Entscheidungsstichwort (Thema)
Geltungsbereich der Sozialkassentarifverträge des Baugewerbes
Leitsatz (amtlich)
1. Der betriebliche Geltungsbereich des VTV erstreckt sich grundsätzlich auch auf Betriebe des Ausbaugewerbes. Dazu gehören alle Leistungen, die der Vollendung des Bauwerkes zu dienen bestimmt sind.
2. Dient der Einbau einer vorgefertigten, beweglichen Wand der vorgegebenen Funktion und dem Zweck eines Gebäudes, so handelt es sich um Trocken- und Montagebauarbeiten im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV.
Normenkette
Tarifvertrag über das Sozialkassenverfahren vom 12. November 1986 § 1 Abs. 2 Abschn. II, Abschn. V Nr. 37; TVG § 1 Tarifverträge: Bau
Verfahrensgang
Tenor
1. Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 3. März 1998 – 15 Sa 944/97 – wird zurückgewiesen.
2. Der Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.
Tatbestand
Die Parteien streiten, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin (ZVK) Auskünfte betreffend gewerblicher Arbeitnehmer und Angestellter für den Zeitraum von Dezember 1993 bis Dezember 1994 zu erteilen und ihr im Falle nicht fristgerechter Auskunftserteilung eine Entschädigung in Höhe von insgesamt 62.260,00 DM (61.740,00 DM für gewerbliche Arbeitnehmer, 520,00 DM für Angestellte) zu zahlen.
Die ZVK ist als gemeinsame Einrichtung der Tarifvertragsparteien nach Maßgabe des Tarifvertrages über das Sozialkassenverfahren im Baugewerbe vom 12. November 1986 (VTV) in seiner jeweiligen Fassung die Einzugsstelle für die Beträge der baugewerblichen Arbeitgeber im Gebiet der Bundesrepublik Deutschland zu den Sozialkassen des Baugewerbes. Im Klagezeitraum waren alle baugewerblichen Arbeitgeber verpflichtet, der ZVK Auskünfte gemäß § 27 Abs. 1 und 4 VTV zu erteilen.
Durch den Betrieb des Beklagten wurden im Klagezeitraum Trennwände der Firma H GmbH mit der Bezeichnung „M ” und „V ” montiert. Es wurden Metallkonstruktionen an Decken und Wänden angebracht und die Wand- und Trennelemente eingehängt. Die Trennwände wurden zumeist in vorhandene Bauten eingebaut, die auf diese Weise neu gestaltet wurden.
Die ZVK hat die Auffassung vertreten, der Betrieb des Beklagten sei wegen der ausgeführten Arbeiten in den Jahren 1993 und 1994 dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV unterfallen, der unter anderem im Klagezeitraum lautete:
„§ 1 Geltungsbereich
(1) …
(2) Betrieblicher Geltungsbereich:
Betriebe des Baugewerbes. Das sind alle Betriebe, die unter einen der nachfolgenden Abschnitte I bis IV fallen.
…
Abschnitt II
Betriebe, die, soweit nicht bereits unter Abschnitt I erfaßt, nach ihrer durch die Art der betrieblichen Tätigkeiten geprägten Zweckbestimmung und nach ihrer betrieblichen Einrichtung gewerblich bauliche Leistungen erbringen, die – mit oder ohne Lieferung von Stoffen oder Bauteilen – der Erstellung, Instandsetzung, Instandhaltung, Änderung oder Beseitigung von Bauwerken dienen.
…
Abschnitt V
Zu den in den Abschnitten I bis III genannten Betrieben gehören z.B. diejenigen, in denen Arbeiten der nachstehend aufgeführten Art ausgeführt werden:
…
37. Trocken- und Montagebauarbeiten (z.B. Wand- und Deckeneinbau bzw. -verkleidungen) einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen und Putzträgern.
…
Abschnitt VII
Nicht erfaßt werden Betriebe
…
11. des Schreinerhandwerks sowie der holzbe- und -verarbeitenden Industrie, soweit nicht Fertigbau-, Dämm- (Isolier-) oder Trockenbau- und Montagebauarbeiten ausgeführt werden.
…”
Nachdem der Rechtsstreit für den Klagezeitraum von Januar bis November 1993 in der Berufungsinstanz übereinstimmend für erledigt erklärt worden war, hat die ZVK zuletzt beantragt,
den Beklagten zu verurteilen,
1. ihr auf dem vorgeschriebenen Formular Auskunft darüber zu erteilen,
1.1 wie viele Arbeitnehmer, die eine nach den Vorschriften der Reichsversicherungsordnung über die Rentenversicherung der Arbeiter (bis 31. Dezember 1991) bzw. ab dem 1. Januar 1992 nach den Vorschriften des Sozialgesetzbuches, Sechstes Buch (SGB VI) über die gesetzliche Rentenversicherung arbeiterrentenversicherungspflichtige Tätigkeiten ausübten,
in den Monaten Dezember 1993 bis Dezember 1994
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden sowie in welcher Höhe die Bruttolohnsumme insgesamt für diese Arbeitnehmer und die Beiträge für die Sozialkassen der Bauwirtschaft in den genannten Monaten angefallen sind,
1.2 wie viele Angestellte und wie viele Angestellte, deren regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit mindestens 20 Stunden beträgt (bis 31. Dezember 1989) bzw. ab 1. Januar 1990 wie viele Angestellte insgesamt mit Ausnahme derjenigen, die eine geringfügige Beschäftigung im Sinne von § 8 SGB IV ausüben,
in den Monaten Dezember 1993 bis Dezember 1994
in dem Betrieb des Beklagten beschäftigt wurden, welche Bruttogehaltssummen (gilt nur für den Zeitraum 1. Januar 1987 bis 30. April 1992) und in welcher Höhe Vorruhestands- (bis 30. April 1992) sowie Zusatzversorgungsbeiträge für die Zusatzversorgungskasse des Baugewerbes VVaG in den genannten Monaten angefallen sind,
2. für den Fall, daß diese Verpflichtung zur Auskunftserteilung innerhalb einer Frist von sechs Wochen nach Urteilszustellung nicht erfüllt wird, ihr folgende Entschädigung zu zahlen:
zu Nr. 1.1: |
61.740,00 DM |
zu Nr. 1.2: |
520,00 DM |
Gesamtbetrag: |
62.260,00 DM. |
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Er hat die Auffassung vertreten, bei den von seinem Betrieb in den Jahren 1993 und 1994 ausgeführten Tätigkeiten habe es sich nicht um Trocken- und Montagebau gehandelt, weil die Trennwände nicht mit dem Bauwerk fest verbunden seien. Als bewegliche und variable Elemente seien sie vielmehr mit beweglichen Raumteilern zu vergleichen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben der Klage stattgegeben. Mit der Revision verfolgt der Beklagte seinen Klageabweisungsantrag weiter. Die ZVK bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, der Betrieb des Beklagten unterfalle im streitgegenständlichen Zeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV. Es handele sich um einen Betrieb des Baugewerbes gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Von dieser Tarifbestimmung würden alle Betriebe des Ausbaugewerbes erfaßt. Der Betrieb des Beklagten erbringe mit der Montage von variablen H -Wänden gewerblich bauliche Leistungen, die der Erstellung und Änderung von Bauwerken dienten. Im übrigen seien auch die Voraussetzungen des § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV gegeben. Der Betrieb des Beklagten führe mit der Montage von variablen H -Wänden Montagearbeiten und damit Wandeinbau durch.
Diese Ausführungen sind rechtlich nicht zu beanstanden.
II. Der Beklagte ist gemäß § 27 Abs. 1 und 4 VTV verpflichtet, die begehrten Auskünfte für den Zeitraum Dezember 1993 bis Dezember 1994 zu erteilen. Der Betrieb des Beklagten unterfiel in diesem Zeitraum dem betrieblichen Geltungsbereich gemäß § 1 Abs. 2 VTV.
Nach der ständigen Rechtsprechung des Senates ist das der Fall, wenn in einem Betrieb arbeitszeitlich überwiegend Tätigkeiten ausgeführt werden, die unter die Abschnitte I bis V des § 1 Abs. 2 VTV fallen. Auf wirtschaftliche Gesichtspunkte, wie Umsatz oder Verdienst bzw. auf handels- oder gewerberechtliche Kriterien, kommt es nicht an (vgl. BAG Urteil vom 23. August 1995 – 10 AZR 105/95 – AP Nr. 193 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau, m.w.N.). Dabei fallen alle Betriebe, die überwiegend eine der in den Beispielen des Abschnittes V des § 1 Abs. 2 VTV genannten Tätigkeiten ausführen, unter den betrieblichen Geltungsbereich des VTV, ohne daß die Erfordernisse der allgemeinen Merkmale der Abschnitte I bis III geprüft werden müssen (ständige Rechtsprechung, vgl. BAGE 45, 11 = AP Nr. 60 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 22. Januar 1997 – 10 AZR 223/96 – AP Nr. 9 zu § 1 TVG Tarifverträge: Maler).
1. Dem Landesarbeitsgericht ist darin zu folgen, daß die Montage von H -Wänden eine bauliche Leistung gemäß § 1 Abs. 2 Abschnitt II VTV darstellt, weil sie der Erstellung eines Bauwerkes dient.
a) Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts ist der Betrieb des Beklagten baulich geprägt im Sinne dieser Tarifnorm.
b) Der Betrieb des Beklagten erbringt auch bauliche Leistungen im Sinne von § 1 Abs. 2 Abschn. II VTV. Dies sind Leistungen, die der Erstellung oder Änderung eines Bauwerkes dienen. Ein Bauwerk ist dann erstellt oder geändert, wenn es in vollem Umfang seinen bestimmungsgemäßen Zweck erfüllen kann. Zur Erstellung des Bauwerkes gehört daher nicht nur die Fertigstellung des Rohbaues, sondern auch der vollständige Ausbau, wie er vom Bauherrn in Auftrag gegeben worden ist. Dazu gehören alle Leistungen, die irgendwie – wenn auch nur auf einem kleinen und speziellen Gebiet – der Vollendung des Bauwerkes zu dienen bestimmt sind (vgl. BAG Urteil vom 5. September 1990 – 4 AZR 82/90 – AP Nr. 135 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau; BAG Urteil vom 22. Januar 1997, aaO). Der betriebliche Geltungsbereich des VTV erstreckt sich somit auch auf Bereiche des Ausbaugewerbes, sofern sie nicht gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII VTV ausdrücklich vom Geltungsbereich ausgenommen sind (vgl. BAG Urteil vom 22. Januar 1997, aaO, m.w.N.).
Nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts tragen die vom Betrieb der Beklagten montierten beweglichen Wände dazu bei, daß der jeweilige Raum nach der vorgegebenen Bestimmung benutzt werden kann. Damit wird der bestimmungsgemäße Gebrauch eines Gebäudes ermöglicht. Die gesamte Tätigkeit des Beklagten ist damit tariflich als bauliche Leistung anzusehen. Der Betrieb des Beklagten gehört zum sog. Ausbaugewerbe.
2. Darüber hinaus fallen alle Betriebe, in denen überwiegend Tätigkeiten nach den Beispielen des § 1 Abs. 2 Abschn. V VTV ausgeführt werden unter den betrieblichen Geltungsbereich dieses Tarifvertrages. Nach § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV sind dies Betriebe des Baugewerbes in denen Trocken- und Montagebauarbeiten z.B. Wandeinbau, einschließlich des Anbringens von Unterkonstruktionen ausgeführt werden.
a) Unter Trockenbauarbeiten versteht man u. a. die Montage industriell hergestellter Fertigteile, die nicht wesentlich geändert, als Bauteile aus verschiedenen Materialien zur Bekleidung von Außen- und Innenwänden und auch zur Errichtung von Leichtbauwänden verwendet werden (vgl. BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Montagebauarbeiten sind auch der Aufbau bzw. der Zusammenbau vorgefertigter Teile zu einer Wand, wenn dies unmittelbar der Herstellung des Gebäudes dient (BAG Urteile vom 23. November 1988 – 4 AZR 395/88 –, vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/89 – AP Nr. 103 und 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau). Dementsprechend hat der Senat entschieden, daß die Montage von Trennwänden den Tarifbegriff Trocken- und Montagebauarbeiten erfüllt (BAGE 74, 238 = AP Nr. 21 zu § 4 TVG Tarifkonkurrenz; BAG Urteil vom 20. September 1995 – 10 AZR 1018/94 – n.v.).
b) Das Landesarbeitsgericht hat bindend festgestellt, daß die H -Wände der Herstellung oder Änderung von Gebäuden dienen, weil ohne deren Montage der Raum bzw. das Gebäude nicht der vorgegebenen Funktion und Zweckbestimmung entspricht und damit nicht bestimmungsgemäß genutzt werden kann.
Entgegen der Auffassung der Revision sind die H -Anlagen keine Inneneinrichtung, wie Raumteiler bzw. Stellwände in Großraumbüros, nur weil die festmontierten Wände bei Bedarf bewegt werden können. Nach den bindenden Feststellungen des Landesarbeitsgerichts sind die Wände jedenfalls nicht in der Weise beweglich, daß ihre Stellung im Raum beliebig bestimmt werden kann. Vielmehr sind sie mit aufwendigen Konstruktionen an den Decken montiert. Die „M ”-Trennwand wird in Sporthallen zur Hallenteilung eingesetzt und ist schon aus Sicherheitsgründen schwer. Sie kann nur durch einen elektrischen Motor nach oben gezogen werden. Die „V ”-Wandelemente sind ebenfalls fest an verankerten Schienen montiert. Die Beweglichkeit beschränkt sich darauf, daß diese Wandelemente entlang den Aufhängevorrichtungen geschoben werden können. Es handelt sich um Wände mit besonderer Standfestigkeit und Schalldämmung. Die vom Betrieb des Beklagten montierten Trennwände entsprechen damit in ihrer Funktion nichttragenden Leichtbauwänden auf Metall- oder Holzkonstruktionen.
Damit unterfällt der Betrieb des Beklagten auch gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. V Nr. 37 VTV dem betrieblichen Geltungsbereich des VTV.
3. Eine Ausnahme vom betrieblichen Geltungsbereich des VTV gemäß § 1 Abs. 2 Abschn. VII Nr. 11 VTV scheitert allein daran, daß der Beklagte Trockenbau- und Montagearbeiten durchführt.
III. Der Entschädigungsanspruch für den Fall der Nichterteilung der Auskünfte folgt aus § 61 Abs. 2 ArbGG (vgl. BAG Urteil vom 26. April 1989 – 4 AZR 49/98 – AP Nr. 110 zu § 1 TVG Tarifverträge: Bau).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Jobs, Böck zugleich für den durch Erkrankung an der Unterschrift verhinderten Vors. Richter Dr. Freitag, Lindemann, Schlaefke
Veröffentlichung
Veröffentlicht am 07.07.1999 durch Susdorf, Reg.-Hauptsekretär als Urkundsbeamter der Geschäftsstelle
Fundstellen
Haufe-Index 436288 |
BB 1999, 2568 |
DB 2000, 680 |
FA 1999, 380 |
NZA 2000, 43 |
SAE 2000, 126 |
AP, 0 |