Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung wegen Betriebsstillegung: Notwendigkeit eines wirksamen Gesellschafterbeschlusses?. Vertretungsmacht des Kündigenden. Kündigung. Parallele zu BAG 5. April 2001 – 2 AZR 696/99 – zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen
Orientierungssatz
Ist auf Grund konkreter Anhaltspunkte im Kündigungszeitpunkt damit zu rechnen, daß die Betriebsstillegung bis zum Ablauf der Kündigungsfrist tatsächlich vollzogen sein wird, so ist die mit der beabsichtigten Betriebsstillegung begründete Kündigung des Arbeitsverhältnisses nicht deshalb sozial ungerechtfertigt, weil die unternehmerische Entscheidung zur Betriebsstillegung an gesellschaftsrechtlichen Mängeln leidet (hier: Alleinentscheidung des nur gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer vertretungsbefugten Geschäftsführers der Alleingesellschafterin).
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 2; GmbHG § 48 f.; HGB § 9 Abs. 3
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 18.10.1999; Aktenzeichen 18 (6) Sa 378/99) |
ArbG Düsseldorf (Urteil vom 26.01.1999; Aktenzeichen 5 Ca 6327/98) |
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 18. Oktober 1999 – 18 (6) Sa 378/99 – wird auf Kosten der Klägerin zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über eine betriebsbedingte Kündigung.
Die am 19. April 1946 geborene Klägerin war seit dem 1. Juni 1981 bei der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin bzw. deren Rechtsvorgängerin als Sekretärin der Geschäftsführung mit Schwerpunkt Rechnungswesen beschäftigt. Die Gemeinschuldnerin erbrachte Dienstleistungen auf dem Gebiet der Organisation, Datenerfassung, Datenverarbeitung und Datenverwaltung. Im Betrieb der Gemeinschuldnerin arbeiteten regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen.
Aus dem Handelsregister ergibt sich, daß gemäß Eintragung vom 9. September 1998 Herr G.… zum einzelvertretungsberechtigten Geschäftsführer der ehemaligen Beklagten unter Befreiung von den Beschränkungen des § 181 BGB bestellt war und gemäß Eintragung vom 12. Januar 1999 die Gesellschaft aufgelöst ist, H.… und G.… nicht mehr Geschäftsführer sind und Herr W.… zum Liquidator bestellt ist.
Alleingesellschafterin der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin ist die V.… Deutschland GmbH. Aus dem Handelsregister ergeben sich für diese gemäß Eintragung vom 23. September 1998 die Herren G.… und F.… als Geschäftsführer. Die Eintragung beruhte auf einem Gesellschafterbeschluß ihrer Alleingesellschafterin, der V.… N.…V.…, C.…, vom 15. Januar 1998. Nach dem Gesellschafterbeschluß wurden die Herren G.… und F.… mit dem Recht bestellt, die GmbH gemeinsam mit einem weiteren Geschäftsführer oder Prokuristen zu vertreten. Durch Gesellschafterbeschluß der V.… N.…V.…, C.…, vom 9. November 1998 wurde die Bestellung von Herrn F.… zum Geschäftsführer der V.… Deutschland GmbH mit sofortiger Wirkung widerrufen und Herr W.… mit sofortiger Wirkung zum weiteren Geschäftsführer bestellt.
Die ehemalige Beklagte hat ein Protokoll “Minutes of the Board of the Director's Meeting” der V.… Europe Holding BV vom 14. August 1998 (Teilnehmer: W.…, K.… und G.…) vorgelegt, nach dem Übereinstimmung bestand, daß die Auflösung (“closure”) der ehemaligen Beklagten nicht später als zum 31. Oktober 1998 stattfinden würde und Herr G.… zum alleinvertretungsberechtigten “Managing Director” der ehemaligen Beklagten und jetzigen Gemeinschuldnerin bestellt wird.
Die Klägerin hat den Entwurf eines Schreibens des Herrn G.… vom 27. August 1998 an Geschäftsführer und Anteilseigner der ehemaligen Beklagten vorgelegt, in dem es heißt:
“I…, G.… hereby resign as Geschäftsführer of V.… G.… GmbH located in offices at St., D.… R.…, Germany. This resignation ist effective immediately.”
Mit Schreiben vom 23. September 1998 kündigte die ehemalige Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. März 1999. Das Kündigungsschreiben ist von den Herren G.… und W.… unterzeichnet. Es wurde der Klägerin am 23. September 1998 übergeben. Mit Schreiben vom 28. September 1998 erklärte die Klägerin, sie rüge die Vertretungsberechtigung der Unterzeichner des Schreibens vom 23. September 1998, die dort ausgesprochene Kündigung für die V.… G.… zu erklären.
Die ehemalige Beklagte kündigte auch die Arbeitsverhältnisse anderer Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen. Ein Teil von ihnen kündigte selbst und wechselte zur I.… Deutschland OHG. Mit Schreiben vom 25. September 1998 kündigte die ehemalige Beklagte ferner den Mietvertrag über die von ihr angemieteten Räumlichkeiten. Das Kerngeschäft VA. wird nunmehr von einer holländischen Schwestergesellschaft erledigt. Die Arbeitsbereiche B.… und L.… wurden einer englischen Schwestergesellschaft übertragen.
Mit einem am 5. Oktober 1998 beim Arbeitsgericht eingegangenen Schriftsatz hat sich die Klägerin gegen die Kündigung ihres Arbeitsverhältnisses gewandt. Sie hat vorgetragen, Herr G.… habe sein Schreiben vom 27. August 1998 unterzeichnet, an die ehemalige Beklagte abgesandt, und es sei dieser auch zugegangen. Für die streitige Kündigung habe Herr G.… deshalb die ehemalige Beklagte nicht wirksam vertreten können. Im Anschluß an Plander (NZA 1999, 505 ff.) hat die Klägerin die Auffassung vertreten, die Kündigung sei unwirksam, weil die ehemalige Beklagte die Stillegung ihres Betriebes nicht durch die hierfür zuständige Gesellschafterversammlung beschlossen habe. Da Herr G.… die Alleingesellschafterin der ehemaligen Beklagten nicht allein habe vertreten können, habe er auch nicht allein über die Betriebsschließung entscheiden können. Tatsächlich existiere kein Stillegungsbeschluß. Falls überhaupt eine Stillegungsentscheidung der ehemaligen Beklagten vorliege, sei diese jedenfalls willkürlich. Auch könne sie, die Klägerin, in einem anderen Konzernunternehmen als “Office Managerin” weiterbeschäftigt werden.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis durch die Kündigung vom 23. September 1998 mit Ablauf des 31. März 1999 nicht aufgelöst ist.
Die ehemalige Beklagte und jetzige Gemeinschuldnerin hat zu ihrem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die V.… Deutschland GmbH habe in einer Gesellschafterversammlung vom 22. September 1998 durch Herrn G.… beschlossen, daß die Beklagte mit Ablauf des 31. Dezember 1998 aufgelöst wird, die Betriebe in R.… und Ba.… zum 31. Oktober 1998 endgültig stillgelegt werden, Herr G.… und Herr H.… mit Ablauf des 31. Dezember 1998 nicht mehr Geschäftsführer sind und Herr W.… zum alleinigen Liquidator bestellt wird. Im übrigen komme es auf einen wirksamen Gesellschafterbeschluß über die Betriebsstillegung nicht an. Die Entscheidung zur Betriebsstillegung sei auch nicht willkürlich und habe die streitige Kündigung sozial gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb erfolglos, das Landesarbeitsgericht hat jedoch die Revision zugelassen.
Nach Zustellung des Urteils des Berufungsgerichts am 24. November 1999 wurde am 3. Dezember 1999 über das Vermögen der ehemaligen Beklagten das Insolvenzverfahren eröffnet und Rechtsanwalt Dr. A.… zum Insolvenzverwalter bestellt.
Die Klägerin hat das Verfahren gegen den Insolvenzverwalter aufgenommen und verfolgt mit der Revision ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat die streitige Kündigung im Ergebnis mit Recht für sozial gerechtfertigt erachtet (§ 1 Abs. 2 Satz 1 KSchG).
Unterschriften
Rost, Bröhl, Fischermeier, Fischer, Rosendahl
Fundstellen
Haufe-Index 901889 |
SAE 2002, 73 |