Entscheidungsstichwort (Thema)
Sicherung des Lohnstandes im öffentlichen Dienst
Normenkette
BMT-G II § 67
Verfahrensgang
LAG Schleswig-Holstein (Urteil vom 27.01.1994; Aktenzeichen 4 (3) Sa 371/93) |
ArbG Kiel (Urteil vom 20.04.1993; Aktenzeichen 1a Ca 126/93) |
Tenor
1. Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein vom 27. Januar 1994 – 4 (3) Sa 371/93 – wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Sicherung des Lohnstandes des Klägers.
Der Kläger ist seit dem 17. Januar 1972 bei der Beklagten beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden kraft beiderseitiger Organisationszugehörigkeit der Bundesmanteltarifvertrag für Arbeiter der Gemeinden (BMT-G II) und die Sondervereinbarung gemäß § 2 Buchst. a BMT-G für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben (Anlage 1 zum BMT-G II) Anwendung. Der Kläger war ursprünglich als Busfahrer tätig. Er wurde nach Lohngruppe 8 Stufe 8 (Omnibuseinmannfahrer) vergütet. Wegen gesundheitlicher Beschwerden konnte er diese Arbeit nicht fortsetzen. Deshalb wurde er seit 1990 als Fahrscheinprüfer und ab 11. Dezember 1992 als Pförtner eingesetzt. In der Versetzungsanordnung vom 23. Dezember 1992 erklärte die Beklagte, mit dem Einsatz des Klägers als Pförtner sei eine Vergütungsänderung nicht verbunden. Die tarifliche Sicherung des Lohnstandes des Klägers bestimmt sich nach § 16 Anlage 1 zum BMT-G II. Dort heißt es:
„(1) Ein Arbeiter, der länger als 15 Jahre im Fahrdienst desselben Betriebes beschäftigt war und ohne sein Verschulden fahrdienstuntauglich wird, erhält, wenn ihm aus diesem Grunde eine Arbeit zugewiesen wird, die einer niedrigeren Lohngruppe entspricht, den jeweiligen Monatstabellenlohn der Lohngruppe, in der er vor Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit eingruppiert war. …
(2) …
(3) Inwieweit eine Fahrdienstzulage (ein Fahrdienstzuschlag) in den Fällen der Absätze 1 und 2 weitergezahlt wird, ist bezirklich zu vereinbaren. Dies gilt sinngemäß, wenn die Fahrdienstzulage (der Fahrdienstzuschlag) im Monatstabellenlohn enthalten ist.
(4) Lohnzulagen und Lohnzuschläge für die zugewiesene Arbeit werden insoweit gezahlt, als ihre Summe über die Summe der nach Absatz 3 gesicherten Zulagen und Zuschläge hinausgeht; der nach den Absätzen 1 bis 3 gesicherte Lohn darf jedoch nicht überschritten werden. Sind Lohnzulagen und Lohnzuschläge für die zugewiesene Arbeit in Prozentsätzen des Monatstabellenlohnes oder Monatsgrundlohnes vorgesehen, ist von dem Monatstabellen- bzw. Monatsgrundlohn auszugehen, der der zugewiesenen Arbeit entspricht. Ist in einem Kalendermonat der der zugewiesenen Arbeit entsprechende Monatslohn höher als der nach den Absätzen 1 bis 3 gesicherte Lohn, finden die Absätze 1 bis 3 für diesen Kalendermonat keine Anwendung.
(5) …”
Die auf das Arbeitsverhältnis anwendbaren bezirklichen Regelungen zur Sondervereinbarung für Arbeiter im Betriebs- und Verkehrsdienst von Nahverkehrsbetrieben (BZT-G) lauten:
„(Anlage 1 zum BMT-G II)
§ 17
Fahrdienstuntauglichkeit
Zu 1 16 Anlage 1 zum BMT-G II:
(1) Etwaige Erschwerniszuschläge werden bei Fahrdienstuntauglichkeit
- einem früheren Obereinmannfahrer nur, soweit sie die Differenz zwischen seinem jeweiligen Monatstabellenlohn zuzüglich des Lohnzuschlages nach § 19 Abs. 2 BZT-G in der bis zum 31. Mai 1975 geltenden Fassung und dem jeweiligen Monatstabellenlohn des Fahrers nach fünfjähriger Bewährung als solcher (Lohngruppe VI) übersteigen,
- einem früheren Fahrer im Einmann-Dienst mit Lohngruppenzulage zur Lohngruppe VII (Fallgruppe 1) nur, soweit sie die Differenz zwischen seinem jeweiligen Monatstabellenlohn zuzüglich der Lohngruppenzulage zur Lohngruppe VII (Fallgruppe 1) und dem jeweiligen Monatstabellenlohn des Fahrers nach fünfjähriger Bewährung als solcher (Lohngruppe VI) übersteigen,
gezahlt.
(2) Soweit Fahrer im Einmann-Dienst die Lohngruppenzulage zur Lohngruppe VII bei Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit (§ 16 Abs. 1 Satz 1 Anlage 1 zum BMT-G II) erhalten haben, gilt hierfür § 28 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 1 BMT-G II entsprechend.
(3) Andere Zuschläge werden auf der Grundlage der dem Arbeiter nach Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit zugewiesenen jeweiligen Arbeit gezahlt.”
Bis November 1992 zahlte die Beklagte Lohnzuschläge, die dem Kläger wegen seiner Tätigkeit als Fahrscheinprüfer zustanden, zusätzlich zu dem gesicherten Lohn der Lohngruppe 8. Ab Dezember 1992 ermittelte die Beklagte den Lohnsicherungsbetrag des Klägers aus dem Vergleich des Monatstabellenlohns eines Omnibuseinmannfahrers (Lohngruppe 8 Stufe 8) und dem Monatstabellenlohn eines Fahrscheinprüfers (Lohngruppe 6 Stufe 8). Für Dezember 1992 ergab dies einen Unterschiedsbetrag in Höhe von 318,95 DM. Weil in diesem Monat aber die Zuschläge des Klägers 540,49 DM betrugen und damit den Lohnsicherungsbetrag überstiegen, wurde dieser höhere Betrag an den Kläger ausgezahlt. Für Januar 1993 betrug der Lohnsicherungsbetrag des Klägers für seine Tätigkeit als Pförtner (Lohngruppe 3 a Stufe 8) im Vergleich zu dem Monatstabellenlohn als Omnibuseinmannfahrer 679,36 DM. Weil in diesem Monat die Zuschläge des Klägers jedoch 1.077,79 DM betrugen, zahlte die Beklagte wiederum diesen höheren Betrag. Mit der Klage hat der Kläger die Auszahlung der Lohnsicherungsbeträge in Höhe von 318,95 DM für Dezember 1992 und in Höhe von 679,36 DM für Januar 1993, insgesamt 998,31 DM, verlangt.
Der Kläger hat gemeint, die Lohnsicherungsbeträge dürften auf die Zuschläge, die er für die ihm zugewiesene Tätigkeit erhalte, nicht angerechnet werden. Dies folge aus § 17 Abs. 3 BZT-G.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 998,31 DM brutto nebst 4 % Zinsen seit 29. Januar 1993 zu zahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, § 17 Abs. 3 BZT-G regele nur die Bemessungsgrundlage für nach Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit anfallende Zuschläge. Die Lohnsicherung sei allein in § 16 Anlage 1 zu BMT-G II geregelt. Danach seien Zuschläge aus der zugewiesenen Arbeit nur zu zahlen, soweit sie den Lohnsicherungsbetrag überstiegen. Sinn der Lohnsicherung sei es nicht, den Arbeiter dem eine einfachere und weniger belastende Tätigkeit zugewiesen worden sei, besser zu stellen als seine früheren Berufskollegen, die weiterhin der anstrengenderen Tätigkeit im Schichtdienst als Omnibuseinmannfahrer nachgehen müßten.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers blieb erfolglos. Mit der Revision verfolgt der Kläger seinen Klageanspruch weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht haben die Vorinstanzen die Klage als unbegründet abgewiesen.
1. Der Kläger hat für die Monate Dezember 1992 und Januar 1993 keinen tariflichen Anspruch auf den gesicherten Lohn, weil der den zugewiesenen Arbeiten entsprechende Lohn höher war als der frühere Lohn des Klägers als Omnibusfahrer.
Nach § 16 Abs. 1 Anlage 1 zum BMT-G II erhält ein Arbeiter, der länger als 15 Jahre im Fahrdienst desselben Betriebes beschäftigt war und ohne sein Verschulden fahruntauglich wird, wenn ihm aus diesem Grunde eine Arbeit zugewiesen wird, die einer niedrigeren Lohngruppe entspricht, den jeweiligen Monatstabellenlohn der Lohngruppe, in der er vor Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit eingruppiert war. Nach § 67 Nr. 26a BMT-G II ist Monatstabellenlohn der in der tarifvertraglich vereinbarten Lohntabelle festgesetzte Lohn für Arbeiter, mit denen die in § 14 Abs. 1 Satz 1 BMT-G II festgesetzte wöchentliche Arbeitszeit vereinbart ist.
Bei der Feststellung der Höhe der Lohnsicherung ging die Beklagte zutreffend von einem Vergleich des Monatstabellenlohns eines Omnibuseinmannfahrers mit dem Monatstabellenlohn eines Fahrscheinprüfers und ab Januar 1993 mit dem eines Pförtners aus. Dabei ergaben sich der Höhe nach unstreitige Lohnsicherungsbeträge von 318,95 DM für Dezember 1992 und von 679,36 DM für Januar 1993. Auch die Höhe der Lohnzulagen und Lohnzuschläge, die dem Kläger als Fahrscheinprüfer für Dezember 1992 (540,49 DM) und als Pförtner für Januar 1993 (1.077,79 DM) zustanden, ist unstreitig. Da die Lohnzulagen und Lohnzuschläge die Lohnsicherungsbeträge überstiegen, wurden die höheren Beträge an den Kläger ausgezahlt. Dies entsprach den tariflichen Bestimmungen.
Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 Halbs. 1 Anlage 1 zum BMT-G II werden Lohnzulagen und Lohnzuschläge für die zugewiesene Arbeit insoweit gezahlt, als ihre Summe über die Summe der nach Absatz 3 gesicherten Zulagen und Zuschläge hinausgeht. Lohnzulagen sind Vorarbeiter- und andere Funktionszulagen (§ 67 Nr. 24 BMT-G II), Lohnzuschläge sind Zeitzuschläge, Erschwerniszuschläge sowie die Schichtlohnzuschläge (§ 67 Nr. 25 BMT-G II). Ob und inwieweit diese dem Kläger für seine Tätigkeit im Dezember 1992 und Januar 1993 zustehenden Zulagen und Zuschläge nach § 16 Abs. 3 Anlage 1 zum BMTG-II gesicherte Zulagen und Zuschläge für die beiden Monate überstiegen, kann dahinstehen; das Berufungsgericht hat dazu keine Feststellungen getroffen, das Arbeitsgericht hat angenommen, daß es keine gesicherten Zulagen und Zuschläge gab. Jedenfalls konnte die Lohnsicherung nicht dazu führen, daß dem Kläger der gesicherte Lohn neben den Zulagen und Zuschlägen aus der zugewiesenen Tätigkeit verblieb. Dies folgt aus § 16 Abs. 4 Satz 3 Anlage 1 zum BMT-G II. der im vorliegenden Fall die Lohnstandssicherung ausschließt.
Nach dieser Bestimmung kann in einem Kalendermonat der aus der zugewiesenen Arbeit zu berechnende Monatslohn, welcher nach § 67 Nr. 26c BMT-G II die Summe des Monatstabellenlohns, der Lohnzulagen und der Lohnzuschläge umfaßt, höher sein als der nach § 16 Abs. 1 bis 3 Anlage 1 zum BMT-G II gesicherte Lohn. Für diesen – hier gegebenen – Fall bestimmt Abs. 4. daß die Abs. 1 bis 3 nicht anzuwenden sind, eine Lohnsicherung also nicht stattfindet. Darin kommt der Wille der Tarifvertragsparteien zum Ausdruck, den lohnstandsgesicherten Arbeiter in jedem Fall den vollen Lohnanspruch aus der neu zugewiesenen Tätigkeit zu verschaffen, jedoch nicht mehr. Die Lohnstandssicherung stellt damit keine Verdienstbegrenzung nach oben dar. Sie findet vielmehr in Fällen, in denen der Monatslohn aus der zugewiesenen Tätigkeit höher ist als der gesicherte Lohn, nicht statt, weil der lohnstandsgesicherte Arbeiter sie nicht benötigt (vgl. Scheuring/Lang, BMT-G II, Stand: 1. Oktober 1994, Anl. 1 § 16 Erl. 9).
2. Der Kläger kann sich nicht auf § 17 Abs. 3 BZT-G berufen, wie die Revision zu Unrecht meint.
§ 17 Abs. 1 und 2 BZT-G sind Vorschriften zur Ermittlung der Höhe der Lohnstands Sicherung. Nach § 17 Abs. 3 BZT-G werden andere Zuschläge, worunter nach § 67 Nr. 25 BMT-G II Zeitzuschläge (§ 22), Erschwerniszuschläge (§ 23) sowie die Schichtlohnzuschläge (§ 24) zu verstehen sind, aus der dem Arbeiter nach Eintritt der Fahrdienstuntauglichkeit zugewiesenen jeweiligen Tätigkeit gezahlt. Um solche Zuschläge handelt es sich unstreitig bei denen, die dem Kläger für Dezember 1992 und Januar 1993 gezahlt wurden. Daß solche Zuschläge aus dem Begriff des Monatslohns im Sinne der tariflichen Grundnorm des § 16 Abs. 4 Satz 3 Anlage 1 zum BMT-G II ausgenommen seien, läßt sich dem Wortlaut des § 17 Abs. 3 BZT-G nicht entnehmen. Ein Vertragswille, der im Tarifvertrag keinen erkennbaren Niederschlag gefunden hat, ist aber für die Anwendung tariflicher Normen bedeutungslos (vgl. BAG Urteil vom 17. September 1957 – 1 AZR 312/56 – AP Nr. 4 zu § 1 TVG Auslegung).
Damit kommt es auf die von den Vorinstanzen erörterte Frage, ob die beanspruchten Zuschläge überhaupt eine bezirkliche Regelung erfahren durften, nicht an.
3. Der Anspruch des Klägers ergibt sich auch nicht aus dem Gesichtspunkt der betrieblichen Übung, wie die Vorinstanzen zutreffend ausgeführt haben.
Sofern ein Arbeitgeber leistet, weil er zu Unrecht meint, er sei aufgrund eines Tarifvertrags zur Leistung verpflichtet, und der Arbeitnehmer erkennt oder erkennen muß, daß der Arbeitgeber sich nur normgemäß verhalten will, begründet das Verhalten des Arbeitgebers keine ihn verpflichtende betriebliche Übung. Er kann seine Leistung für die Zukunft einstellen (vgl. BAG Urteil vom 26. August 1987 – 4 AZR 155/87 – AP Nr. 1 au § 1 TVG Tarifverträge: Brotindustrie). So liegt der Fall hier. Im öffentlichen Dienst ist davon auszugehen, daß der Arbeitgeber schon aus haushaltsrechtlichen Gründen im allgemeinen nur die von ihm zu beachtenden gesetzlichen und tariflichen Normen vollziehen will (vgl. BAG Urteile vom 14. August 1986 – 6 AZR 427/05 – BAGE 52, 340 = AP Nr. 1 zu § 13 TVAng Bundespost und vom 13. November 1986 – 6 AZR 567/83 – AP Nr. 27 zu § 242 BGB Betriebliche Übung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG Urteil vom 24. März 1993 – 5 AZR 16/92 – AP Nr. 38 zu § 242 BGB Betriebliche Übung; BAG Urteil vom 14. September 1994 – 5 AZR 679/93 – DB 1995, 327). Der Arbeitnehmer kann auf die Weitergewährung nur dann vertrauen, wenn besondere Anhaltspunkte bestehen. Solche hat der Kläger nicht vorgetragen.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, Bruse, Augat
Fundstellen