Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifbegriff. Signalreiniger
Leitsatz (amtlich)
Ein Arbeiter der Bundesbahn, der Zugschlußleuchten und Zugschlußscheiben wartet, ist kein Signalreiniger und hat daher keinen Anspruch auf eine Leistungszulage gemäß § 6 Abs 2 Nr 1 LTV.
Normenkette
Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn (LTV) vom 12. September 1960 i.d.F. vom 29. Dezember 1983, in Kraft seit 1. Januar 1984, § 6 Abs. 2 und Anlage 1 Abschn. D lfd. Nr. 4e zu § 6 Abs. 2 LTV; Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung vom 8. Mai 1967 (EBO) § 14 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 18.03.1988; Aktenzeichen 3 Sa 1114/87) |
ArbG Hannover (Urteil vom 03.06.1987; Aktenzeichen 1 Ca 664/86) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18. März 1988 – 3 Sa 1114/87 – wird zurückgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten der Revision zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Zahlung einer Leistungszulage für Signalreiniger für die Monate September bis Dezember 1984.
Der Kläger ist als Arbeiter bei der Beklagten beim Bahnhof B… beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Lohntarifvertrag für die Arbeiter der Deutschen Bundesbahn in der Fassung vom 29. Dezember 1983 – in kraft seit 1. Januar 1984 – (LTV) Anwendung.
Der Kläger wartet und reinigt u.a. etwa zwei bis drei Stunden täglich in der Signalmittelstelle beim Bahnhof B… Zugschlußleuchten und Zugschlußscheiben. Diese Leuchten werden als Zugschlußsignal zur Kennzeichnung des jeweiligen Zugschlusses verwendet. Wird der eingefahrene Zug aufgelöst oder steht er aus betriebsbedingten Gründen länger als sechs Stunden im Bahnhof, so werden diese Leuchten von anderen Bediensteten abgenommen, eingesammelt und in die sog. Lampenbude, einen Werkstattraum gebracht. Dort werden sie vom Kläger gesäubert und gewartet. Im Bedarfsfalle werden die nötigen Ersatzteile (Glaszylinder, Dochte, Dreheinsätze) ausgetauscht sowie Betriebsmittel (Petroleum) nachgefüllt. Nach dieser Werkstattätigkeit des Klägers werden die Leuchten wiederum von anderen Bediensteten von dem Werkstattraum abgeholt und zum Verwendungsort gebracht.
Für diese Tätigkeit zahlte die Beklagte dem Kläger bis August 1984 eine tarifliche Leistungszulage. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, ihm stehe die tarifliche Leistungszulage auch weiterhin zu, weil es sich bei den Zugschlußleuchten und -scheiben um ein Signal im Sinne der Anlage 1 Abschnitt D lfd. Nr. 4e zu § 6 Abs. 2 LTV handele. Er sei daher Signalreiniger im Sinne dieser Tarifnorm.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 384,54 DM brutto nebst 4 % Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit Klagezustellung zu zahlen.
Die Beklagte hat Klagabweisung beantragt und den Rechtsstandpunkt vertreten, daß Zugschlußleuchten und -scheiben keine Signale, sondern nur Signalmittel seien. Für die Reinigung von Signalmitteln bestehe kein tariflicher Anspruch auf Leistungszulage.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger sein Klagebegehren weiter. Die Beklagte bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, dem Kläger stehe die geltend gemachte tarifliche Leistungszulage nicht zu, weil er kein Signalreiniger im Sinne des Lohntarifvertrages sei. Signalreiniger seien nur Arbeiter, die ortsfeste Signale auf Bahnhöfen und der freien Strecke reinigen und warten. Die Zahlung einer Leistungszulage für solche Tätigkeiten rechtfertige sich aus dem Umstand, daß diese Tätigkeit stets im Freien während des laufenden Betriebs stattfinden müsse. Aus den Verhandlungen und dem Ergebnis der Tarifvertragsparteien im Jahre 1970, die zur erstmaligen Regelung einer Leistungszulage für Signalreiniger geführt habe, ergebe sich, daß die Zulage für Signalreiniger auch deshalb eingeführt worden sei, weil das Reinigen von Signalen, z.B. Entfernen von Eis und Schnee während des Fahrbetriebs, eine gefahrengeneigte Tätigkeit sei. Der Begriff des Signalreinigers beinhalte daher die Tätigkeit des Reinigens und Wartens von ortsfesten Signalen während des laufenden Bahnbetriebs bei den unterschiedlichsten Witterungsbedingungen. Diese Voraussetzungen seien beim Reinigen von Zugschlußleuchten und -scheiben durch den Kläger im Werkstattraum nicht gegeben.
II. Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts sind revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.
1. Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf tarifliche Leistungszulage gemäß § 6 Abs. 2 Nr. 1 LTV in Verbindung mit der Anlage 1 Abschnitt D lfd. Nr. 4e ist nicht begründet.
2. Gemäß § 6 Abs. 2 LTV werden Mehrleistungen in Arbeitsverfahren mit Leistungslohn nach den hierfür geltenden Bestimmungen u.a. durch Leistungszulagen abgegolten. Unter Arbeitsverfahren mit Leistungslohn sind dabei Tätigkeiten zu verstehen, für die in der Anlage 1 Abschnitt D Leistungszulagen vorgesehen sind. Nach der lfd. Nr. 4e dieser Anlage sind “Signalreiniger” zulagenberechtigt. Die Tätigkeit des Klägers erfüllt jedoch nicht die Merkmale eines Signalreinigers.
a) Bei der Ermittlung des Inhalts des Tarifbegriffs “Signalreiniger” ist davon auszugehen, daß die Tarifvertragsparteien einen Begriff verwendet haben, wie er üblicherweise in dem zu regelnden Bereich verwendet wird und den sie in dieser Bedeutung auch angewendet wissen wollen (vgl. BAGE 42, 272, 277 = AP Nr. 61 zu § 616 BGB; BAGE 50, 147, 151 = AP Nr. 35 zu § 1 TVG Tarifverträge: Metallindustrie). Nach der Eisenbahn-Bau- und Betriebsordnung (EBO) vom 8. Mai 1967 wird im Bereich der Deutschen Bundesbahn eine deutliche Unterscheidung zwischen Signalen und Zugschlußleuchten und -scheiben vorgenommen. Gemäß § 14 Abs. 1 EBO gelten als Signale nur die in der Eisenbahn-Signalordnung (ESO) vorgeschriebenen Signale. Abschnitt A Unterabschnitt b ESO enthält dabei eine Begriffsbestimmung für Signale. Dort sind Zugschlußleuchten und Zugschlußscheiben nicht aufgeführt. Vielmehr handelt es sich bei dieser Art von Warnzeichen gemäß § 26 Abs. 1 EBO um Schlußsignalmittel im Sinne der Schlußsignalmittel-Vorschrift vom 1. Oktober 1976. Nach § 1 Abs. 2 dieser Vorschrift gehören dazu die nicht fest eingebauten und mit Petroleum betriebenen Zugschlußleuchten mit Tages- und Nachtzeichen und die viereckigen Zugschlußscheiben mit Tageszeichen. Im Bereich der Beklagten wird tatsächlich und rechtlich streng zwischen den Begriffen “Signal” und “Signalmittel” unterschieden. Zu den Signalmitteln zählen Zugschlußleuchten und Zugschlußscheiben. Diese sind nach der rechtlichen Bedeutung, wie sie die Tarifvertragsparteien angewendet wissen wollen, keine Signale. Daraus ergibt sich, daß die Tätigkeit des Klägers den Begriff des Signalreinigers nicht erfüllt. Der Kläger wartet und reinigt keine Signale, sondern Signalmittel.
b) Dieses Ergebnis wird auch durch den Zweck der Leistungszulage bestätigt. Nach Anlage 1 Abschnitt D Ziffer (2) 3a zu § 6 Abs. 2 LTV wird die Leistungszulage gezahlt für die vom Arbeiter bewiesene Geschicklichkeit, seinen Fleiß, seine Sorgfalt, Zuverlässigkeit und Verantwortung sowie die Menge und Güte seiner Arbeit. Die Tarifvertragsparteien haben diese Voraussetzungen bei einem Signalreiniger deswegen für gegeben erachtet, weil es sich bei den Signalen im Sinne der Eisenbahn-Signalordnung um fest eingebaute ortsfeste Signale auf Bahnhöfen und freien Strecken handelt, die während des Fahrbetriebes zu reinigen sind. Diese Voraussetzungen treffen auf die werkstattgebundene Tätigkeit des Klägers nicht zu.
c) Auch aus dem Gesamtzusammenhang der tariflichen Vorschriften wird deutlich, daß zwischen einem Signalreiniger und der Tätigkeit des Klägers unterschieden werden muß. Wie sich aus der Anlage 1 Abschnitt E lfd. Nr. 18a zu § 6 Abs. 4 LTV ergibt, haben die Tarifvertragsparteien eine Differenzierung zwischen der Tätigkeit des Klägers und einem Signalreiniger vorgenommen. Nach dieser Vorschrift erhalten nämlich Arbeiter eine Erschwerniszulage beim Reinigen (einschließlich Entfernen von Eis und Schnee) von ortsfesten Signalen … oder Zugschlußsignalen. Diese tarifliche Regelung zeigt damit, daß eine Erschwerniszulage für die Tätigkeit des Klägers nur dann zu zahlen ist, wenn die Reinigung im Freien während des Bahnbetriebes erfolgt. Die Tarifvertragsparteien unterscheiden damit, ob die Schlußsignalmittel in der Werkstatt oder im Freien gereinigt werden. Nur im letzteren Fall gibt es eine Erschwerniszulage.
d) Schließlich bestätigt auch die Tarifentwicklung dieses Ergebnis. Mit dem LTV vom Juli 1970 wurden erstmals die Signalreiniger in die Leistungszulagenregelung mit einbezogen. Ausweislich der Niederschrift über die Tarifbesprechung vom 15. bis 17. April 1970 war bis zu diesem Zeitpunkt die Frage der Gewährung einer Leistungszulage für Signalreiniger streitig. Die Frage der Einführung einer Leistungszulage (vgl. Anlage 1 Abschnitt D (2) 3a zu § 6 Abs. 2 LTV) wurde seinerzeit auch unter dem Gesichtspunkt der Gefahrengeneigtheit der Arbeit erörtert. Dies zeigt, daß es sich bei den Signalreinigern nur um solche Arbeiter handelt, die feste Signale während des laufenden Bahnbetriebes warten. Anders wäre der Hinweis auf die Gefahrengeneigtheit der Tätigkeit nicht zu verstehen. Das Reinigen und Warten von Schlußsignalmitteln in der Werkstatt stellt aber keine gefahrengeneigte Tätigkeit dar.
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Röhsler, Dr. Jobs, Dörner, Ostkamp, Hilgenberg
Fundstellen