Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung. Arbeitnehmerbegriff
Normenkette
KSchG § 1; BGB § 621
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Urteil vom 09.04.1990; Aktenzeichen 16/3 Sa 1064/89) |
ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 23.05.1989; Aktenzeichen 2 Ca 230/88) |
Tenor
1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 9. April 1990 – 16/3 Sa 1064/89 – wird zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Feststellung richtet, daß das zwischen den Parteien bestehende Rechtsverhältnis durch die fristlose Kündigung vom 6. Juni 1988 nicht beendet worden ist.
2. Im übrigen wird das angefochtene Urteil aufgehoben.
3. Die Klage auf Feststellung, daß zwischen den Parteien am 6. Juni 1988 ein Arbeitsverhältnis bestanden habe, wird abgewiesen.
4. Wegen der Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung und auf Zahlung, wird der Rechtsstreit, auch zur Entscheidung über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger war seit 1972 für die Beklagte, welche regelmäßig ungefähr zehn Arbeitnehmer beschäftigte, zunächst als Fahrer tätig. Er brachte Planungsunterlagen zu Kunden. Ab 1974 übernahm er die im Zusammenhang mit der Planerstellung anfallenden Pausarbeiten und Reproduktionen sowie Versandarbeiten. Sein Aufgabenbereich erweiterte sich dann dahingehend, daß er mit den Kunden die ihnen überbrachten Pläne auch besprach. Hierbei regelte er aufgrund allgemeiner Anweisungen einfache Detail fragen. Der Kläger war seit dieser Zeit verantwortlich für die Anmietung des gesamten Fahrzeugparks für die Bundesrepublik Deutschland sowie für die Organisation aller anfallenden Reisen von Firmenangehörigen zu den Baustellen. Ferner oblag ihm der Geldtransfer zu den Baustellen und die Auszahlung der Geldbeträge sowie die Buchung der Hotels und der Flüge für die Firmenangehörigen. Er bestellte die Flugscheine und kaufte das gesamte Material für das Büro, ebenso war er zuständig für die Anschaffung von Mobiliar. Schließlich erledigte er den Materialeinkauf für die ausländischen Zweigstellen Athen und Dublin. Zu diesen Zweigstellen reiste er häufig, um entsprechende NATO-Pläne hin- und wieder zurückzubringen.
Der Kläger führte bei der Beklagten intern die Bezeichnung „Logistic Manager”. Für seine Tätigkeiten stellte er der Beklagten Einzelrechnungen mit Mehrwertsteuer aus, bis ca. 1974 unter der Bezeichnung „I.”, danach unter der Bezeichnung „R.”, später unter der von „E.”. Die Beklagte bezahlte den Kläger zwar regelmäßig, aber mit ständig wechselnden Beträgen. Der Kläger hatte keine festen Arbeitszeiten und besaß, im Gegensatz zu allen Angestellten, keine Stechkarte. Für ihn wurde keine Personalakte geführt.
Am 6. Juni 1988 kündigte die Beklagte das Vertragsverhältnis zum Kläger fristlos, hilfsweise fristgemäß zum nächstzulässigen Termin.
Mit seiner am 15. Juni 1988 beim Arbeitsgericht eingegangenen und der Beklagten am 4. Juli 1988 zugestellten Klage hat sich der Kläger gegen diese Kündigung gewandt und Vergütungsfortzahlung verlangt. Der Kläger hält die Kündigung für unwirksam. Er hat vorgetragen, er sei Arbeitnehmer der Beklagten gewesen. Er habe zu 75 % Innendiensttätigkeiten verrichtet, wobei er hauptsächlich Druckaufgaben und die damit verbundenen Nebenaufgaben durchgeführt habe. Die große Kopiermaschine „Rank Xerox 9400” sei während seiner gesamten Beschäftigungszeit praktisch ausschließlich von ihm bedient worden. Über diese Maschine seien sämtliche internen Drucksachen hergestellt worden. Zu der Kopiermaschine gehöre auch eine Pausmaschine, in der Pläne und Ausschreibungen kopiert worden seien; außerdem existiere eine Schneidmaschine, mit der die hergestellten Druckerzeugnisse geheftet worden seien. Zu etwa 20 % seiner Arbeitszeit sei er zwecks Erledigung von Aufträgen unterwegs gewesen, 5 % seiner Tätigkeit hätten sich auf die Beschaffung von Tickets und Mietwagen und ähnliche organisatorische Aufgaben bezogen. Er habe 30 Tage Urlaub und diesen wie alle Mitarbeiter zu beantragen gehabt. Da er Mitglied des Managements gewesen sei, habe er z.B. wie die anderen Manager auch eine AVIS-Karte für die Anmietung von Wagen erhalten. Zwar habe er auf Veranlassung der Beklagten sein monatliches Entgelt auf Briefbögen der Firmen „I.”, „E.” und „R.” mit Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Bei diesen Unternehmen habe es sich um Scheinfirmen gehandelt. Dies sei der Beklagten bekannt gewesen, zumal er als Mitarbeiter der Beklagten eine Kreditkarte erhalten habe, mit der er bei der Firma AVIS habe Autos mieten können. Eine entsprechende Kreditkarte habe er auch bei der Firma Sixt-Autovermietung besessen. Auch bei der Firma „R.” habe es sich um eine Scheinfirma gehandelt, die zum Nutzen der Beklagten gedient habe. Insbesondere diese Firma sei von dem seinerzeitigen Geschäftsführer der Beklagten geschaffen worden, um dadurch im Ausland bei Fluggesellschaften und in Hotels günstigere Konditionen zu erhalten.
Sein Durchschnittsentgelt habe monatlich 6.000,00 DM betragen. Zwar habe er für seine Tätigkeit der Beklagten Mehrwertsteuer in Rechnung gestellt. Die Initiative hierzu sei von dem seinerzeitigen, inzwischen verstorbenen Geschäftsführer ausgegangen. Es sei damit bezweckt worden, einen Teil der Ausgaben, die an ihn geflossen seien, vom Finanzamt wieder zurückzuerhalten.
Da die Kündigungen unwirksam seien, schulde ihm die Beklagte für Juni 1988 noch 4.363,00 DM, nämlich 6.000,00 DM abzüglich gezahlter 1.237,00 DM und für die folgenden zehn Monate jeweils 6.000,00 DM. Hinzu komme für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses am 31. Dezember 1988 die Urlaubsabgeltung für 25 Urlaubstage in Höhe von 6.818,00 DM.
Der Kläger hat zuletzt beantragt
festzustellen, daß zwischen den Parteien seit 1972 ein Arbeitsverhältnis bestehe,
hilfsweise festzustellen, daß zwischen den Parteien im Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung ein Arbeitsverhältnis bestanden habe,
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die fristlose, hilfsweise fristgerechte Kündigung vom 6. Juni 1988 nicht aufgelöst worden sei,
- die Beklagte zu verurteilen, an ihn 71.181,19 DM zuzüglich 4 % Zinsen aus 4.363,00 DM ab 1. August 1988 und jeweils aus 6.000,00 DM ab 1. August, 1. September, 1. Oktober, 1. November und 1. Dezember 1988 sowie ab 1. Januar, 1. Februar, 1. März, 1. April und 1. Mai 1989 und aus 6.818,00 DM ab 1. Januar 1989 zu zahlen, hilfsweise den begehrten Zahlungsbetrag als Bruttobetrag zuzusprechen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Die Beklagte hat die sachliche Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen gerügt und geltend gemacht, der Kläger sei nicht Arbeitnehmer, sondern freier Mitarbeiter gewesen. Der Kläger habe ein Auto und ein kleines Büro in dem Bürohaus gehabt, in dem die Parteien auch heute noch ihre Büros hätten. Im Laufe der Zeit habe sie dem Kläger immer mehr Aufträge als „Mädchen für alles” übertragen, die er dann unter seinen wechselnden Firmen ausgeführt habe. Etwa Mitte der 70er Jahre habe er sein eigenes Büro aufgegeben und vorübergehend einen ihm von ihr zur Verfügung gestellten Raum bezogen. Als selbständiger Unternehmer, der für sie Aufträge durchgeführt habe, sei er auch ihr gegenüber unter drei Handelsfirmen auf getreten. Für die von ihm durchgeführten Aufträge habe er den erforderlichen Zeitaufwand gesondert auf Stundenzetteln nachgewiesen. Die Ausführung der Aufträge habe er jederzeit ablehnen können. Die Verwendung des Titels „Logistic Manager” habe nur die Art und Weise der selbständigen Tätigkeit des Klägers bezeichnet. Dieser Titel habe aber keine Angestellteneigenschaft begründet.
Der Kläger habe ein Pauschalhonorar erhalten, auf das er Mehrwertsteuer verlangt habe. Es sei unrichtig, daß sie dies so gewollt habe. Der Kläger habe es abgelehnt, sein Vertragsverhältnis in ein Arbeitsverhältnis umzuwandeln.
Die fristlose Kündigung vom 6. Juni 1988 sei gerechtfertigt, denn der Kläger habe ihr vorgespiegelt, er werde die von ihr gezahlte Mehrwertsteuer an das Finanzamt abführen, was er nicht getan habe. Hiervon habe sie am 26. Mai 1988 Kenntnis erhalten. Sie sehe sich nunmehr einer Rückerstattungsforderung des Finanzamtes ausgesetzt. Dies rechtfertige jedenfalls für den Fall der Unwirksamkeit der fristlosen Kündigung die fristgemäße ordentliche Kündigung.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht die Berufung hinsichtlich des Feststellungsantrages, daß zwischen den Parteien seit 1972 ein Arbeitsverhältnis bestehe, und hinsichtlich des Zahlungsantrages auf Urlaubsabgeltung zurückgewiesen. Im übrigen hat es festgestellt, zwischen den Parteien habe am 6. Juni 1988 ein Arbeitsverhältnis bestanden, das weder durch die fristlose noch durch die hilfsweise erklärte fristgerechte Kündigung der Beklagten vom 6. Juni 1988 aufgelöst worden sei. Außerdem hat es die Beklagte zur Zahlung von 64.363,19 DM nebst Zinsen verurteilt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet, soweit die Beklagte sich gegen die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung wendet, im übrigen ist sie begründet. Die Klage auf Feststellung, es habe zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis bestanden, war als unzulässig abzuweisen. Im übrigen war das angefochtene Urteil aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.
A. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen sei gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 3 a, b ArbGG gegeben, denn der Kläger sei jedenfalls arbeitnehmerähnliche Person im Sinne von § 5 Abs. 1 Satz 2 ArbGG gewesen.
Der Hilfsfeststellungsantrag sei zulässig, denn vom Bestehen eines Arbeitsverhältnisses im Zeitpunkt des Kündigungszuganges hänge die Entscheidung des Rechtsstreits insoweit ab, als das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses jedenfalls Voraussetzung für einen Erfolg der gegen die Unwirksamkeit der ordentlichen Kündigung gerichteten Klage sei.
Diese Feststellungsklage sei auch begründet, denn das zwischen den Parteien am 6. Juni 1988 bestehende Rechtsverhältnis sei ein Arbeitsverhältnis gewesen. Dies ergebe sich aus der Art der vom Kläger ausgeübten Tätigkeiten. Die Vielzahl und Vielfältigkeit dieser Tätigkeiten weise auf ein Arbeitsverhältnis hin.
Demgegenüber sei es unerheblich, daß der Kläger nicht verpflichtet gewesen sei, die betriebsübliche Arbeitszeit einzuhalten und daß keine Personalakte über ihn geführt worden sei.
Die Kündigungen vom 6. Juni 1988 seien unwirksam, wobei dahinstehen könne, ob der Kläger überhaupt eine Pflichtverletzung begangen habe. Durch eine den steuerlichen Gegebenheiten Rechnung tragende Behandlung des Entgelts des Klägers könne die Störquelle aus der Vergangenheit problemlos für die Zukunft beseitigt werden.
Somit habe der Kläger Anspruch auf Zahlung von 64.363,19 DM brutto für die Zeit vom 6. Juni 1988 bis 30. April 1989. Dieser Betrag ergebe sich aus einem Durchschnittsarbeitsentgelt von 6.000,00 DM, welches die Beklagte selbst ihren Berechnungen zugrunde gelegt habe.
B.I. Der Senat ist an die Bejahung der sachlichen Zuständigkeit der Arbeitsgerichte durch das Landesarbeitsgericht gebunden. Dies folgt aus § 73 Abs. 2 in Verbindung mit § 65 ArbGG in der seit dem 1. Januar 1991 geltenden Fassung (vgl. Gesetz zur Neuregelung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens vom 17. Dezember 1990 – BGBl. I S. 2809 –).
Nach § 65 ArbGG prüft das Berufungsgericht u.a. nicht, ob der beschrittene Rechtsweg zulässig ist und ob das Gericht des ersten Rechtszuges seine Zuständigkeit zu Unrecht angenommen hat; das Revisionsgericht hat diese Regelung entsprechend anzuwenden. Dies galt zudem nach § 73 Abs. 2 ArbGG a.F. ebenfalls.
II. Der Hilfsantrag auf Feststellung, zwischen den Parteien habe am 6. Juni 1988 ein Arbeitsverhältnis bestanden, war als unzulässig abzuweisen. Bezüglich dieser Feststellung besteht kein Feststellungsinteresse.
Der Kläger begehrt ausdrücklich nur Feststellung des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Kündigung. Diese Frage wird jedoch bereits bei der Kündigungsschutzklage hinsichtlich der hilfsweise ausgesprochenen ordentlichen Kündigung geprüft.
II. Die Revision ist nicht begründet, soweit die Beklagte sich regen die Feststellung der Unwirksamkeit der außerordentlichen Kündigung vom 6. Juni 1988 wendet. Das Vertragsverhältnis der Parteien ist durch die außerordentliche Kündigung vom 6. Juni 1988 nicht aufgelöst worden, wobei es insoweit dahinstehen kann, ob der Kläger Arbeitnehmer oder Dienstverpflichteter war. Jedenfalls lag ein wichtiger Grund zur Auflösung des Vertragsverhältnisses nicht vor.
1. War der Kläger Arbeitnehmer, hätte er Lohn- bzw. Einkommensteuer zahlen müssen. Schuldner wäre danach der Kläger gewesen, da er das Einkommen erzielt hat (§ 38 Abs. 2 Satz 1 EStG). Die Beklagte hätte lediglich die Lohnsteuer für Rechnung des Klägers vom Arbeitslohn einzubehalten (§ 38 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 EStG) und an das Finanzamt abzuführen (§ 41 a Abs. 1 Nr. 2 EStG).
Der Einwand der Beklagten in der Revision, sie könne sowohl der Rückforderung des Vorsteuerabzuges als auch der Steuer- und Sozialversicherungsforderung auf der Grundlage eines Arbeitsverhältnisses ausgesetzt sein, kann auf sich beruhen. Entscheidend ist insoweit, daß sie über dieses Risiko vom Kläger nicht getäuscht worden ist. Sie hat selbst vorgetragen, dem Kläger sei angeboten worden, als Arbeitnehmer bei ihr tätig zu sein, was dieser aber im Hinblick auf befürchtete Gehaltspfändungen abgelehnt habe. Im Falle der „Umwandlung” des freien Mitarbeiterverhältnisses in ein Arbeitsverhältnis hätte sie die Lohnsteuer sowie Sozialabgaben einbehalten und abgeführt. Damit war der Beklagten klar, welche Folgerungen sich daraus ergeben, wenn das Arbeitsverhältnis fehlerhaft als Dienstverhältnis behandelt wird.
War der Kläger Arbeitnehmer, so wäre er kein selbständiger Unternehmer im Sinne von § 2 Abs. 1 UStG gewesen, sondern weisungsabhängige natürliche Person im Sinne von § 2 Abs. 2 UStG. Er hätte danach durch die Nichtabführung der Mehrwertsteuer auch keine Pflichtverletzung begangen, denn er wäre nicht mehrwertsteuerpflichtig gewesen.
2. War der Kläger hingegen Dienstverpflichteter, läge in der Nichtabführung der Mehrwertsteuer ebenfalls keine Pflichtverletzung gegenüber der Beklagten. Die Beklagte hätte sich dann nämlich steuerlich richtig verhalten, denn der Kläger wäre gegenüber dem Finanzamt Steuerschuldner gem. § 13 Abs. 2, § 14 Abs. 3 UStG gewesen.
IV. Ob die hilfsweise erklärte ordentliche Kündigung unwirksam ist, kann nicht abschließend beantwortet werden. Es ist zunächst zu prüfen, ob der Kläger Arbeitnehmer war mit der Folge, daß das Kündigungsschutzgesetz anzuwenden wäre, oder ob die Beklagte unter Einhaltung der Frist des § 621 BGB kündigen konnte. Die Revision hat zulässig und erheblich gerügt, daß das Berufungsgericht den Sachverhalt nicht umfassend berücksichtigt hat.
1.a) Ein Arbeitsverhältnis unterscheidet sich von einem Rechtsverhältnis eines freien Mitarbeiters (Dienstvertrag) durch den Grad der persönlichen Abhängigkeit, in weicher der zur Dienstleistung Verpflichtete steht. Danach ist Arbeitnehmer, wer seine Dienstleistung im Rahmen einer vom Dritten bestimmten Arbeitsorganisation zu erbringen hat. Insoweit enthält § 84 Abs. 1 Satz 2 HGB ein typisches Abgrenzungsmerkmal. Nach dieser Bestimmung ist selbständig, wer im wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeit bestimmen kann. Unselbständig und daher persönlich abhängig ist der Mitarbeiter, dem dies nicht möglich ist. Allerdings gilt die genannte Regelung unmittelbar nur für die Abgrenzung des selbständigen Handelsvertreters von abhängig beschäftigten kaufmännischen Angestellten. Über diesen unmittelbaren Anwendungsbereich hinaus enthält die Bestimmung jedoch eine allgemeine gesetzgeberische Wertung, die bei der Abgrenzung des Dienstvertrages vom Arbeitsvertrag zu beachten ist (vgl. BAGE 36, 77, 84 = AP Nr. 38 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu II 3 b der Gründe; BAGE 41, 247, 253 = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 1 der Gründe). Die Eingliederung in die fremde Arbeitsorganisation wird insbesondere dadurch deutlich, daß ein Arbeitnehmer hinsichtlich Zeit, Dauer und Ort der Ausführung der versprochenen Dienste einem umfassenden Weisungsrecht des Arbeitgebers unterliegt.
b) Über die danach vorzunehmende Einordnung des Rechtsverhältnisses (Dienstvertrag oder Arbeitsvertrag) entscheidet der Geschäftsinhalt und nicht die von den. Parteien gewünschte Rechtsfolge oder eine von ihnen gewählte Bezeichnung des Vertrages, die dem Geschäftsinhalt in Wahrheit nicht entspricht. Der jeweilige Vertragstyp kann nur aus dem wirklichen Geschäftsinhalt erkannt werden. Dieser Geschäftsinhalt kann sich aus den getroffenen Vereinbarungen wie auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergeben. Widersprechen die Vereinbarungen und tatsächliche Durchführungen des Vertrages einander, ist die letztere maßgebend. Aus der praktischen Handhabung lassen sich Rückschlüsse darauf ziehen, von welchen Rechten und Pflichten die Parteien ausgegangen sind (vgl. BAGE 41, 247, 258 f. = AP Nr. 42 zu § 611 BGB Abhängigkeit, zu B II 3 der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 27. Februar 1991 – 5 AZR 107/90 – n.v.; BAG Urteil vom 7. November 1990 – 5 AZR 15/90 – n.v., jeweils zu I 2 der Gründe sowie das zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehene Senatsurteil vom 10. Mai 1990 – 2 AZR 607/89 –, zu II 4 der Gründe).
2. Das Berufungsgericht hat, wie die Revision zutreffend rügt, diese Grundsätze dem vorgetragenen Sachverhalt nicht umfassend und widerspruchsfrei zugeordnet.
a) Die vorliegende Fallgestaltung weist rechtliche Bezüge sowohl zu einem freien Dienstvertrag als auch zu einem Arbeitsverhältnis auf. Die rechtliche Einordnung hat dann unter Berücksichtigung aller Umstände, die für oder gegen die jeweilige Vertragsart sprechen, zu erfolgen. Während das Arbeitsgericht maßgebend darauf abgestellt hat, entscheidend sei, daß der Kläger keine Dienstzeit gehabt habe, daß er Weisungen nicht unterlegen habe und daß er das Recht gehabt habe, Aufträge abzulehnen, hat das Landesarbeitsgericht dies letztlich nicht für maßgebend erachtet und insbesondere aus der Vielfalt der zu erledigenden Aufträge auf das Vorliegen eines Arbeitsverhältnisses geschlossen. Dabei sind seine Ausführungen nicht frei von Widerspruch. Es führt einerseits aus, es könne keine „durchschlagende Rolle” spielen, ob der Kläger verpflichtet gewesen sei, die betriebsübliche Arbeitszeit einzuhalten und ob er die Durchführung der ihm erteilten Einzelaufträge hätte ablehnen können. Andererseits führt es aus, durch die Art der Aufgabenvorgabe sei klargestellt gewesen, daß der Kläger nicht habe nach Belieben entscheiden können, wann er habe arbeiten wollen, ohne daß dies mit entsprechenden tatsächlichen Feststellungen verbunden wäre.
b) Das Landesarbeitsgericht wird daher zu prüfen haben, ob es dem Kläger freistand, Aufträge abzulehnen oder nicht, ob er den Umfang seiner Leistungspflicht damit selbst bestimmen konnte. Für die Behauptung der Beklagten spricht insoweit ihre Zahlungsweise, die sich aus den Computerausdrucken (Bl. 65 bis 74 VorA) ergibt. Der Kläger wird substantiiert darzutun haben, woraus sich die unterschiedliche Höhe der Zahlungen ergibt. Der Kläger hat sodann für seine Behauptung, er habe die von der Beklagten gegebenen Anweisungen durchführen müssen, auf ein Zeugnis verwiesen.
c) Hinsichtlich der Eingliederung des Klägers in die Arbeitsorganisation der Beklagten ist die Frage aufzuklären, ob der Kläger ein Zimmer mit Schreibtisch und Telefon hatte, wobei die Nummer im Telefonverzeichnis aufgenommen war. Die Beklagte hat unter Beweisantritt dazu vorgetragen, dem Kläger sei „vorübergehend” ein Kämmerchen zur Verfügung gestellt worden. Wann und in welchem Umfang der Kläger dieses Zimmer benutzt hat, ergibt sich aus dem Vortrag der Parteien nicht abschließend.
d) Die Nichteinhaltung der betriebsüblichen Arbeitszeiten durch den Kläger ist jedenfalls dann ein wichtiges Indiz für eine fehlende persönliche Abhängigkeit, wenn der Kläger sich den Urlaub selbst nehmen und dem zeitlichen Umfang nach bestimmen konnte. Die Beklagte hat hierfür Beweis angetreten (Schriftsatz vom 18. April 1989, S. 3), den das Landesarbeitsgericht nicht erhoben hat. Demgegenüber kann dem Umstand, daß der Kläger Urlaubsformulare benutzt hat, keine entscheidende Bedeutung zukommen, wenn der Kläger damit seine – von ihm bestimmte – Abwesenheit dokumentieren wollte, wie die Beklagte geltend macht.
e) Aus den Bezeichnungen der Parteien und aus der steuerlichen Behandlung des Rechtsverhältnisses läßt sich an sich die Art des Vertragsverhältnisses nicht hinreichend qualifizieren. Sollten allerdings die unter b) bis d) behandelten Sachverhalte mehr für ein freies Dienstverhältnis sprechen, so käme auch diesem Umstand eine indizielle Wirkung zu.
3. Über die Wirksamkeit der Kündigung läßt sich erst nach Aufklärung des unter Ziff. 2 dargestellten Sachverhaltes entscheiden. Hiervon hängt auch ab, ob und in welcher Höhe der Kläger noch Zahlungsansprüche gegen die Beklagte hat.
Unterschriften
Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Ascheid, Schulze, Strümper
Fundstellen