständig gewürdigt und ist daher unter Verletzung der gesetzlichen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) zu einem unrichtigen Ergebnis gelangt. Bei der Auslegung einer Willenserklärung ist der wirkliche Wille zu erforschen (§ 133 BGB); Verträge sind so auszulegen, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern (§ 157 BGB). Daher sind sämtliche Umstände, die vernünftigerweise überhaupt von Bedeutung sein könnten, bei der Auslegung zu berücksichtigen (vgl. statt vieler BAG Urteil vom 17. April 1970 - 1 AZR 302/69 - AP Nr. 32 zu § 133 BGB, Bl. 2 R). Für die Auslegung eines Vertrages kann es deshalb darauf ankommen, wie sich eine Partei Ansprüchen gegenüber verhält, welche die andere Partei nach Vertragsabschluß geltend macht. Aus der Art und Weise, wie sich die angesprochene Partei auf die Forderungen ihres Vertragspartners einläßt, kann - je nach den Umständen des Falles - entnommen werden, von welchen Vorstellungen die Parteien bei Vertragsabschluß ausgegangen sind und was sie gewollt haben (vgl. BAG, aaO; BGH Urteil vom 28. Juni 1971 - III ZR 103/68, Berlin - WM 1971, 1513, 1515; Palandt/Heinrichs, 44. Aufl., § 133 Anm. 5 b bb). Das Landesarbeitsgericht hat die alsbald nach Vertragsabschluß über längere Zeit geführten Verhandlungen der Parteien über das Entgelt des Klägers für die Versorgung der Belegpatienten außer Betracht gelassen und damit entscheidenden Auslegungsstoff vernachlässigt.
1. Zutreffend ist allerdings die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, in § 3 Abs. 1 Buchst. a) des Dienstvertrages werde die Versorgung der Kassenpatienten auf der Belegabteilung zur dienstlichen Aufgabe des Klägers gemacht, wenn und soweit für das Krankenhaus die Verpflichtung bestehe, für diese Patienten eine anästhesiologische Versorgung bereitzustellen. Eine solche Verpflichtung folgt in der Tat aus § 3 der Bundespflegesatzverordnung vom 25. April 1973. Der Beklagte hat offenbar Veranlassung gesehen, im Vertrag klarzustellen, daß der Kläger zur Übernahme dieser Aufgabe verpflichtet sein solle. Aus der Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 15. September 1977 (BSGE 44, 244, 252) ist zu entnehmen, daß sich im dortigen Fall der Kläger geweigert hatte, einer entsprechenden Vertragsänderung zuzustimmen. Diese Einstellung mag bei den betroffenen Ärzten damals entstanden sein, weil sie die Erwartung hegten, damit doch noch die Liquidationsermächtigung zu erhalten.
2. Im Gegensatz zu der Annahme des Landesarbeitsgerichts ist die als möglich ins Auge gefaßte Übernahme der Versorgung der Belegpatienten als Dienstaufgabe des Klägers in der Vergütungsregelung des § 7 des Dienstvertrages nicht erfaßt. Vielmehr ist die Frage, wie die Vergütung in diesem Falle zu regeln sei, offen geblieben. Das ergibt sich aus folgenden Umständen:
a) Ausdrücklich angesprochen ist die Frage der Vergütung in § 7 des Vertrages nicht. Bei der Höhe der zu erwartenden Einkünfte aus einem Liquidationsrecht hätte es indessen nahe gelegen, diesen Punkt zu klären. Es widerspricht der Lebenserfahrung, daß der Kläger eine zusätzliche Aufgabe ohne jede Vergütung hätte übernehmen wollen und sollen.
Hinzu kommt, daß die Vergütungsregelung in § 7 Abs. 5 des Dienstvertrages - wie die gesamte Vergütungsregelung in § 7 - den damals üblichen Verträgen für Chefanästhesisten nachgebildet ist. Das folgt nicht nur aus der Höhe des garantierten Mindesteinkommens von genau 80.000,-- DM, sondern zeigt sich auch in anderer Beziehung (vgl. die Entgeltabsprache in BAG 42, 336, 338 ff. = AP, aaO, Bl. 1 R, 2). Das gesamte Vertragswerk einschließlich der Vergütungsvereinbarung und des Zusatzvertrages ist zugeschnitten auf die Vorstellung, der Kläger werde auf irgendeine Weise doch noch zu der Möglichkeit der Liquidation gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung kommen. Die eingehenden Absprachen über seine Nebentätigkeit wären sonst nicht verständlich.
b) In dem Protokoll vom 21. Juli 1976 (Bl. 101 ff. d. A.), das von dem Krankenhausdezernenten des Beklagten über eine Besprechung mit dem Kläger angefertigt worden ist, wird die Entschädigung des Chefarztes für seine Tätigkeit in der Belegabteilung unter Nr. 4 der Erörterungspunkte aufgeführt. Es heißt dort, der Kläger könne seine Tätigkeit in der Belegabteilung mit der Kassenärztlichen Vereinigung nicht mehr abrechnen. Man könne aber von ihm im Grunde nicht verlangen, daß er diese im Vertrag als Nebentätigkeit bezeichneten Leistungen unentgeltlich erbringe. Andererseits sei der Krankenhausträger aber sehr daran interessiert, daß er diese Tätigkeit in der Belegabteilung erbringe. Aus dieser Wendung geht nicht nur hervor, daß die Parteien das Problem der Vergütung des Klägers damals genau erkannt haben, sondern vor allem, daß sie damals nicht der Überzeugung waren, diese Frage sei im Dienstvertrag des Klägers längst geregelt worden. In diesem Falle wäre der Krankenhausdezernent dem Kläger nach aller Erfahrung sofort mit einer entsprechenden Klarstellung begegnet. Das geschah aber nicht. Vielmehr heißt es in dem Protokoll hierzu, es seien noch Musterprozesse im Gange, ob die Kassenärztliche Vereinigung die fragliche Tätigkeit nicht doch vergüten müsse. Weiter wurde sogar vereinbart, der Kläger solle seine Tätigkeit in der Belegabteilung mit der Kassenärztlichen Vereinigung abrechnen, auch wenn er von dieser zunächst keine Vergütung erhalte. Auf diese Weise sollte er immer nachweisen können, "wie hoch die Vergütung wäre, wenn die KV sie zahlen würde" (Bl. 104 d. A.). Ferner wird gesagt, man müsse, "wenn die Rechtslage klar ist", in dieser Angelegenheit zu gegebener Zeit eine Vereinbarung... treffen".
c) Daß § 7 des Dienstvertrages die zusätzliche Leistung des Klägers nicht bereits umfaßte, ergibt sich zudem aus dem Schreiben des Beklagten an den Kläger und andere Ärzte vom 20. Oktober 1976 (Bl. 106 d. A.). Darin heißt es, das Krankenhausdezernat werde dem Krankenhausausschuß empfehlen, dem Antrag auf Leistungsvergütung in den Belegabteilungen "grundsätzlich zu entsprechen". In einem späteren Schreiben des Beklagten an die Chefärzte vom 14. Dezember 1977 (Bl. 38 d. A.) wird sogar ausgeführt, der Auszahlung der durch fiktive Abrechnung ermittelten Beträge stehe nichts mehr im Wege. Die Auszahlung solle aber unter dem Vorbehalt erfolgen, daß das Bundessozialgericht die Verpflichtung der Kostenträger zur Zahlung derartiger zusätzlicher Vergütungen bejahe. In dieser Mitteilung liegt zwar kein Anerkenntnis des Anspruchs des Klägers, andererseits geht daraus aber hervor, daß die Vergütungsfrage auch im Dezember 1977 von den Parteien noch als offen angesehen wurde.
d) Im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses herrschte, wie zwischen den Parteien nicht streitig ist, völlige Unsicherheit darüber, ob die Krankenkassen nicht doch verpflichtet seien, die Leistungen der Funktionsärzte auf den Belegabteilungen zu honorieren. Diese Unsicherheit wurde endgültig erst beseitigt durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. Oktober 1981 (BSGE 52, 181). Die Entscheidung vom 15. September 1977 (BSGE 44, 244, 245) hatte eine vollständige Klärung noch nicht gebracht. Damals hatte das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, der Funktionsarzt könne ausnahmsweise zur gesonderten Abrechnung seiner Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ermächtigt werden, wenn ein dringendes, auf andere Weise nicht zu befriedigendes Bedürfnis nach seiner Beteiligung an der stationären Versorgung der Versicherten bestehe. Diese Auffassung ist in der späteren Entscheidung von 1981 aufgegeben worden. Von da ab gilt, daß der bei einem Krankenhaus angestellte Chefarzt für Anästhesie keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung hat, zur Durchführung anästhesiologischer Leistungen auf Belegabteilungen des Krankenhauses ermächtigt zu werden. Erst diese endgültige Klärung hat eine weitere Entscheidung darüber erforderlich gemacht, wie die Liquidationsausfälle der betroffenen Ärzte auszugleichen sind (vgl. BAG 42, 336 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag).
III. Der Dienstvertrag der Parteien war hinsichtlich der umstrittenen Vergütungsregelung von Anfang an lückenhaft. Davon sind die Parteien auch selbst ausgegangen, wie die sonst nicht verständliche Revisionsklausel in § 20 des Dienstvertrages zeigt. Damit stellt sich die Frage nach einer ergänzenden Vertragsauslegung (§ 157 BGB). Eine solche kommt in Betracht, wenn in einem regelungsbedürftigen Punkt eine Vereinbarung der Parteien nicht vorliegt oder wenn sich durch beim Vertragsabschluß nicht erkennbare Umstände später aufgrund der weiteren Entwicklung der Rechtsbeziehungen der Vertragspartner eine Lücke ergibt (vgl. statt vieler BGHZ 26, 204, 211; 84, 1, 7; BAG Urteil vom 8. November 1972 - 4 AZR 15/72 - AP Nr. 3 zu § 157 BGB, Bl. 2). Bei der Vertragsergänzung ist darauf abzustellen, was die Parteien bei einer angemessenen Abwägung ihrer Interessen nach Treu und Glauben als redliche Vertragspartner vereinbart hätten, wenn sie den von ihnen nicht geregelten Fall bedacht und in ihre Abmachungen einbezogen hätten (vgl. wiederum statt vieler BGHZ 84, 1, 7).
1. Zur sinngerechten Ausfüllung der im Vertrag vom 13. Mai 1975 vorliegenden Lücke kommt es folglich darauf an, was die Parteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Rechtslage bei Vertragsabschluß und vor allem die weitere Entwicklung hinreichend bekannt gewesen wären. Auf der einen Seite wird davon auszugehen sein, daß ein entschädigungsloser Wegfall des Liquidationsrechts des Klägers bei gleichbleibendem Leistungsumfang nicht in Betracht kommt (vgl. auch BAG 42, 336, 347 = AP, aaO, zu I 4 der Gründe). Auf der anderen Seite wird man aber nicht annehmen können, daß der Kläger vollen Ausgleich vom Beklagten verlangen kann. Er kann nicht erwarten, so gestellt zu werden, wie er gestanden hätte, wenn ihm die Ermächtigung zur Liquidation durch die Kassenärztliche Vereinigung erteilt worden wäre.
2. Als Lösungsmöglichkeit bietet sich hier die bereits früher in der Rechtsprechung des Senats behandelte "Bayerische Regelung" an. Die Parteien könnten die Vergütung des Klägers nach den Regeln anpassen, die der Berufsverband Deutscher Anästhesisten, die Bayerische Krankenhausgesellschaft und die Ersatzkassen in Bayern vereinbart haben. In Baden-Württemberg besteht eine entsprechende Vereinbarung nicht. Das Landesarbeitsgericht wird deshalb zu erwägen haben, ob es die Vergütung des Klägers nach der sogenannten bayerischen Regelung anpaßt. Auf diese Weise könnte es zu einem angemessenen Ausgleich "im Geiste echter, aufrichtiger Partnerschaft" kommen, wie die Parteien dies in der Revisionsklausel des § 20 des Dienstvertrages für eine Anpassung an die Verhältnisse vorgesehen haben, die bei Vertragsabschluß noch nicht zu übersehen waren.
Dr. Thomas Dr. Gehring Schneider
Krebs Arntzen
Fundstellen