Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsgeld. bei Kürzung des Erholungsurlaubs

 

Leitsatz (redaktionell)

Bestätigung der Auffassung, daß mit der Kürzung des Urlaubs auch der Anspruch auf Urlaubsentgelt und den tariflichen prozentualen Zuschlag („Urlaubsgeld”) erlischt (Senatsurteile vom 28. Juli 1992 – 9 AZR 340/91 – AP Nr. 3 zu § 17 BErzGG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und 8. Dezember 1992 – 9 AZR 538/91 – n.v.)

 

Normenkette

Gemeinsamer Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 in der Fassung vom 22. April 1987 § 17 Abs. 4, 5, 6

 

Verfahrensgang

Hessisches LAG (Urteil vom 16.11.1992; Aktenzeichen 11 Sa 692/92)

ArbG Frankfurt am Main (Urteil vom 04.03.1992; Aktenzeichen 14 Ca 255/91)

 

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 16. November 1992 – 11 Sa 692/92 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, ob der Klägerin für das Jahr 1989 Urlaubsgeld für den vollen oder nur den gekürzten Urlaub zusteht.

Die keiner Gewerkschaft angehörende Klägerin war bei der Beklagten von 1986 bis zum 31. März 1990 als Vertriebsrepräsentantin angestellt. Im schriftlichen Arbeitsvertrag war u.a. bestimmt:

㤠2

a) bis c) …

d) Etwaige sonstige Sonderleistungen der Gesellschaft finanzieller oder anderer Art, die über die vertraglichen und tariflichen Vereinbarungen hinaus gewährt werden, sind in jedem Falle freiwillige Zuwendungen, die keinerlei Rechtsanspruch für die Zukunft begründen.

§ 4

Der Urlaubsanspruch wird erstmalig nach 6monatigem Bestehen des Arbeitsverhältnisses erworben. Er richtet sich nach den jeweils gültigen Bestimmungen des Hessischen Tarifvertrages für Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie.”

Der einschlägige Gemeinsame Manteltarifvertrag für Arbeiter und Angestellte in der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie des Landes Hessen vom 15. Januar 1982 in der Fassung vom 22. April 1987 (GMTV) enthält u.a. folgende Regelung:

㤠17

Urlaubsentgelt

1. bis 3. …

4. Für Angestellte ist während des Urlaubs das monatliche Gesamtgehalt einschließlich sämtlicher monatlich regelmäßig wiederkehrender Vergütungen weiterzuzahlen. …

5. Wird der Urlaub zusammenhängend bzw. in mindestens vollen Urlaubswochen (5 Tage und mehr) genommen, so ist zum Grundentgelt (Ziffern 1 bis 4) ein zusätzliches Entgelt zu zahlen. Das zusätzliche Entgelt je Urlaubstag errechnet sich aus der Summe der Vergütungen für Mehrarbeit sowie der Zuschläge für Schichtarbeit im Rahmen von Wechselschichten, Nacht-, Sonn- und Feiertagsarbeit der letzten betrieblich abgerechneten 13 Wochen bei Arbeitern bzw. 3 Monate bei Angestellten vor Urlaubsantritt geteilt durch den Devisor 65.

6. …

Für Angestellte erhöht sich das Grundentgelt nach Ziffer 4 je Urlaubstag um 2,4 Prozent, das zusätzliche Entgelt gemäß Ziffer 5 um 50 Prozent.

Diese Beträge werden nur für Erholungsurlaub gemäß § 16 gewährt. Soweit der Arbeitgeber Zuschläge, Ausfallvergütungen, Urlaubsvergütungen, Zuschüsse, Unterstützungen oder ähnliche Vergütungen auf der Grundlage eines Durchschnittsverdienstes zu berechnen bzw. zu zahlen hat, bleiben die Beträge von 2,4 und 50 Prozent außer Ansatz; sie gelten als Einmalzahlung im Sinne der gesetzlichen Bestimmungen.

…”

Vom 6. März 1989 bis 7. Januar 1990 befand sich die Klägerin im Erziehungsurlaub. Die Beklagte kürzte den tariflichen Urlaubsanspruch, der für 1989 30 Urlaubstage betrug, nach § 17 Abs. 1 BErzGG anteilig um 22 Tage. Sie zahlte der Klägerin auf der Grundlage von acht Urlaubstagen für das Jahr 1989 ein Urlaubsgeld in Höhe von 745,08 DM brutto, während sie ursprünglich ohne Kürzung des Urlaubs 3.744,– DM brutto berechnet hatte.

Mit der am 8. Januar 1992 erhobenen Klage hat die Klägerin das Urlaubsgeld auch für die restlichen 22 Urlaubstage verlangt. Sie hat geltend gemacht, der Anspruch ergebe sich aus einer durch mehrfache Zahlungen begründeten betrieblichen Übung, hilfsweise werde der Anspruch auf den Gleichbehandlungsgrundsatz gestützt. Das Urlaubsgeld sei eine Gratifikation nach § 2 Buchstabe d des Arbeitsvertrages.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verurteilen, an sie 3.429,50 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit Klagezustellung zu zahlen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat behauptet, sie habe nur nach § 17 GMTV das vertragliche Urlaubsentgelt und den von ihr als Urlaubsgeld bezeichneten tariflichen Erhöhungszuschlag an die Arbeitnehmer ihres Betriebes geleistet. Dieses „Urlaubsgeld” entfalle für die infolge der Kürzung weggefallenen Urlaubstage.

Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung zurückgewiesen. Hiergegen wendet sich die Revision. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.

 

Entscheidungsgründe

I. Die Revision ist unbegründet. Der Klägerin steht für die 22 Urlaubstage des Jahres 1989, um die ihr Urlaubsanspruch von der Beklagten nach § 17 Abs. 1 BErzGG gekürzt worden ist, unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt Urlaubsgeld zu.

1. Im Ergebnis und in der Begründung zutreffend hat das Landesarbeitsgericht einen Anspruch nach den arbeitsvertraglich in Bezug genommenen urlaubsrechtlichen Bestimmungen des GMTV verneint. Da die Revision diese Ausführungen nicht angegriffen hat, bedarf es zur Ergänzung nur des folgenden Hinweises.

Nach § 17 Abs. 6 GMTV erhöht sich für Angestellte das Urlaubsentgelt, das nach § 17 Abs. 4 und 5 GMTV aus dem Gehalt und dem zusätzlichen Entgelt für Mehrarbeit in den letzten 13 Wochen zu errechnen ist, um 2,4 % pro Urlaubstag bezogen auf das Gehalt und um 50 % bezogen auf die zusätzlich zum Gehalt bezogene Mehrarbeitsvergütung. Dieser prozentual zu berücksichtigende Erhöhungsbetrag, um den der Tarifvertrag das während des Urlaubs weiterzuzahlende Arbeitsentgelt aufstockt, wird in der betrieblichen Praxis häufig als „Urlaubsgeld” bezeichnet, obwohl an sich Arbeitsentgelt und „Urlaubsgeld” eine Einheit bilden. Die Frage der Berechnung nach § 17 Abs. 4, 5 und 6 GMTV stellt sich nämlich nur dann, wenn überhaupt ein Urlaubsanspruch besteht. Entfällt der Urlaubsanspruch infolge zulässiger Kürzung, so kann weder ein Anspruch auf Urlaubsentgelt noch erhöhtes Urlaubsentgelt („sog. Urlaubsgeld”) bestehen (vgl. Senatsurteile vom 28. Juli 1992 – 9 AZR 340/91 – AP Nr. 3 zu § 17 BErzGG, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und 8. Dezember 1992 – 9 AZR 538/91 – n.v.).

2. Die Klägerin kann ihren Anspruch auch nicht auf eine betriebliche Übung oder den Gleichbehandlungsgrundsatz stützen.

a) Die Klägerin hat ihrer Darlegungslast für eine im Betrieb übliche Zahlung einer von der Urlaubsgewährung unabhängigen Gratifikation mit der Bezeichnung „Urlaubsgeld” nicht genügt. Die Beklagte hat die Gewährung einer Gratifikation bestritten und behauptet, nur Zahlungen auf der Grundlage des § 17 GMTV erbracht zu haben. Im Hinblick darauf hätte die Klägerin näher ausführen müssen, wann und an wen die Beklagte ein außertarifliches Urlaubsgeld mit Gratifikationscharakter gewährt habe. Im übrigen mangelt es ebenso an dem Vortrag der Tatsachen, die für die Darlegung der tatbestandsmäßigen Voraussetzungen einer betrieblichen Übung erforderlich sind (vgl. BAG Urteil vom 6. März 1956 – 3 AZR 175/55 – AP Nr. 3 zu § 611 BGB Gratifikation).

b) Die Klägerin kann ihren Anspruch nicht mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz begründen. Es fehlt nämlich auch insoweit an einem substantiierten Tatsachenvortrag, welchen Arbeitnehmern unter welchen Voraussetzungen die der Klägerin angeblich vorenthaltene Leistung gewährt wurde.

II. Die Klägerin hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Kosten ihres erfolglosen Rechtsmittels zu tragen.

 

Unterschriften

Dr. Leinemann, Dörner, Düwell, Schwarz, Trümner

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1079694

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