Entscheidungsstichwort (Thema)

Berechnung des tariflichen Urlaubsentgelts in der Getränkeindustrie Rheinland-Pfalz

 

Normenkette

BUrlG § 11 Abs. 1

 

Verfahrensgang

LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 21.06.1990; Aktenzeichen 5 Sa 177/90)

ArbG Koblenz (Urteil vom 09.11.1989; Aktenzeichen 7 Ca 603/89)

 

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 1990 – 5 Sa 177/90 – aufgehoben.

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 9. November 1989 – 7 Ca 603/89 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung und der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Der Kläger ist seit dem 1. Oktober 1970 bei der Beklagten als Facharbeiter beschäftigt. Er erhielt 1989 ein Monatsentgelt von 2.719,– DM brutto. Kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit findet der Manteltarifvertrag für die Getränkeindustrie – außer Brauereien – in Rheinland-Pfalz vom 21. Juni 1982 (nachfolgend: MTV genannt) auf das Arbeitsverhältnis Anwendung. Zur Berechnung des Urlaubsentgelts bestimmt § 15 MTV:

㤠15

Urlaubsentgelt

  1. Soweit Monatsentgelte gezahlt werden, gilt folgende Regelung:

    1. Das laufende Monatsentgelt einschließlich tariflicher und außertariflicher Zulagen wird während des Urlaubs weitergewährt.
    2. Mehrarbeitsstunden, sonstige zuschlagspflichtige Stunden, soweit sie nicht im Monatsentgelt enthalten sind, Zuschläge und Prämien, die innerhalb des letzten Kalenderjahres anfielen, werden zusätzlich vergütet. Verdiensterhöhungen nicht nur vorübergehender Natur, die während des Berechnungszeitraumes oder des Urlaubs eintreten, werden hierbei berücksichtigt.

      Krankengeldzuschüsse, Gratifikationen, Sonderzahlungen, Reise- und Zehrgelder, Urlaubsgeld und ähnliche Leistungen bleiben außer Ansatz.

    3. Die Abgeltung der Prämien und zuschlagspflichtigen Arbeitsstunden kann in der Weise erfolgen, daß vom Gesamteinkommen des Arbeitnehmers im letzten Kalenderjahr das tarifliche Entgelt, die einmaligen Leistungen gemäß Ziffer b Absatz 2 abgezogen und der verbleibende Betrag durch 260 dividiert wird.

      Der Divisor vermindert sich entsprechend, wenn das Arbeitsverhältnis noch kein volles Kalenderjahr gedauert hat und um die Tage des Arbeitsversäumnisses, an denen kein Entgelt gezahlt wurde.

  2. Soweit nach Stundenlöhnen abgerechnet wird, errechnet sich die Urlaubsvergütung nach dem Durchschnittsverdienst des letzten Kalenderjahres unter Berücksichtigung von Entgelterhöhungen während dieses Zeitraumes.”

Die Parteien sind unterschiedlicher Meinung darüber, ob nach § 15 MTV die Vergütungen für Mehrarbeitsstunden etc., die im Vorvorjahr (1987) erbracht worden waren und sich im Vorjahr (1988) auf die Berechnung des Urlaubsentgelts ausgewirkt haben, ebenfalls als im Bezugszeitraum (1988) erhaltener Verdienst für die Berechnung des im laufenden Urlaubsjahr (1989) zu gewährenden Urlaubsentgelts zu berücksichtigen sind. Die Beklagte hat bis März 1989 die Berechnung des Urlaubsentgelts allein an der im Bezugszeitraum (1988) tatsächlich gezahlten Vergütung orientiert, legt aber ab 17. April 1989 dafür nur noch die Vergütung zugrunde, die aufgrund einer tatsächlichen Leistung im Bezugszeitraum gezahlt wurde. Aus der unterschiedlichen Berechnungsweise ergibt sich zuungunsten des Klägers für den Urlaubstag 17. April 1989 ein rechnerisch unstreitiger Differenzbetrag von 7,62 DM brutto.

Der Kläger hat die Rechtsauffassung vertreten, daß die neue Berechnungsweise der Beklagten tarifwidrig sei. Er hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an ihn 7,62 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem Nettobetrag seit Klagezustellung zu bezahlen.

Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt.

Sie hat zu bedenken gegeben, daß ohne den Abzug der aus dem Vorvorjahr herrührenden Vergütungsbestandteile einmal geleistete Überstunden sich in den darauffolgenden Jahren immer wieder lohnerhöhend auswirken würden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die zugelassene Berufung des Klägers hin hat das Landesarbeitsgericht die erstinstanzliche Entscheidung abgeändert und dem Klageantrag entsprochen. Mit der zugelassenen Revision erstrebt die Beklagte die Wiederherstellung des arbeitsgerichtlichen Urteils. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

Die zulässige Revision der Beklagten hat Erfolg. Bei zutreffender Auslegung der Berechnungsregel in § 15 MTV steht dem Kläger der mit der Klage geltend gemachte Differenzbetrag nicht zu.

1. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner gegenteiligen Entscheidung ausgeführt, § 15 Abs. 1 b MTV entspreche mit Ausnahme des Bezugszeitraums dem Regelungsgehalt des § 11 Abs. 1 BUrlG. Die Berechnungsmethode des § 11 Abs. 1 BUrlG stelle allein auf das im Referenzzeitraum erzielte Entgelt, nicht auf die Arbeitsleistung im einzelnen ab, die diesem Entgelt zugrunde liege. Dieses Ergebnis werde durch einen Umkehrschluß aus der die Überstundenvergütung des Vorvorjahres nicht nennenden Ausnahmebestimmung in § 15 Nr. 1 b 2. Abs. MTV bestätigt. Schließlich stehe für die dem Kläger günstigere Tarifauslegung die alternative Berechnungsmethode in § 15 Nr. 1 c MTV. Das Einbeziehen der erhöhten Urlaubsvergütung aus dem Bezugszeitraum des Vorjahres entspreche nämlich dem tariflich vorgesehenen Divisor 260, der bei einer Fünf-Tage-Woche sämtliche Arbeitstage eines Jahres ohne Berücksichtigung von Urlaub, Krankheits- und Feiertagen umfasse. Damit hätten die Tarifvertragsparteien vorgeschrieben, sämtliche Entgeltbestandteile zu berücksichtigen. Dieses Berechnungsverfahren sei auch praktikabel. Soweit die Beklagte eine über Jahre hinweg nachwirkende Erhöhung des Urlaubsentgelts bei dieser Berechnungsweise befürchte, verkenne sie, daß in einem Jahre fehlende Vergütungszuschläge sich für den Arbeitnehmer in den Folgejahren nachteilig auf die Berechnung des Durchschnittsverdienstes auswirken könnten. Über einen längeren Zeitraum glichen sich deshalb Vor- und Nachteile bei der Berechnung des Urlaubsentgelts aus.

Diese Tarifauslegung hält den Angriffen der Revision nicht stand.

2. Dem Berufungsgericht ist im Ansatz beizupflichten, wenn es erkennt, daß die tarifliche Berechnungsregelung in § 15 Nr. 1 b MTV mit Ausnahme des Bezugs Zeitraumes der gesetzlichen Regelung in § 11 Abs. 1 Satz 1 und Satz 2 BUrlG entspricht. Entgegen seiner Rechtsauffassung sind dem Arbeitsverdienst im Sinne von § 11 Abs. 1 Satz 1 BurlG jedoch grundsätzlich nur die Überstundenentgelte hinzuzuzählen, welche der Arbeitnehmer für die im Bezugszeitraum geleisteten Überstunden erhalten hat. Die im Streit stehende tarifliche Berechnungsvorgabe für das Urlaubsentgelt in § 15 MTV weicht davon nicht ab.

Das Landesarbeitsgericht hat bei seiner Tarifauslegung die Entscheidungen des Bundesarbeitsgerichts vom 17. Januar 1991 – 8 AZR 644/89 – EzA § 11 BurlG Nr. 30 (zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt) und vom 9. Dezember 1965 (BAGE 18, 12, 16 = AP Nr. 2 zu § 11 BUrlG = NJW 1966, 612) nicht beachtet. Nach diesen Erkenntnissen ist daran festzuhalten, daß es nach § 11 Abs. 1 BurlG nicht pauschal auf das im Referenzzeitraum erzielte Entgelt ankommt, sondern allein der Arbeitsverdienst der Bemessung des Urlaubsentgelts zugrunde zu legen ist, der auf einer Arbeitsleistung im Berechnungszeitraum beruht (BAG a.a.O.; vgl. auch BAG Urteil vom 14. März 1966 – 5 AZR 468/65 – AP Nr. 3 zu § 11 BurlG; Dersch/Neumann, BurlG, 7. Aufl., § 11 Rz 42; Stahlhacke, GK-Bundesurlaubsgesetz, 4. Aufl., § 11 Rz 38). Nach der tarifdispositiven gesetzlichen Berechnungsregel sollen nur die Leistungen in die Berechnung der Urlaubsvergütung einbezogen werden, die an die tatsächlichen Arbeitsleistungen des Arbeitnehmers im Berechnungszeitraum geknüpft sind. Das erhöhte Urlaubsentgelt des Vorjahres muß deshalb für die aktuelle Urlaubsentgeltbemessung außer Betracht bleiben, soweit es auf Arbeitsleistungen im Vorvorjahr zurückzuführen ist. Eine andere Berechnungsweise führt zu unerwünschten Doppelleistungen an den Arbeitnehmer. Das Urlaubsentgelt hat nämlich grundsätzlich nur dem im Berechnungszeitraum Erwirtschafteten zu entsprechen.

3.a) Die tarifvertragliche Regelung in § 15 Nr. 1 b und c MTV weicht von diesen Grundsätzen nicht ab. Eine am Tarifwortlaut und am tariflichen Gesamtzusammenhang orientierte Auslegung (vgl. BAGE 46, 308 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung, m.w.N.) führt zu keinem anderen Ergebnis.

§ 15 Nr. 1 a MTV statuiert für Monatsentgelte hinsichtlich des laufenden Monatsentgelts das Lohnausfallprinzip. In § 15 Nr. 1 b MTV wird dagegen für die übrigen Lohnbestandteile (Überstundentgelte, Zuschläge und Prämien) zur Berechnung des Urlaubsentgelts entsprechend § 11 Abs. 1 Satz 1 BurlG das Referenzprinzip angewendet. Sonderleistungen klammert § 15 Nr. 1 b 2. Absatz MTV von dieser Berechnung ausdrücklich aus. Allein die Regelung, daß Mehrarbeitsstunden, die innerhalb des letzten Kalenderjahres anfielen, zusätzlich vergütet werden, macht bereits vom Wortlaut her deutlich, daß Mehrarbeitsstunden aus früheren Jahren für die Bemessung des aktuellen Urlaubsentgelts nicht zu berücksichtigen sind. Die Regelung zur Urlaubsentgeltbemessung der Arbeitnehmer mit Stundenlohn in § 15 Nr. 2 MTV steht ebenfalls für diese Auslegung. Für die Urlaubsvergütung wird dort ausdrücklich auf den Durchschnittsverdienst des letzten Kalenderjahres abgestellt. Diese Regelung schließt es aus, daß Arbeitsleistungen aus einem anderen Zeitraum als dem Bezugszeitraum bei der Bemessung des Urlaubsentgelts berücksichtigt werden sollten.

Soweit das Landesarbeitsgericht auf die Regelung der abschließend nicht in Ansatz zu bringenden Sonderleistungen in § 15 Nr. 1 b Abs. 2 MTV hinweist, übersieht es den Unterschied zwischen den der Höhe und dem Grunde nach bei der Berechnung nicht einzubeziehenden Vergütungen.

b) Auch die abweichenden systematischen Erwägungen des Landesarbeitsgerichts überzeugen nicht.

Das Landesarbeitsgericht kann sich für seine Auslegung nicht auf die tariflich vorgegebene Berechnung in § 15 Nr. 1 c MTV stützen. Danach ist von einem Gesamteinkommen des letzten Jahres auszugehen. Bestimmte Entgeltbestandteile sind auszuscheiden, und der Rest ist zur Bemessung der täglichen Urlaubsvergütung durch 260 zu teilen. Richtig ist zwar, daß der Tarifvertrag zur pauschalen Berechnung nur den Abzug des tariflichen Entgelts und der einmaligen Leistungen bestimmt. Indessen wird übersehen, daß dem Gesamteinkommen des letzten Jahres nur die Vergütungen zugrunde gelegt werden können, die nach § 15 Nr. 1 a und b MTV zu berücksichtigen sind.

3. Dem Kläger sind als unterlegene Partei die Kosten beider Rechtsmittelinstanzen aufzuerlegen (§ 97 Abs. 1 ZPO).

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dörner, Dr. Lipke, Jansen, Mauer

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1070661

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