Entscheidungsstichwort (Thema)

Eingruppierung. Freundschaftspionierleiter. Fernstudium

 

Leitsatz (redaktionell)

Fortsetzung der Rechtsprechung des Senats aus dem Urteil vom 13. Juni 1996 (– 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O) zu der Frage, ob ein Freundschaftspionierleiter als Lehrer einzugruppieren ist, aus dem Urteil vom 13. Juni 1996 (– 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer) zur Bewertung eines nicht vierjährigen Fernstudiums in der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten und aus dem Urteil vom 19. Januar 1995 (– 6 AZR 560/94BAGE 79, 143 = AP Nr. 1 zu § 19 BAT-O) zu der Frage der besonderen persönlichen Systemnähe der Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters.

 

Normenkette

BAT §§ 22, 23 Lehrer; BAT-O § 11 S. 2; Änderungstarifvertrag Nr. 1 zum BAT-O § 2 Nr. 3

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 15.08.1995; Aktenzeichen 5 Sa 438/95)

ArbG Zwickau (Urteil vom 01.02.1995; Aktenzeichen 8 Ca 2633/94)

 

Tenor

1. Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Sächsischen Landesarbeitsgerichts vom 15. August 1995 – 5 Sa 438/95 – wird zurückgewiesen.

2. Die Klägerin hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung der Klägerin.

Die am 8. März 1956 geborene Klägerin legte am 24. Juni 1975 nach einem Fachschulstudium an dem Zentralinstitut der Pionierorganisation „Ernst Thälmann” für Aus- und Weiterbildung in Droyßig die staatliche Abschlußprüfung ab und erlangte damit die Befähigung zur Arbeit als Freundschaftspionierleiter einschließlich der Lehrbefähigung für die unteren Klassen der allgemeinbildenden zehnklassigen polytechnischen Oberschule für die Fächer Mathematik und Körpererziehung. Nach einem Fernstudium vom 1. September 1983 bis zum 17. Juli 1986 an der Humboldt-Universität zu Berlin in der Fachrichtung Pädagogik der intellektuell Geschädigten erwarb sie außerdem den Hochschulabschluß und ist berechtigt, die Berufsbezeichnung „Lehrer für intellektuell Geschädigte” zu führen.

Die Klägerin ist seit dem 1. August 1975 als Lehrerin beschäftigt. Vom 1. August 1979 bis zum 28. Februar 1990 war sie als Freundschaftspionierleiterin mit anteiligem Unterricht zwischen sechs und zehn Stunden wöchentlich tätig. Seit dem 1. März 1990 ist sie Lehrerin für intellektuell geschädigte Kinder an der Förderschule für Lernbehinderte in K.

Nach dem Änderungsvertrag zum Arbeitsvertrag der tarifgebundenen Parteien vom 1. Juli 1991 bestimmt sich das Arbeitsverhältnis nach dem Tarifvertrag zur Anpassung des Tarifrechts – Manteltarifliche Vorschriften – (BAT-O) vom 10. Dezember 1990. In § 3 des Änderungsvertrags heißt es:

„Für die Eingruppierung gilt der zutreffende Abschnitt der Richtlinien der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) für die von der Anlage 1 a nicht erfaßten Angestellten, die unter den Geltungsbereich des BAT-O fallen, in der jeweiligen Fassung.

Danach ist der/die Angestellte in der Vergütungsgruppe IV a eingruppiert.”

Seit dem 1. Dezember 1992 erhält die Klägerin Vergütung nach VergGr. IV b BAT-O. Mit Schreiben vom 16. Juni 1993 verlangte sie von dem Beklagten erfolglos Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O. Mit Wirkung ab April 1994 erhielt die Klägerin die Grundvergütung in der VergGr. IV b BAT-O nicht mehr wie bisher nach Lebensaltersstufe 37, sondern nach Lebensaltersstufe 35, weil der Beklagte die vor dem 1. März 1990 liegende Zeit der Tätigkeit der Klägerin als Pionierleiterin nicht als Beschäftigungszeit im öffentlichen Dienst anerkannte.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, ihr stehe seit dem 1. Dezember 1992 Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O zu. Aufgrund der tariflichen Bestimmungen richte sich die Eingruppierung nach der Zweiten Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991. Danach erfülle sie die Voraussetzungen für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11, die der VergGr. IV a BAT-O entspreche. Sie sei Lehrerin im Unterricht an einer Sonderschule und verfüge über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung für untere Klassen sowie über ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren. Die vom Beklagten vorgenommene Unterscheidung zwischen Fern- und Direktstudium finde in der 2. BesÜV keine Grundlage. Die Grundvergütung bemesse sich nach Lebensaltersstufe 37, da sie ab 1975 als Pionierleiterin mit Lehrtätigkeit beschäftigt gewesen sei und der Beklagte die vor dem 1. März 1990 liegende Zeit als Beschäftigungszeit anrechnen müsse.

Die Klägerin hat beantragt

  1. festzustellen, daß sie seit 01.12.1992 in der Vergütungsgruppe IV a BAT-O zu entlohnen ist,
  2. festzustellen, daß sie seit 08.03.1993 gemäß der Lebensaltersstufe 37 zu entlohnen ist.

Der Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Klägerin erfülle nach der 2. BesÜV nicht die Voraussetzungen der Besoldungsgruppe A 11, die der VergGr. IV a BAT-O entspreche, da sie als Freundschaftspionierleiterin nicht über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung als Lehrerin für die unteren Klassen im Sinne der Besoldungsgruppe A 11 verfüge. Außerdem werde in den Eingruppierungsbestimmungen ein mindestens zweijähriges Direktstudium gefordert. Diese Anforderung könne zwar auch durch ein mindestens vierjähriges Fernstudium erfüllt werden, das die Klägerin aber nicht absolviert habe. Die Grundvergütung der Klägerin bemesse sich nach Lebensaltersstufe 35. Beginn der Beschäftigungszeit sei der 1. März 1990, da die Zeit der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin nicht als Beschäftigungszeit anzurechnen sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Auf die Berufung des Beklagten haben beide Parteien in der Verhandlung am 15. August 1995 vor dem Landesarbeitsgericht erklärt, daß die Eingruppierung der Klägerin nur für die Zeit bis zum 1. Juli 1995 geklärt werden solle. Das Landesarbeitsgericht hat das Urteil des Arbeitsgerichts abgeändert und die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Klageanspruch weiter. Der Beklagte bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision hat keinen Erfolg. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht die Klage abgewiesen.

I. Der Klägerin steht weder nach den aufgrund der tariflichen Bestimmungen anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV noch nach den arbeitsvertraglich vereinbarten TdL-Richtlinien für die Zeit vom 1. Dezember 1992 bis zum 30. Juni 1995 ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O zu.

1. Auf das Arbeitsverhältnis finden aufgrund beiderseitiger Tarifgebundenheit und arbeitsvertraglicher Vereinbarung der BAT-O und die diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträge in ihrer jeweiligen Fassung Anwendung. Damit gelten für die Eingruppierung der Klägerin folgende Bestimmungen:

a) § 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 zum BAT-O vom 8. Mai 1991

3. Die Anlage 1 a ist, soweit sie keine besonderen Tätigkeitsmerkmale enthält, nicht auf Angestellte anzuwenden, die

als Lehrkräfte, auch wenn sie nicht unter die SR 2 1 I fallen,

beschäftigt sind. Diese Angestellten sind – gegebenenfalls nach näherer Maßgabe von Richtlinien – in der Vergütungsgruppe eingruppiert, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingestuft wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. …

b) Sonderregelungen für Angestellte als Lehrkräfte (SR 2 1 I BAT-O)

Nr. 1

Zu §§ 1 und 2 – Geltungsbereich –

Diese Sonderregelungen gelten für Angestellte als Lehrkräfte an allgemeinbildenden Schulen und berufsbildenden Schulen (Berufs-, Berufsfach- und Fachschulen)

Protokollnotiz:

Lehrkräfte im Sinne dieser Sonderregelungen sind Personen, bei denen die Vermittlung von Kenntnissen und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes der Tätigkeit das Gepräge gibt.

Nr. 3 a

Zu §§ 23 bis 25 – Eingruppierung –

Die Lehrkräfte werden nach § 11 Satz 2 in die Vergütungsgruppen eingruppiert, die sich bei Anwendung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung ergeben.

Soweit in der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung Ämter für entsprechende Lehrkräfte nicht ausgebracht sind, ist die Vergütung unter Berücksichtigung der Ausbildung der Lehrkraft auf der Grundlage der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung arbeitsvertraglich zu regeln.

c) Zweite Verordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands (2. BesÜV) vom 21. Juni 1991 (BGBl. I S. 1345)

§ 7

Besoldungsordnungen

(1) Für Beamte an allgemeinbildenden und beruflichen Schulen sowie an Sonderschulen gilt ergänzend Anlage 1 dieser Verordnung. …

Anlage 1

Besoldungsgruppe A 11

Lehrer 3) 6)

– als Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule –

3) Als Eingangsamt.

6) Mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren.

2. Die Klägerin ist Lehrkraft i.S.d. tariflichen Bestimmungen, da sie an einer Sonderschule des Beklagten Kenntnisse und Fertigkeiten im Rahmen eines Schulbetriebes vermittelt. Deshalb ist für ihre Eingruppierung nach § 2 Nr. 3 Satz 1 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 die Anlage 1 a zum BAT-O nicht anzuwenden.

Die Eingruppierung erfolgt gemäß § 2 Nr. 3 Satz 2 des Änderungstarifvertrages Nr. 1 vielmehr in die Vergütungsgruppe, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe entspricht, in welcher der Angestellte eingruppiert wäre, wenn er im Beamtenverhältnis stünde. Dabei verweisen die Tarifvertragsparteien in Nr. 3 a Unterabs. 1 SR 2 1 I BAT-O auf die Vorschriften der 2. BesÜV. Diese tarifliche Verweisung auf die beamtenrechtlichen Vorschriften ist nach der Rechtsprechung des Vierten Senats, der sich der erkennende Senat angeschlossen hat, zulässig (BAG Urteil vom 24. November 1993 – 4 AZR 16/93 – AP Nr. 1 zu § 2 BAT-O; Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O und – 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).

3. Nach den aufgrund der tariflichen Verweisung anzuwendenden Vorschriften der 2. BesÜV steht der Klägerin ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O, die nach § 11 Satz 2 BAT-O der Besoldungsgruppe A 11 entspricht, nicht zu. Die Klägerin erfüllt nicht die Voraussetzungen der Fußnote 6 für eine Einstufung in die Besoldungsgruppe A 11 im Eingangsamt.

a) In diese Besoldungsgruppe können Lehrer im Unterricht an einer Sonderschule nur eingruppiert werden, die über eine abgeschlossene pädagogische Fachschulausbildung verfügen. Über eine solche verfügt die Klägerin nicht, da sie ihr Fachschulstudium an dem Zentralinstitut der Pionierorganisation „Ernst Thälmann” als Freundschaftspionierleiter abgeschlossen hat und nur über die Lehrbefähigung für die Fächer Mathematik und Körpererziehung verfügt. Sie ist deshalb nicht als „Lehrer” i.S.d. 2. BesÜV anzusehen.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Senats (BAG Urteile vom 13. Juni 1996 – 6 AZR 972/94 – AP Nr. 9 zu § 11 BAT-O und – 6 AZR 925/94 – AP Nr. 51 zu §§ 22, 23 Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 8. August 1996 – 6 AZR 17/95 – und – 6 AZR 1000/94 –; vom 26. September 1996 – 6 AZR 190/95 – und – 6 AZR 191/95 –; vom 24. Oktober 1996 – 6 AZR 410/95 – alle nicht veröffentlicht) unterschieden sich Freundschaftspionierleiter mit der Lehrbefähigung in einem Haupt- und einem Nebenfach nach ihrer Bezeichnung, den Einstellungsvoraussetzungen, den Ausbildungsinhalten und -zielen sowie ihren Aufgaben von den Lehrern für untere Klassen der allgemeinbildenden polytechnischen Oberschule in der ehemaligen DDR. Dies ergibt sich unter Berücksichtigung des Ausbildungsziels, des Inhalts der Ausbildung in den Fächern Pädagogik, Erziehungstheorie, Psychologie und Diagnostische Tätigkeit, insbesondere auch im Hinblick auf das Fach Berufspraktische Ausbildung sowie die unterschiedlichen Voraussetzungen für die Bewerbung und Zulassung zum Studium. Diese Beurteilung wird u.a. dadurch bestätigt, daß in der ehemaligen DDR auch nach der Berufsbezeichnung eindeutig zwischen „Lehrern für die unteren Klassen” einerseits und „Freundschaftspionierleitern” andererseits unterschieden wurde.

Ob die von der Klägerin als Freundschaftspionierleiter erworbene Qualifikation und ihre langjährige praktische Erfahrung in der Unterrichtserteilung in Mathematik und Körpererziehung mit der in der Besoldungsgruppe A 11 geforderten Ausbildung gleichwertig ist, kann dahinstehen. Die beamtenrechtlichen Vorschriften sehen Ämter für Lehrer, die über die geforderte Ausbildung nicht verfügen, aber gleichwertige Fähigkeiten und Erfahrungen besitzen, nicht vor.

b) Außerdem weist das von der Klägerin absolvierte Hochschulstudium nicht die geforderte Dauer von mindestens zwei Studienjahren i.S. der Fußnote 6 auf.

Der Verordnungsgeber hat den Begriff des Studienjahres nicht näher erläutert und insbesondere nicht ausdrücklich geregelt, ob die geforderte Mindeststudiendauer im Rahmen eines Direktstudiums absolviert sein muß, oder ob ein Fernstudium, das die Mindeststudiendauer erreicht, genügt. Aus den der Ausbildung der Klägerin zugrundeliegenden Vorschriften ergibt sich jedoch, daß ihr dreijähriges Fernstudium in der Fachrichtung „Pädagogik der intellektuell Geschädigten” mit dem Abschluß als „Lehrer für intellektuell Geschädigte” zur Erfüllung der Anforderungen der Fußnote 6 zur Besoldungsgruppe A 11 nicht ausreichend ist.

Der Senat hat sich im Urteil vom 13. Juni 1996 (– 6 AZR 858/94 – AP Nr. 45 zu §§ 22, 23 BAT Lehrer, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) mit der Bewertung einer Ausbildung zum „Lehrer für intellektuell Geschädigte” aufgrund der Gemeinsamen Anweisung des Ministeriums für Volksbildung und des Ministers für Hoch- und Fachschulwesen zur Ausbildung von Pädagogen für Einrichtungen des Sonderschulwesens vom 1. August 1984 befaßt und ist zum Ergebnis gekommen, daß ein zweijähriges Fernstudium nach § 3 Abs. 3 Buchst. b der Anweisung nicht die mindestens zweijährige Studiendauer im Sinne der Fußnote 6 erreicht. Dies beruht darauf, daß dieser Abschluß nach § 3 Abs. 3 Buchst. a der Anweisung auch durch ein einjähriges Direktstudium erworben werden konnte.

Da der Verordnungsgeber mit den Regelungen in der 2. BesÜV der Ausbildung der Lehrer und dem Schulsystem in der ehemaligen DDR Rechnung tragen wollte, kann mit dem Erfordernis einer wissenschaftlichen Hochschulausbildung von mindestens zwei Jahren kein Studiengang gemeint sein, der auch in einem einjährigen Direktstudium absolviert werden konnte. Dies gilt insbesondere auch deshalb, weil ein zweijähriges Direktstudium bei der Ausbildung im Sonderschulwesen der ehemaligen DDR in der Anweisung vom 1. August 1984 (§ 3 Abs. 1) in der Fachrichtung „Pädagogik der intellektuell Geschädigten” vorgesehen war und zum Abschluß als „Diplomlehrer für intellektuell Geschädigte” führte. Deshalb ist davon auszugehen, daß der Verordnungsgeber mit dem Erfordernis einer Studiendauer von mindestens zwei Studienjahren nicht an eine Ausbildung anknüpfen wollte, die, wie die Ausbildung zum „Lehrer für intellektuell Geschädigte”, sowohl durch ein einjähriges Direktstudium als auch durch ein zweijähriges Fernstudium absolviert werden konnte. Diese Beurteilung entspricht auch der Rechtsprechung des Vierten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 10. Juli 1996 – 4 AZR 593/94 – nicht veröffentlicht) zum Erfordernis einer mindestens zweijährigen sonderpädagogischen Zusatzausbildung in VergGr. IV b Fallgruppe 4 der TdL-Richtlinien i.d.F. v. 24. Juni 1991.

Allerdings erfolgte die Ausbildung der Klägerin nicht auf der Grundlage der Anweisung vom 1. August 1984, sondern zunächst nach der Anweisung vom 17. August 1976, in der ein vierjähriges Fernstudium vorgesehen war. Hätte die Klägerin diese Ausbildung beendet und damit den Hochschulabschluß als „Diplomlehrer für intellektuell Geschädigte” erreicht, wäre sie den Diplomlehrern gleichzustellen, die diesen Abschluß später aufgrund der Anweisung vom 1. August 1984 durch ein zweijähriges Direktstudium erwarben. Dies war aber nicht der Fall. Die Klägerin hat vielmehr von der nach Erlaß der Anweisung vom 1. August 1984 eröffneten Möglichkeit Gebrauch gemacht, ihr Fernstudium nach dem dritten Jahr abzubrechen und mit dem Abschluß als „Lehrer für intellektuell Geschädigte” zu beenden. Da der Verordnungsgeber mit dem Erfordernis einer mindestens zweijährigen Studiendauer diesen Abschluß nicht als ausreichend zur Erfüllung der Voraussetzungen der Fußnote 6 ansieht, könnte eine Einstufung der Klägerin als Beamtin in die Besoldungsgruppe A 11 im Eingangsamt nicht erfolgen. Die Klägerin ist somit auch nicht in die dieser Besoldungsgruppe entsprechende Vergütungsgruppe IV a BAT-O eingruppiert.

4. Ein Anspruch auf Vergütung nach VergGr. IV a BAT-O folgt auch nicht aus den TdL-Richtlinien in der ab 1. August 1993 geltenden Fassung, die aufgrund der arbeitsvertraglichen Vereinbarung für die Eingruppierung der Klägerin heranzuziehen sind. Diese haben, soweit hier von Interesse, folgenden Wortlaut:

E. Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis

I. Eingruppierung

Die Lehrkräfte im Angestelltenverhältnis sind nach den nachstehenden Tätigkeitsmerkmalen einzugruppieren. Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen auf Lehrbefähigungen abgestellt wird, entscheiden die Länder darüber, ob eine in der ehemaligen DDR erworbene Lehrbefähigung als solche im Sinne dieses Abschnitts anerkannt werden kann. Soweit in den Tätigkeitsmerkmalen Mindestzeiten eines Studiums oder eine Zusatzausbildung gefordert sind, beziehen sich diese auf die Zeit eines Direktstudiums bzw. einer Ausbildung in Vollzeit; bei einem Fernstudium bzw. bei einer berufsbegleitenden Ausbildung ist die doppelte Zeit anzusetzen.

Vergütungsgruppe IV a

6. Lehrer mit abgeschlossener pädagogischer Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen und einem für das Lehramt geeigneten wissenschaftlichen Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren, die Unterricht an einer Sonderschule erteilen 4)

Fußnote 4

Hierunter fallen auch Lehrer, die nach Abschluß des dritten Studienjahres der Fachschulausbildung als Lehrer für untere Klassen ein weiterführendes zweijähriges Direktstudium an der Pädagogischen Hochschule „Erich Weinert”, Magdeburg, erfolgreich abgeschlossen haben und Unterricht an einer Sonderschule erteilen.

Die Klägerin erfüllt nicht die Anforderungen der VergGr. IV a Fallgruppe 6, weil sie nicht ein für das Lehramt geeignetes wissenschaftliches Hochschulstudium von mindestens zwei Studienjahren absolviert hat. Ihr Fernstudium von drei Jahren reicht insoweit nicht aus, da sich nach Satz 2 der Einleitung zum Abschnitt E die geforderte Mindestzeit eines Studiums auf die Zeit eines Direktstudiums bezieht und bei einem Fernstudium die doppelte Zeit anzusetzen ist.

II. Der Klageantrag zu 2. ist zulässig, aber unbegründet.

1. Entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts ist die Klage auf Feststellung der Vergütungszahlung nach Lebensaltersstufe 37 zulässig. Es handelt sich auch hier um eine der im öffentlichen Dienst allgemein üblichen Eingruppierungsfeststellungsklagen, bei denen nach ständiger Rechtsprechung des Vierten Senats das nach § 256 ZPO erforderliche besondere rechtliche Interesse an der Feststellung zu bejahen ist (vgl. BAG Urteile vom 19. März 1986 – 4 AZR 470/84 – AP Nr. 114 zu §§ 22, 23 BAT 1975; BAGE 76, 264 = AP Nr. 1 zu § 11 BAT-O). Auch der erkennende Senat ist in seinem Urteil vom 7. August 1997 (– 6 AZR 153/96 – nicht veröffentlicht) von der Zulässigkeit eines Feststellungsantrags ausgegangen, der auf die Verpflichtung gerichtet war, eine Vergütung nach der Lebensaltersstufe 47 ab dem 1. Oktober 1990 zu zahlen.

2. Der Antrag ist aber unbegründet. Die Klägerin kann nicht seit dem 8. März 1993 Grundvergütung nach Lebensaltersstufe 37 beanspruchen.

a) Nach § 27 Abs. 2 BAT-O ist die Grundvergütung in den Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen zu bemessen. Nach dieser Tarifvorschrift erhält der Angestellte in den VergGr. III bis X, also auch in der der Klägerin zustehenden Vergütungsgruppe IV b BAT-O, wenn er spätestens am Ende des Monats eingestellt wird, in dem er das 31. Lebensjahr vollendet, die Grundvergütung seiner Lebensaltersstufe. Wurde er zu einem späteren Zeitpunkt eingestellt, erhält er die Grundvergütung der Lebensaltersstufe, die sich ergibt, wenn das bei der Einstellung vollendete Lebensjahr um die Hälfte der Lebensjahre vermindert wird, die der Angestellte seit Vollendung des 31. Lebensjahres zurückgelegt hat. Jeweils mit Beginn des Monats, in dem der Angestellte ein Lebensjahr mit ungerader Zahl vollendet, erhält er bis zum Erreichen der Endgrundvergütung die Grundvergütung der folgenden Lebensaltersstufe.

Die Übergangsvorschrift zu § 27 BAT-O verweist bezüglich des Zeitpunkts der Einstellung i.S. von § 27 Abs. 2 BAT-O im Falle der möglichen Anrechnung von Beschäftigungszeiten vor dem 1. Januar 1991 auf § 19 BAT-O und die hierzu vereinbarten Übergangsvorschriften. Damit hängt der von der Klägerin geltend gemachte Anspruch auf Vergütung nach Lebensaltersstufe 37 davon ab, ob die Zeit ihrer Beschäftigung vor dem 1. März 1990 als Beschäftigungszeit nach § 19 BAT-O und den Übergangsvorschriften hierzu anzurechnen ist.

b) Zu Recht läßt der Beklagte die Zeit, in der die Klägerin als Freundschaftspionierleiterin tätig war, bei der Berechnung der Beschäftigungszeit nach Nr. 4 Satz 1 Buchst. c Übergangsvorschriften zu § 19 BAT-O unberücksichtigt.

Nach dieser Bestimmung sind Zeiten einer Tätigkeit, die aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war, von der Berücksichtigung als Beschäftigungszeit ausgeschlossen. Dies trifft für die Tätigkeit der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin zu.

Der Senat hat aufgrund der Richtlinie zur Auswahl, zur Delegierung, zum Einsatz und zur Tätigkeit der hauptberuflich tätigen Freundschaftspionierleiter vom 5. April 1976 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1976, S. 23) und der Richtlinie zur Tätigkeit der hauptamtlichen Freundschaftspionierleiter (Arbeitsrichtlinie) und Regelungen für die Leitungen der FDJ zur Auswahl, zur Delegierung und zum Einsatz der Freundschaftspionierleiter vom 17. April 1984 (Verfügungen und Mitteilungen des Ministeriums für Volksbildung 1984, S. 77) im einzelnen dargelegt, daß die Tätigkeit eines Freundschaftspionierleiters aufgrund einer besonderen persönlichen Systemnähe übertragen worden war. Zur Vermeidung von Wiederholungen nimmt der Senat auf sein Urteil vom 19. Januar 1995 (– 6 AZR 560/94BAGE 79, 143 = AP Nr. 1 zu § 19 BAT-O) Bezug.

III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Peifer, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, H. Lenßen, Gebert

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093114

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