Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag - mangelnde Eignung
Orientierungssatz
Ordentliche Kündigung einer Lehrerin nach dem Einigungsvertrag wegen mangelnder persönlicher Eignung (Mitglied der SED-Parteileitung der Schule, ehrenamtliche Parteisekretärin, Mitglied der SED-Kreisleitung und Direktorin) (Zurückverweisung an das LArbG).
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Entscheidung vom 28.04.1993; Aktenzeichen 6 (4) Sa 171/92) |
ArbG Bautzen (Entscheidung vom 30.07.1992; Aktenzeichen 8 Ca 8/92) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Anlage I Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 Einigungsvertrag (fortan: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die im Jahre 1941 geborene Klägerin stand seit dem 1. August 1960 als Lehrerin im Schuldienst. Sie hat eine Ausbildung als Unterstufenlehrerin absolviert und besitzt einen Abschluß als Diplompädagogin. Die Klägerin war seit 1969 Mitglied der SED-Parteileitung der Schule. Von 1975 bis 1978 war sie ehrenamtlicher Parteisekretär. 1978 erhielt sie den "Vaterländischen Verdienstorden" in Silber. Von 1979 an war sie zunächst Kandidatin und von 1981 bis 1986 sodann Mitglied der SED-Kreisleitung. 1978/79 besuchte die Klägerin die Bezirksparteischule der SED in Cottbus und 1980/81 das Institut für Leitung und Organisation in Potsdam (ILO). Von 1981 bis 1985 war sie Direktorin an der 4. Oberschule H . Danach wechselte sie an die 24. Oberschule H . In der Schulkonferenz vom 1. Oktober 1990 wurde die Klägerin als Direktorin der Oberschule bestätigt.
Nachdem der Beklagte die Klägerin persönlich am 30. Januar 1992 angehört hatte, kündigte er mit Schreiben vom 20. März 1992, das der Klägerin am 25. März 1992 zuging, das Arbeitsverhältnis zum 30. Juni 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Die Klägerin hat geltend gemacht, allein aus ihren in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen und Aktivitäten für die SED könne nicht auf ihre fehlende Eignung geschlossen werden. Für ihre Eignung spreche, daß der Beklagte sie zunächst als Direktorin weiterbeschäftigt habe. Der Beklagte überzeichne die politische Bedeutung eines ehrenamtlichen Parteisekretärs und eines ehrenamtlichen Mitglieds der SED-Kreisleitung sowie des Direktors einer Schule. Sie habe als Direktorin nie Kontakte zum Ministerium für Staatssicherheit gehabt. Sie habe zu keiner Zeit politische Ziele an ihrer Schule vertreten. Dies ergebe sich aus diversen Schreiben vieler Lehrer, Schüler und Eltern.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Par-
teien durch die Kündigung des Beklagten vom
20. März 1992 nicht beendet wird, sondern auf un-
bestimmte Zeit fortbesteht,
ferner für den Fall des Obsiegens im Feststel-
lungsantrag,
den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu un-
veränderten Bedingungen weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Der Beklagte hat geltend gemacht, die Klägerin habe sich durch die in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen in hohem Maße mit den Zielen der SED identifiziert. Deshalb könne sie nun nicht den Schülern die Werte des Grundgesetzes glaubwürdig vermitteln.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat auf die Berufung des Beklagten die Klage abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung (§ 565 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat im wesentlichen ausgeführt:
Die Kündigung vom 20. März 1992 habe das Arbeitsverhältnis der Parteien fristgerecht zum 30. Juni 1992 aufgelöst. Die Klägerin entspreche im Sinne der Bestimmungen des Einigungsvertrages nicht den Anforderungen, die an einen Lehrer zu stellen seien. Dies ergebe sich aus einer Gesamtwürdigung der von der Klägerin in der Vergangenheit wahrgenommenen Funktionen und Positionen. Ihre Tätigkeit als Direktorin einer Schule, ihre langjährige Mitgliedschaft in der Schulparteileitung, ihre dreijährige Tätigkeit als Parteisekretär an der Schule, ihre langjährige Tätigkeit als Mitglied der SED-Kreisleitung, der Besuch der Bezirksparteischule sowie die Verleihung des "Vaterländischen Verdienstordens" in Silber begründeten die mangelnde Eignung der Klägerin für den Lehrerberuf. Die Klägerin habe diese ihre Ungeeignetheit begründenden Tatsachen nicht zu entkräften vermocht. Weder die Bestätigung im Amt der Direktorin durch die Schulkonferenz noch das Dienstzeugnis vom 16. Juli 1992 könnten als Ausdruck einer gewandelten Auffassung der Klägerin gewertet werden.
B. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten nicht in allen Punkten der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.
I. Der Feststellungsantrag der Klägerin umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 20. März 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrages ergibt daher, daß die Klägerin nur eine Kündigungsschutzklage, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gemäß § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 - 8 AZR 97/93 - AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969).
II. Die Wirksamkeit der Kündigung kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
1. Der Wirksamkeit der Kündigung stehen personalvertretungsrechtliche Gründe nicht entgegen. Das Landesarbeitsgericht hat eine Unwirksamkeit der Kündigung aus personalvertretungsrechtlichen Gründen mit Recht verneint. Die Klägerin hat in der Revisionsinstanz die Rüge der fehlerhaften Personalratsbeteiligung nicht aufrechterhalten.
2. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung gemäß Abs. 4 Ziff. 1 EV für gerechtfertigt erachtet hat, tragen seine tatsächlichen Feststellungen die Entscheidung bislang nicht.
a) Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts die in der Anlage I vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
b) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Der Senat hat in seinen Entscheidungen vom 18. März 1993 und 4. November 1993 (- 8 AZR 356/92 - AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX und - 8 AZR 127/93 - AP Nr. 18, aaO, jeweils auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen) die Wirksamkeit der Kündigung nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung beurteilt und hierzu im einzelnen folgende Grundsätze entwickelt:
Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu entkräften. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. Senatsurteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 3 b der Gründe).
c) Entgegen der Ansicht der Revision verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht schon früher durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hatte. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, zu B II 2 e der Gründe, mit weiteren Nachweisen).
d) Das Landesarbeitsgericht ist davon ausgegangen, daß die langjährigen Tätigkeiten der Klägerin als Direktor, als ehrenamtlicher Parteisekretär, in der SED-Kreisleitung und in der Schulparteileitung sowie der Besuch der Bezirksparteischule und die ihr zuteil gewordene Ehrung jeweils für sich betrachtet nicht für ihre Ungeeignetheit, weiterhin als Lehrerin tätig zu sein, sprechen. Dem kann nach den bisherigen Feststellungen nur zum Teil gefolgt werden. Die Entscheidung des Berufungsgerichts über den Kündigungsgrund der mangelnden Eignung des Arbeitnehmers nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist zwar in der Revisionsinstanz nur beschränkt nachprüfbar. Es geht insoweit um die Anwendung eines unbestimmten Rechtsbegriffs, die vom Revisionsgericht nur darauf überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht den Rechtsbegriff selbst verkannt, ob es bei der Unterordnung des Sachverhalts unter die Rechtsnormen des Einigungsvertrages Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt hat, ob es bei der gebotenen Einzelfallprüfung, bei der dem Tatsachenrichter ein Beurteilungsspielraum zusteht, alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob seine Entscheidung in sich widerspruchsfrei ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. nur Urteil vom 29. August 1991 - 2 AZR 220/91 (A) - AP Nr. 32 zu § 622 BGB, mit weiteren Nachweisen). Doch auch unter Berücksichtigung dieses nur eingeschränkten Prüfungsmaßstabes ist die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts nicht frei von Rechtsfehlern.
aa) Die Tätigkeit als Direktor begründet nach der bisherigen Rechtsprechung des Senats keine Zweifel an der Eignung der Klägerin für den Lehrerberuf. Wie der Senat mit Urteilen vom 20. Januar 1994 (- 8 AZR 24/93 - nicht veröffentlicht) und vom 19. Januar 1995 (- 8 AZR 233/93 - nicht veröffentlicht) ausgeführt hat, war das staatliche Amt des Schuldirektors in der ehemaligen DDR nicht nur für den organisatorischen Ablauf des Schulgeschehens zuständig, sondern parteinah ausgerichtet. Der Schulleiter hatte aber nicht - wie der Parteisekretär - überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken. Deshalb indiziert die bloße langjährige Ausübung des Direktorenamtes nicht eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat. Die Annahme, ein Schuldirektor oder stellvertretender Direktor habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert, bedarf vielmehr zusätzlicher Umstände. Es ist Sache des öffentlichen Arbeitgebers, solche Umstände, etwa zum Werdegang oder zur Tätigkeit, im Einzelfall vorzutragen. Der bloße Hinweis auf die Funktion des Schulleiters genügt nicht.
bb) Die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin für den Lehrerberuf läßt sich auch nicht mit ihrer langjährigen Mitgliedschaft in der Schulparteileitung begründen. Der Beklagte hat nicht dargelegt, daß ein (einfaches) Mitglied der Schulparteileitung an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der bloße Hinweis darauf, daß ein Mitglied der Schulparteileitung bei Verhinderung des Parteisekretärs diesen unter Umständen vertreten mußte, genügt nicht. Auf die bloße Mitgliedschaft in der SED kann die fehlende persönliche Eignung nicht gestützt werden. Die Kündigung wegen persönlicher Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die frühere politische Überzeugung des einzelnen Lehrers an (vgl. Senatsurteil vom 19. Januar 1995 - 8 AZR 233/93 - nicht veröffentlicht).
cc) Revisionsrechtlich ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht aus der dreijährigen Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär allein keine besondere Identifikation mit dem SED-Staat gefolgert hat. In ständiger Rechtsprechung hat der Senat eine besondere Identifikation mit dem SED-Staat als indiziert angesehen, wenn ein Lehrer wiederholt in dieses Parteiamt gewählt wurde (vgl. Urteil des Senats vom 28. April 1994 - 8 AZR 57/93 - AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung bestimmt, mit weiteren Nachweisen). Die Klägerin amtierte drei Jahre als ehrenamtlicher Parteisekretär ihrer Schule. Dabei war sie zunächst vertretungsweise für ihren Vorgänger im Amt des Parteisekretärs tätig und wurde lediglich einmal für eine volle Amtsperiode gewählt. Insofern ist es nicht rechtsfehlerhaft, wenn das Landesarbeitsgericht allein hieraus keine Indizwirkung gefolgert hat.
dd) Das Landesarbeitsgericht hat allerdings im Rahmen der anzustellenden Gesamtbetrachtung (vgl. hierzu BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 - 2 AZR 261/93 - zur Veröffentlichung vorgesehen; Urteil vom 11. Mai 1995 - 2 AZR 851/93 - nicht veröffentlicht) die Nichteignung der Klägerin festgestellt und dazu wesentlich auf die Mitarbeit der Klägerin in der SED-Kreisleitung abgestellt. Diese Würdigung ist rechtsfehlerhaft, denn sie beruht auf einer nur unzureichenden tatsächlichen Feststellung hinsichtlich der Funktion eines Mitglieds der SED-Kreisleitung einschließlich seiner Grundlagen und der Bedeutung in der Wirklichkeit der DDR. Insofern rügt die Revision mit Recht, daß das Berufungsgericht dem diesbezüglichen Sachvortrag nicht nachgegangen ist. Ohne eine solche Feststellung ist aber eine Gesamtwürdigung zum Nachteil der Klägerin nicht möglich, denn eine "Gesamtschau" nicht kündigungsrelevanter Funktionen vermag allein die Nichteignung der Klägerin zum Beruf des Lehrers nicht zu begründen (vgl. hierzu bereits Urteil des Senats vom 19. Januar 1995 - 8 AZR 233/93 - nicht veröffentlicht).
Sollten die weiteren Feststellungen des Berufungsgerichts ergeben, daß die Funktion eines Mitglieds der SED-Kreisleitung in ihrer Bedeutung über das Amt eines ehrenamtlichen Parteisekretärs hinausging, wäre im Falle der Klägerin wegen ihrer siebenjährigen Mitwirkung in diesem Gremium der SED die Nichteignung für den Beruf des Lehrers indiziert. In diesem Falle wäre der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich durch substantiierten Sachvortrag zu entlasten.
e) Der Senat kann nicht zugunsten der Klägerin abschließend entscheiden, daß die Indizwirkung durch ihr Verhalten nach der Wiedervereinigung entkräftet sei. Die beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts hinsichtlich etwaiger politischer Äußerungen läßt nicht ohne weiteres ein Bekenntnis zum Grundgesetz erkennen. Ebensowenig vermag die noch vor dem Wirksamwerden des Beitritts erfolgte Bestätigung der Klägerin im Amt der Direktorin die gegebenen Zweifel an der Eignung der Klägerin zu beseitigen, zumal die hierfür maßgeblich gewesenen Beweggründe unbenannt geblieben sind.
III. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigungsfrist entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach fand weder die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte noch die des § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. nur Senatsurteil vom 28. April 1994, aaO, zu B III der Gründe). Der Beklagte hat die gemäß § 55 Abs. 2 AGB-DDR maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres eingehalten.
IV. Das Urteil des Landesarbeitsgerichts ist in vollem Umfange aufzuheben und der Rechtsstreit zur anderweiten Verhandlung zurückzuverweisen. Das Berufungsgericht hat in Abhängigkeit von seiner erneuten Entscheidung zum Kündigungsschutzantrag auch über den Weiterbeschäftigungsantrag neu zu befinden. Bis dahin besteht die Verurteilung zur Weiterbeschäftigung durch das Arbeitsgericht vorläufig weiter.
Ascheid Müller-Glöge Mikosch
Dr. Scholz B. Hennecke
Fundstellen