Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung: Sozialarbeiter in sozial-psychiatrischer Beratungsstelle

 

Leitsatz (redaktionell)

Eingruppierung eines Sozialarbeiters (grad.) mit staatlicher Anerkennung in einer sozial-psychiatrischen Beratungsstelle der sozial-medizinischen Abteilung eines Gesundheitsamtes einer Großstadt in Hessen; Parallelentscheidung zu BAG Urteil vom 6. August 1997 – 4 AZR 891/95 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen

 

Normenkette

BAT 1975 §§ 22-23

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 05.09.1995; Aktenzeichen 9 Sa 1827/94)

ArbG Kassel (Urteil vom 15.07.1994; Aktenzeichen 7 Ca 660/93)

 

Tenor

1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 5. September 1995 – 9 Sa 1827/94 – wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger hat auch die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die tarifgerechte Eingruppierung des Klägers, insbesondere darüber, ob der Kläger originär oder im Wege des Bewährungsaufstiegs Anspruch auf Vergütung aus VergGr. III BAT/VKA, hilfsweise aus VergGr. IV a BAT/VKA ab 1. Januar 1991 hat.

Der am 25. März 1939 geborene Kläger war in der Zeit von 1960 bis 1969 Zeitsoldat der deutschen Bundeswehr im Sanitätsdienst und ist seit dem 1. April 1965 berechtigt, die Berufsbezeichnung „Krankenpfleger” zu führen. Bei der Bundeswehr arbeitete er eine Zeitlang unter einem Facharzt für Psychiatrie. Nach abgeschlossener Ausbildung zum Sozialarbeiter (grad.) und nach erfolgter staatlicher Anerkennung als Sozialarbeiter steht er seit dem 1. April 1974 als solcher in einem Arbeitsverhältnis mit der Beklagten. Der Kläger ist Mitglied der Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV), die Beklagte ist Mitglied des Arbeitgeberverbandes der Gemeinden und Kommunalverbände in Hessen, der seinerseits Mitglied der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) ist. Nach dem Arbeitsvertrag vom 7. März 1974 richtet sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundesangestelltentarifvertrag vom 23. Februar 1961 und den ergänzend abgeschlossenen tarifvertraglichen Vereinbarungen. Änderungen „vorstehend genannter Bestimmungen” gelten vom Tage des Inkrafttretens auch für dieses Arbeitsverhältnis. Nach den Zusatzverträgen vom 23. Oktober 1992, 18. März 1993 und 7./15. Dezember 1994 arbeitet der Kläger seit dem 1. November 1992 nur noch mit einem Beschäftigungsumfang von 30 Stunden in der Woche. Der Kläger ist von Anfang an in der sozial-psychiatrischen Beratungsstelle für Erwachsene der sozial-medizinischen Abteilung des Gesundheitsamts der beklagten Stadt beschäftigt. Zunächst war er vor allem in der Suchtkrankenbetreuung tätig, seit etwa 1981 betreut er psychisch Kranke, aber auch weiterhin Suchtkranke. Die Aufgaben einer sozial-psychiatrischen Beratungsstelle ergeben sich aus den Seiten 19 bis 21 des Hessischen Psychiatrieplanes 1983. In der sozial-medizinischen Abteilung des Gesundheitsamtes der Beklagten gibt es außerdem die sozial-psychiatrische Beratungsstelle für Kinder und Jugendliche und die Behindertenberatungsstelle. In der Hygieneabteilung ist die AIDS-Beratungsstelle angesiedelt.

Nach der „Arbeitsplatzbeschreibung zur Feststellung der Eingruppierung eines Angestellten nach § 22 BAT” vom 14./18. August 1992 besteht die Aufgabenstellung des Klägers in folgendem:

„Arbeitsvorgänge

Nr.

kurze Beschreibung

Anteil an Gesamtzeit in v. H.

1.

Klientenbezogene Sozialarbeit

1.1

Zielgruppe

Chronisch und akut psychisch schwer kranke Menschen, Behinderte und gerontopsychiatrische Patienten, Personen in Konfliktsituationen unter Berücksichtigung ihres sozialen Umfeldes und Personen mit schweren Persönlichkeitsstörungen.

Neben den o.a. Zielgruppen fällt ein nicht geringer Anteil des Arbeitsaufwandes auf chronische Suchtmittelabhängige, die wegen des erheblichen Grades ihrer Störung aus allen anderen Betreuungsketten herausfallen. Bei allen Patientengruppen handelt es sich überwiegend um Personen vor oder nach einer stationären, teilstationären Maßnahme, die vielfach freiheitsentziehenden Maßnahmen (nach Bürgerlichem Recht, Unterbringungsrecht) unterliegen.

Bei allen Patientengruppen besteht die Gefahr der Verwahrlosung oder sie ist bereits eingetreten.

1.2

Sozialarbeiterische Beratung und Betreuung

45 %

–Psychosoziale Einzel- und Gruppenberatung und kontinuierliche sozial-therapeutisch orientierte Betreuung von chronisch psychisch Kranken

–Beratung Angehöriger, Freunde und Beteiligter zur Stützung des unmittelbaren sozialen Umfeldes des Betroffenen, auch bei krisenhaften Situationen

– Krisenintervention als zeitlich begrenztes sozialarbeiterisches Handeln, ggf. unter Einbeziehung anderer Fachgruppen, zur Abwendung einer akuten Gefahrensituation (Herausfinden des auslösenden Ereignisses nach Art, Umfang, Bedeutung und betroffenen Personen mit dem Ziel der Problemlösung).

Vertretung der Stadt K. im Unterbringungsverfahren nach dem Hess. Freiheitsentziehungsgesetz (HFEG)

1.3

Koordination

30 %

–Koordination (Entwicklung, Abstimmung, Begleitung und Unterstützung) der Durchführung von Rehabilitations-, Therapie- oder Eingliederungsplänen unter Einbeziehung unterschiedlicher Fachgruppen und Dienste unter Beachtung sozialrechtlicher Zuordnung solcher Maßnahmen

–Stadtteil- und gemeinwesensorientierte Beratungsarbeit zur Verbesserung der Akzeptanz der zu Betreuenden in ihrem sozialen Umfeld

1.4

Erstellung von sozialarbeiterischen Gutachten (Sozialberichte)

10 %

Sozialberichte zu Sozialrechtssachen, insbesondere zu Fragen der Hilfen in besonderen Lebenslagen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG)

Sozialberichte in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit bei Betreuungssachen und freiheitsentziehenden Maßnahmen nach dem Landesunterbringungsrecht

2.

Förderung von Netzwerken

5 %

2.1

Entwicklung von Kooperationsfragen im Arbeitsfeld mit Institutionen der psychosozialen Versorgung und beteiligten Verwaltungen mit dem Ziel der Weiterentwicklung eines Verbundsystems

Mitwirkung in Kooperationsgremien

Mitwirkung bei Öffentlichkeits- und Fortbildungsveranstaltungen im Fachbereich

3.

Praktikantenanleitung

5 %

4.

Schwerpunkt: Angehörigenrecht

5 %

–Initiierung, Begleitung von Angehörigen-Gruppen

– Motivation von Angehörigen

–Mitwirkung in den zugehörigen Gremien auf Orts-, Landes- und Bundesebene der Angehörigenarbeit

–Öffentlichkeitsarbeit”

Der Kläger arbeitet nach seinem Vortrag überwiegend mit einem Personenkreis, der psychische Störungen und psychiatrische Krankheitsbilder aufweist. Dazu gehören depressive, selbstunsichere, geltungssüchtige, stimmungslabile und willenlose Psychopathen, fanatische Persönlichkeiten, Menschen mit einer abnormen Gemütslosigkeit, jede Art von Neurotikern, Personen mit Psychosen und seelischen Störungen, mit Epilepsie und allen Formen der Schizophrenie. Der Kläger befaßt sich mit der psychosozialen Beratung dieses Personenkreises in Form der Einzel- und Gruppenberatung einschließlich der Beratung über Rehabilitationsmaßnahmen und Möglichkeiten der Sicherung des Lebensunterhalts. Dazu gehört auch die Krisenintervention zur Abwendung akuter Gefahrensituationen. Daneben hat der Kläger die Angehörigen oder Bezugspersonen der Kranken zu betreuen und zu beraten, ferner Personen im Auftrag von anderen Behörden und Gerichten sozial-psychologisch zu begutachten. Bei Suchtkranken muß er klären, ob die Voraussetzungen von Zwangsmaßnahmen oder Unterbringung vorliegen. Der Kläger hat seine Arbeit anhand von acht Beispielsfällen geschildert. Er führt die sozialarbeiterische Krisentätigkeit durch bei der Innenbereitschaft jeweils montags zwischen 8.30 Uhr und 17.00 Uhr. Dabei wird er von Personen, die von Auffälligkeiten psychisch Kranker oder Suchtkranker betroffen sind, angerufen oder aufgesucht, die ein sofortiges Tätigwerden verlangen. Diesen Teil seiner Arbeit gibt der Kläger mit 26,6 % seiner Arbeitszeit an. Dienstags ist er in solchen Fällen im Außendienst mit nach seiner Angabe 26,5 % der Arbeitszeit tätig. Mittwochs arbeitet er nicht. Donnerstags arbeitet er von 10.00 Uhr bis 12.30 Uhr und dreimal im Monat auch von 13.00 Uhr bis 17.00 Uhr sowie freitags für sechs Stunden berät und betreut er psychisch Kranke oder potentielle Klienten. Diese Tätigkeit beziffert er mit 41,6 % seiner Arbeitszeit. Einmal im Monat donnerstags von 13.00 Uhr bis 16.00 Uhr führt er die Beratung von Angehörigen durch, wofür er 10 % seiner Arbeitszeit ansetzt. Bei seiner Arbeit muß er mit einer Vielzahl von anderen Ämtern, Behörden, Institutionen und Einrichtungen zusammenarbeiten.

Mit Schreiben vom 16. Februar 1994 wurde der Kläger bevollmächtigt, für die Beklagte alle Anträge nach dem Gesetz über die Entziehung der Freiheit geisteskranker, geistesschwacher, rauschgift- oder alkoholsüchtiger Personen (HFEG) vom 19. Mai 1952 – GVBl S. 111 – bei den zuständigen Amtsgerichten zu stellen und die Beklagte in den Unterbringungsverfahren vor diesen Gerichten zu vertreten sowie alle erforderlichen Erklärungen rechtsverbindlich für die Beklagte abzugeben. Außerdem wurde er ermächtigt, im Sinne des § 10 HFEG die sofortige Ingewahrsamnahme anzuordnen und zu vollziehen.

Im Gesundheitsamt der Beklagten finden seit etwa 15 Jahren in 14tägigem Rhythmus eine psychiatrische Fortbildung durch Fachärzte und sonstige Fortbildung durch Ärzte und Psychoanalytiker statt. Daneben hat der Kläger zwei Semester psychiatrische Vorlesungen besucht, an psychiatrischen Fachtagungen teilgenommen und zahlreiche Fortbildungsveranstaltungen aufgesucht. Die Deutsche Gesellschaft für soziale Psychiatrie e.V. führt seit einiger Zeit Fortbildungsseminare mit dem Ziel einer Zusatzqualifikation „Sozial-psychiatrische Zusatzausbildung” durch. Der Kläger meint, die in der Broschüre „Sozialpsychiatrische Zusatzausbildung”, 4. Auflage Mai 1994, genannten Lehrinhalte seien für ihn nichts Neues. Er habe alle dort genannten Themenschwerpunkte durchlaufen und bearbeitet. Er verfüge exakt über die Zusatzqualifikation, die durch diese Zusatzausbildung den Sozialarbeitern vermittelt werden solle.

Der Kläger erhielt von Anfang an Vergütung nach VergGr. IV b BAT/VKA. Aufgrund des Beschlusses Nr. 10668 des Magistrats der beklagten Stadt vom 14. Oktober 1974 erhielten die in der sozialpsychiatrischen Beratungsstelle eingesetzten Sozialarbeiter „für die Dauer dieser Tätigkeit mit Wirkung vom 1. August 1974 eine persönliche Zulage in Höhe von zwei Dritteln des bei Höhergruppierung von VergGr. IV b BAT nach VergGr. IV a BAT zu berechnenden Garantiebetrages”. Diese Zulage wurde durch Magistratsbeschluß vom 26. Mai 1986 gestrichen und im Wege der Besitzstandswahrung nur noch an diejenigen weitergezahlt, die sie zu diesem Zeitpunkt bereits erhielten.

Im Zuge der Durchführung des 6. Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 24. April 1991 sah die Beklagte den Kläger weiter in VergGr. IV b BAT/VKA eingruppiert und teilte ihm unter dem 20. September 1991 mit, daß er mit Wirkung vom 1. Januar 1991 eine Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 6 % der Grundvergütung der Stufe 4 der VergGr. IV b BAT erhalten werde. Mit Schreiben vom 20. Januar 1992 machte der Kläger erfolglos Vergütung nach VergGr. IV a BAT/VKA geltend. Mit der am 9. September 1993 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat der Kläger zunächst sein Begehren auf Feststellung seines Anspruchs auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT/VKA weiterverfolgt, diese später auf einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT/VKA erweitert und nur noch hilfsweise Vergütung nach VergGr. IV a BAT geltend gemacht.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er habe in aller Regel auf sich allein gestellt die Anamnese zu erheben, eine vorläufige Diagnose zu stellen und Entscheidungen zu treffen. Der von ihm zu betreuende Personenkreis befinde sich in einer schweren komplexen Problemsituation und weise zudem über den Personenkreis der Protokollerklärung Nr. 12 hinaus schwerste psychische und psychiatrische Krankheitsbilder auf, aus denen erhebliche Kommunikationsstörungen entstünden, die eine unmittelbare gesprächsweise Kontaktaufnahme oft ausschlössen. Die sozial-psychiatrische Beratungsstelle werde auch bezüglich des in der Protokollerklärung Nr. 12 aufgeführten Personenkreises tätig, wenn dessen Angehörige zusätzlich in Krisen gerieten. Eine solche krisenhafte gesundheitliche und soziale Entwicklung liege immer dann vor, wenn zum Beispiel Suchtmittel-Abhängige ihre finanziellen und persönlichen Dinge nicht mehr regeln könnten und aufgrund von akutem Suchtmittelmißbrauch in lebensbedrohliche Situationen kämen. Ähnlich sei es bei den anderen Personen des in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Personenkreises, wenn die normalerweise mit diesem befaßten Betreuer nicht weiter kämen. Er benötige Kenntnisse auf den Rechtsgebieten der Geschäftsfähigkeit, des Betreuungsgesetzes und der Unterbringungsangelegenheiten, des Hessischen Freiheitsentziehungsgesetzes, des Bundessozialhilfegesetzes, der Vorschriften zur Eingliederung Behinderter, des Rentenrechts einschließlich der Voraussetzungen für Ausländer, des Arbeitsförderungsrechts, des Aufenthaltsrechts für Ausländer und des Polizei- und Ordnungsrechts. Seine Tätigkeit erfordere stets abrufbare und einsetzbare vertiefte Kenntnisse von außerordentlicher Breite über anzuwendende Gesetze und Vorschriften. Er werde mit Entscheidungsnotwendigkeiten praktisch über die gesamte Breite eines am Rechts- und Wirtschaftsleben teilnehmenden Menschen konfrontiert. Das stelle jedoch nur den notwendigen zu beachtenden Rahmen dar. Er müsse darüber hinaus mit großem menschlichen Einfühlungsvermögen handeln und darüber hinaus psychiatrische und psychologische Kenntnisse haben, die ihm die Beurteilung von schwierigen Fallkonstellationen überhaupt erst ermöglichten. Gefordert sei ein umfassendes Eingehen auf alle Anforderungen sachlicher und emotionaler Art. Er habe nicht nur die psychische Betreuung der Klienten zu regeln, sondern gegebenenfalls auch finanzielle Hilfen zu veranlassen. Die Schwierigkeit seiner Tätigkeit gehe über die in der Betreuung der in Protokollerklärung Nr. 12 genannten Personen noch hinaus, weil diese in der Regel ihre Steuerungs- und Geschäftsfähigkeit nicht verloren hätten. Die psychisch Kranken seien infolge ihres Krankheitsbildes in ihrer gesamten Lebensführung und -bewältigung außerstande oder nur in sehr eingeschränktem Maße in der Lage, ohne Hilfe von außen für sich selbst zu sorgen. Sie könnten außerdem nicht eigenverantwortlich für sich selbst Entscheidungen treffen und seien auch nicht in der Lage, sonst für einen halbwegs gesunden Menschen geordnete Gedankenabläufe nachzuvollziehen und mit ihrem Gegenüber in eine normale Kommunikation einzutreten. Seine Arbeit erfordere gegenüber einem „normalen” Sozialarbeiter viel weitgehendere medizinische Kenntnisse. Die besondere Schwierigkeit seiner Tätigkeit ergebe sich daraus, daß er immer wieder vor außerordentlich schwierige Aufgaben gestellt sei, deren Erfüllung mit einem hohen Maß an Verantwortung verbunden sei. Er müsse in kürzester Zeit schwierigste Entscheidungen treffen. Er trage die Verantwortung für das Leben der Betroffenen und von deren Mitmenschen. Mitunter sei auch sein eigenes in Gefahr. Die besondere Schwierigkeit folge aber auch aus dem Personenkreis seiner Klientel, die mit der in Protokollerklärung Nr. 8 genannten vergleichbar sei, aber noch darüber hinausgehe. Die Bedeutung seiner Tätigkeit ergebe sich aus ihren Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse seiner Klienten. Umfassender und zugleich gravierender in ihren Auswirkungen auf deren private Lebensverhältnisse lasse sich eine andere Amtstätigkeit kaum vorstellen, weil seine Entscheidungen unmittelbar in die Gesundheit, aber auch in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und der freien Wohnungswahl der Klienten eingriffen. Daran ändere sich nichts dadurch, daß in manchen dieser Fälle eine Genehmigung des Vormundschaftsgerichtes oder eine Verfügung der Betreuungsbehörde notwendig sei, weil er das Initiativrecht habe und überprüfend tätig werde. Bei der Erstellung von Sozialberichten gehe die Schwierigkeit und Bedeutung seiner Tätigkeit über die eines Sozialbetreuers hinaus, weil sich ein solcher der fachlichen Beurteilung durch ihn bediene. Die Tätigkeit des Klägers erfülle darüber hinaus die Voraussetzungen der VergGr. III Fallgruppe 6, weil sich die Tätigkeit des Klägers durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der VergGr. IV a Fallgruppe 15 heraushebe. Die Verantwortung des Klägers erstrecke sich auf Leib und Leben der betroffenen Klienten, aber auch und insbesondere von deren Angehörigen, Nachbarn und Mitmenschen. Es gehe darum, einer aggressiven gefährlichen Person gegenüber die richtigen Maßnahmen zu treffen und diese Person richtig einzuschätzen. Es gehe im wahrsten Sinne des Wortes um Leib und Leben der anderweitig betroffenen Person und des Klienten selber. Jedenfalls sei ein Fall des „Bewährungsaufstiegs” gegeben im Sinne der Fallgruppe 7 der VergGr. III in Verbindung mit der Fallgruppe 15 der VergGr. IV a.

Der Kläger hat zuletzt beantragt

festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, ihm ab dem 1. Januar 1991 Vergütung gemäß der VergGr. III BAT zu zahlen,

hilfsweise,

Vergütung gemäß der VergGr. IV a BAT zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie hat die Auffassung vertreten, die Heraushebung der Tätigkeit des Klägers durch fachlich herausragende Anforderungen sei nicht gegeben. Der Tatsachenvortrag des Klägers sei nicht schlüssig. Es gehöre zur Normaltätigkeit von Sozialarbeitern, sich mit Personen in schwierigen Umständen, mit Behinderungen und psychischen Auffälligkeiten zu befassen.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision des Klägers zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet. Der Kläger übt jedenfalls keine Tätigkeit aus, die sich durch ihre Bedeutung aus den nach der VergGr. IV b Fallgruppe 16 zu vergütenden Tätigkeiten heraushebt.

I. Die Klage ist zulässig. Es handelt sich um eine im öffentlichen Dienst allgemein übliche Eingruppierungsfeststellungsklage, gegen deren Zulässigkeit nach ständiger Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts keine Bedenken bestehen (z.B. Senatsurteil vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975).

II. Die Klage ist jedoch nicht begründet.

1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden kraft beiderseitiger Tarifgebundenheit der BAT und die ihn ergänzenden Tarifverträge in der für den Bereich der Vereinigung der Kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) geltenden Fassung mit unmittelbarer und zwingender Wirkung Anwendung (§ 3 Abs. 1, § 4 Abs. 1 Satz 1 TVG). Außerdem haben die Parteien deren Geltung arbeitsvertraglich vereinbart.

2. Die Entscheidung des Rechtsstreits hängt damit davon ab, ob mindestens die Hälfte der die gesamte Arbeitszeit des Klägers ausfüllenden Arbeitsvorgänge den Tätigkeitsmerkmalen der von ihm als gegeben angesehenen VergGr. III, hilfsweise IV a des 6. Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT (Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst) vom 19. Juni 1970 in der Neufassung des Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991, in Kraft ab 1. Januar 1991, entspricht (§ 22 Abs. 2 Unterabs. 2 Satz 1 BAT).

a) Auszugehen ist daher von dem von der Senatsrechtsprechung entwickelten Begriff des Arbeitsvorgangs. Diesen hat der Senat verstanden als eine unter Hinzurechnung der Zusammenhangstätigkeiten und bei Berücksichtigung einer sinnvollen, vernünftigen Verwaltungsübung nach tatsächlichen Gesichtspunkten abgrenzbare und rechtlich selbständig zu bewertende Arbeitseinheit der zu einem bestimmten Arbeitsergebnis führenden Tätigkeit eines Angestellten (BAGE 51, 59; 51, 282; 51, 356 = AP Nr. 115, 116 und 120 zu §§ 22, 23 BAT 1975; ständige Rechtsprechung des Senats). Dabei ist es zwar rechtlich möglich, daß die gesamte Tätigkeit des Angestellten nur einen Arbeitsvorgang bildet, wenn der Aufgabenkreis nicht weiter aufteilbar und nur einer einheitlichen rechtlichen Bewertung zugänglich ist (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 – AP Nr. 29 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter). Tatsächlich trennbare Tätigkeiten mit unterschiedlicher Wertigkeit können jedoch nicht zu einem Arbeitsvorgang zusammengefaßt werden (Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O.).

b) Von diesen Grundsätzen ist auch das Landesarbeitsgericht ausgegangen. Es hat sich nicht in der Lage gesehen, einen Arbeitsvorgang oder Arbeitsvorgänge zu bilden. Es hat aber in seiner Hilfsbegründung unterstellt, daß die Betreuung der psychisch Kranken mit Zusammenhangstätigkeiten als „ein einziger großer Arbeitsvorgang” oder als „Arbeitsvorgänge” mit mindestens 50 % oder einem Drittel der Arbeitszeit des Klägers anzusehen seien. Es spricht viel dafür, daß die „klientenbezogene Sozialarbeit”, soweit sie aus „sozialarbeiterischer Beratung und Betreuung” und „Koordination” besteht, die nach der Arbeitsplatzbeschreibung 75 % der Arbeitszeit des Klägers ausmachen, ein Arbeitsvorgang ist. Denn die „Koordination” bezieht sich anders als bei anderen Beratungsstellen nicht auf „Planen initiierender Arbeitsorganisation und des -ablaufs, Bedarfserhebung, Planung, Antragstellung von Ausstattungs- und Arbeitsmittelbedarf, Supervision und Fortbildungen, Koordinieren und Kooperieren zwischen Verwaltung und Abteilung, Mitwirkung bei personalen Angelegenheiten, Anlegen, Strukturieren von Verzeichnissen, Dateien, Ordnern” (vgl. die Arbeitsplatzbeschreibung für eine Sozialarbeiterin in der Beratungsstelle für Kinder, Jugendliche, Eltern und Familien im Bereich der Kinder- und Jugendpsychiatrie des sozial-psychiatrischen Dienstes einer Stadt in Nordrhein-Westfalen, Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 3. Mai 1995 – 18 Sa 1820/94 – EzBAT §§ 22, 23 BAT F.1 Sozialdienst VergGr. IV a Nr. 14), sondern auf die Klienten, wie der erläuternde Text zur „Koordination” in der Arbeitsplatzbeschreibung zeigt. Ob die auch unter „klientenbezogene Sozialarbeit” aufgeführte „Erstellung von sozialarbeiterischen Gutachten (Sozialberichte)” mit weiteren 10 % der Arbeitszeit dazuzurechnen ist, kann offen bleiben. Das Landesarbeitsgericht meinte, nicht entscheiden zu können, weil aus dem Vortrag des Klägers nicht ersichtlich sei, ob sich das auf den selben gleichartigen Personenkreis bezieht oder auf solche, die der Kläger sonst nicht zu betreuen hat. Für die Zugehörigkeit dieser Tätigkeit zur „klientenbezogenen Sozialarbeit” spricht nicht nur der Gesamt Zusammenhang der Arbeitsplatzbeschreibung, sondern auch der unwidersprochen gebliebene Vortrag der Revision, daß sich die sozial-psychiatrischen Gutachten des Klägers „natürlich” nur auf solche Personen beziehen, mit denen der Kläger sonst im Rahmen seiner sozialarbeiterischen Beratung und Betreuung befaßt ist und deren Betreuung er im übrigen auch im Rahmen seiner Koordinationstätigkeiten gewährleistet. Ob die gesamten unter dem Begriff „klientenbezogene Sozialarbeit” aufgeführten Tätigkeiten einen einzigen großen Arbeitsvorgang bilden oder nicht, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Denn dem Kläger steht bei jedem denkbaren Zuschnitt der Arbeitsvorgänge nach seinem eigenen Tatsachenvortrag kein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III oder nach VergGr. IV a BAT/VKA zu. Deshalb braucht der Senat auf die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts und der Revision zur Frage des Arbeitsvorgangs oder zur Frage der Arbeitsvorgänge nicht einzugehen.

3.a) Für die Eingruppierung des Klägers sind die speziellen Tätigkeitsmerkmale für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst der Anlage 1 a zum BAT/VKA maßgebend. Diese haben, soweit sie für den Rechtsstreit von Bedeutung sind, folgenden Wortlaut:

„Vergütungsgruppe V b

10. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben.

Vergütungsgruppe IV b

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, mit schwierigen Tätigkeiten.

(Diese Angestellten erhalten nach vierjähriger Bewährung in dieser Fallgruppe eine monatliche Vergütungsgruppenzulage in Höhe von 6 v. H. der Grundvergütung der Stufe 4 der Vergütungsgruppe IV b. Bei der Berechnung sich ergebende Bruchteile eines Pfennigs unter 0,5 sind abzurunden, Bruchteile von 0,5 und mehr sind aufzurunden. Die Vergütungsgruppenzulage gilt bei der Bemessung des Sterbegeldes (§ 41) und des Übergangsgeldes (§ 63) als Bestandteil der Grundvergütung.)

Vergütungsgruppe IV a

15. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt.

16. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich mindestens zu einem Drittel durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt.

Vergütungsgruppe III

6. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch das Maß der damit verbundenen Verantwortung erheblich aus der Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 15 heraushebt.

7. Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, deren Tätigkeit sich durch besondere Schwierigkeit und Bedeutung aus der Vergütungsgruppe IV b Fallgruppe 16 heraushebt, nach vierjähriger Bewährung in Vergütungsgruppe IV a Fallgruppe 15.

Protokollerklärungen:

12. Schwierige Tätigkeiten sind z.B. die

  1. Beratung von Suchtmittel-Abhängigen,
  2. Beratung von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen,
  3. begleitende Fürsorge für Heimbewohner und nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner,
  4. begleitende Fürsorge für Strafgefangene und nachgehende Fürsorge für ehemalige Strafgefangene,
  5. Koordinierung der Arbeiten mehrerer Angestellter mindestens der Vergütungsgruppe V b.”

Die Übergangsvorschriften für den Bereich der VKA in § 6 des 6. Tarifvertrages zur Änderung der Anlage 1 a zum BAT vom 24. April 1991 lauten, soweit für den vorliegenden Rechtsstreit von Interesse:

„Für die Angestellten, die am 31. Dezember 1990 in einem Arbeitsverhältnis gestanden haben, das am 1. Januar 1991 zu demselben Arbeitgeber fortbestanden hat, gilt für die Dauer dieses Arbeitsverhältnisses folgendes:

  1. Hängt die Eingruppierung oder der Anspruch auf eine Vergütungsgruppenzulage nach diesem Tarifvertrag von der Zeit einer Tätigkeit oder von der Zeit einer Bewährung in einer bestimmten Vergütungs- und Fallgruppe oder von der Zeit einer Berufstätigkeit ab, wird die vor dem 1. Januar 1991 zurückgelegte Zeit … so berücksichtigt, wie sie zu berücksichtigen wäre, wenn dieser Tarifvertrag bereits seit dem Beginn des Arbeitsverhältnisses gegolten hätte.
  2. …”

b) Die vom Kläger in Anspruch genommenen Tätigkeitsmerkmale der VergGr. III Fallgruppe 6 oder Fallgruppe 7 bauen auf der VergGr. IV a Fallgruppe 15 sowie auf der VergGr. IV b Fallgruppe 16 auf, die ihrerseits die Erfüllung der Anforderungen der VergGr. V b Fallgruppe 10 der Vergütungsgruppen für Angestellte im Sozial- und Erziehungsdienst BAT/VKA voraussetzt. Zunächst müssen die Voraussetzungen der Ausgangsfallgruppe erfüllt sein. Anschließend sind die weiteren Merkmale der darauf aufbauenden höheren Vergütungsgruppen zu prüfen (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., m.w.N.). Dabei genügt eine pauschale Überprüfung, soweit die Parteien die Tätigkeit des Klägers als unstreitig ansehen und die Beklagte die Tätigkeitsmerkmale als erfüllt erachtet.

c) Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob der Kläger die Voraussetzungen der VergGr. V b Fallgruppe 10 erfüllt. Das kann der Senat nachholen. Die dazu erforderlichen Feststellungen hat das Landesarbeitsgericht getroffen. Der Kläger ist Sozialarbeiter mit staatlicher Anerkennung. Diesem Berufsbild entspricht seine Tätigkeit. Die Betreuung chronisch und akut psychisch schwerkranker Personen, behinderter und gerontopsychiatrischer Menschen, chronisch Suchtmittel-Abhängiger in einer sozialpsychiatrischen Beratungsstelle für Erwachsene gehört zum Aufgabenbereich eines Sozialarbeiters. Auch sie hat die Veränderung des Betreuten, seiner Lebenslage und Lebensqualität, Lösung aus unnötiger Abhängigkeit und Überwindung von Sozialisationsdefiziten als Ziel des beruflichen Handelns: Psychisch Kranken und anderen soll geholfen werden und ihnen die Möglichkeit eröffnet werden, ein normales Leben zu führen (Urteile des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 – AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter und vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O.).

d) Der Kläger erfüllt auch die Voraussetzungen der VergGr. IV b Fallgruppe 16, da er „schwierige Tätigkeiten” im Sinne dieser Vergütungs- und Fallgruppe ausübt, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend angenommen hat.

Das Merkmal der schwierigen Tätigkeit im Sinne der Fallgruppe 16 der VergGr. IV b haben die Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 12 durch konkrete Beispiele erläutert. Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats ist dann, wenn eines dieser Tätigkeitsbeispiele zutrifft, auch das Merkmal des Oberbegriffs erfüllt (vgl. Senatsurteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., m.w.N.). Wird kein Tätigkeitsbeispiel erfüllt, ist auf den allgemeinen Begriff zurückzugreifen, wobei dann aber dessen Bestimmung von den Maßstäben der Beispielstatbestände aus zu erfolgen hat; die Tarifvertragsparteien haben mit den Beispielen Maß und Bedeutung für die Auslegung des allgemeinen Begriffs vorgegeben (Senatsurteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., m.w.N.).

Die Betreuung psychisch Kranker entspricht nicht direkt einem der in der Protokollerklärung Nr. 12 aufgeführten Beispiele. Die Tätigkeit des Klägers kann jedoch mit der Beratung von Suchtmittel-Abhängigen, von HIV-Infizierten oder an AIDS erkrankten Personen oder mit der nachgehenden Fürsorge für ehemalige Heimbewohner verglichen werden. Wie bei den in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Personen ist auch bei den in der sozialpsychiatrischen Beratungsstelle zu betreuenden psychisch kranken Personen typischerweise von besonders vielgestaltigen oder umfangreichen nicht nur sozialen Problemen auszugehen. Die Tätigkeit des Klägers hebt sich insoweit aus der Normal- oder Grundtätigkeit eines Sozialarbeiters dadurch heraus, daß seine Tätigkeit sich auf Menschen bezieht, die nicht nur allgemeine Sozialisationsdefizite aufweisen, sondern in erster Linie besondere Probleme, wie z.B. das Leben mit ihrer Krankheit, zu bewältigen haben. Die vom Kläger wahrgenommenen Tätigkeiten der Betreuung von psychisch Kranken entsprechen ihrer Wertigkeit nach den von den Tarifvertragsparteien in der Protokollerklärung Nr. 12 a – d gewählten Beispielen und sind auch unter das allgemeine Tätigkeitsmerkmal zu subsumieren (vgl. Urteile des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 –, a.a.O. und vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O.). Die vom Kläger zu leistende Hilfestellung stellt zumindest dieselben Anforderungen wie die Betreuung von Angehörigen der in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Problemgruppen, zumal nach der Arbeitsplatzbeschreibung auch chronisch Suchtmittel-Abhängige vom Kläger zu betreuen sind, „die wegen des erheblichen Grades ihrer Störung aus allen anderen Betreuungsketten herausfallen”, also eine Problemgruppe angesprochen ist, die auch in der Protokollerklärung Nr. 12 erwähnt ist. Die Tätigkeit des Klägers hebt sich damit durch ihre Schwierigkeit aus der VergGr. V b Fallgruppe 10 heraus. Hierüber besteht zwischen den Parteien letztlich auch kein Streit. Weitere Ausführungen dazu erübrigen sich deshalb.

e) Dem Landesarbeitsgericht ist auch darin zu folgen, daß der Kläger die Voraussetzungen der Heraushebungsmerkmale der VergGr. IV a Fallgruppen 15, 16 nicht erfüllt. Seinem Vorbringen kann jedenfalls nicht entnommen werden, daß sich seine Tätigkeit aus der VergGr. IV b Fallgruppe 16 durch ihre Bedeutung heraushebt. Ob sie auch hier durch „besondere Schwierigkeit” herausgehoben ist, kann somit dahinstehen. Damit kommt es auf die insoweit erfolgten Angriffe der Revision gegen das Berufungsurteil nicht an.

f) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Heraushebung durch die „Bedeutung” sei nicht dargelegt. Insofern werde nicht ersichtlich, wieso die Bedeutung der Tätigkeit des Klägers über die die Beratung und die Betreuung der in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Personengruppen kennzeichnende hinausgehe. Das ist zutreffend.

Hinsichtlich der Bedeutung der Tätigkeit verlangt das Heraushebungsmerkmal der VergGr. IV a Fallgruppen 15 und 16, daß sich die Tätigkeit des Sozialarbeiters deutlich wahrnehmbar aus derjenigen der VergGr. IV b Fallgruppe 16 heraushebe. Mit dem Merkmal der „Bedeutung” sind die Auswirkungen seiner Tätigkeit angesprochen. Die gesteigerte Bedeutung kann sich aus der Art oder aus der Größe des Aufgabengebietes sowie aus der Tragweite für den innerdienstlichen Bereich und für die Allgemeinheit ergeben (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., m.w.N.).

Bei diesem Tatbestandsmerkmal handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff. Die revisionsrechtliche Überprüfung ist deshalb darauf beschränkt, ob das Landesarbeitsgericht vom zutreffenden Rechtsbegriff ausgegangen ist, ob es diesen bei der Subsumtion beibehalten hat, ob ihm bei seiner Anwendung Verstöße gegen Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze unterlaufen sind und ob es alle entscheidungserheblichen Umstände berücksichtigt hat (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., m.w.N.).

Diesem Prüfungsmaßstab halten die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts stand.

In die VergGr. IV b Fallgruppe 16 sind Sozialarbeiter/Sozialpädagogen mit staatlicher Anerkennung und entsprechender Tätigkeit mit schwierigen Tätigkeiten eingruppiert. Was die Tarifvertragsparteien unter „schwierigen Tätigkeiten” verstehen, haben sie in der Protokollerklärung Nr. 12 beispielhaft erläutert. Zwar behandelt diese unmittelbar nur das Tatbestandsmerkmal der „schwierigen” Tätigkeiten. Durch deren Einordnung in die VergGr. IV b Fallgruppe 16 ist aber auch deren Bedeutung von den Tarifvertragsparteien eingruppierungsrechtlich bestimmt worden. Daraus folgt, daß die in der Protokollerklärung Nr. 12 aufgeführten schwierigen Tätigkeiten ihrer Bedeutung nach, soweit es auf diese für eine Heraushebung ankommt, solche der VergGr. IV b Fallgruppe 16 sind.

Dies ist für das Tatbestandsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne der Heraushebungsmerkmale der VergGr. IV a Fallgruppe 15 und Fallgruppe 16 zu berücksichtigen. Auswirkungen der Tätigkeit des Sozialarbeiters, die die in der Protokollerklärung Nr. 12 aufgeführten Tätigkeiten haben, oder, soweit kein Beispiel erfüllt ist, den Auswirkungen dieser Tätigkeiten entsprechen, erfüllen nicht das Heraushebungsmerkmal der gesteigerten Bedeutung im Sinne der VergGr. IV a Fallgruppen 15 und 16 (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O.). Dies hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.

Soweit der Kläger darauf hingewiesen hat, die Bedeutung seiner Tätigkeit liege schon in ihren Auswirkungen auf die Lebensverhältnisse seiner Klienten, so ist diese in ihrer Tragweite gut vergleichbar mit der begleitenden Fürsorge von Strafgefangenen und Heimbewohnern. Auch die begleitende Fürsorge für Heimbewohner und die nachgehende Fürsorge für ehemalige Heimbewohner (Protokollerklärung Nr. 12 c) haben erhebliche Auswirkungen auf die Betroffenen. Der Sozialarbeiter ist in diesen Fällen häufig die einzige Bezugsperson. Da die Heimbewohner ihren alltäglichen Problemen eher hilflos gegenüberstehen, haben die Dienste des Sozialarbeiters ein besonderes Gewicht. Angesichts der besonderen Situation der Betroffenen kann er die Lebensgestaltung der Bewohner erheblich beeinflussen. Der Kläger begründet die gesteigerte Bedeutung seiner Tätigkeit weiter damit, seine Entscheidungen griffen unmittelbar in die Gesundheit, insbesondere aber auch in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit, der freien Wohnungswahl der Klienten ein, wobei das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit höchsten Verfassungsrang genieße. Daß in manchen dieser Fälle eine Genehmigung des Gerichts notwendig sei oder eine Verfügung der Betreuungsbehörde, ändere nichts an der Bedeutung und entscheidenden Auswirkung der Tätigkeit des Klägers. Dieser habe nämlich insoweit ein „Initiativrecht”, insbesondere sei er überprüfend tätig. Die Betreuungsbehörde verfüge auch nicht über ein fachliches Weisungsrecht gegenüber dem Kläger. Sie greife auf die fachlichen Fähigkeiten des Klägers zurück und lege dessen Berichte ihrer Entscheidung zugrunde, gebe ihm gegenüber jedoch keine Weisungen. Auch das vermag dieses Heraushebungsmerkmal nicht auszufüllen. Er kann die für die Betreuten wesentlichen Entscheidungen in der Regel nur mit Genehmigung des Gerichts treffen. Die Initiative für derartige Entscheidungen mag zwar vom Kläger ausgehen. Ihre eigentliche Tragweite für die Betreuten erlangen diese Maßnahmen aber erst mit der gerichtlichen Entscheidung. Das zeigen seine Befugnisse nach dem HFEG deutlich. Der Kläger hat zwar mit dem 16. Februar 1994 die Vollmacht, für die beklagte Stadt alle Anträge nach dem HFEG bei den zuständigen Amtsgerichten zu stellen und die beklagte Stadt in den Unterbringungsverfahren vor diesen Gerichten zu vertreten sowie alle erforderlichen Erklärungen rechtsverbindlich für die beklagte Stadt abzugeben. Auch ist er ermächtigt, im Sinne des § 10 HFEG die sofortige Ingewahrsamnahme anzuordnen und zu vollziehen. Über die Unterbringung nach dem HFEG entscheidet aber nicht der Kläger, sondern das Gericht auf Antrag der Verwaltungsbehörde. Die Unterbringung wird entsprechend dem Verfassungsgebot des Art. 104 Abs. 2 GG durch richterlichen Beschluß angeordnet. Dabei mag der Kläger „initiativ” werden und es mag Grundlage für Antrag und Entscheidung des Gerichts ein Gutachten des Klägers sein. Die Möglichkeit des eigenen Eingriffs in die Lebenssituation der Klientel durch Einweisung in Kliniken, Unterbringung in Heimen ist ihm am Ende nicht eingeräumt. Auch bei der vorläufigen Unterbringung nach § 10 HFEG ist nach dessen Satz 2 unverzüglich eine richterliche Entscheidung über die Zulässigkeit und Fortdauer der sofortigen Ingewahrsamnahme herbeizuführen. Der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat darauf hingewiesen, im Gegensatz zu der Regelung in Niedersachsen sei er befugt, eine Person für 48 Stunden ohne richterliche Bestätigung unterzubringen.

Selbst wenn dem entgegen dem Gesetzeswortlaut so sein sollte – das Wort „unverzüglich” in § 10 Satz 2 HFEG dürfte nicht im Sinne von § 121 BGB zu verstehen sein, sondern dahin auszulegen sein, daß die richterliche Entscheidung ohne jede Verzögerung, die sich nicht aus sachlichen (tatsächlichen oder rechtlichen) Gründen rechtfertigen läßt, herbeizuführen ist (vgl. von Münch/Kunig, Grundgesetz, 3. Aufl., 1996, Art. 104 Rz 23) –, so vermag auch das die „Bedeutung” im Tarifsinne nicht zu belegen. Abgesehen davon, daß der Kläger nicht vorgetragen hat, daß solche Fälle in rechtlich erheblichem Umfang vorkommen, nimmt er damit eine Befugnis wahr, die neben der Gefahrenabwehr in erster Linie der Fürsorge dient, dies insbesondere dort, wo die bloße Selbstgefährdung des psychisch Kranken im Gegensatz zum allgemeinen Polizeirecht nicht mehr als irrelevant, sondern als hinreichender Unterbringungsgrund angesehen wird (vgl. Saage/Göppinger, Freiheitsentziehung und Unterbringung, 3. Aufl., 1994, 4.6 S. 271 ff. Rz 211 ff. ≪244≫). Damit handelt es sich um eine Aufgabe, die sich weniger durch ihre Auswirkungen auf die Allgemeinheit, die Verwaltung, auf dritte Personen auszeichnet als auf den vorläufig Unterzubringenden und steht daher in ihrer Wertigkeit den unter die Protokollerklärung Nr. 12 fallenden Tätigkeiten zumindest nahe. Auch sonst hat der Kläger keine weiteren Gesichtspunkte aufgezeigt, die das Merkmal der „Bedeutung” zu belegen vermöchten. Daß der Kläger in umfassender Weise Einfluß auf die persönliche Lebenssphäre der Klienten nimmt und ihnen hilft, ist in ihrer Tragweite vergleichbar mit der Bedeutung der Betreuung von Suchtmittel-Abhängigen, die auch zur Klientel des Klägers gehören. Aus der Bedeutung oder Größe des Aufgabengebiets ergibt sich keine Heraushebung. Der Kläger hat keine Leitungsfunktionen und bearbeitet keine Grundsatz fragen. Die Auswirkungen seiner Tätigkeit gegenüber Dritten und der Allgemeinheit sind in ihrer Tragweite vergleichbar mit den Tätigkeiten, die bei der Betreuung von Angehörigen der in der Protokollerklärung Nr. 12 genannten Problemgruppen gegeben sind. Eine gegenüber den Tätigkeiten, die unter die VergGr. IV b Fallgruppe 16 fallen, gesteigerte Bedeutung der Tätigkeit des Klägers ist auch sonst nicht erkennbar (vgl. auch die Urteile des Senats vom 25. Oktober 1995 – 4 AZR 495/94 – AP Nr. 21 zu §§ 22, 23 BAT Sozialarbeiter, zu II 5 der Gründe; vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 139/95 –, a.a.O., zu 4.5.2 der Gründe).

4. Ist eine Heraushebung jedenfalls durch „Bedeutung” im Sinne der VergGr. IV a Fallgruppe 15 nicht gegeben, liegt auch die weitere von der VergGr. III Fallgruppe 6 verlangte Voraussetzung, nämlich daß sich die Tätigkeit durch das Maß der mit ihr verbundenen Verantwortung heraushebt, nicht vor. Auch ein Bewährungsaufstieg in die VergGr. III Fallgruppe 7 konnte daher nicht stattfinden.

Der Senat brauchte daher nicht zu prüfen, ob im Hinblick auf die Übergangsvorschriften für den Bereich der VKA in § 6 des Tarifvertrages vom 24. April 1991 die Bewährungszeit jedenfalls bereits ab 1. Januar 1987 begonnen hat und ob der Kläger in dieser Zeit die Voraussetzungen der VergGr. IV a Fallgruppe 16 erfüllt hat.

Auch brauchte der Senat nicht mehr auf die Frage einzugehen, ob, wie das Landesarbeitsgericht meint, die Klage im Hauptantrag für die Zeit vor dem 1. Mai 1993 schon deshalb unbegründet ist, weil der Feststellungsanspruch des Klägers, auch wenn er in der Sache an sich begründet wäre, gemäß § 70 BAT verfallen ist.

Somit hat der Kläger weder einen Anspruch auf Vergütung nach VergGr. III BAT/VKA noch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT/VKA weder am 1. Januar 1991 noch ab einem späteren Zeitpunkt.

III. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Schaub, Schneider, Friedrich, E. Wehner, v. Dassel

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1091001

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