Entscheidungsstichwort (Thema)
Technikerzulage. Einstellung der rechtsgrundlosen Zahlung
Leitsatz (amtlich)
- Stellt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes die Zahlung einer Technikerzulage nach § 3 des Tarifvertrages über Zulagen für Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982 nach jahrelanger Leistung ein, so handelt es sich nicht um einen Widerruf, dessen Berechtigung der Arbeitgeber darlegen muß. Vielmehr obliegt es dem Arbeitnehmer, die Voraussetzungen der tarifvertraglichen Anspruchsgrundlagen darzulegen.
- Teilt ein Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes einem Arbeitnehmer aus Anlaß der Höhergruppierung schriftlich die Zusammensetzung seiner künftigen Dienstbezüge mit und enthält die Aufstellung eine Technikerzulage, so stellt das Schreiben kein selbständiges Angebot auf Änderung des Arbeitsvertrages zugunsten des Arbeitnehmers dar (Senatsurteil vom 18. August 1988 – 6 AZR 361/86 – BAGE 59, 224 = AP Nr 3 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen).
Normenkette
Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982 §§ 2-3; BAT (VkA) Bemerkung Nr. 2 zu allen Vergütungsgruppen
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 05.05.1988; Aktenzeichen 13 Sa 73/88) |
ArbG Oberhausen (Urteil vom 08.12.1987; Aktenzeichen 4 (1) Ca 1732/87) |
Tenor
- Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 5. Mai 1988 – 13 Sa 73/88 – wird zurückgewiesen.
- Die Kosten der Revision hat der Kläger zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die weitere Zahlung der tariflichen Technikerzulage.
Der Kläger ist seit 1963 bei der Beklagten als Angestellter in der Abteilung Städtebau und Siedlungsplanung beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden der Bundes-Angestelltentarifvertrag und die ihn ergänzenden und ändernden Tarifverträge Anwendung. Der Kläger erhielt zunächst Vergütung aus der VergGr. VIII der Anlage 1a zum BAT.
Die Beklagte brachte ungeachtet der Kündigung des Bundes-Angestelltentarifvertrages und der Anlage 1a zum 31. Dezember 1969 ab 1. Juli 1972 die Bestimmungen des Tarifvertrags zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT (Angestellte in technischen Berufen) vom 15. Juni 1972 zur Anwendung. Danach stufte sie den Kläger mit Wirkung ab 1. Juli 1972 in die VergGr. Vb ein. Mit Schreiben vom 12. Dezember 1972 informierte sie den Kläger über die Höhergruppierung und führte dazu weiter aus:
“Sie erhalten von diesem Zeitpunkt an monatlich folgende Bruttodienstbezüge:
Grundvergütung |
… |
Ortszuschlag |
… |
Kinderzuschlag |
… |
Technikerzulage |
145,-- DM. |
“
Die Technikerzulage bemaß sich nach dem Tarifvertrag über Zulagen an technische Angestellte vom 8. Juli 1970. Diese Bestimmungen wurden ersetzt durch den Tarifvertrag über Zulagen an Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982, dessen §§ 2 und 3 i.d.F. des 3. Änderungstarifvertrages vom 28. Februar 1986, gültig bis zum 31. Dezember 1989, u.a. folgenden Wortlaut hatten:
Ҥ 2
Allgemeine Zulage
Protokollerklärungen:
§ 3
Technikerzulage
- Angestellte der Vergütungsgruppen Vb bis II mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Bemerkung zu allen Vergütungsgruppen und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben, erhalten eine Technikerzulage von 45,-- DM.
Absatz 1 gilt entsprechend für
a) – b) …
c) in der Protokollerklärung Nr. 1 des § 2 des Tarifvertrages zur Änderung und Ergänzung der Anlage 1a zum BAT (Angestellte in technischen Berufen) vom 15. Juni 1972 genannte Angestellte.”
Die Beklagte widerrief mit Schreiben vom 6. August 1986 die Technikerzulage zum 31. Dezember 1986. Sie zahlt dem Kläger seit dem 1. Januar 1987 nur die allgemeine Zulage in Höhe von 67,-- DM.
Der Kläger hat gemeint, das Schreiben vom 12. Dezember 1972 im Zusammenhang mit der Höhergruppierung nach VergGr. Vb BAT sei Bestandteil des Arbeitsvertrages geworden. Insofern sei es zu einer einzelvertraglichen Abrede über die Gewährung der streitigen Zulage gekommen, die ohne den Ausspruch einer Änderungskündigung nicht beseitigt werden könne. Im übrigen begründe die langjährige und ausdrückliche vorbehaltlose Gewährung der Technikerzulage für alle technischen Angestellten ein schutzwürdiges Vertrauen. Die Gewährung der Technikerzulage zeige außerdem, daß es sich bei seinen Tätigkeiten um Arbeiten eines Ingenieurs handele. So habe er auch einen tarifvertraglichen Anspruch.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Widerruf der Technikerzulage zum 1. Januar 1987 unwirksam ist und die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger eine Zulage von DM 145,-- unverkürzt ohne Anrechnung von Tariferhöhungen weiterzuzahlen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, ein Anspruch auf Gewährung der Technikerzulage sei mangels der tariflichen Voraussetzungen nicht gegeben. Der Kläger verrichte keine Ingenieurtätigkeiten. Es bestehe auch kein vertraglicher Anspruch. Die erhöhte Zulage sei irrtümlich gezahlt worden. Aus dem Vertrag der Parteien ergebe sich nur der eindeutige Wille, für die Vergütung das geltende Tarifrecht zugrunde zu legen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter, während die Beklagte Zurückweisung der Revision beantragt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat gemeine, eine einzelvertragliche Vereinbarung über die Gewährung der Zulage als übertarifliche Leistung sei zwischen den Parteien nicht zustandegekommen. Die Beklagte habe die Zulage in der irrtümlichen Annahme gezahlt, einen tariflichen Anspruch zu erfüllen. Aus dem Arbeitsvertrag des Klägers folge aber, daß für seine Vergütung allein die Vergütungsordnung des Bundes-Angestelltentarifvertrages maßgebend sei. Die bloße Gewährung einer Zulage im öffentlichen Dienst führe nicht zu einer entsprechenden einzelvertraglichen Vereinbarung, weil im Zweifel lediglich Normvollzug gewollt sei. Die Anführung der Technikerzulage im Schreiben vom 12. Dezember 1972 habe nur deklaratorische Bedeutung. Der Kläger habe auch keinen tarifvertraglichen Anspruch. Er habe die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Zulagengewährung nach §§ 2 und 3 des Tarifvertrages über Zulagen an Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982 nicht substantiiert dargelegt. So fehle ein ausreichender Vortrag darüber, daß er eine technische Ausbildung gemäß Nr. 2 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen absolviert habe oder gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besitze. Ferner liege trotz entsprechenden richterlichen Hinweises kein ausreichender Vortrag für das Erfordernis einer entsprechenden Tätigkeit vor, d.h. von Arbeiten mit ingenieurmäßigem Charakter.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
1. Der Kläger hat keinen arbeitsvertraglichen Anspruch auf die Technikerzulage. Die Bewertung des Landesarbeitsgerichts, in der Mitteilung über die Vergütungsfestsetzung der Beklagten vom 12. Dezember 1972 könne keine auf eine vom Kläger konkludent angenommene Willenserklärung der Beklagten mit dem Inhalt gesehen werden, den bestehenden Arbeitsvertrag von 29. Mai 1963 zugunsten des Klägers zu ändern, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden. Sie stimmt mit der Rechtsprechung des Senats überein (Senatsurteil vom 18. August 1988 – 6 AZR 361/86 – BAGE 59, 224 = AP Nr. 3 zu §§ 22, 23 BAT Zulagen = EzA § 242 BGB Betriebliche Übung Nr. 26 mit Anm. Reuter) und wird von der Revision auch nicht gerügt. Dasselbe gilt für die rechtliche Bearteilung des Landesarbeitsgerichts, der Kläger habe keinen Anspruch aufgrund betrieblicher Übung. Auch diese Auffassung entspricht der ständigen Rechtsprechung des Senats (BAG, aaO; Senatsurteile vom 18. August 1988 – 6 AZR 282/86 – BAGE 59, 233 = AP Nr. 4 zu § 3 TVArb Bundespost und vom 23. Juni 1988 – 6 AZR 137/86 – BAGE 59, 73 = AP Nr. 33 zu § 242 BGB Betriebliche Übung) und bleibt ebenfalls von der Revision ungerügt.
2. Das Landesarbeitsgericht hat ferner zutreffend einen tarifvertraglichen Anspruch auf Zahlung der Technikerzulage nach § 3 des Tarifvertrags über Zulagen an Angestellte (VkA) vom 17. Mai 1982 verneint. Nach dieser Vorschrift erhalten neben der allgemeinen Zulage nach § 2 TV eine Technikerzulage von monatlich 45,-- DM Angestellte der VergGr. Vb bis II mit technischer Ausbildung nach Nr. 2 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. Da der Kläger unstreitig keine technische Ausbildung nach Nr. 2 der Bemerkungen zu allen Vergütungsgruppen besitzt, kommt für ihn nur die zweite Alternative der Tatbestandsvoraussetzungen in Betracht. Danach müssen zwei tarifliche Erfordernisse erfüllt sein. Der Kläger müßte als sonstiger Angestellter über Fähigkeiten und Erfahrungen verfügen, die denen eines geprüften Fachhochschulingenieurs entsprechen. Außerdem müßte er eine entsprechende Tätigkeit ausüben, d.h. eine Tätigkeit mit Ingenieurszuschnitt (BAGE 51, 59 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975; Urteil vom 23. April 1986 – 4 AZR 90/85 – AP Nr. 118 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
Der Kläger hat weder zum Tatbestandsmerkmal “gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen” noch zum Tarifmerkmal “entsprechende Tätigkeiten” schlüssig vorgetragen. Die Auffassung des Landesarbeitsgerichts, die Vorlage der Arbeitsplatzbeschreibung genüge den Anforderungen an einen substantiierten Tatsachenvortrag nicht, ist zutreffend und wird von der Revision auch nicht gerügt. Der Kläger begnügt sich vielmehr damit, die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Verteilung der Darlegungslast anzugreifen. Diese Rüge ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat keineswegs das Gestaltungsrecht des Widerrufs einer früher einzelvertraglich oder tarifvertraglich zu Recht bezogenen Leistung ausgeübt, sondern die Zahlung einer ihrer Meinung nach nicht geschuldeten Leistung eingestellt. Das folgt aus der Begründung der Beklagten im Schreiben vom 6. August 1986, in dem darauf hingewiesen wird, daß der Kläger keine Ingenieurtätigkeiten wahrnimmt und ihm deshalb die Technikerzulage nicht zusteht, sowie aus dem Vorbringen der Beklagten in den Tatsacheninstanzen. Demgegenüber bleibt der Gebrauch des Wortes “widerrufen” ohne Bedeutung (BAG Urteil vom 29. Januar 1986 – 4 AZR 279/84 – AP Nr. 17 zu § 75 BPersVG; BAGE 52, 33, 48 f. = AP Nr. 12 zu § 4 BAT). In diesem Fall ist es Aufgabe des Gläubigers, die anspruchsbegründenden Tatsachen darzulegen und im Fall des Bestreitens zu beweisen.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dr. Jobs, Dörner, Ostkamp, Hilgenberg
Fundstellen
Haufe-Index 841051 |
RdA 1990, 318 |