Entscheidungsstichwort (Thema)
Frauenförderung durch Quotenregelung und Europäisches Gemeinschaftsrecht
Leitsatz (amtlich)
1. Die Quotenregelung des Bremer Landesgleichstellungsgesetzes (§ 4 Abs. 2 LGG) ist mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft unvereinbar, weil sie weiblichen Bewerbern um eine Beförderungsstelle automatisch den Vorrang einräumt, wenn sie gleichqualifiziert sind wie männliche Mitbewerber. Die Regelung darf bei Auswahlentscheidungen nicht angewandt werden.
2. Die Gerichte der EU-Mitgliedstaaten sind verpflichtet, nationales Recht soweit als möglich gemeinschaftsrechtskonform auszulegen. Sie dürfen aber dabei den erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht verändern, sondern nur den Spielraum nutzen, den die allgemeinen Auslegungsregeln lassen.
3. Der Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts durch Diskriminierung wegen des Geschlechts setzt ein Verschulden des Arbeitgebers voraus (Bestätigung von BAGE 61, 209 und 220 = AP Nr. 5 und 6 zu § 611 a BGB). Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der §§ 823, 847 BGB, wonach in Diskriminierungsfällen kein Verschulden erforderlich wäre, ist nicht möglich.
4. Die Verpflichtung nach Art. 177 Abs. 3 EGV, den Europäischen Gerichtshof anzurufen, bezieht sich nur auf die Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts. Die Auslegungsbedürftigkeit von Rechtssätzen, mit denen der Europäische Gerichtshof ein Vorabentscheidungsersuchen beantwortet hat, reicht allein nicht aus, um zu einer erneuten Vorlage zu verpflichten.
Normenkette
GG Art. 3, 33; BGB §§ 611a, 823, 847; EG-Richtlinie 76/207 vom 9. Februar 1976 Art. 2; EG-Vertrag Art. 177 Abs. 3
Verfahrensgang
Nachgehend
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Bremen vom 8. Juli 1992 – 2 Sa 322/91 – teilweise aufgehoben und wie folgt neu gefaßt:
- Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Bremen vom 5. Dezember 1991 – 8 Ca 8034/91 – teilweise abgeändert.
- Beklagte wird verurteilt, die Bewerbung des Klägers um die Stelle eines Sachgebietsleiters bei dem Gartenbauamt (VergGr. II a/I b BAT) neu zu bescheiden.
- Hinsichtlich des weitergehenden Hauptantrages sowie hinsichtlich des Hilfsantrages auf Zahlung von Schmerzensgeld wird die Berufung zurückgewiesen.
2. Im übrigen wird die Revision zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits und der Nebenintervention je zur Hälfte. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits und die Streitverkündete die Kosten der Nebenintervention zur anderen Hälfte.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Besetzung der Stelle eines Sachgebietsleiters beim Gartenbauamt der beklagten Stadt. Für diese Stelle haben sich sowohl der Kläger als auch die Streitverkündetete beworben.
Der Kläger ist Diplom-Ingenieur für Garten- und Landschaftspflege. Er arbeitet seit 1973 im Gartenbauamt der Beklagten im Sachgebiet 21 (Referat 21–1) als gartenbautechnischer Angestellter in der VergGr. III BAT. Er war ständiger Vertreter des Sachgebietsleiters. Nach dem Geschäftsverteilungsplan vom 15. Januar 1991 hatte er folgende Aufgaben wahrzunehmen:
Gestalterische und technische Entwurfsbearbeitung, Kostenberechnung, Verhandlung mit anderen Stellen im Rahmen der zu bearbeitenden Projekte im Bereich des Sachgebiets, wie 21, 1. Absatz.
Mitarbeit bei Sonderprojekten. Schwerpunktmäßige Bearbeitung von landschaftspflegerischen Begleitplänen und Ausführungsplänen. Betreuung von Bürgerinitiativen. Fotografische Dokumentation der Bauvorhaben durch eigene Tätigkeit und Einsatz der Landesbildstelle. Sammlung und Archivierung von Schrift- und Bildmaterial über historische Gärten und Parks.
Der Kläger hat in der Zeit seiner Tätigkeit bei der Beklagten an 12 Fortbildungsveranstaltungen teilgenommen. Im Jahre 1982 war er insgesamt sechs Monate dienstlich in Bahrein, um dort Großprojekte zu leiten und sein Wissen an einheimische Mitarbeiter weiterzugeben. Er war dort mit der Planung, Ausführung und Bauleitung sowie mit Verhandlungen mit Unternehmen und Ministerien betraut. Weiterhin hat er als Prüfer an zwei Ideenwettbewerben sowie selbst als Teilnehmer – zusammen mit anderen Architekten – an vier Wettbewerben teilgenommen, 1989 hat er für das Projekt „Werdersee” zusammen mit den übrigen Mitarbeitern des Projektteams den „Walter-Hesselbach-Preis” erhalten. Der Kläger ist stellvertretendes ehrenamtliches Mitglied des Berufsgerichtshofs für Architekten und Mitarbeiter des Beirats für Umweltfragen beim Bremer Umweltsenator. Für das Gartenbauamt hat der Kläger u.a. das Großprojekt Flughafenerweiterung/Ochtumverlegung betreut, ebenso hat er für seine Behörde eine Reihe von Verhandlungen u.a. mit Bürgerinitiativen geführt.
Die Streitverkündete schloß ihr Studium als Gartenbauingenieurin 1967 ab und ist seit ihrer Nachdiplomierung im Jahre 1983 Diplom-Ingenieurin für Landschaftspflege. Sie ist seit 1975 als gartenbautechnische Angestellte im Sachgebiet 21 (Referat 21–2) des Gartenbauamtes tätig und gleichfalls in die VergGr. III BAT eingruppiert. Nach dem Geschäftsverteilungsplan hat die Streitverkündete folgende Aufgaben zu erfüllen:
Gestalterische und technische Entwurfsbearbeitung, Kostenberechnung, Verhandlung mit anderen Stellen im Rahmen der zu bearbeitenden Projekte im Bereich des Sachgebiets, wie 21, 1. Absatz.
Sonderbepflanzungen, Ausbildung von Bauzeichnern. Auswahl von Baustoffen und Ausstattungen für Außenanlagen im Bereich des Amtes. Preis- und Kostenspiegel im Sachgebiet.
Die Streitverkündete hat vor ihrem Studium ab 1. April 1960 eine zweijährige Gärtnerlehre absolviert und im Anschluß daran 2 1/2 Jahre in verschiedenen Gärtnereibetrieben, davon sieben Monate in England, gearbeitet. Nach dem Studienabschluß im Jahre 1967 war sie ein Jahr in einem Gartenbauarchitekturbüro in der Schweiz und vier Jahre bei einem freien Gartenarchitekten in Baden-Baden tätig. Im Anschluß daran hat sie zwei Jahre als leitende Landschaftsarchitektin in einem neugegründeten Planungsbüro in Kempten gearbeitet, bevor sie am 1. Oktober 1975 beim Gartenbauamt der Beklagten ihre Tätigkeit aufnahm. Die Streitverkündete hat rund 120 Projekte für das Gartenbauamt bearbeitet, u.a. 24 öffentliche Grünanlagen, 16 Außenanlagen an öffentlichen Gebäuden und je 30 landschaftspflegerische Maßnahmen (u.a. Begleitpläne) und Kinderspielplätze. Sie hat dabei Verhandlungen mit diversen Dienststellen, Architekten und auch betroffenen Bürgern geführt. Die Streitverkündete hat insgesamt 13 berufliche Fortbildungsveranstaltungen besucht und war oder ist Mitglied einer Reihe von berufsbezogenen Vereinigungen. Im Jahre 1988 war sie für die Beklagte an der Planung des Freundschaftsparks in Riga beteiligt. Sie ist Beauftragte des Gartenbauamtes für behindertengerechtes Bauen im Außenbereich.
Im Beiblatt zum Amtsblatt Nr. 17 der Freien Hansestadt Bremen vom 24. Juli 1990 schrieb die Beklagte die Sachgebietsleiterstelle für das Sachgebiet 21 des Gartenbauamtes folgendermaßen aus:
„Beim Gartenbauamt Bremen ist ab 1. September 1990 die Stelle eines/einer Sachgebietsleiters/Sachgebietsleiterin, Besoldungsgruppe A 13/Vergütungsgruppe II a/I b BAT in der Planungsabteilung zu besetzen.
Das Aufgabengebiet erfaßt u.a.:
- Planung von öffentlichen Grünanlagen, Gewässergrün, landschaftsbezogenen Maßnahmen, Kinderspielplätzen, Außenanlagen an öffentlichen Gebäuden,
- Erarbeitung landschaftspflegerischer Begleitpläne,
- Verhandlungen sowie Abstimmung von Planungen mit anderen Stellen,
- Betreuung der Aufträge an freie Landschaftsarchitekten.
Voraussetzungen: Dipl.-Ingenieur(in) TU/TH oder FH der Fachrichtung Landespflege.
Erforderlich: Organisations- und Verhandlungsgeschick, Fähigkeit zum selbständigen Arbeiten, Flexibilität sowie Führungsfähigkeit bei teambezogener Arbeitsweise.
Erwünscht ist mehrjährige einschlägige Berufserfahrung und Kenntnis der bremischen Verwaltungspraxis. In besonderem Maße wird die Fähigkeit und Sensibilität erwartet, politische Interessenkonflikte zu erkennen und Lösungen aufzuzeigen.”
Aufgrund dieser Stellenbeschreibung sind der Kläger und die Streitverkündete in die engere Wahl gekommen. Außerdem hatten sich noch ein weiterer Mann und eine weitere Frau beworben. Auf Stellen der VergGr. II a/I b BAT sind Frauen bei der Beklagten erheblich unterrepräsentiert. Dies gilt insbesondere im Bereich des Gartenbauamtes.
Die Amtsleitung schlug den Kläger zur Beförderung vor. Der Personalrat verweigerte nach einem Vorstellungsgespräch mit den Bewerbern die Zustimmung zu diesem Vorschlag. Die angerufene Schlichtung ergab eine Empfehlung zugunsten des Klägers. Der Personalrat erklärte daraufhin die Schlichtung für gescheitert und rief die Einigungsstelle an. Diese entschied am 20. Februar 1991 wie folgt:
„Die Zustimmung des Personalrats zu der Maßnahme der Besetzung der Stelle des Leiters/der Leiterin des Sachgebiets 21 des Gartenbauamtes mit Herrn Kaianke wird nicht ersetzt.
Begründung: Die Einigungsstelle ist mehrheitlich der Auffassung, daß beide Bewerber gleiche Qualifikation für diesen Dienstposten besitzen und daher – auch auf der Grundlage des Landesgleichstellungsgesetzes – der weiblichen Bewerberin der Vorrang gebührt.”
Dieses Ergebnis teilte die Beklagte dem Kläger am 5. März 1991 mit. Auf Antrag des Klägers hat daraufhin das Arbeitsgericht Bremen der Beklagten im Wege der einstweiligen Verfügung untersagt, die ausgeschriebene Stelle bis zu einer Entscheidung des Arbeitsgerichts in der Hauptsache zu besetzen. Auf die hiergegen von der Beklagten eingelegte Berufung wurde zwischen den Parteien vor dem Landesarbeitsgericht am 31. Juli 1991 ein Vergleich geschlossen, der der arbeitsgerichtlichen Entscheidung entsprach. Die Beklagte übertrug die Aufgaben kommissarisch der Streitverkündeten.
Mit seiner am 15. März 1991 beim Arbeitsgericht eingereichten Klage hat der Kläger von der Beklagten verlangt, die ausgeschriebene Stelle mit ihm zu besetzen. Er hat die Auffassung vertreten, er sei qualifizierter als die Streitverkündete. Dies habe die Einigungsstelle verkannt. Es sei nicht berücksichtigt worden, daß er im Unterschied zur Streitverkündeten über Erfahrungen in allen Aufgabengebieten verfüge, welche die Stellenausschreibung genannt habe, daß er ferner hervorragende Leistungen erbracht und Flexibilität sowie Führungsfähigkeit unter Beweis gestellt habe. Die anspruchsvolleren Projekte seien von ihm und nicht von der Streitverkündeten betreut worden. Diese habe einen wesentlichen Teil ihrer Projekte von ihm übernommen, wenn schwierigere Aufgaben seinen anderweitigen Einsatz erfordert hätten.
Die Entscheidung der Beklagten benachteilige ihn wegen seines männlichen Geschlechts. Das bremische Landesgleichstellungsgesetz (LGG) verstoße mit seiner Quotenregelung gegen Art. 2 Nr. 2 Bremische Verfassung, ferner gegen Art. 3 Abs. 2 und 3 sowie Art. 33 Abs. 2 GG und gegen § 611 a BGB, außerdem gegen europäisches Gemeinschaftsrecht. Selbst wenn man davon ausginge, daß die Streitverkündete die gleiche Qualifikation besitze wie er, hätten soziale Gesichtspunkte zu seinen Gunsten berücksichtigt werden müssen. Er sei verheiratet, habe eine nicht berufstätige Frau und zwei Kinder, die sich in der Berufsausbildung befänden.
Der Kläger hat zweitinstanzlich zuletzt beantragt,
- die Beklagte zu verurteilen, die im Beiblatt zum Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen Nr. 17, ausgegeben am 24. Juli 1990, ausgeschriebene Stelle eines Sachgebietsleiters bei dem Gartenbauamt Bremen, VergGr. II a/I b BAT, in der Planungsabteilung mit dem Kläger zu besetzen und den Kläger in die ausgeschriebene Stelle einzuweisen;
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 1
- die Beklagte zu verurteilen, zu erklären, daß der Arbeitsvertrag des Klägers dahingehend abgeändert wird, daß der Kläger die im Beiblatt zum Amtsblatt der Freien Hansestadt Bremen Nr. 17, ausgegeben am 24. Juli 1990, ausgeschriebene Stelle eines Sachgebietsleiters bei dem Gartenbauamt Bremen, VergGr. II a/I b BAT, in der Planungsabteilung wahrzunehmen hat,
- die Beklagte weiter zu verurteilen, den Kläger in die ausgeschriebene Stelle einzuweisen;
hilfsweise für den Fall des Unterliegens mit dem Antrag zu Ziff. 2
- die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld zu bezahlen,
- die Beklagte zu verurteilen, die Ausschreibung zu wiederholen, mit der Maßgabe, daß die Geschlechtszugehörigkeit keine Berücksichtigung finden darf und sämtliche Leistungen des Klägers und der Streitverkündeten differenziert zu beurteilen sind.
Die Beklagte und die Streitverkündete haben Klageabweisung beantragt. Die Beklagte hat den Spruch der Einigungsstelle verteidigt. An die Entscheidung der Einigungsstelle sei sie durch das bremische Personalvertretungsrecht gebunden. Sie mache sich aber auch die Bewertung der Einigungsstelle zu eigen, beide Bewerber seien gleichqualifiziert. Zwar treffe es zu, daß der Kläger den Sachgebietsleiter im Urlaubs- und Krankheitsfall zu vertreten hatte; dies sei aber in die Bewertung seiner Qualifikation eingeflossen. Bei der Gesamtschau aller im Hinblick auf die betreffende Stelle relevanten Kriterien sei dennoch von einer gleichwertigen Qualifikation der beiden Bewerber auszugehen. Die Vorschrift des § 4 LGG sei verfassungsgemäß.
Die Streitverkündete hat sich dem Vortrag der Beklagten angeschlossen. Sie hat darauf hingewiesen, daß die von ihr bearbeiteten Projekte vergleichbar hohen Qualitätsstufen zuzurechnen seien wie die Projektbearbeitungen des Klägers.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit seiner vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klageziel weiter, ausgenommen den Hilfsantrag zu 3 b).
Mit Beschluß vom 22. Juni 1993 hat der Senat das Verfahren ausgesetzt und den Europäischen Gerichtshof gem. Art. 177 Abs. 3 EGV angerufen. Zu klären war die Vereinbarkeit von Quotenregelungen mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 4 der Richtlinie des Rates vom 9. Februar 1976 (76/207/EWG) zur Verwirklichung des Grundsatzes der Gleichbehandlung von Männern und Frauen hinsichtlich des Zugangs zur Beschäftigung, zur Berufsbildung und zum beruflichen Aufstieg sowie in bezug auf die Arbeitsbedingungen (BAGE 73, 269 = AP Nr. 193 zu Art. 3 GG). Der Europäische Gerichtshof hat die Auslegungsfragen beantwortet mit Urteil vom 17. Oktober 1995 – Rs C-450/93 – Kaianke – (NZA 1995, 1095 = EuGRZ 1995, 546 mit Schlußanträgen des Generalanwalts).
Entscheidungsgründe
Die Revision hat nur teilweise Erfolg. Der Kläger hat nicht deshalb Anspruch auf Übertragung der erstrebten Beförderungsstelle, weil schon jetzt feststünde, daß jede andere Entscheidung der Beklagten fehlerhaft wäre (A). Die Beklagte durfte ihrer Auswahlentscheidung jedoch nicht § 4 Abs. 2 des Gesetzes zur Gleichstellung von Frau und Mann im öffentlichen Dienst des Landes Bremen vom 20. November 1990 – LGG – (GBl. 1990 S. 433) zugrunde legen, weil diese Regelung gegen das Recht der Europäischen Gemeinschaft verstößt. Sie ist vielmehr verpflichtet, eine neue Auswahlentscheidung zu treffen, bei der § 4 Abs. 2 LGG keine Berücksichtigung finden darf (B). Die unrichtige Auswahlentscheidung der Beklagten begründet keinen Anspruch des Klägers auf Schmerzensgeld (C).
A. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Übertragung der begehrten Beförderungsstelle.
I. Art. 33 Abs. 2 GG eröffnet jedem Deut chen nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amt. Nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ergeben sich für den einzelnen Bewerber hieraus unmittelbare Rechte. Jeder kann verlangen, bei seiner Bewerbung nur nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien beurteilt zu werden. Die Behörde darf insbesondere nicht nach den in Art. 3 Abs. 3 GG mißbilligten Merkmalen differenzieren und einen Bewerber deshalb benachteiligen. Dies gilt nicht nur für Einstellungen, sondern auch für Beförderungen innerhalb des öffentlichen Dienstes.
Aus dem Verbot unzulässiger Differenzierung ergibt sich aber im Regelfall für einen benachteiligten Bewerber nur das Recht, daß der auf rechtlich nicht zu billigende Gesichtspunkte gestützte Ablehnungsbescheid aufgehoben wird. Der Bewerber ist so zu stellen, wie er stünde, wenn die Behörde die Grundsätze des Art. 33 Abs. 2 GG nicht verletzt hätte. Seine Bewerbung ist dann neu zu beurteilen. Ein unmittelbarer Anspruch auf Einstellung oder Beförderung kann sich allerdings ausnahmsweise dann ergeben, wenn sich nach den Verhältnissen im Einzelfall jede andere Entscheidung als rechtswidrig oder ermessensfehlerhaft darstellt und mithin die Berücksichtigung dieses Bewerbers die einzig rechtmäßige Entscheidung ist (ständige Rechtsprechung, vgl. nur BAG Urteil vom 31. März 1976 – 5 AZR 104/74 – BAGE 28, 62 = AP Nr. 2 zu Art. 33 Abs. 2 GG; Urteil vom 5. August 1982 – 2 AZR 1136/79 – BAGE 40, 1 = AP Nr. 18 zu Art. 3 3 Abs. 2 GG; Urteil vom 9. November 1994 – 7 AZR 19/94 – AP Nr. 33 zu Art. 33 Abs. 2 GG).
II. Das Auswahlermessen der Beklagten ist im vorliegenden Fall nicht auf die vom Kläger gewünschte Entscheidung reduziert. Dies käme nur in Betracht, wenn der Kläger im Vergleich zu der Streitverkündeten als der einzigen verbliebenen Mitbewerberin nach den in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Eignungskriterien qualifizierter wäre. Das ist jedoch nicht der Fall. Die Beklagte ist bei ihrer Entscheidung vielmehr davon ausgegangen, daß beide Bewerber gleichqualifiziert seien. Im Rahmen der eingeschränkten gerichtlichen Überprüfung ist das nicht zu beanstanden.
1. Bei der Feststellung der Qualifikation eines Bewerbers nach den Kriterien des Art. 33 Abs. 2 GG steht dem öffentlichen Arbeitgeber ein weiter Beurteilungsspielraum zu. Die gerichtliche Überprüfung einer Befähigungsbeurteilung beschränkt sich darauf, ob der Arbeitgeber bei seiner Entscheidung alle wesentlichen Umstände berücksichtigt, allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe beachtet und ein fehlerfreies Verfahren eingehalten hat. Ist das der Fall, können die Gerichte die angegriffene Entscheidung nicht durch eine eigene Beurteilung ersetzen (BAG Urteil vom 5. März 1980 – 5 AZR 604/78 – BAGE 33, 43 = AP Nr. 6 zu Art. 33 Abs. 2 GG; BAG Urteil vom 15. Juli 1982 – 2 AZR 887/79 – BAGE 39, 180, 187 = AP Nr. 20 zu Art. 33 Abs. 2 GG, zu C II 1 d der Gründe). Der so eingeschränkten Überprüfung hält die Eignungsbeurteilung stand.
a) Das Landesarbeitsgericht ist von der Entscheidung der Einigungsstelle ausgegangen. Deren Annahme, beide Bewerber wiesen die gleiche Qualifikation auf, sei inhaltlich vertretbar. Der Einigungsstelle seien alle relevanten Aspekte bekannt gewesen, sie habe die Grenzen des Beurteilungsspielraums nicht überschritten und das einzuhaltende Verfahren gewahrt.
Dem ist im Ergebnis zuzustimmen. Dabei kann für den vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob § 61 Abs. 4 Satz 2 Brem-PersVG uneingeschränkt mit Art. 28 Abs. 1 Satz 1, Art. 20 Abs. 2 GG vereinbar ist. Der Senat hat das zwar in seinem Vorlagebeschluß vom 22. Juni 1993 angenommen (BAGE 73, 269, 273 ff. = AP Nr. 193 zu Art. 3 GG, unter II A der Gründe), daran bestehen jedoch inzwischen nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts vom 24. Mai 1995 zu vergleichbaren Regelungen des Schleswig-Holsteinischen Gesetzes über die Mitbestimmung der Personalräte erhebliche Zweifel (2 BvF 1/92 – BVerfGE 93, 37). Aber selbst wenn man von der Verfassungswidrigkeit auch der bremischen Regelung ausgeht, ändert sich das Ergebnis nicht.
Das Landesarbeitsgericht hat bereits zu Recht darauf hingewiesen, daß ohnehin keine Bindung an den Beschluß der Einigungsstelle bestand, soweit nur die Qualifikation der Bewerber zu bewerten war. Die Beklagte hat insoweit auch gar nicht auf eine Bindungswirkung des Spruchs abgestellt, sondern sich die Eignungsbeurteilung der Einigungsstelle ausdrücklich zu eigen gemacht. Sie ist schließlich selbst von einem Leistungsgleichstand beider Bewerber ausgegangen. Schon in der Klageerwiderung hat sie vorgetragen, sie habe sich der Bewertung der Einigungsstelle angeschlossen. Bei der Gesamtschau aller im Hinblick auf die ausgeschriebene Stelle relevanten Kriterien sei eine gleichwertige Qualifikation der beiden Bewerber zugrunde zu legen. Hätte die Beklagte hingegen den Kläger als qualifizierter angesehen, hätte sie an ihrer ursprünglichen Entscheidung festhalten können und auch müssen.
Für die Eignungsbeurteilung ist demnach davon auszugehen, daß die Beklagte nach Durchführung des Einigungsstellenverfahrens aus eigener Überzeugung von der Gleichrangigkeit beider Kandidaten überzeugt war. Insoweit kommt es also auf die Frage nicht an, ob die Bindung des Dienstherrn an die Entscheidung der Einigungsstelle gem. § 61 Abs. 4 Satz 2 BremPersVG gegen verfassungsrechtliche Grundsätze verstößt. Einer Vorlage an das Bundesverfassungsgericht nach Art. 100 GG bedarf es nicht.
b) Der Arbeitgeberin waren beide Bewerber und ihre bisher zu verrichtenden Tätigkeiten zweifellos bekannt. Es kann also bei der von der Beklagten vorgenommenen Qualifikationsbewertung nicht angenommen werden, die tatsächlichen Grundlagen der Beurteilung seien unzureichend gewesen.
Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend angenommen, daß der Bewertung keine sachfremden Erwägungen zugrunde gelegen haben. Es hat die Bewertung am Maßstab der in Art. 33 Abs. 2 GG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gemessen. Dabei hat es allgemeingültige Bewertungsgrundsätze beachtet. Der Gesichtspunkt der Befähigung stellt zunächst auf die Vorbildung nach Maßgabe der Laufbahnverordnungen ab, aber auch fachrelevantes Allgemeinwissen, Lebenserfahrung und Begabung gehören dazu. Fachliche Leistung bedeutet Fachwissen, Fachkönnen und Bewährung im Fach; dieses Kriterium berücksichtigt insbesondere die berufliche Erfahrung. Der Begriff der Eignung bezieht sich schließlich auf die ganze Person mit ihren körperlichen, geistigen, seelischen und charakterlichen Eigenschaften. Abzustellen ist hierbei bei Bewerbern im öffentlichen Dienst auf den in Aussicht genommenen konkreten Dienstposten (vgl. allgemein etwa Jarass/Pieroth, GG, 3. Aufl., Art. 33 Rz 4; v. Münch/Kunig, GG, 3. Aufl., Art. 33 Rz 26; MünchArbR/Buchner, § 37 Rz 126). Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und des Parteivortrages erweist sich die Annahme einer gleichwertigen Qualifikation als vertretbar.
Das Berufungsgericht hat in zulässiger Weise den Tatsachenvortrag der Parteien und der Streitverkündeten als unstreitig behandelt. Soweit der Kläger die Tätigkeitsauflistung der Streitverkündeten mit Nichtwissen bestritten hat, war dies gem. § 138 Abs. 4 ZPO unzulässig. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht hierzu ausgeführt, der Kläger habe aufgrund seiner langjährigen Zusammenarbeit mit der Streitverkündeten Einblick in deren Tätigkeit gehabt. Er hätte daher das Vorbringen der Streitverkündeten substantiiert bestreiten können.
Das Landesarbeitsgericht hat hervorgehoben, daß beide Bewerber in der Vergangenheit Projekte mit hohem Schwierigkeitsgrad bearbeitet haben. In nicht zu beanstandender Weise hat es der fehlenden praktischen Erfahrung der Streitverkündeten in der Zusammenarbeit mit Architekten keine ausschlaggebende Bedeutung beigemessen. Es ist in der Tat nicht erkennbar, daß eine solche Erfahrung für den ausgeschriebenen Dienstposten zwingend erforderlich wäre. Jedenfalls ergibt sich dies nicht aus der Stellenausschreibung. Schließlich hat das Landesarbeitsgericht auch berücksichtigt, daß die Beklagte die Streitverkündete bei einem früheren Höhergruppierungsantrag sehr positiv bewertet hat.
2. Bei dieser Sachlage war die Besetzung der Stelle mit dem Kläger nicht die einzig rechtmäßige Entscheidung, die die Beklagte treffen durfte. Der Kläger hat daher keinen unmittelbaren Anspruch auf Übertragung der Stelle.
Sind zwei Bewerber gleichqualifiziert im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG, verbleibt dem öffentlichen Arbeitgeber ein Auswahlermessen. Er kann Hilfskriterien zur Entscheidung heranziehen. Diese sind nicht zwingend festgelegt. Sie dürfen allerdings nicht sachwidrig sein, insbesondere nicht gegen die Grundsätze des Art. 3 Abs. 3 GG verstoßen. Geht der Arbeitgeber dennoch von unzulässigen Hilfskriterien aus, so ergibt sich daraus allein noch kein Anspruch des benachteiligten Bewerbers auf Übertragung der Stelle. Vielmehr kann dieser nur eine erneute Bescheidung unter Zugrundelegung anderer Hilfskriterien verlangen. Der Hauptantrag war danach abzuweisen, soweit er auf die Verurteilung der Beklagten gerichtet ist, dem Kläger die begehrte Stelle zu übertragen.
B. Die Beklagte ist hingegen verpflichtet, die Bewerbung des Klägers neu zu bescheiden. Auf der Basis gleicher Eignung der Bewerber hat sie ihrer Auswahlentscheidung allein die Quotenregelung des § 4 Abs. 2 LGG zugrunde gelegt. Jas war unzulässig.
I. Der Kläger hat zwar mit dem Hauptantrag die endgültige Übertragung der Stelle begehrt. Die erneute Bescheidung seiner Bewerbung ist aber als Klageziel in diesem weitergehenden Antrag enthalten. Diesem kann deshalb insoweit ohne Verstoß gegen § 308 ZPO stattgegeben werden. Der Kläger wehrt sich gegen die Zurückweisung seiner Bewerbung mit der Begründung, die Beklagte habe der Entscheidung unzulässige Kriterien zugrunde gelegt. Er verlangt eine neue Entscheidung zu seinen Gunsten. Dabei erwartet er zwar, diese könne nur in seiner Beförderung bestehen. Der Weg zu diesem Ziel führt aber über die Aufhebung der alten Entscheidung. Beide Ziele stehen im Verhältnis von Mehr und Weniger zueinander (s. dazu Baumbach/Lauterbach/Albers/Hartmann, ZPO, 54. Aufl., § 308 Rz 7). Es liegen keinerlei Anhaltspunkte für die Annahme vor, daß der Kläger bei Abweisung des weitergehenden Antrags eine Entscheidung über das darin enthaltene Begehren der erneuten Bescheidung nicht wünscht. Er hat zwar den zweitinstanzlich gestellten Hilfsantrag auf erneute Ausschreibung mit seiner Revision nicht mehr verfolgt. Das ist jedoch verständlich, da die erneute Ausschreibung zu einer Wiederholung des Bewerbungsverfahrens führen müßte und damit die Konkurrenz neuer Bewerber bedeuten könnte. Die erneute Bescheidung verlangt demgegenüber nur die Wiederholung der Auswahlentscheidung zwischen den verbliebenen Bewerbern – hier dem Kläger und der Streitverkündeten – und damit genau das, was der Kläger erreichen will, wenn er auch zu Unrecht meint, die Beklagte sei hinsichtlich des Ergebnisses gebunden.
II. Die Beklagte durfte ihre Entscheidung nicht auf die Quotenregelung des § 4 Abs. 2 LGG stützen. Nach dieser Vorschrift sind Bewerberinnen mit gleicher Qualifikation bei der Übertragung von Tätigkeiten einer höheren Vergütungsgruppe vorrangig zu berücksichtigen, wenn Frauen in den entsprechenden Funktions- oder Vergütungsebenen unterrepräsentiert sind. Die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen dieser Regelung sind zwar erfüllt; § 4 Abs. 2 LGG ist jedoch nicht anzuwenden, da er gegen europäisches Gemeinschaftsrecht verstößt. Das folgt aus der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 17. Oktober 1995 – Rs C-450/93 – Kaianke – (NZA 1995, 1095 = EuGRZ 1995, 546).
1. Der Senat hatte mit Beschluß vom 22. Juni 1993 im vorliegenden Verfahren dem Europäischen Gerichtshof die Frage vorgelegt, ob Art. 2 Abs. 4 der EG-Richtlinie 76/207 vom 9. Februar 1976 dahin auszulegen sei, daß er auch Regelungen wie § 4 LGG zulasse, oder ob Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie solche Regelungen ausschließe (zur genauen Fragestellung s. Senatsbeschluß vom 22. Juni 1993 – BAGE 73, 269 = AP Nr. 193 zu Art. 3 GG). Zu dieser Vorlage sah sich der Senat gem. § 177 EGV verpflichtet. Er ging zwar davon aus, die Richtlinie erlaube eine solche Regelung, aber er hielt diese Auslegung nicht für offenkundig eindeutig.
Mit Urteil vom 17. Oktober 1995 (aaO) hat der Europäische Gerichtshof die Frage des Senats wie folgt beantwortet:
Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG des Rates vom 9. Februar 1976 ... steht einer natio- nalen Regelung entgegen, nach der, wie im vorlie- genden Fall, bei gleicher Qualifikation von Be- werbern unterschiedlichen Geschlechts um eine Be- förderung in Bereichen, in denen die Frauen un- terrepräsentiert sind, den weiblichen Bewerbern automatisch der Vorrang eingeräumt wird, wobei eine Unterrepräsentation dann vorliegen soll, wenn in den einzelnen Vergütungsgruppen der je- weiligen Personalgruppe nicht mindestens zur Hälfte Frauen vertreten sind, und dies auch für die nach dem Geschäftsverteilungsplan vorgesehe- nen Funktionsebenen gelten soll.
Der Europäische Gerichtshof ist davon ausgegangen, daß die Richtlinie 76/207 in Art. 2 Abs. 4 Maßnahmen zuläßt, die zwar dem Anschein nach diskriminierend sind (also nach Abs. 1 verboten wären), aber in der sozialen Wirklichkeit entstehende faktische Ungleichheiten beseitigen oder verrginern sollen. Das gelte für spezifisch Frauen begünstigende nationalen Maßnahmen bei Beschäftigungszugang und Beförderung, soweit sie darauf gerichtet sind, die Fähigkeiten von Frauen zu verbessern, auf dem Arbeitsmarkt mit anderen zu konkurrieren und unter gleichen Bedingungen wie Männer eine berufliche Laufbahn zu verwirklichen (Nr. 18 und 19 der Gründe). Die geltenden Rechtsvorschriften über die Gleichbehandlung seien nicht ausreichend, um faktische Ungleichheiten zu beseitigen (Nr. 20 der Gründe). Der Gerichtshof hebt aber hervor, daß Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie als Ausnahme von dem in Art. 2 Abs. 1 enthaltenen individuellen Diskriminierungsverbot eng auszulegen sei (Nr. 21 der Gründe). Unter Nr. 22 und Nr. 23 der Gründe stellt der Europäische Gerichtshof folgendes fest:
(22) Eine nationale Regelung, die den Frauen bei Ernennungen oder Beförderungen absolut und unbedingt der Vorrang einräumt, geht aber über eine Förderung der Chancengleichheit hinaus und überschreitet damit die Grenzen der in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie vorgesehenen Ausnahme,
(23) Außerdem setzt eine solche Regelung insofern, als sie darauf abzielt, daß in allen Vergütungsgruppen und auf allen Funktion ebenen einer Dienststelle mindestens ebensoviel trauen wie Männer vertreten sind, an die Stelle der in Art. 2 Abs. 4 vorgesehenen Förderung der Chancengleichheit das Ergebnis, zu dem allein die Verwirklichung einer solchen Chancengleichheit führen könnte.
2. Bei Anwendung dieser Auslegungsgrundsätze enthält § 4 Abs. 2 LGG eine Regelung, die unzulässig ist, weil sie Frauen bei gleicher Qualifikation automatisch den Vorrang einräumt. Sie sieht nämlich keine regelmäßige Berücksichtigung von Härtefällen vor, die ihre automatische Wirkung aufheben könnte.
a) Die Unvereinbarkeit mit Art. 2 Abs. 1 der Richtlinie ergibt sich nicht schon daraus, daß § 4 Abs. 2 LGG die personelle Entscheidung selbst beeinflußt. Allerdings hatte der Generalanwalt in seinen Schlußanträgen diese Auffassung vertreten. Er meinte, Förderung der Chancengleichheit könne immer nur im Vorfeld von Einstellungen und Beförderungen zugelassen werden, weil sonst das durch die Frauenförderung angestrebte Ergebnis selbst geregelt werde. Diese Unterscheidung von Chance und Ergebnis ist nicht angebracht. Bei Einstellungen und Beförderungen läßt sie sich schon rein tatsächlich nicht durchhalten, weil die Auswahlentscheidung selbst unmittelbar durch Umstände, Erwartungen und Vorurteile beeinflußt wird, die die Chancen von Frauen typischerweise mindern. Aber auch rechtlich hat die Unterscheidung keine Grundlage. Sie läuft auf die These hinaus, daß die Chancennachteile der Frauen nicht durch Sanktionen kompensiert werden dürfen, die die entscheidenden Personen unmittelbar binden, die drohende Benachteiligung also verhindern. Ein solcher Grundsatz findet in Art. 2 Abs. 4 der Richtlinie keine Stütze.
Auch der Europäische Gerichtshof ist der Auffassung des Generalanwalts offensichtlich nicht gefolgt. Er vermerkt zwar in Nr. 23 der Entscheidungsgründe ebenfalls, daß das Ergebnis einer Quotenregelung über die bloße Förderung der Chancengleichheit hinausgehen kann, wenn ein zu weitreichender Einfluß auf das Auswahlergebnis genommen wird. Diese Feststellung wird aber ausdrücklich auf eine automatisch wirkende Quotenregelung beschränkt („eine solche Regelung”). Hätte der Gerichtshof dem weitergehenden Begründungsansatz des Generalanwalts folgen wollen, wären die vorangestellten Überlegungen, auf die es entscheidend ankommen sollte, überflüssig und irreführend gewesen. Das kann nicht gemeint sein (ähnlich Colneric, BB 1996, 265, 268; Dieball/Schiek, EuroAS 1995, 185, 186 f.).
b) § 4 Abs. 2 LGG ist dennoch mit Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG unvereinbar. Nach der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs steht das Gemeinschaftsrecht einer nationalen Regelung entgegen, die Bewerberinnen bei gleicher Qualifikation mit männlichen Mitbewerbern automatisch den Vorrang einräumt. Dies ist hier der Fall, weil bei Erfüllung der genannten Tatbestandsmerkmale der Vorrang ohne weitere Prüfung eingreift, die Vorschrift also keine regelhaften Ausnahmen vorsieht und damit absolut und unbedingt wirkt (vgl. aaO, Nr. 22 der Gründe).
aa) Der Senat ist allerdings in seinem Vorlagebeschluß davon ausgegangen, § 4 Abs. 2 LGG könne verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß er Härtefälle nicht erfassen wolle. Er hat zwar in diesem Zusammenhang beispielhaft eine nordrhein-westfälische Regelung erwähnt, aber nicht präzisiert und auch nicht präzisieren müssen, wann ein Härtefall im Sinne des Bremer Gesetzes anzunehmen ist, unter welchen Voraussetzungen also eine Ausnahme in Betracht käme. Der Europäische Gerichtshof hat in seiner Begründung die vom Senat erwogene verfassungskonforme Auslegung lediglich referiert (Nr. 9 der Gründe). Er hat sich jedoch im Entscheidungstenor auf die Fragen des Senats beschränkt und keine Aussage zu Regelungen mit Härteklauseln getroffen. Die Bezugnahme auf „Regelungen wie im vorliegenden Fall” rechtfertigt nicht die Annahme, der Europäische Gerichtshof habe damit Quotenregelungen generell beurteilen und beanstanden wollen, gleichgültig, welche Ausnahmen und Einschränkungen sie enthalten. Dagegen spricht, daß der Senat in seiner Vorlagefrage die verfassungskonforme Auslegung der bremischen Regelung nicht erwähnt und auch in seiner Begründung den Umfang etwaiger Ausnahmen nicht näher thematisiert hat.
Ist deshalb davon auszugehen, daß sich die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs nur auf automatisch wirkende Regelungen bezieht, bleibt zu prüfen, ob § 4 LGG einschränkend dahin ausgelegt werden kann, daß er Ausnahmen zuläßt, die eine unzulässige Automatik vermeiden. Dies ergibt sich aus dem Gebot der gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung. Nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs muß ein nationales Gericht die Auslegung innerstaatlichen Rechts soweit wie möglich am Wortlaut und Zweck einschlägiger Richtlinien ausrichten, um das mit ihnen verfolgte Ziel zu erreichen und auf diese Weise Art. 189 Abs. 3 EGV zu genügen (EuGH Urteil vom 14. Juli 1994 – Rs C-91/92 – Faccini Dori – Slg. 1994 I, 3347, 3357). Dazu verpflichtet schon das rechtsstaatliche Gebot, die Einheit der Rechtsordnung zu wahren.
bb) Der Senat bleibt dabei, daß auch der bremische Gesetzgeber nicht jede Ausnahme ausschließen wollte. Die insoweit schon im Beschluß vom 22. Juni 1993 angesprochenen „Härtefälle” sind jedoch im Hinblick auf die Vorgaben des Gemeinschaftsrechts zu präzisieren. Dabei zeigt sich, daß die denkbaren Ausnahmetatbestände nicht weit genug sind, um den Konflikt mit dem Gemeinschaftsrecht zu vermeiden.
(1) Die Grenzen einer gemeinschaftsrechtskonformen Auslegung werden bestimmt durch die allgemeinen Auslegungsregeln. Insoweit gilt nichts anderes als für die verfassungskonforme Auslegung. Die Auslegung hat nicht am Wortlaut einer Vorschrift haltzumachen. Lassen Sinn und Zweck des Gesetzes erkennen, daß der Gesetzgeber nicht alle Konsequenzen der gewählten Gesetzesfassung bedacht hat, muß eine auslegungsfähige Regelung einschränkend oder ergänzend in dem Sinne verstanden werden, den der Gesetzgeber bei voller Kenntnis der Probleme normiert hätte. Die Auslegung darf jedoch den erkennbaren Willen des Gesetzgebers nicht verändern (vgl. zuletzt etwa BVerfG Beschluß vom 24. Mai 1995, BVerfGE 93, 37, 79 f.; BVerfGE 35, 263, 278 ff.).
(2) Das bremische Gesetz sieht nach seinem Wortlaut Ausnahmen nicht vor. Die Formulierung, Frauen seien vorrangig zu berücksichtigen, läßt für einen allgemeinen Regel-Ausnahme-Tatbestand keinen Raum. Dies entsprach auch dem gesetzgeberischen Willen. Ausnahmetatbestände mit unbestimmten Rechtsbegriffen können unversehens zu mittelbarer Diskriminierung führen (Pfarr in Anm. zu AP Nr. 193 zu Art. 3 GG, unter IV). Es ist davon auszugehen, daß der bremische Gesetzgeber § 4 Abs. 2 LGG von vergleichbaren Regelungen in anderen Gleichstellungsgesetzen bzw. bereits vorliegenden Entwürfen abheben wollte, um diese Gefahr zu vermeiden (vgl. auch Colneric, BB 1996, 265, 266). Er kannte die vergleichbare Vorschrift in Nordrhein-Westfalen (§ 25 Abs. 5 Satz 2 LBG NW i.d.F. vom 31. Oktober 1989), die einen allgemein gefaßten Ausnahmetatbestand enthält (vgl. auch Sitzungsprotokoll der Bremischen Bürgerschaft, 12. Wahlperiode, 74. Sitzung vom 7. November 1990, S. 5024 ff.).
Wortlaut und erkennbarer gesetzgeberischer Wille stehen danach einer Auslegung des Gesetzes entgegen, wonach in jedem Einzelfall eine Abwägung nach individuellen Besonderheiten vorzunehmen wäre. Das ist ein entscheidender Unterschied z.B. zu der nordrhein-westfälischen Quotenregelung, der nicht durch eine einschränkende Auslegung eingeebnet werden darf. Soweit wollte der Senat auch in seinem Vorlagebeschluß vom 22. Juni 1993 (aaO) nicht gehen.
(3) Andererseits folgt weder aus den gesetzgeberischen Materialien noch aus sonstigen Umständen, daß der bremische Gesetzgeber selbst dann keine Ausnahmen zulassen wollte, wenn die Bevorzugung einer Bewerberin dem Zweck des Gesetzes gerade zuwiderliefe, oder wenn verfassungsrechtlich gleichrangig geschützte Positionen betroffen sind. Zu denken ist einmal an Falle, in denen Frauen mit männlichen Bewerbern konkurrieren, die eine geschlechtsuntypische Berufsbiographie haben, z.B. alleinerziehende Väter. Zu denken ist ferner an den Schutz Schwerbehinderter, der jetzt ausdrücklich in Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG erwähnt wird, aber auch schon zuvor zu den unverzichtbaren Aufgaben eines Sozialstaates gehörte (vgl. BVerfGE 84, 133 = AP Nr. 70 zu Art. 12 GG). Auch hier kann unterstellt werden, daß der Gesetzgeber ein Abweichen von der Vorrangregelung zugelassen hätte, wenn ihm das Problem bewußt gewesen wäre. Eine einschränkende Auslegung in so krassen Fallgestaltungen würde nämlich Sinn und Zweck des § 4 Abs. 2 LGG nicht verändern.
Aber angesichts des offensichtlich bewußten Verzichts auf eine differenzierte Härteregelung können weitergehende Ausnahmetatbestände nicht ergänzt werden, ohne den gesetzgeberischen Willen zu verfälschen. Die möglichen Ausnahmen beschränken sich somit auf atypische Fälle, bei denen die Zweckwidrigkeit des Ergebnisses und die Ungerechtigkeit einer starren Handhabung auf der Hand liegen. Eine derart begrenzte Abschwächung hebt aber die nach dem Wortlaut des Gesetzes vorgesehene automatische Bevorzugung weiblicher Bewerber nicht auf. Das Gesetz begründet keine Pflicht zur regelmäßigen Überprüfung des Ergebnisses und fordert infolgedessen auch kein regelhaftes Prüfprogramm. Die Erfüllung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen hat vielmehr ohne weitere Prüfung der Konsequenzen unmittelbar zur Folge, daß die Bewerberin vorrangig zu berücksichtigen ist. Diese Rechtsfolge ergibt sich automatisch. Ausnahmen, die das Ergebnis noch beeinflussen könnten, sind gerade dadurch gekennzeichnet, daß sie sich durch das Gewicht ihrer Programmwidrigkeit von selbst aufdrängen. Sie sind gleichsam „Störfälle” des automatischen Entscheidungsprozesses, stellen aber die gesetzlich vorgeschriebene Automatik nicht in Frage.
3. Die Quotenregelung des § 4 Abs. 2 LGG ist daher mit Art. 2 Abs. 1 und Abs. 4 der Richtlinie nicht vereinbar. Zu dieser Feststellung bedarf es keiner erneuten Vorlage an den Europäischen Gerichtshof. Die Vorlagepflicht nach Art. 177 Abs. 3 EGV bezieht sich nur auf die Auslegung von Normen des Gemeinschaftsrechts, nicht dagegen auf alle hierzu in Vorabentscheidungen des Europäischen Gerichtshofs aufgestellten Rechtssätze, mögen diese auch ihrerseits – wie im vorliegenden Fall – interpretationsbedürftig sein. Der Europäische Gerichtshof entscheidet im Verfahren nach Art. 177 EGV nicht darüber, wie die gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften auf den Ausgangsfall anzuwenden sind. Er präzisiert vielmehr nur in Form abstrakter Rechtssätze den Inhalt der gemeinschaftsrechtlichen Vorschrift, nach dem er gefragt wurde. Die Subsumtion des konkreten Sachverhalts unter diese Rechtssätze ist dann Sache des nationalen Gerichts (ständige Rechtsprechung, zuletzt z.B. EuGH Urteil vom 31. Mai 1995 – Rs C-400/93 – Royal Copenhagen – EuZW 1995, 575). Würde die Vorlagepflicht des Art. 177 Abs. 3 EGV auch auf alle Unklarheiten und Restzweifel erstreckt, die trotz der Antworten des Europäischen Gerichtshofs im Vorabentscheidungsersuchen noch verbleiben, so liefe das vielfach – und auch hier – darauf hinaus, ihm die Entscheidung des Einzelfalls zu übertragen. Das aber ist von Art. 177 EGV gerade nicht gewollt.
Inwieweit andere nationale gesetzliche Gleichstellungsvorschriften mit einer weitergehenden Ausnahmeregelung als sie hier durch Auslegung festzustellen ist, mit Gemeinschaftsrecht vereinbar sind, hat der Senat nicht zu entscheiden (vgl. dazu etwa Colneric, BB 1996, 265, 268; Dieball/Schiek, EuroAS 1995, 185, 186; Heilmann/Hoffmann, AuA 1995, 406; s. auch VerwG Gelsenkirchen Beschluß vom 21. Dezember 1995 – 1 K 6303/94 – (n.v.) einerseits und OVG NRW Beschluß vom 19. Dezember 1995 – 6 B 2688/95 – (EuZW 1996, 158) andererseits, jeweils zur Frauenförderregelung in § 25 Abs. 5 Satz 2 LBG NRW). Es ist jedoch festzuhalten, daß die gemeinschaftsrechtlichen Bedenken, die die bremische Quotenregelung unanwendbar machen, gegenüber anderen Gleichstellungsregelungen nicht bestehen, soweit diese eine regelhafte Prüfung in jedem Einzelfall vorsehen. Der notwendige Zwischenschritt einer Prüfung nach bestimmten Kriterien – in den verschiedenen Gesetzen unterschiedlich gewichtet –, der im Sinne der Einzelfallgerechtigkeit ein Abweichen von der Bevorzugung von Frauen nicht nur zuläßt, sondern u.U. sogar fordert, hebt die Automatik auf, die nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs mit Art. 2 Abs. 1 und 4 der Richtlinie 76/207/EWG unvereinbar ist. Es handelt sich nicht nur um einen graduellen, sondern um einen wesentlichen Unterschied im Vergleich zu der bremischen Regelung.
4. Ist eine Norm des nationalen Rechts mit Gemeinschaftsrecht unvereinbar, führt das zwar nicht zu ihrer Nichtigkeit. Sie darf aber nicht angewandt werden (vgl. schon Vorlagebeschluß vom 22. Juni 1993, aaO, unter C III der Gründe). Die Beklagte durfte also ihre auf der Basis gleicher Qualifikation zu treffende Auswahlentscheidung nicht auf § 4 Abs. 2 LGG stützen. Damit ist ihre Entscheidung rechtsfehlerhaft. Der Kläger hat Anspruch darauf, daß die Beklagte eine erneute Auswahlentscheidung trifft, wobei die Quotenregelung des § 4 Abs. 2 LGG nicht mehr zugrunde gelegt werden darf.
C. Die Revision ist unbegründet, soweit das Landesarbeitsgericht den Antrag des Klägers auf Verurteilung zur Zahlung von Schmerzensgeld abgewiesen hat.
I. Der Antrag ist dem Senat zur Entscheidung angefallen. Der Kläger hat ihn zwar nur als Hilfsantrag gestellt. Wie unter A. und B. der Gründe dargelegt, ist dem Hauptantrag aber nur teilweise stattzugeben. Ein Anspruch auf Übertragung der Stelle besteht nicht. Der Kläger kann nur erneute Bescheidung seiner Bewerbung verlangen, wobei aber das Ergebnis nicht feststeht. Deshalb geht der Senat davon aus, daß der Hilfsantrag für den Fall eines solchen Prozeßverlaufs gestellt werden sollte. Selbst wenn dem Kläger bei der erneuten Auswahlentscheidung die Stelle übertragen würde, wäre die beanstandete Diskriminierung durch die erste Auswahlentscheidung nicht ungeschehen zu machen. Die behauptete Verletzung seines Persönlichkeitsrechts bestünde dennoch.
II. Der Antrag ist jedoch unbegründet. Dem Kläger steht ein Anspruch auf Schmerzensgeld wegen Verletzung seines Persönlichkeitsrechts nicht zu.
Die Beklagte hat den Kläger allerdings wegen seines Geschlechts benachteiligt, indem sie die Auswahlentscheidung auf die europarechtswidrige Quotenregelung des § 4 Abs. 2 LGG stützte. Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts liegt in der Diskriminierung wegen des Geschlechts eine Verletzung des allgemeinen Persönlichkeitsrechts. Ist dem Arbeitgeber ein Schuldvorwurf zu machen, kann gem. § 823 Abs. 1 i.V.m. § 847 BGB ein Anspruch auf Geldentschädigung begründet sein, wenn der Eingriff erheblich ist. Ob diese Voraussetzungen vorliegen, ist abhängig vom Grad des Verschuldens, von Art und Schwere der Benachteiligung, von Nachhaltigkeit und Fortdauer der Interessenschädigung sowie von Anlaß und Beweggrund des Handelnden (vgl. BAG Urteile vom 14. März 1989 – 8 AZR 447/87 und 8 AZR 351/86 – BAGE 61, 209 und 220 = AP Nr. 5 und Nr. 6 zu § 611 a BGB).
Die Voraussetzungen eines Schmerzensgeldanspruchs sind danach hier nicht erfüllt. Auch wenn man davon ausgeht, daß in der geschlechtsspezifischen Diskriminierung eines Stellenbewerbers normalerweise eine erhebliche Persönlichkeitsverletzung liegt (so BAG, aaO), ist der vorliegende Fall anders zu beurteilen. Es fehlt bereits an dem gem. § 823 Abs. 1 BGB erforderlichen Verschulden. Die Beklagte hat ein Gesetz angewandt, von dessen Gültigkeit sie zum damaligen Zeitpunkt ausgehen durfte. Ob ein Verschulden in Betracht käme, wenn die Unanwendbarkeit der Regelung offensichtlich gewesen wäre, bedarf hier keiner Entscheidung. Gegen die Annahme solcher Offensichtlichkeit spricht schon der Gang des vorliegenden Verfahrens (vgl. nur den Vorlagebeschluß des Senats vom 22. Juni 1993, aaO). Ebenso fehlt das Merkmal eines schweren Eingriffs. Die Beklagte wollte sich gesetzestreu verhalten. Anlaß und Beweggründe ihres Handelns waren nicht zu beanstanden. Eine schwerwiegende Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Klägers kann danach nicht angenommen werden.
Eine andere Anspruchsgrundlage ist nicht gegeben. § 611 a BGB in der zum hier maßgeblichen Zeitpunkt (1991) geltenden Fassung sah keinen allgemeinen Entschädigungsanspruch vor. Ein solcher ist erst durch die zum 1. September 1994 in Kraft getretene Neufassung in das Gesetz eingefügt worden. Auch in seiner Neufassung setzt § 611 a BGB Verschulden voraus. Es erscheint zwar zweifelhaft, ob diese Einschränkung mit dem Recht der Europäischen Gemeinschaft vereinbar ist, oder ob dieses nicht vielmehr eine verschuldensunabhängige Sanktion verlangt (vgl. EuGH Urteil vom 8. November 1990 – Rs C-177/88 – Dekker – NZA 1991, 171; ebenso Vorlagebeschluß des Arbeitsgerichts Hamburg vom 22. Mai 1995 – 21 Ca 74/95 – EzA § 611 a BGB Nr. 10). Dies ändert aber nichts daran, daß es zum Zeitpunkt der hier zu beurteilenden Diskriminierung an einer gesetzlichen Grundlage fehlte, die diesen Anforderungen genügen könnte. Eine gemeinschaftsrechtskonforme Auslegung der §§ 823 Abs. 1, 847 BGB, wonach in Fällen der Diskriminierung auf ein Verschulden zu verzichten wäre, ist nicht möglich.
D. Die Kosten des Rechtsstreits sind von den Parteien anteilig zu tragen, da beide teils obsiegt haben, teils unterlegen sind (§§ 92, 97 ZPO). Die Kosten der Nebenintervention sind vom Kläger und der Streitverkündeten entsprechend anteilig zu tragen (§ 101 ZPO). Dabei hat der Senat eine jeweils hälftige Kostentragung für angemessen erachtet.
Unterschriften
Dieterich, Wißmann, Rost, K. Feucht, Rose
Fundstellen
BAGE, 211 |
NVwZ 1996, 1247 |
NZA 1996, 751 |