Entscheidungsstichwort (Thema)

Kündigung. Anhörung des Personalrats

 

Normenkette

BayPVG Art. 77; BetrVG § 102

 

Verfahrensgang

LAG München (Urteil vom 23.08.1990; Aktenzeichen 5 Sa 475/89)

ArbG München (Urteil vom 01.06.1989; Aktenzeichen 12 Ca 7472/88)

 

Tenor

1. Auf die Revision des Beklagten wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts München vom 23. August 1990 – 5 Sa 475/89 – aufgehoben.

2. Der Rechtsstreit wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Kündigung des Beklagten.

Der Kläger war ab 1. Januar 1988 bei dem Beklagten als Redakteur tätig. Sein Monatsgehalt betrug 5.337,97 DM brutto. Mit dem Kläger war eine Probezeit von sechs Monaten vereinbart.

Unter dem 25. Mai 1988 bat der Intendant des Beklagten den Personalrat um Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung des Klägers mit einem Schreiben folgenden Inhalts:

„Der Bayerische Rundfunk beabsichtigt die ordentliche Kündigung des Mitarbeiters G. B.

Herr B. wurde am 27.02.1955 geboren, ist verheiratet und wohnt … 3 in O. Er wurde am 01.01.1988 als Redakteur B. in der Bayernabteilung im Hörfunk unbefristet angestellt und wird derzeit gemäß Gehaltsgruppe 14, Stufe 2 vergütet. Seine Probezeit läuft am 30.06.1988 aus.

Der beabsichtigten Kündigung liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Im bisherigen Verlauf der Probezeit hat sich herausgestellt, daß Herr B. nicht über die fachlichen Voraussetzungen verfügt, um die Aufgaben eines Redakteurs wahrnehmen zu können. So ist Herr B. häufig nicht in der Lage, Sachzusammenhänge im aktuellen Bereich zu erfassen und kurz und prägnant als Meldung zu formulieren. Herr B. zeigte sich bei Kritik an seiner Person sehr empfindlich, teilte jedoch häufig in verletzender Weise Kritik aus. Außerdem gelang es ihm nicht, die freien Mitarbeiter in der Arbeit anzuleiten und kritisch zu begleiten. In vielen Fällen hat Herr B. die Beiträge freier Mitarbeiter durch seine Bearbeitung beeinträchtigt, was auch mit einem Mangel an Allgemeinbildung zusammenhängt. Einfache Redaktionsdienste, die es ihm ermöglichen sollten, den Betrieb besser kennenzulernen, lehnte Herr B. als diskriminierend ab.

Herr B. störte auch mehrfach die Zusammenarbeit mit seinen Kollegen, so daß seine Integration in die Abteilung „Bayern” nicht gelang. Sein Verhalten gegenüber Kollegen ist häufig von Aggressivität, auch in Form von Beleidigungen, geprägt.

Ich bitte daher den Personalrat um Zustimmung zu der beabsichtigten Kündigung.”

Der Personalrat des Beklagten hielt die beabsichtigte Kündigung nicht für gerechtfertigt. Dies teilte er dem Beklagten mit Schreiben vom 1. Juni 1988 mit.

Mit Schreiben vom 27. Juni 1988, das dem Kläger am 28. Juni 1988 zuging, kündigte der Beklagte das Arbeitsverhältnis zum 31. Juli 1988.

Der Kläger hält die Kündigung schon mangels einer ordnungsgemäßen Anhörung des Personalrates für unwirksam. Er ist der Auffassung, der Intendant habe nur schlagwortartig Gründe mitgeteilt, eine eingehende und rechtzeitige Erörterung mit einem Ziel der Verständigung sei nicht erfolgt. Im übrigen macht der Kläger geltend, in Anwendung des Kündigungsschutzgesetzes sei die Kündigung sozial nicht gerechtfertigt. Das Arbeitsverhältnis mit dem Beklagten habe nicht erst am 1. Januar 1988 begonnen, es seien vielmehr Zeiten aus seiner früheren Tätigkeit für den Beklagten anzurechnen.

Der Kläger hat beantragt festzustellen,

daß die vom Beklagten mit Schreiben vom 27. Juni 1988 zum 31. Juli 1988 ausgesprochene Kündigung des zwischen den Parteien bestehenden Arbeitsverhältnisses rechtsunwirksam sei.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt. Er hat vorgetragen, in dem Schreiben, mit dem der Personalrat um Zustimmung zur Kündigung gebeten worden sei, habe er die Gründe, die ihn zur Kündigung veranlaßt hätten, hinreichend konkret dargestellt. Weitergehende Angaben seien nicht erforderlich. Im übrigen genieße der Kläger keinen Kündigungsschutz. Mit dem Kläger habe erst seit 1. Januar 1988 ein Arbeitsverhältnis bestanden.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Landesarbeitsgericht unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils festgestellt, die Kündigung des Beklagten habe das Arbeitsverhältnis nicht aufgelöst. Hiergegen richtet sich die Revision des Beklagten, um deren Zurückweisung der Kläger bittet.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückzuverweisen.

I. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob zwischen dem Kläger und dem Beklagten ein Arbeitsverhältnis über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten bestanden hat. Es hat ausgeführt, die Kündigung sei schon nach Art. 77 BayPVG unwirksam, denn das Schreiben, mit dem der Personalrat zur Kündigung angehört worden sei, genüge nicht den Anforderungen. Die Kennzeichnung des Sachverhaltes sei nicht so genau und umfassend, daß der Personalrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in der Lage gewesen sei, selbst die Stichhaltigkeit der Gründe zu überprüfen und sich über seine Stellungnahme schlüssig zu werden. Das Schreiben des Intendanten enthalte mit wenigen Ausnahmen nur eine Sammlung von Wertungen und Pauschalurteilen.

II. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht stand. Entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts ist der Personalrat zur Kündigung ordnungsgemäß angehört worden.

1. Gemäß Art. 77 BayPVG wirkt der Personalrat bei der ordentlichen Kündigung durch den Arbeitgeber mit und kann Einwendungen erheben. Nach Art. 77 Abs. 4 ist eine Kündigung unwirksam, wenn der Personalrat nicht beteiligt worden ist. Die ordnungsgemäße Anhörung des Personalrats ist auch nach dieser landesgesetzlichen Vorschrift Wirksamkeitsvoraussetzung für die Kündigung.

Gemäß Art. 72 BayPVG ist in den Fällen, in denen der Personalrat an Entscheidungen mitwirkt (Art. 77 Abs. 1), die beabsichtigte Maßnahme vor der Durchführung mit dem Ziel einer Verständigung rechtzeitig und eingehend mit dem Personalrat zu erörtern.

a) Im vorliegenden Fall hat eine Erörterung mit dem Personalrat zwar nicht stattgefunden. Hieran scheitert aber die Ordnungsmäßigkeit der Anhörung nicht. Eine besondere ausdrückliche Aufforderung an den Personalrat, in die Erörterung einzutreten, ist nicht erforderlich, da davon ausgegangen werden kann, daß dieser die ihm zustehenden Rechte kennt. Die Mitteilung zu einer beabsichtigten Kündigung beinhaltet deswegen bereits das Angebot einer Erörterung mit dem Personalrat (vgl. Aufhauser/Brunhöber/Warga, BayPVG, Art. 72 Rz 7; Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, BayPVG, Stand Mai 1985, Art. 77 Rz 67 mit Hinweis auf BAG Urteil vom 28. Februar 1974 – 2 AZR 455/73 –, BAGE 26, 27 = AP Nr. 2 zu § 102 BetrVG 1972). Der Kläger hat auch selbst nicht geltend gemacht die Sache sei mit dem Personalrat zu erörtern, gewesen. Er hat sich nur darauf berufen, aus den Regelungen im Landespersonalvertretungsrecht müsse gefolgert werden, daß die Mitteilung der Kündigungsgründe auch substantiiert zu erfolgen habe, da andernfalls eine Anhörung sinnlos sei.

b) Vorliegend ist der Personalrat ordnungsgemäß über die Kündigungsgründe unterrichtet worden. Nach einhelliger Auffassung ist der Personalrat allerdings umfassend zu informieren. Der Dienststellenleiter hat dem Personalrat die Person des Arbeitnehmers, die Art der Kündigung, den Kündigungstermin sowie die Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitzuteilen (vgl. Ballerstedt/Schleicher/Faber/Eckinger, a.a.O., Stand November 1989, Art. 77 Rz 57; Aufhauser/Brunhöber/Warga, a.a.O., Art. 77 Rz 5). Für den Umfang der Unterrichtungspflicht gelten hierbei die Grundsätze, die die Rechtsprechung im Rahmen von § 102 BetrVG entwickelt hat.

c) Nach der vergleichbaren Vorschrift des § 102 Abs. 1 BetrVG ist der Betriebsrat vor jeder Kündigung zu hören. Der Arbeitgeber hat dem Betriebsrat die Gründe für die Kündigung mitzuteilen, d.h. der Arbeitgeber muß schriftlich oder mündlich den Betriebsrat neben den näheren Informationen über die Person des betroffenen Arbeitnehmers, die Art und den Zeitpunkt der Kündigung, vor allem die seiner Ansicht nach maßgeblichen Gründe für die beabsichtigte Kündigung mitteilen. Hierfür genügt es in der Regel nicht, die Kündigungsgründe nur pauschal, schlagwort- oder stichwortartig zu bezeichnen oder bloße Werturteile ohne Angabe der für die Bewertung maßgebenden Tatsachen anzugeben.

aa) Die Informationspflicht gegenüber dem Betriebsrat geht aber nicht so weit wie die Darlegungspflicht im Kündigungsrechtsstreit. Der Arbeitgeber ist daher auch nicht verpflichtet, dem Betriebsrat Unterlagen oder Beweismaterial zur Verfügung zu stellen oder Einsicht in die Personalakten des betreffenden Arbeitnehmers zu gewähren. Gleichwohl ist der für den Arbeitgeber maßgebende Sachverhalt unter Angabe der Tatsachen, aus denen der Kündigungsentschluß hergeleitet wird, aber näher so zu umschreiben, daß der Betriebsrat ohne zusätzliche eigene Nachforschungen in die Lage versetzt wird, die Stichhaltigkeit der Kündigungsgründe zu prüfen und sich über eine Stellungnahme schlüssig zu werden. Kommt der Arbeitgeber diesen Anforderungen an seine Mitteilungspflicht nicht oder nicht richtig nach, unterlaufen ihm insoweit bei der Durchführung der Anhörung Fehler, ist die Kündigung unwirksam, und zwar unabhängig davon, ob und wie der Betriebsrat zu der mangelhaften Anhörung Stellung genommen hat (vgl. BAGE 49, 136, 142 = AP Nr. 37 zu § 102 BetrVG 1972, zu II 1 a der Gründe).

bb) Auch bei einer Kündigung in den ersten 6 Monaten des Bestehens eines Arbeitsverhältnisses richtet sich der Inhalt der Mitteilungspflicht des Arbeitgebers nach § 102 Abs. 1 BetrVG und der vorliegend anwendbaren Vorschrift des BayPVG nicht nach den objektiven Merkmalen der Kündigungsgründe des noch nicht anwendbaren § 1 KSchG, sondern nach den Umständen, aus denen der Arbeitgeber subjektiv seinen Kündigungsentschluß herleitet. Die pauschale Umschreibung des Kündigungsgrundes durch ein Werturteil (z.B. nicht hinreichende Arbeitsleistungen) erfüllt ausnahmsweise dann die Anforderungen der Mitteilungspflicht nach § 102 Abs. 1 BetrVG, wenn der Arbeitgeber seine Motivation nicht mit konkreten Tatsachen belegen kann. Wenn für den Kündigungsentschluß des Arbeitgebers mehrere Gründe maßgebend gewesen sind, dann berührt eine objektiv unvollständige Unterrichtung des Betriebsrats hinsichtlich einzelner Kündigungsgründe nicht die Wirksamkeit des Anhörungsverfahrens insgesamt (so BAGE 59, 295 = AP Nr. 49 zu § 102 BetrVG 1972).

2. Das Landesarbeitsgericht hat diese Grundsätze nicht hinreichend beachtet. Es ist selbst davon ausgegangen, das Anhörungsschreiben enthalte auch substantiierte Gründe, denn es hat ausgeführt, „mit wenigen Ausnahmen” enthalte das Schreiben Wertungen und Pauschalurteile. Das Berufungsgericht hätte daher im einzelnen prüfen müssen, ob die von ihm als „Ausnahmen” bezeichneten Mitteilungen den Anforderungen an eine Anhörung genügen. Das ist zu bejahen.

a) Der Beklagte hat die für ihn maßgeblichen Gründe aufgegliedert. Seine Angabe in dem Schreiben, der Kläger verfüge nicht über die fachlichen Voraussetzungen, um die Aufgaben eines Redakteurs wahrnehmen zu können, ist insgesamt eine Wertung, da die fachlichen Voraussetzungen, an denen es fehlen soll, nicht mitgeteilt werden. Sofern der Beklagte über ins einzelne gehende Vorstellungen darüber verfügt haben sollte, welche fachlichen Voraussetzungen hier in Frage gestellt werden, hätte er dies dem Personalrat mitteilen müssen.

b) Wenn es hingegen heißt, der Kläger sei häufig nicht in der Lage, Sachzusammenhänge im aktuellen Bereich zu erfassen und kurz und prägnant als Meldung zu formulieren, ist dies nicht eine bloße Wertung. Wie der Aussage vielmehr zu entnehmen ist, sollen die entsprechenden Mitteilungen des Klägers den Anforderungen an eine präzise kurze Unterrichtung nicht genügen. Das Landesarbeitsgericht hat insoweit nicht beachtet, daß der Senat wiederholt ausgeführt hat, die Mitteilung im Anhörungsschreiben sei nicht gleichzusetzen mit der substantiierten Darlegungslast im Prozeß.

c) Soweit in dem Anhörungsschreiben darauf verwiesen wird, der Kläger zeige sich bei Kritik an seiner Person sehr empfindlich, teile jedoch häufig in verletzender Weise Kritik aus, handelt es sich ebenfalls nicht um ein bloßes Werturteil. Aus der Aussage läßt sich vielmehr hinreichend auf eine persönliche Eigenschaft des Klägers schließen, die einer Zusammenarbeit nicht dienlich ist.

d) Ebenso ist der Hinweis, dem Kläger sei es nicht gelungen, die freien Mitarbeiter in der Einarbeit anzuleiten und kritisch zu begleiten, eine Sachaussage, die im Prozeß konkretisiert werden konnte. Im Rahmen der Anhörung brauchte der Beklagte dem Personalrat nicht mitzuteilen, wann welche Mitarbeiter in welchem Zusammenhang nicht angeleitet worden waren.

e) Der Aussage, der Kläger habe in vielen Fällen die Beiträge freier Mitarbeiter durch seine Bearbeitung in der Qualität beeinträchtigt, läßt sich entnehmen, daß jedenfalls nach der maßgeblichen Auffassung des Beklagten der Kläger zwar die ihm vorgelegten Beiträge bearbeitet, sie jedoch ihrem Gehalt nach nicht verbessert, sondern verschlechtert hat. Die Angabe enthält eine sachliche Mitteilung, die mit einer Wertung verbunden ist, die Qualität der ursprünglichen Manuskripte werde beeinträchtigt. Insoweit wäre im Prozeß anhand einzelner Beispiele durchaus nachprüfbar, ob diese Behauptung zutrifft oder nicht.

f) Soweit der Kläger es als diskriminierend abgelehnt haben soll, einfache Redaktionsdienste, die es ihm hätten ermöglichen sollen, den Betrieb besser kennenzulernen, zu übernehmen, liegt eine klare Sachaussage vor, wobei es auch hier im Prozeß nur darauf ankommen könnte, welche einfachen Redaktionsdienste gemeint gewesen seien.

3. Die Anhörung des Personalrats ist damit insgesamt ordnungsgemäß erfolgt. Sollte im Hinblick auf die früheren vertraglichen Beziehungen der Parteien das Kündigungsschutzgesetz Anwendung finden, was der Senat mangels entsprechender Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht zu beurteilen vermag, wäre dann allerdings zu prüfen, ob den Tatsachen, die dem Personalrat ausreichend mitgeteilt worden sind und die den Beklagten zur Kündigung während der von ihm so gewerteten Probezeit veranlaßten, die Qualität von Kündigungsgründen beizumessen ist, wobei im Hinblick auf geltend gemachte Leistungsmängel zu prüfen wäre, inwieweit der Kläger vor der Kündigung angehalten worden ist, sein Verhalten zu ändern.

 

Unterschriften

Hillebrecht, Triebfürst, Dr. Ascheid, Schulze, Strümper

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1070632

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