Entscheidungsstichwort (Thema)

Überbrückungsbeihilfe

 

Leitsatz (redaktionell)

Ist ein Arbeitnehmer aus den Diensten der Alliierten Streitkräfte wegen Auflösung einer Dienststelle entlassen worden, so kann er Überbrückungsbeihilfe in Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit und der Bemessungsgrundlage seines Gehaltes verlangen. Wird sein Anspruch auf Arbeitslosenhilfe wegen bestehender Unterhaltsansprüche gekürzt, so ist bei der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe gleichwohl von dem ungekürzten Betrag auszugehen.

 

Normenkette

AFG §§ 134, 137-138

 

Verfahrensgang

LAG Baden-Württemberg (Urteil vom 08.11.1989; Aktenzeichen 3 Sa 81/89)

ArbG Reutlingen (Urteil vom 29.06.1989; Aktenzeichen 1 Ca 85/89)

 

Tenor

1. Auf die Revision der beklagten Bundesrepublik Deutschland wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 8. November 1989 – 3 Sa 81/89 – aufgehoben.

2. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Reutlingen vom 29. Juni 1989 – 1 Ca 85/89 – wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, in welcher Höhe vom Kläger bezogene Arbeitslosenhilfe auf die Überbrückungsbeihilfe nach dem Tarifvertrag zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 31. August 1971 (SozTV) anzurechnen ist.

Der am 14. Dezember 1929 geborene Kläger war von August 1964 bis 30. September 1985 als ziviler Wachmann bei den französischen Streitkräften in der Bundesrepublik Deutschland beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis fand der Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1966 (TVAL II Frz) und der SozTV Anwendung. Das Arbeitsverhältnis endete am 30. September 1985 wegen Personaleinschränkung infolge Auflösung einer Dienststelle der französischen Armee (§ 2 Ziff. 1 SozTV).

Da der Kläger arbeitslos wurde, bezog er seit dem 1. Februar 1986 nach § 4 SozTV Überbrückungsbeihilfe, die für die Dauer des Bezuges von Arbeitslosengeld zuletzt 90 % der Differenz zwischen der unstreitigen Bemessungsgrundlage (§ 4 Ziff. 3 b SozTV) und dem ausgezahlten Arbeitslosengeld betrug. Seit dem 1. September 1988 erhält der Kläger nur noch Arbeitslosenhilfe. Diese wurde von dem Arbeitsamt im Zeitraum bis zum 31. Dezember 1988 mit 272,40 DM wöchentlich berechnet. Gleichzeitig wurde jedoch von der Bundesanstalt für Arbeit gemäß §§ 137, 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG Einkommen der Ehefrau des Klägers mit wöchentlich 222,08 DM angerechnet. Der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe wurde nicht die Differenz zwischen der tatsächlich ausgezahlten Arbeitslosenhilfe in Höhe von 81,12 DM monatlich zugrunde gelegt, sondern der ungekürzte Betrag der Arbeitslosenhilfe in Höhe von 272,40 DM wöchentlich.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe sei allein die tatsächlich ausgezahlte Arbeitslosenhilfe zugrunde zu legen. Die Berücksichtigung des Einkommens seiner Ehefrau bei der Berechnung der Arbeitslosenhilfe nach § 138 Abs. 1 Nr. 2 AFG sei durch eine entsprechende Erhöhung der Überbrückungsbeihilfe auszugleichen.

Er hat zuletzt beantragt

  1. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger ab 1. September 1988 gemäß den Bestimmungen des Tarifvertrages vom 31. August 1971 zur sozialen Sicherung der Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland eine monatliche Überbrückungsbeihilfe zu bezahlen, die 90 % des Unterschiedsbetrages zwischen der für den Kläger maßgeblichen monatlichen Nettobemessungsgrundlage und der an den Kläger vom Arbeitsamt tatsächlich bezahlten Arbeitslosenhilfe – derzeit 81,12 DM monatlich – beträgt,
  2. festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die von ihr nachzuzahlende Überbrückungsbeihilfe jeweils ab Fälligkeit der einzelnen nachzuzahlenden monatlichen Teilbeträge (§ 7 Ziff. 3 a Satz 1 TV SozSich) mit 4 % zu verzinsen.

Die beklagte Bundesrepublik hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Rechtsauffassung vertreten, der Berechnung der Überbrückungsbeihilfe sei der ungekürzte Betrag der Arbeitslosenhilfe zugrunde zu legen. Die Auffassung des Klägers führe zu nicht überbrückbaren Wertungswidersprüchen. Insbesondere sei es nicht Sinn des SozTV den Besitzstand zu sichern, sondern lediglich Hilfe bei der Überbrückung sozialer Härten zu leisten.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht dem Klageantrag zu 1) entsprochen. Über den Klageantrag zu 2) hat es nicht entschieden. Mit der Revision verfolgt die beklagte Bundesrepublik ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen mit der Maßgabe, daß der Anspruch auf den 31. Dezember 1989 begrenzt ist.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist begründet. Der Kläger hat nur Anspruch auf Überbrückungsbeihilfe unter Anrechnung der ungekürzten Arbeitslosenhilfe.

I. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt, unter Leistung im Sinne von § 4 SozTV sei ausschließlich etwas „wirklich Geschehenes” zu verstehen. Dies werde dadurch bestätigt, daß der Kläger im Verhältnis zur Bundesanstalt für Arbeit nur das zu fordern berechtigt sei, was sich in zutreffender Anwendung von § 138 Abs. 2 AFG ergebe. Darüber hinaus sei in § 4 Ziff. 2 a (1) SozTV ausdrücklich bestimmt, in welchen Fällen die Überbrückungsbeihilfe nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld zu berechnen sei. Alle dort genannten Fälle regelten nicht den Fall einer Kürzung des Arbeitslosengeldes aufgrund einer speziellen Bedürftigkeitsprüfung. Zugleich werde daran deutlich, daß es sich bei § 4 Ziff. 2 a (1) SozTV um eine abschließende Einzelaufzählung handele. Dies werde wiederum durch die Übergangsregelung in § 4 Ziff. 2 a (2) SozTV bestätigt. Denn daraus folge, daß den Tarifvertragsparteien die Möglichkeit des vollständigen Wegfalls der Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit vor Augen stand und damit auch der Fall der Kürzung wegen nur teilweiser Bedürftigkeit nach § 138 Abs. 2 AFG. Für diesen Fall hätten die Tarifvertragsparteien es aber bei dem Grundsatz belassen, daß allein die tatsächlich gewährte Leistung zu berücksichtigen sei.

Diese Ausführungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

II.1. Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht erkannt, die in der Berufungsinstanz allein verfolgte Feststellungsklage sei zulässig. Sie erstrebt die Feststellung eines zwischen den Parteien bestehenden Rechtsverhältnisses im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO (vgl. u.a. BAGE 47, 238, 245 = AP Nr. 1 zu § 4 TVG Bestimmungsrecht, zu A I der Gründe, m.w.N.).

2. Da der Kläger unstreitig am Tage seiner Entlassung dem Tarifvertrag für die Arbeitnehmer bei den Stationierungsstreitkräften im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland vom 16. Dezember 1966 (TVAL II Frz) unterfiel und auch die sonstigen Voraussetzungen des § 2 SozTV vorlagen, kann sich ein Anspruch des Klägers allein auf § 4 SozTV stützen.

3. Mach § 4 Ziff. 1 b SozTV wird Überbrückungsbeihilfe gezahlt „zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aus Anlaß von Arbeitslosigkeit oder beruflichen Bildungsmaßnahmen (Arbeitslosengeld/-hilfe, Unterhaltsgeld)”. Bemessungsgrundlage ist in diesen Fällen die um die gesetzlichen Lohnabzüge verminderte tarifvertragliche Grundvergütung nach § 16 Ziff. 1 a TVAL II für die regelmäßige Arbeitszeit im Kalendermonat im Zeitpunkt der Entlassung (§ 4 Ziff. 3 b, § 4 Ziff. 3 a (1) SozTV). Nach § 4 Ziff. 4 Satz 1 SozTV beträgt die Überbrückungsbeihilfe dann im ersten Jahr nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses 100 v.H., ab dem 2. Jahr 90 v.H. des Unterschiedsbetrages zwischen der Bemessungsgrundlage und den Leistungen nach § 4 Ziff. 1 und 2 SozTV, hier also denen der Bundesanstalt für Arbeit.

4.a) Für den Rechtsstreit entscheidend kommt es daher darauf an, ob in diese Berechnung allein die tatsächlich ausgezahlte Arbeitslosenhilfe einzusetzen ist, ohne Rücksicht darauf, ob diese ihrerseits aufgrund anderer Rechtsvorschriften, insbesondere des AFG, gekürzt worden ist.

b) Welche Faktoren der Berechnung des Unterschiedsbetrages zwischen Bemessungsgrundlage und Leistung der Bundesanstalt für Arbeit zugrunde zu legen sind, haben die Tarifvertragsparteien u.a. in § 4 Ziff. 2 a (1) und § 4 Ziff. 2 a (2) SozTV geregelt.

Danach ist die Überbrückungsbeihilfe zu den Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in den Fällen der dort aufgezählten Kürzungsvorschriften des AFG nach dem ungekürzten Arbeitslosen- bzw. Unterhaltsgeld zu berechnen. Nach § 44 Abs. 4, § 115 AFG wird das Unterhaltsgeld bzw. Arbeitslosengeld um bestimmte Anteile des von dem Bezugsberechtigten erzielten Arbeitseinkommens aus selbständiger oder unselbständiger Tätigkeit gekürzt. In den übrigen Fällen werden die Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit aufgrund von Unterhaltszahlungen an Dritte, Aufrechnung oder Bußgeldern gekürzt. Eine spezielle Bedürftigkeitsprüfung, wie in § 138 AFG für die Arbeitslosenhilfe vorgesehen, findet insoweit nicht statt.

Eine „entsprechende” Anwendung dieser Kürzungsvorschriften auf die Arbeitslosenhilfe nach der Regelung in § 4 Ziff. 2 a (1), 2. Halbsatz SozTV kann aber im Gegensatz zur Auffassung der Beklagten nicht dazu führen, weitere Fälle gesetzlich zulässiger Kürzung der Leistungen der Bundesanstalt für Arbeit in die Regelung einzubeziehen. Dies scheitert schon daran, daß die Tarifvertragsparteien die Fälle, in denen von der ungekürzten Leistung der Bundesanstalt für Arbeit auszugehen ist, im einzelnen aufgezählt haben.

c) Zwar haben die Tarifvertragsparteien den vorliegenden Fall einer Kürzung der Arbeitslosenhilfe wegen teilweisen Wegfalls der Bedürftigkeit im Sinne von § 134 Abs. 1 Nr. 3, § 138 AFG nicht ausdrücklich geregelt.

Das Landesarbeitsgericht hat jedoch nicht genügend berücksichtigt, daß nach § 4 Ziff. 2 a (2) SozTV bei völligem Wegfall der Arbeitslosenhilfe mangels Bedürftigkeit die Überbrückungshilfe nur noch für einen Übergangszeitraum in der zuletzt zum Arbeitslosengeld gezahlten Höhe weitergewährt wird. Damit haben die Tarifvertragsparteien aber unter Berücksichtigung der nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts bei der Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrags anzuwendenden Grundsätze (vgl. statt aller BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung und BAGE 46, 308, 316 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung) zum Ausdruck gebracht, auch für die Höhe der Überbrückungsbeihilfe im Zusammenhang mit dem Bezug von Arbeitslosenhilfe sei die mangelnde Bedürftigkeit des Bezugsberechtigten im Sinne von §§ 134, 138 AFG zu berücksichtigen. Mit dieser Aussage ist aber eine Anknüpfung der Überbrückungsbeihilfe an die wegen nur teilweiser Bedürftigkeit gekürzte Arbeitslosenhilfe unvereinbar und führt zu nicht erklärbaren Wertungswidersprüchen. So würde der Kläger bei völligem Wegfall der Bedürftigkeit wegen eines entsprechend hohen Einkommens seines Ehegatten übergangsweise noch eine Überbrückungsbeihilfe in Höhe von 694,20 DM monatlich erhalten. Dagegen erhielte er bei geringfügiger Bedürftigkeit und Anknüpfung an die entsprechend gekürzte Arbeitslosenhilfe eine Überbrückungsbeihilfe von 1.807,57 DM, während er bei Berücksichtigung der ungekürzten Arbeitslosenhilfe monatlich 792,48 DM erhält. Es muß daher davon ausgegangen werden, daß die Tarifvertragsparteien den Fall der teilweisen Bedürftigkeit aufgrund anderweitigen Einkommens des ehemaligen Arbeitnehmers (§§ 137, 138 AFG) nicht gesehen haben, insoweit also eine planwidrige verdeckte Regelungslücke vorliegt. Diese ist entsprechend dem Sinn und Zweck des Tarifvertrages zu schließen. Dabei ist insbesondere zu berücksichtigen, daß die Überbrückungsbeihilfe nicht dazu dient, den früheren Besitzstand auf Dauer zu sichern, und sie bei völligem Wegfall der Bedürftigkeit unter Anknüpfung an das zuvor gezahlte Arbeitslosengeld nur noch für eine Übergangszeit fortgezahlt wird. Daran zeigt sich aber, daß nur eine Anknüpfung der Überbrückungsbeihilfe an die ungekürzte Leistung von Arbeitslosenhilfe zu einem sinnvollen und von Wertungswidersprüchen freien Ergebnis führt. Dabei kann es im vorliegenden Fall dahingestellt bleiben, ob bei Kürzung der Arbeitslosenhilfe wegen teilweisen Wegfalls der Bedürftigkeit an deren ungekürzten Betrag anzuknüpfen ist oder wie bei deren völligem Wegfall an den ungekürzten Betrag des zuletzt gezahlten Arbeitslosengeldes (§ 4 Ziff. 2 a (2) SozTV). Denn die Beklagte hat die Überbrückungsbeihilfe für den Kläger nach dem ungekürzten Betrag der Arbeitslosenhilfe berechnet und dem Kläger damit mehr gezahlt, als bei Berechnung nach dem ungekürzten Arbeitslosengeld zu zahlen wäre.

5. Die hier vertretene Auslegung verstößt auch nicht deshalb gegen den Gleichheitssatz nach Art. 3 GG, weil ehemalige Arbeitnehmer mit Unterhaltsansprüchen gegen ihren Ehegatten anders behandelt werden als solche ohne derartige Unterhaltsansprüche. Denn diese unterschiedliche Behandlung beruht auf der geringeren Bedürftigkeit der ersten Gruppe und damit auf einem sachlichen Grund.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Dr. Etzel, Schneider, Dr. Koffka, Hauk

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1073787

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