Entscheidungsstichwort (Thema)

Befristetes Arbeitsverhältnis. Mitbestimmung des Personalrats

 

Normenkette

BGB § 620; SächsPersVG § 80 Abs. 1 Nr. 9

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 07.12.1995; Aktenzeichen 4 Sa 757/95)

ArbG Chemnitz (Urteil vom 15.05.1995; Aktenzeichen 11 Ca 667/95 FR)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 7. Dezember 1995 – 4 Sa 757/95 – aufgehoben.

2. Das Urteil des Arbeitsgerichts Chemnitz vom 15. Mai 1995 – 11 Ca 667/95 FR – wird abgeändert:

Die Klage wird abgewiesen.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob ihr Arbeitsverhältnis wirksam bis zum 31. Dezember 1994 befristet war.

Die Klägerin ist seit dem 5. März 1985 an der Bergakademie F. als Laborantin beschäftigt. Nach einer bedarfsbedingten Kündigung des Arbeitsverhältnisses schlössen die Parteien im Anschluß an einen Vergleich vor einer Schiedsstelle am 15. Januar 1993 einen bis zum 31. Dezember 1993 befristeten „Drittmittelarbeitsvertrag”. Danach wurde die Klägerin als nicht vollbeschäftigte Angestellte mit 75 v. II. der durchschnittlichen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit mit Aufgaben aus dem Drittmittelprojekt „Vf.-Nr. 314/122” BMFT betraut. Am 16. Februar 1993 wurde ein weiterer „Drittmittelarbeitsvertrag” geschlossen, der eine Beschäftigung zu 25 v. H. im Rahmen des Drittmittelprojekts „Vf.-Nr. 620” ebenfalls befristet bis zum 31. Dezember 1993 vorsah. Die Bergakademie F. und die F. Elektronikwerkstoffe (FEW) Produktions- und Vertriebsgesellschaft mbH hatten im Januar 1993 unter der Auftragsnummer „0212 Vf.-Nr. 620” einen Forschungs- und Entwicklungsvertrag geschlossen. Danach hatte die Bergakademie unter der Kurzbezeichnung „GaAs-Scheibentempern” Forschungs- und Entwicklungsaufgaben bis 31. Dezember 1994 durchzuführen.

Die Parteien vereinbarten am 27. Oktober 1993 einen weiteren bis zum 31. Dezember 1994 befristeten Arbeitsvertrag, nach dem die Klägerin als vollbeschäftigte Angestellte für Aufgaben von begrenzter Dauer im Hinblick auf die „Bereitstellung von Drittmitteln lt. Vf.-Nr. 620” tätig sein sollte. Eine Beteiligung der zuständigen Personalvertretung erfolgte nicht.

Die Klägerin hat die Befristung des letzten Arbeitsvertrages für unwirksam gehalten, weil sie nicht entsprechend der Zweckbestimmung der Drittmittel beschäftigt worden sei. Schließlich folge die Unwirksamkeit der Befristung aus der nicht ordnungsgemäßen Beteiligung des Personalrats.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht,
  2. den Beklagten zu verurteilen, sie zu unveränderten arbeitsvertraglichen Bedingungen als Laborantin an der Bergakademie F. bis zum rechtskräftigen Abschluß des Verfahrens weiterzubeschäftigen.

Der beklagte Freistaat hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Die Berufung des beklagten Freistaats blieb ohne Erfolg. Hiergegen richtet sich die vom Landesarbeitsgericht zugelassene Revision des Beklagten, deren Zurückweisung die Klägerin beantragt.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des beklagten Freistaates ist begründet. Die Befristung des letzten Arbeitsvertrages ist sachlich gerechtfertigt. Beteiligungsrechte des Personalrats sind nicht verletzt.

1. Das Landesarbeitsgericht hat rechtsfehlerfrei angenommen, daß für die Befristung des letzten Arbeitsvertrags ein sachlicher Grund vorgelegen hat, weil die Klägerin im Rahmen eines drittmittelfinanzierten Forschungsprojekts beschäftigt worden ist, diesem Projekt zuordenbare Arbeitsaufgaben wahrgenommen hat und mit einer Weitergewährung von Drittmitteln über das Ende des Projektzeitraumes hinaus nicht zu rechnen war. Die Befristung sei deshalb nicht zu beanstanden. Diese Würdigung des Berufungsgerichts entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (vgl. BAG Urteile vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 3 der Gründe; vom 26. August 1988 – 7 AZR 574/84 – n.v.; – 7 AZR 101/88BAGE 59, 265 = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag). Sie wird auch von der Klägerin im Revisionsverfahren nicht in Frage gestellt.

2. Die Unwirksamkeit der Befristung folgt entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht aus der unterbliebenen Beteiligung des zuständigen Personalrats beim Abschluß des letzten Arbeitsvertrags.

a) Nach § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG hat die Personalvertretung bei der Änderung von Arbeitsverträgen der Angestellten und Arbeiter mitzubestimmen. Zu Unrecht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, der Vertrag vom 27. Oktober 1993 sei eine mitbestimmungspflichtige Änderung des Arbeitsvertrags, weil er unselbständiger Annexvertrag zu dem bereits am 16. Februar 1993 geschlossenen befristeten Arbeitsvertrag sei.

b) Bei der Würdigung, inwieweit eine Vereinbarung von Arbeitsvertragsparteien eine mitbestimmungspflichtige Änderung des Arbeitsvertrages ist, kommt es auf die Senatsrechtsprechung zum Annexvertrag (BAG Urteil vom 15. Februar 1995 – 7 AZR 680/94 – AP Nr. 166 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu I 2 der Gründe, m.w.N.) nicht an. Die Beurteilung eines sich an ein befristetes Arbeitsverhältnis anschließenden Arbeitsvertrags als unselbständiger Annexvertrag oder als selbständiger neuer Vertrag dient allein zur Bestimmung des Umfangs der arbeitsgerichtlichen Befristungskontrolle und ist für die personalvertretungsrechtliche Würdigung einer Vereinbarung als mitbestimmungspflichtige Änderung oder mitbestimmungsfreier Neuabschluß eines Arbeitsvertrags ohne Bedeutung. Weder ist ein Annexvertrag zwingend eine Änderung i.S. des § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG noch schließt das Vorliegen eines selbständigen Vertrags im Sinne des Befristungsrechts von vorneherein dieses Mitbestimmungsrecht des Personalrats aus. Ob es sich um den Neuabschluß eines Arbeitsvertrages oder lediglich die Änderung eines bisherigen Arbeitsvertrages handelt, beurteilt sich ausschließlich nach dem Inhalt der betroffenen Vereinbarung.

c) Bei dem Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 1993 handelt es sich nicht um eine Änderung des bestehenden Arbeitsvertrages i.S. des § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG, sondern um den mitbestimmungsfreien Abschluß eines neuen Vertrags. Einer Beteiligung der Personalvertretung bedurfte es somit nicht. Diese Feststellung kann der Senat selbst treffen, weil alle für die Beurteilung notwendigen Tatumstände feststehen und neuer Sachvortrag bei einer Zurückweisung nicht zu erwarten ist (§ 565 Abs. 3 ZPO).

aa) Eine Änderung des Arbeitsvertrags i.S. des § 80 Abs. 1 Nr. 9 SächsPersVG ist anzunehmen, wenn der bisher bestehende befristete Arbeitsvertrag bei unverändertem Sachgrund auch künftig fortgelten soll und nur einzelne Bestimmungen dieses Vertrags oder einzelne Arbeitsbedingungen geringfügig verändert werden.

bb) Vorliegend handelt es sich nicht um eine nur geringfügige Änderung eines ursprünglich vereinbarten Arbeitsvertrags. Durch den letzten Arbeitsvertrag vom 27. Oktober 1993 wurde eine neue Beschäftigungsdauer von einem Jahr und damit im Umfang der vorherigen Befristung vereinbart, was über eine Anpassung der ursprünglich vereinbarten Vertragszeit weit hinausgeht. Zwar beruhte die bei dem Abschluß des letzten Arbeitsvertrags vorangegangene Beschäftigungszeit der Klägerin ebenfalls auf drittmittelfinanzierten Arbeitsverträgen. Den ersten Verträgen war jedoch eine streitige Auseinandersetzung der Parteien um die Wirksamkeit einer arbeitgeberseitigen Kündigung vorausgegangen, die vergleichsweise vor einer Schiedsstelle für Arbeitsrecht der Bergakademie F. durch die Vereinbarung einer befristeten Beschäftigung auf Drittmittelbasis beigelegt wurde. Der Abschluß der beiden vor dem letzten Arbeitsvertrag abgeschlossenen Arbeitsverträge dient in erster Linie dem Vollzug des erzielten Vergleichs. Demgegenüber beruht die Befristung des zuletzt abgeschlossenen Arbeitsvertrags ausschließlich auf dem Gesichtspunkt der Drittmittelfinanzierung, so daß es schon an der Identität der Befristungsgründe fehlt. Hinzu kommt, daß es sich nach den früheren Verträgen vom 15. Januar 1993 und vom 16. Februar 1993 um zwei Teilzeitbeschäftigungen gehandelt hat, wobei die Klägerin ihre Arbeitsleistung für zwei unterschiedliche Drittmittelprojekte zu erbringen hatte. Dagegen betraf die letzte Befristung eine Vollzeitbeschäftigung in einem Projekt.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dörner, Steckhan, Schmidt, Nottelmann, Bea

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1087120

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