Entscheidungsstichwort (Thema)
Lohnsicherung für ältere Arbeitnehmer
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach der Lohnsicherung für ältere Arbeitnehmer in der Textilindustrie ist der Wechsel vom Zeitlohn zum Akkordlohn eine Versetzung.
2. § 3 Ziffer 2 des Tarifvertrages zur Sicherung älterer Arbeitnehmer der Textilindustrie Westfalen vom 23.5.1974 setzt zwar voraus, daß die Versetzung "durch Änderungskündigung" erfolgt; trotzdem werden von dieser Verdienstsicherung auch andere Versetzungen mit einem Arbeitsplatzwechsel unter Verdienstminderung erfaßt.
Normenkette
TVG § 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 27.01.1983; Aktenzeichen 9 Sa 955/82) |
ArbG Rheine (Entscheidung vom 10.05.1982; Aktenzeichen 1 Ca 739/81) |
Tatbestand
Der am 9. Juli 1922 geborene Kläger ist seit 23. März 1948 bei der Beklagten als Weber beschäftigt. Beide Parteien sind Mitglieder der tarifschließenden Verbände der Westfälischen Textilindustrie.
Der Kläger arbeitete zunächst im Leistungslohn (Akkord). Nach Abbau der Akkordentlohnung erhielt er einen auf der Grundlage des früheren Akkordverdienstes errechneten persönlichen Durchschnittsverdienst, der in den zwei Monaten, die der Vollendung des 55. Lebensjahres vorausgingen (Mai bis Juni 1977), 12,40 DM und in den Monaten Januar bis April 1977 11,61 DM pro Stunde betrug. Dieser Stundenlohn erhöhte sich durch Tariflohnerhöhungen auf 14,30 DM im Jahre 1980. In dieser Höhe zahlte die Beklagte dem Kläger Stundenlohn bis 15. Februar 1981 und in den sechs vor Februar 1981 liegenden Monaten.
Durch Betriebsvereinbarung vom 10. Februar 1981 wurde in der Weberei der Beklagten, u.a. auch für den Arbeitsplatz des Klägers, mit Wirkung vom 16. Februar 1981 wieder Akkordentlohnung eingeführt. Der Kläger erklärte daraufhin gegenüber der Beklagten, er mache Ansprüche nach dem Tarifvertrag vom 23. Mai 1974 über die Verdienstsicherung geltend. In der Folgezeit erzielte der Kläger als Akkordvergütung auf die Stunde umgerechnet 12,04 DM (zweite Hälfte Februar 1981), 12,38 DM (März 1981) und 12,94 DM (April 1981). Daraufhin hat die Beklagte dem Kläger für März 1981 einen Ausgleichsbetrag von 1,02 DM und im April 1981 von 0,16 DM je Stunde gezahlt.
Der Kläger verlangt von der Beklagten für die Monate März und April 1981 weitere Ausgleichsbeträge in Höhe von 93,88 DM. Er hat vorgetragen, da er in den sechs Monaten vor Februar 1981 jeweils 14,30 DM Stundenlohn erhalten habe, müsse ihm für März und April 1981 95 % davon = 13,59 DM als tariflich gesicherter Stundenlohn gezahlt werden. Die sich daraus ergebende Klageforderung von 93,88 DM ist in der rechnerischen Höhe unstreitig.
Der Kläger hat demgemäß zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an den Klä-
ger 93,88 DM nebst 4 % Zinsen seit dem
19. Mai 1981 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat vorgetragen, zur Berechnung des verdienstgesicherten Lohns sei für jeden neu zu berechnenden Monat jeweils auf die letzten sechs Monate vor diesem Monat abzustellen. Nach dieser Berechnungsmethode habe sie den Kläger im Klagezeitraum auch entlohnt. Diese Berechnung biete dem älteren Arbeitnehmer die Möglichkeit, seinen Durchschnittsverdienst jederzeit durch eine Leistungssteigerung anzuheben und so auch die Lohnsicherung zu erhöhen. Es bestehe kein tatsächlicher Erfahrungssatz, daß mit zunehmendem Alter die Leistungsfähigkeit der Arbeiter abnehme. Weder aus dem Wortlaut noch aus dem Sinn und Zweck der tariflichen Regelung ergebe sich, daß der verdienstgesicherte Lohn in Höhe von 95 % des persönlichen Durchschnittsverdienstes einmalig festgelegt werde und dann unverändert zu bleiben habe. Ein zuvor erreichtes Lohnniveau dürfe nicht für viele Jahre für die Zukunft festgeschrieben werden, weil dies dem Arbeiter jede Motivation für zukünftige Arbeitsleistungen nähme.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger beantragt Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung an das Landesarbeitsgericht. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung kann der Klage nicht stattgegeben werden. Denn der Kläger hat entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts im Klagezeitraum keinen Anspruch auf Verdienstsicherung in Höhe von 95 % seines früheren Stundenlohns von 14,30 DM. Vielmehr steht ihm neben dem von ihm tatsächlich erzielten Akkordverdienst nur der Differenzbetrag zu, der sich aus dem Durchschnittsverdienst der in seiner neuen Tätigkeitsgruppe beschäftigten Arbeitnehmer und 95 % seines früheren Stundenlohns ergibt (§ 3 Ziff. 2 des Tarifvertrags zur Sicherung älterer Arbeitnehmer der Textilindustrie Westfalen vom 23. Mai 1974).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft beiderseitiger Verbandszugehörigkeit der Tarifvertrag zur Sicherung älterer Arbeitnehmer der Textilindustrie Westfalen vom 23. Mai 1974 (TVSich Textilindustrie) mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Danach kann die Klageforderung nur auf folgende Vorschriften des TVSich Textilindustrie gestützt werden:
§ 3
Lohnsicherung
-------------
1. Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr voll-
endet haben und dem Betrieb mindestens zehn
Jahre angehören und an ihrem Arbeitsplatz
verbleiben, haben Anspruch auf mindestens
95 % ihres in den letzten sechs voll abge-
rechneten Monaten erzielten Durchschnitts-
stundenverdienstes (ohne Zuschläge).
2. Arbeitnehmer, die durch Änderungskündigung
versetzt werden, haben Anspruch auf den
Differenzbetrag, der sich aus dem Durch-
schnittsverdienst der in ihrer neuen Tä-
tigkeitsgruppe beschäftigten Arbeitnehmer
und 95 % des persönlichen Durchschnitts-
verdienstes (ohne Zuschläge) der letzten
sechs voll abgerechneten Monate vor der
Versetzung ergibt.
Dieser so festgesetzte Ausgleichsbetrag
(Stundenlohndifferenz x tarifliche Ar-
beitszeit) ist allmonatlich auszuzahlen,
soweit Anspruch auf Lohnzahlung besteht
und 95 % des persönlichen Durchschnitts-
stundenverdienstes nach Abs. 1 nicht
überschritten werden.
3. Bei künftigen Lohnerhöhungen darf der be-
troffene Arbeitnehmer hinsichtlich des
Erhöhungsbetrages nicht schlechter ge-
stellt werden als die übrigen Arbeitneh-
mer seiner Gruppe.
4. Der Anspruch auf Leistungen der Ziffern
1 - 3 besteht bis zur Bewilligung des
Altersruhegeldes, längstens jedoch bis
zur Vollendung des 65. Lebensjahres.
Entgegen der Auffassung beider Parteien und der Vorinstanzen ist der Verdienst des Klägers nicht nach § 3 Ziff. 1, sondern nach § 3 Ziff. 2 und 3 TVSich Textilindustrie gesichert. Denn der Wechsel des Klägers vom Stundenlohn zum Akkordlohn ab 16. Februar 1981 stellt eine Versetzung im tariflichen Sinne dar. Mangels anderweitiger Anhaltspunkte im Tarifvertrag ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien des TVSich Textilindustrie den Begriff des Arbeitsplatzes in seiner allgemeinen arbeitsrechtlichen Bedeutung unter besonderer Berücksichtigung der Verhältnisse bei einem älteren Arbeitnehmer verstehen. Danach ist der Begriff des Arbeitsplatzes räumlich und funktionell zu sehen und wird durch Art, Ort und Umfang der Tätigkeit bestimmt. Demgemäß liegt beim Übergang vom Leistungslohn zum Zeitlohn ein Arbeitsplatzwechsel und damit eine Versetzung vor (BAG Urteil vom 30. November 1983 - 4 AZR 374/81 -, SAE 1984, 343). An dieser Auffassung hält der Senat auch gegenüber der Kritik von Färber (SAE 1984, 346) fest.
Färber meint, beim Übergang vom Akkordlohn zum Zeitlohn liege deshalb kein Arbeitsplatzwechsel vor, weil keine neue Arbeitsaufgabe übertragen, sondern nur ein Wechsel der Entlohnungsart vorgenommen werde. Dem kann nicht zugestimmt werden. Es trifft zwar zu, daß der Wechsel vom Leistungslohn zum Zeitlohn auch einen Wechsel der Entlohnungsart bedeutet und der Wechsel der Entlohnungsart allein nicht gleichzusetzen ist mit dem Wechsel der Arbeitsaufgabe bzw. Art der Arbeit. So ist etwa der Übergang vom Stundenlohn zum Monatslohn ein Wechsel der Entlohnungsart, ohne daß darin eine Änderung der Arbeitsaufgabe oder der Art der Arbeit gesehen werden kann. Beim Wechsel vom Leistungslohn zum Zeitlohn ist dies jedoch anders. Hier liegt nicht nur eine Änderung der Entlohnungsart vor oder eine bloße Änderung der Umstände, unter denen die Arbeit zu leisten ist, sondern auch eine Änderung der Art der Arbeit selbst. Die Entlohnungsart Leistungslohn bedeutet, daß der Arbeitnehmer die Höhe seiner Vergütung durch Geschwindigkeit und Intensität seiner Arbeitsleistung selbst bestimmen kann. Damit ist der Arbeitnehmer von vornherein - im Gegensatz zum Zeitlöhner - einem besonderen psychischen Druck ausgesetzt. Darüber hinaus ist er in aller Regel darum bemüht, seine Arbeitskraft in besonderem Maße einzusetzen, um einen möglichst hohen Verdienst zu erzielen. Zumindest bringt es die Entlohnungsart Leistungslohn generell mit sich, daß sich der Arbeitnehmer bei seiner Arbeit in besonderem Maße anstrengt. Der Arbeitnehmer ist damit einem besonderen Leistungsdruck ausgesetzt.
Zur Art der Arbeitsleistung und damit auch zur Arbeitsaufgabe gehört es, unter welchen psychischen und physischen Voraussetzungen der Arbeitnehmer seine Arbeitsleistung zu erbringen hat. Der von einem Leistungslohn ausgehende psychische Druck und die damit in aller Regel verbundene besondere physische Anstrengung des Arbeitnehmers sind beim Zeitlohn nicht oder in weit geringerem Maße vorhanden. Das zeigt sich schon daran, daß viele Arbeitnehmer infolge ihrer körperlichen Konstitution, die auch altersbedingt sein kann, der Arbeit im Leistungslohn nicht gewachsen sind. Damit erweist sich aber der Übergang vom Zeitlohn zum Leistungslohn und umgekehrt als Wechsel der Arbeitsaufgabe und der Art der Arbeit. Das trifft jedenfalls für ältere Arbeitnehmer und damit für den Versetzungsbegriff des vorliegenden Tarifvertrags zur Sicherung älterer Arbeitnehmer zu. Hierbei ist es unerheblich, ob der Wechsel vom Zeitlohn zum Akkordlohn als Versetzung im Sinne des Betriebsverfassungsgesetzes anzusehen ist (verneinend: Dietz/Richardi, BetrVG, 6. Aufl. 1982, § 99 Rz 80); denn für den Bereich des Betriebsverfassungsgesetzes enthält § 95 Abs. 3 BetrVG eine Legaldefinition, die aber nicht ohne weiteres auf andere Bereiche übertragen werden kann. Im vorliegenden Fall ist vielmehr vom arbeitsvertraglichen Versetzungsbegriff auszugehen. Danach ist Versetzung die Änderung des Aufgabenbereichs nach Art, Ort und Umfang der Tätigkeit (vgl. Schaub, Arbeitsrechtshandbuch, 5. Aufl. 1983, § 45 IV 4, S. 202 f.).
Der Kläger erfüllt auch die weiteren Voraussetzungen des § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie. Obwohl dies in § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie nicht ausdrücklich erwähnt ist, erfaßt diese Tarifnorm nur Arbeitnehmer, die das 55. Lebensjahr vollendet haben und dem Betrieb mindestens zehn Jahre angehören. Dies ergibt sich aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung. Der Tarifvertrag ist zur Sicherung "älterer Arbeitnehmer" abgeschlossen worden. Es kann daher nicht davon ausgegangen werden, daß unter § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie auch jüngere Arbeitnehmer fallen, die durch Änderungskündigung versetzt werden; insoweit fehlt auch ein sachlicher Grund für eine Verdienstsicherung. Sowohl der Kündigungsschutz nach § 2 TVSich Textilindustrie als auch die Lohnsicherung nach § 3 Ziff. 1 TVSich Textilindustrie setzen voraus, daß der betroffene Arbeitnehmer das 55. Lebensjahr vollendet hat und dem Betrieb mindestens zehn Jahre angehört. Dies gilt dann auch für § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie. Diese Voraussetzungen (Vollendung des 55. Lebensjahres und zehn Jahre Betriebszugehörigkeit) hatte der Kläger bei seiner Versetzung am 16. Februar 1981 erfüllt.
§ 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie setzt nach seinem Wortlaut weiter voraus, daß der Arbeitnehmer durch Änderungskündigung versetzt wird, was hier nicht zutrifft. Über den Wortlaut der tariflichen Regelung hinaus werden von § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie jedoch auch Versetzungen erfaßt, die nicht durch Änderungskündigung herbeigeführt werden. Dies folgt aus dem tariflichen Gesamtzusammenhang, der bei der Tarifauslegung maßgeblich mit zu berücksichtigen ist (BAG Urteil vom 12. September 1984 - 4 AZR 336/82 -, zur Veröffentlichung vorgesehen).
Für gewerbliche Arbeitnehmer regelt § 3 in Ziff. 1 die Verdienstsicherung beim Verbleiben auf dem bisherigen Arbeitsplatz und Ziff. 2 die Verdienstsicherung bei einer Versetzung aufgrund Änderungskündigung. Nach dem systematischen Zusammenhang von Ziff. 1 und Ziff. 2 ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien den gewerblichen Arbeitnehmern mit mindestens zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres am bisherigen und auch an einem neuen Arbeitsplatz nach einer Versetzung durch Änderungskündigung eine Verdienstsicherung gewähren wollten. Ungeschützt sind danach zwar Arbeitnehmer, die kraft des Direktionsrechts des Arbeitgebers oder im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber versetzt werden. Im allgemeinen reicht das Direktionsrecht des Arbeitgebers jedoch nicht so weit, daß er einen Arbeitnehmer auf einen Arbeitsplatz mit schlechteren Arbeitsbedingungen, insbesondere niedrigerer Vergütung versetzen kann, auch wenn im Einzelfall stets die arbeitsvertragliche Regelung maßgebend ist (vgl. Neumann, AR- Blattei, Versetzung des Arbeitnehmers I unter B I). Die Versetzung von Arbeitnehmern kraft Direktionsrechts bringt daher in der Regel keine Verdienstminderung mit sich, so daß die Tarifvertragsparteien den Fall einer Verdienstminderung durch Versetzung kraft Direktionsrechts offenbar nicht bedacht haben. Auch eine einvernehmliche Versetzung, die zu einer Verschlechterung der Arbeitsbedingungen führt, ist nicht alltäglich und daher von den Tarifvertragsparteien ersichtlich nicht bedacht. Aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung ergibt sich aber, daß die Tarifvertragsparteien mit ihrer Verdienstsicherung in § 3 TVSich Textilindustrie einen lückenlosen Verdienstschutz der älteren Arbeitnehmer am bisherigen und auf neuen Arbeitsplätzen erreichen wollten. Für diese Auslegung spricht insbesondere auch, daß die Tarifvertragsparteien für alle Arbeitnehmer mit mindestens zehnjähriger ununterbrochener Betriebszugehörigkeit nach Vollendung des 55. Lebensjahres einen besonderen Kündigungsschutz nach § 2 TVSich Textilindustrie gegen ordentliche Kündigungen normiert haben. Deshalb ist es folgerichtig, daß diesem Personenkreis auch Verdienstsicherung nach § 3 TVSich Textilindustrie eingeräumt wird.
Soweit diese Arbeitnehmer auf einen anderen Arbeitsplatz nicht durch Änderungskündigung, sondern kraft Direktionsrechts des Arbeitgebers oder im Einvernehmen mit dem Arbeitgeber versetzt werden, besteht eine unbewußte Tariflücke. Diese Tariflücke ist nach dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Regelung dadurch auszufüllen, daß auch Versetzungen, die nicht durch Änderungskündigungen herbeigeführt werden, zum Verdienstschutz nach § 3 TVSich Textilindustrie führen. Hierbei ist zu beachten, daß in allen Fällen eine Versetzung gegen den Willen des Arbeitgebers nicht möglich ist. Demgemäß ist auch die durch Betriebsvereinbarung herbeigeführte Versetzung des Klägers ein Fall der Verdienstsicherung nach § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie.
Da der Kläger die Voraussetzungen des § 3 Ziff. 2 TVSich Textilindustrie erfüllt, kann er von der Beklagten neben seiner nach der neuen Lohnregelung erzielten Vergütung den Differenzbetrag verlangen, der sich aus dem Durchschnittsverdienst der in seiner neuen Tätigkeitsgruppe beschäftigten Arbeitnehmer und 95 % seines bisherigen persönlichen Durchschnittsverdienstes der letzten sechs voll abgerechneten Monate vor der Versetzung ergibt. In den letzten sechs Monaten vor der Versetzung hatte der Kläger einen Stundenlohn von 14,30 DM. Demgemäß entspricht 95 % des persönlichen Durchschnittsverdienstes des Klägers während der letzten sechs voll abgerechneten Monate vor der Versetzung der Betrag von 13,59 DM. Zur Berechnung des Differenzbetrags, den der Kläger von der Beklagten beanspruchen kann, bedarf es aber noch der Feststellung des Durchschnittsverdienstes der in seiner neuen Tätigkeitsgruppe, d. h. seiner Abteilung, beschäftigten Akkordarbeiter. Hierzu wird das Landesarbeitsgericht noch die erforderlichen Feststellungen zu treffen haben. Hierbei ist auch die nach § 3 Ziff. 2 Abs. 2 TVSich Textilindustrie festgesetzte Obergrenze für den Ausgleichsbetrag zu beachten.
Die weiteren Einwendungen der Revision gehen weitgehend an der Sache vorbei, da sie von einer Anwendung des § 3 Ziff. 1 TVSich Textilindustrie ausgehen, der jedoch hier nicht eingreift. Soweit sich die Revision auf Erläuterungen der Tarifvertragsparteien zum TVSich Textilindustrie beruft, haben diese nach ihrem Sinn - anders als sog. authentische Interpretationen (vgl. Wiedemann/Stumpf, TVG, 5. Aufl., § 1 Rz 427) - keinen Tarifcharakter. Selbst wenn sie von beiden Tarifvertragsparteien abgegeben werden, was sich im vorliegenden Fall aus den zu den Gerichtsakten eingereichten Erläuterungen nicht ergibt, enthalten solche Erläuterungen dennoch nur Stellungnahmen zu verbindlichen Tarifnormen. Es handelt sich dabei um unverbindliche Meinungsäußerungen.
Das Landesarbeitsgericht wird auch über die in der Revisionsinstanz entstandenen Kosten mitzuentscheiden haben.
Dr. Neumann Dr. Feller Dr. Etzel
Koerner Dr. Apfel
Fundstellen
DB 1985, 1481-1482 (LT1-2) |
BlStSozArbR 1985, 214-214 (T) |
AP § 1 TVG, Nr 3 |
EzA § 4 TVG Textilindustrie, Nr 1 |