Entscheidungsstichwort (Thema)
Sonderurlaub bei langer Betriebszugehörigkeit
Orientierungssatz
Parallelsache zu BAG Urteil vom 5.9.1985 6 AZR 216/81.
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 03.11.1980; Aktenzeichen 11 Sa 307/80) |
ArbG Offenbach am Main (Entscheidung vom 04.01.1980; Aktenzeichen 4 Ca 155/79) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Gewährung von zusätzlichem Urlaub für die Jahre 1978 und 1979.
Die Klägerin ist seit dem Jahre 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Am 22. Mai 1969 richtete die Beklagte folgendes Rundschreiben an die Belegschaft:
"....
Zusätzlich, und über die gesetzlichen Bestimmun-
gen hinaus, gewähren wir nach einer Betriebszuge-
hörigkeit von 5, 10, 15 Jahren usw. je einen wei-
teren Urlaubstag.
Durch die erneut angehobenen Sozialaufwendungen,
die eine freiwillige Leistung unserer Firma dar-
stellen, soll Ihr erfolgreicher Einsatz Anerken-
nung finden, und wir dürfen gleichzeitig auch wei-
terhin um Ihre tatkräftige Mitarbeit bitten."
Am 13. April 1973, bevor sie mit Wirkung vom 1. Mai 1973 dem Arbeitgeberverband Chemie beitrat, richtete die Beklagte ein weiteres Rundschreiben an die Arbeitnehmer mit folgendem Wortlaut:
"Neue Urlaubs- und Urlaubsgeldregelung
-------------------------------------
Liebe Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter,
wir freuen uns, Ihnen mitteilen zu können, daß Sie
im Zuge einer weiteren freiwilligen Steigerung der
sozialen Aufwendungen unseres Hauses, ab dem lau-
fenden Jahr 1973 eine Urlaubsverlängerung und eine
Erhöhung des Urlaubsgeldes erhalten.
I. Urlaubsdauer
----------------
1.) Der Grundurlaub beträgt für
das Urlaubsjahr 1973 19 Urlaubstage
Die Urlaubsdauer erhöht sich
nach Vollendung des 25. Le-
bensjahres auf 20 Urlaubstage
nach Vollendung des 30. Le-
bensjahres auf 21 Urlaubstage
nach Vollendung des 35. Le-
bensjahres auf 23 Urlaubstage
nach Vollendung des 40. Le-
bensjahres auf 24 Urlaubstage
Mitarbeiter mit 25jähriger Betriebszugehörigkeit
erhalten nach Vollendung des 45. Lebensjahres 25
Urlaubstage.
2.) Für die Berechnung der Urlaubsdauer ist das
Lebensalter maßgebend, das im Urlaubsjahr
vollendet wird.
Samstage werden nicht als Urlaubstage gerech-
net.
3.) Amtlich anerkannte Schwerbeschädigte erhalten
den gesetzlichen Zusatzurlaub von 6 Urlaubs-
tagen.
II. Treueurlaub
---------------
Zusätzlich, und über die vorstehende Regelung
hinaus, gewähren wir auch weiterhin freiwil-
lig nach einer Betriebszugehörigkeit von 5, 10,
15 Jahren usw. je einen weiteren Urlaubstag.
III. Zusätzliches Urlaubsgeld
-----------------------------
..."
Bei der durch den Manteltarifvertrag vom 22. Februar 1973 für das Urlaubsjahr 1974 vorgesehenen Erhöhung der altersmäßig gestaffelten Urlaubsansprüche rechnete die Beklagte die Erhöhung des Tarifurlaubs nicht auf den vertraglichen Urlaub an. Als die Tarifvertragsparteien am 21. April 1978 durch eine Änderung des Manteltarifvertrages eine weitere Erhöhung des altersgestuften Tarifurlaubes um zwei Tage vereinbart hatten, richtete die Beklagte am 18. Mai 1978 an sämtliche Mitarbeiter folgendes Rundschreiben:
"Honorierung der Betriebstreue
-----------------------------
Liebe Mitarbeiterinnen,
lieber Mitarbeiter,
langjährige Betriebszugehörigkeit belohnen wir
seit Jahren. Neben einer einmaligen Treueprämie
wurde vor fast 10 Jahren ein Zusatzurlaub einge-
führt. Damals war der Tarifurlaub noch wesent-
lich niederiger als heute.
Inzwischen hat der Tarifurlaub deutlich zugenommen.
Seit dem Tarifabschluß im April z.B. um weitere 2
Tage, mit denen niemand gerechnet hat und die bei
Ihrer Urlaubsplanung deswegen auch noch nicht be-
rücksichtigt wurden.
Wir halten es deshalb für zeitgemäßer, die Be-
triebszugehörigkeit mindestens teilweise durch
ein freiwilliges Treueurlaubsgeld zu honorieren.
Damit können Sie sich kleine Zusatzwünsche im Ur-
laub erfüllen und genießen Ihren Urlaub - hof-
fentlich - noch etwas besser als bisher.
.....
Ab dem laufenden Urlaubsjahr wollen wir in Abän-
derung der bisherigen Regelung neben der einmaligen
Treueprämie nunmehr Treue-Urlaub bzw. zusätzliches
Treue-Urlaubsgeld wie folgt gewähren:
ab 5 Jahren Betriebszugehörigkeit DM 100,--
ab 10 Jahren Betriebszugehörigkeit DM 100,--
und 1 Tag Urlaub
ab 15 Jahren Betriebszugehörigkeit DM 100,--
und 2 Tage Urlaub
u.s.w.
Damit erhalten alle Mitarbeiter mehr Urlaub als bis-
her. Über die Hälfte aller Mitarbeiter erhält darü-
ber hinaus ein zusätzliches Urlaubsgeld.
Diese Regelung erfolgt freiwillig. Wir müssen uns vor-
behalten, auch diese Form der Honorierung von Betriebs-
treue gegenüber gesetzlichen bzw. tariflichen Neurege-
lungen aufzurechnen bzw. anzupassen und umzuwandeln."
Die Klägerin widersprach gemeinsam mit anderen Arbeitnehmern dem Inhalt dieses Schreibens und forderte die Beklagte auf, den Urlaub zu gewähren. In den Jahren 1978 und 1979 gewährte die Beklagte entsprechend der Ankündigung in ihrem Schreiben vom 18. Mai 1978 zusätzlich je 100,-- DM Treueurlaubsgeld.
Mit der am 4. April 1979 eingereichten Klage hat die Klägerin aufgrund ihrer mehr als fünfjährigen Betriebszugehörigkeit für die Jahre 1978 und 1979 je einen weiteren Tag Urlaub geltend gemacht und entsprechende Anträge gestellt.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihr Klageabweisungsbegehren weiter. Die Klägerin bittet, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
I. Zu Unrecht nimmt die Revision an, das Landesarbeitsgericht habe den vorliegenden Rechtsstreit ohne weiteres zugunsten der Beklagten entscheiden müssen, weil die Klägerin nicht binnen einem Monat nach Zustellung der Berufungsbegründung darauf erwidert und damit gegen § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG verstoßen habe.
Die Ansicht der Revision, aus Gründen der Gleichbehandlung der Prozeßparteien müsse die Nichteinhaltung der Berufungserwiderungsfrist ebenso geahndet werden wie die Nichteinhaltung der Berufungsbegründungsfrist, findet im Gesetz keine Stütze. Eine solche Beschränkung des Rechts zur Prozeßführung hätte schon deshalb, weil sie im Rechtsmittelrecht außergewöhnlich wäre, ausdrücklich im Gesetz normiert werden müssen. § 66 Abs. 1 Satz 2 ArbGG ist durch die Beschleunigungsnovelle 1979 eingeführt worden, weil es als unbefriedigend angesehen wurde, daß hinsichtlich des Vorbringens neuer Tatsachen und neuer Beweismittel nicht die Möglichkeit der Fristsetzung entsprechend der Regelung in § 520 Abs. 2 ZP0 bestand (Regierungsentwurf BT-Drucks. 8/1567, S. 34 zu Nr. 44; Dütz, RdA 1980, 81, 93; Wlotzke/-Schwedes/Lorenz, Das neue Arbeitsgerichtsgesetz 1979, § 66 Rz 1). Gegenüber der zivilprozessualen Möglichkeit der Fristsetzung wurde deshalb eine Verschärfung in Form einer g e s e t z l i c h e n Ausschlußfrist in das Arbeitsgerichtsgesetz aufgenommen, nämlich ein zeitlich befristetes Berufungserwiderungsrecht. Die verspätete Berufungserwiderung hat zwar zur Folge, daß der Berufungsbeklagte bei Fristsäumnis mit neuen Angriffs- und Verteidigungsmitteln gemäß § 67 ArbGG ausgeschlossen ist Wlotzke/Schwedes/Lorenz, aaO, § 66 Rz 1; Mainzer Kommentar, Die Beschleunigungsnovelle zum ArbGG, § 66 Rz 3; Grunsky, ArbGG, 4. Aufl., § 66 Rz 7; Rohlfing/Rewolle, ArbGG, Ergänzungslieferung Nr. 10, Juli 1985, § 66 Anm. I 3; Dütz, aa0; Wenzel in Anm. zu EzA § 296 ZP0 Nr. 1). Das Landesarbeitsgericht hat hier aber festgestellt, daß ein etwaiger neuer Vortrag in der Berufungserwiderung nicht entscheidungserheblich ist, so daß es auf die in § 67 ArbGG geregelte Rechtsfolge nicht ankommt.
II. Die Revision ist unbegründet, soweit sie sich gegen das Bestehen des Urlaubsanspruchs der Klägerin für das Jahr 1979 in Höhe von zwei Tagen wendet.
1. Mit dem Landesarbeitsgericht ist davon auszugehen, daß die Beklagte mit ihren Rundschreiben vom Mai 1969 und April 1973 über den gesetzlichen bzw. den tariflichen Urlaub hinaus einen weiteren Urlaubsanspruch für diejenigen Arbeitnehmer begründet hat, die mindestens fünf Jahre dem Betrieb angehören. Diese erhalten für je fünf Jahre Betriebszugehörigkeit einen weiteren Urlaubstag.
Gegen einen solchen vertraglichen Anspruch spricht nicht der Wortlaut des Schreibens vom 22. Mai 1969, daß es sich um "eine freiwillige Leistung" der Beklagten handelt. Damit ist nicht der Ausschluß eines Rechtsanspruches gewollt. Die Beklagte hat nämlich in diesem Schreiben weiter ausgeführt, daß damit "Ihr erfolgreicher Einsatz Anerkennung finden soll und wir dürfen gleichzeitig auch weiterhin um Ihre tatkräftige Mitarbeit bitten".
Die Beklagte hat somit durch diese Regelung einen Anreiz für ihre Arbeitnehmer geschaffen, im Betrieb zu bleiben und nicht den Arbeitgeber zu wechseln. Sie hat die Vergünstigung objektiv zielgerichtet eingesetzt, um sich einen Stamm langjährig beschäftigter Arbeitnehmer zu erhalten. Anders kann eine Regelung nicht verstanden werden, die als Anspruchsvoraussetzung eines jährlich wiederkehrenden Zusatzurlaubs eine langjährige Betriebstreue von 5, 10, 15 und mehr Jahren voraussetzt und mit steigender Betriebszugehörigkeit alle fünf Jahre einen weiteren Urlaubstag verspricht. Bei dieser Honorierung der Betriebstreue in Form eines ausdrücklich so benannten "Treueurlaubs" hat sich der Arbeitgeber nicht vorbehalten, alljährlich neu darüber zu entscheiden, ob er einen solchen Urlaub gewähren will, nachdem der Arbeitnehmer die Voraussetzungen der Betriebszugehörigkeit erfüllt hat (vgl. BAG Urteil vom 10. November 1977 - 3 AZR 705/76 - AP Nr. 8 zu § 242 BGB Ruhegehalt Unterstützungskassen; BAG 32, 56, 61 = AP Nr. 9 zu § 242 BGB Ruhegehalt Unterstützungskassen). Die Beklagte hat daher mit Verpflichtungswillen gehandelt. Diese Erklärung ist auch stillschweigend von den begünstigten Arbeitnehmern angenommen worden, die wie die Klägerin in der Folgezeit bei Erreichen der jeweiligen Betriebszugehörigkeitsstufe von 5, 10, 15 usw. Jahren die Vergünstigung alljährlich in Anspruch genommen haben.
2. Ausgehend von der konkreten Ausgestaltung des Arbeitsvertrages hat das Landesarbeitsgericht im Ergebnis zu Recht eine "Aufsaugung" der zusätzlichen vertraglichen Urlaubstage durch den erhöhten tariflichen Urlaub gemäß § 12 II des Manteltarifvertrages für die gewerblichen Arbeitnehmer der chemischen Industrie im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 21. April 1978 bzw. 24. März 1979 (MTV) verneint.
a) Weder der MTV noch der Arbeitsvertrag enthält eine ausdrückliche Verrechnungsklausel derart, daß durch die Erhöhung des tariflichen Urlaubs der vertraglich vereinbarte weitere Urlaub ohne weiteres "aufgesogen" wird. Vielmehr ist im Gegenteil die Gewährung dieses Urlaubs zusätzlich zum jeweiligen tariflichen Jahresurlaub wegen der langjährigen tatsächlichen Gewährung trotz mehrmaliger Erhöhung des tariflichen Urlaubs zum Inhalt des Arbeitsvertrags geworden. Eine durch hypothetischen Parteiwillen zu füllende Vertragslücke ist nicht vorhanden. Deshalb sind die von der Revision angezogenen Urteile des Bundesarbeitsgerichts vom 5. November 1964 - 5 AZR 504/63 - (BAG 16, 293 = AP Nr. 1 zu § 3 BUrlG) und - 5 AZR 227/64 - (AP Nr. 2 zu § 3 BUrlG) auch nicht einschlägig. Dort schließt das Bundesarbeitsgericht nämlich eine Aufstockung des gesetzlichen Urlaubs um den Zusatzurlaub aus, weil nicht mit hinreichender Gewißheit zu ermitteln war, was die Tarifvertragsparteien vereinbart hätten, wenn ihnen die Teilnichtigkeit des Tarifvertrages bekannt gewesen wäre.
b) Der Anspruch auf den vertraglichen Zusatzurlaub neben dem Anspruch auf Tarifurlaub im Jahre 1979 ist weder einvernehmlich noch einseitig durch die Ausübung eines Widerrufsrechts durch die Beklagte beseitigt worden.
aa) Das an alle Mitarbeiter gerichtete Schreiben der Beklagten vom 18. Mai 1978 enthält möglicherweise das Angebot der Beklagten, unter Wegfall eines Urlaubstages für die jeweilige Stufe der Betriebszugehörigkeit ersatzweise ein "Treueurlaubsgeld" von 100,-- DM zu zahlen. Die Klägerin hat zusammen mit anderen Arbeitnehmern in einer gemeinsamen Unterschriftenaktion widersprochen und den vollen vertraglichen Urlaub verlangt. Zwar hat die Klägerin das Treueurlaubsgeld entgegengenommen. Daraus kann aber wegen des vorangegangenen Widerspruchs nicht geschlossen werden, daß die Klägerin mit der beabsichtigten Änderung einverstanden gewesen ist.
bb) Der Urlaubsanspruch der Klägerin für 1979 ist auch dann begründet, wenn die Beklagte mit dem Schreiben vom 18. Mai 1978 ihre Zusage widerrufen wollte. Es kann dahingestellt bleiben, ob und unter welchen Voraussetzungen ein solcher Widerruf überhaupt möglich wäre, insbesondere, ob es nicht angesichts des vertraglichen Charakters des Urlaubsanspruchs einer Änderungskündigung bedurft hätte. Denn der Widerruf verstößt jedenfalls gegen § 18 Nr. 2 MTV.
Mit Schreiben vom 18. Mai 1978 hat die Beklagte gegenüber ihren Mitarbeitern zum Ausdruck gebracht, daß sie es wegen des zwischenzeitlich wesentlich erhöhten Tarifurlaubs "für zeitgemäßer" halte, "die Betriebszugehörigkeit mindestens teilweise durch ein freiwilliges Treueurlaubsgeld zu honorieren". Der Grund für die angestrebte Änderung war demnach die Erhöhung des Tarifurlaubs durch den unmittelbar zuvor am 21. April 1978 abgeschlossenen neuen MTV, der gegenüber den für die Jahre 1974 bis 1977 geltenden Bestimmungen des MTV vom 22. Februar 1973 eine Erhöhung des Tarifurlaubs um zwei Tage vorsah.
Diese mit der Erhöhung des tariflichen Urlaubs motivierte Ausübung des Widerrufsrechts verstößt gegen die Besitzstandsklausel des § 18 Nr. 2 MTV vom 24. März 1979. Danach dürfen bestehende günstigere betriebliche und einzelvertragliche Regelungen der allgemeinen Arbeitsbedingungen aus Anlaß des Inkrafttretens des Manteltarifvertrages nicht geändert werden. Eine derartige Klausel enthält inhaltlich eine tariflich geregelte Einschränkung u. U. dem Arbeitgeber arbeitsvertraglich zustehenden Gestaltungsrechts in der Weise, daß die Kürzung von Leistungen unzulässig ist, wenn der Widerruf allein deshalb erfolgt, um die nach dem Inhalt des Arbeitsvertrags nicht vorgesehene "Aufsaugung" von günstigeren betrieblichen Leistungen durchzusetzen. Dem Arbeitgeber bleibt aber unbenommen, das Widerrufsrecht aus anderen sachlichen Gründen auszuüben (vgl. Hueck/Nipperdey, Lehrbuch des Arbeitsrechts, Band II, 1. Halbband, 7. Aufl., § 30 VIII 2; Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 4 Rz 270; Söllner, Grundriß des Arbeitsrechts, 8. Aufl., § 15 V 1 b; Hagemeier/Kempen/Zachert/Zilius, TVG, § 4 Rz 187).
Eine so verstandene Besitzstandsklausel ist auch tarifrechtlich zulässig. Nicht überzeugend ist die Ansicht (Nikisch, Arbeitsrecht, 2. Aufl., § 69 Anm. IV 1), die Tarifvertragsparteien hätten keine Macht, in dieser Weise in die Vertragsfreiheit der Arbeitsvertragsparteien einzugreifen, weil ihre Aufgabe auf die Festsetzung der Mindestarbeitsbedingungen durch § 4 TVG beschränkt sei. Es handelt sich hier weder um eine negative, noch um eine begrenzte Effektivklausel. Die "Aufsaugung" wird vielmehr zunächst dadurch verhindert, daß der vertragliche Zusatzurlaub zunächst als selbständige, nur an die Dauer der Betriebszugehörigkeit anknüpfende, außertarifliche Leistung neben dem tariflichen Urlaubsanspruch vereinbart ist und somit keiner tariflichen Absicherung wie ein übertariflicher Lohnbestandteil bedarf. Die vorliegende Klausel schränkt lediglich den materiellen Gestaltungsrahmen des Arbeitgebers anläßlich des Inkrafttretens des neuen MTV ein. Derartige Einschränkungen der Privatautonomie durch die Tarifvertragsparteien sind durchaus üblich, wie das Beispiel der tariflich geregelten Kündigungs- und Ausschlußfristen zeigt. Es wäre unverständlich, wenn die Tarifvertragsparteien die Macht besäßen, die Ausübung von Gestaltungsrechten an bestimmte Fristen zu knüpfen, nicht jedoch in der Lage wären, einen bestimmten Anlaß für die materiell-rechtliche Ausübung eines Gestaltungsrechtes abzubedingen.
3. Der Klägerin steht somit der für 1979 begehrte restliche Treueurlaub von einem Tag zu.
a) Zu Unrecht meint die Revision, die Vertragsänderung vom 20. Dezember 1978 sei ein negatives Schuldanerkenntnis. Für ein negatives Schuldanerkenntnis wäre ein unzweideutiges Verhalten, das vom Erklärungsgegner als Aufgabe des Rechts verstanden werden muß, erforderlich, da ein Rechtsverzicht nicht zu vermuten ist (allgemeine Ansicht: RGZ 118, 63, 66; BGH Urteil vom 20. Mai 1981,- 6 b ZR 570/80 -, FamRZ 1981, 763; von Feldmann, MünchKomm- BGB, § 397 Rz 2; RGRK BGB, 12. Aufl., § 397 Rz 28; Heinrichs/Palandt, 43. Aufl., § 397 Rz 2). Anhaltspunkte für einen triftigen Grund, der einen Verzicht der Klägerin nach sich ziehen könnte, sind nicht erkennbar. Allein das Nichtgeltendmachen eines Anspruches berechtigt noch nicht zur Vermutung, daß ein Verzicht beabsichtigt ist.
b) Der Abschluß der Vertragsänderung vom 20. Dezember 1978 hat für das Jahr 1979 auch nicht den Wegfall des vertraglichen Urlaubs bewirkt. Die vertragliche Klausel beinhaltet einen Widerrufsvorbehalt. Die Beklagte hat aber das vorbehaltene Widerrufsrecht nach der Unterzeichnung der Vertragsänderung nicht erneut ausgeübt.
c) Durch die Zustellung der am 4. April 1979 bei Gericht eingegangenen Klageschrift ist der Urlaubsanspruch gegenüber der Beklagten rechtzeitig im Urlaubsjahr geltend gemacht worden.
III. Die Revision ist jedoch insoweit begründet, als die Klägerin für das Jahr 1978 drei Tage Treueurlaub begehrt.
Bei dem vertraglichen Urlaubsanspruch handelt es sich wie bei einem Urlaubsanspruch nach dem BUrlG oder tarifvertraglichen Bestimmungen um einen Freistellungsanspruch, der jeweils für das Urlaubsjahr entsteht. Dann muß dieser Urlaubsanspruch vom Arbeitnehmer auch innerhalb des jeweiligen Urlaubsjahres geltend gemacht werden. Geschieht dies nicht, erlischt er mit Ablauf des Urlaubsjahres. Geltendmachung bedeutet damit, daß der Arbeitnehmer gegenüber dem Arbeitgeber eine konkrete Leistung, nämlich die Gewährung des Urlaubs für ein bestimmtes Urlaubsjahr, verlangt (BAG 22, 85, 87 ff. = AP Nr. 1 zu § 7 BUrlG; BAG 37, 379, 381 = AP Nr. 3 zu § 44 SchwbG).
Ein derartiges Verlangen hat die Klägerin für das Urlaubsjahr 1978 nicht dargetan. Die Klägerin hat lediglich vorgetragen, sie habe schriftlich und mündlich den Arbeitgeber aufgefordert, den Urlaub im gleichen Umfang zu gewähren, wie vor dem Rundschreiben vom 18. Mai 1978. Aus diesem Sachvortrag ist jedoch nicht mit hinreichender Deutlichkeit zu entnehmen, ob diese Erklärung der Klägerin lediglich die Rechtsauffassung enthält, daß der Urlaub in gleicher Höhe weiterzugewähren ist wie in den Jahren zuvor, oder ob die Klägerin konkret die Erteilung dieses Urlaubs für das Urlaubsjahr 1978 verlangt hat. Dies geht zu Lasten der darlegungspflichtigen Klägerin, weil ihr Prozeßvertreter in der Revisionsinstanz trotz Hinweises durch den Senat keine Aufklärungsrüge gemäß § 139 ZPO erhoben hat.
Damit ist davon auszugehen, daß der Urlaubsanspruch für das Urlaubsjahr 1978 nicht geltend gemacht worden ist, so daß der Anspruch mit Ablauf des Urlaubsjahres am 31. Dezember 1978 erloschen war.
Dr. Auffarth Dr. Jobs Dr. Leinemann
Dr. Walz Möller-Lücking
Fundstellen