Entscheidungsstichwort (Thema)
Kündigung nach Einigungsvertrag. mangelnde Eignung
Normenkette
Einigungsvertrag Art. 20; Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1; GG Art. 12 Abs. 1, Art. 33 Abs. 2
Verfahrensgang
Sächsisches LAG (Urteil vom 31.03.1993; Aktenzeichen 2 Sa 4/93) |
ArbG Bautzen (Urteil vom 12.11.1992; Aktenzeichen 8 Ca 90/92) |
Tenor
Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 31. März 1993 – 2 Sa 4/93 – aufgehoben.
Der Rechtsstreit wird zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer auf Kapitel XIX Sachgebiet A Abschnitt III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gestützten ordentlichen Kündigung.
Die im Jahre 1940 geborene Klägerin stand seit dem 1. August 1963 als Diplom-Lehrerin im Schuldienst. Sie unterrichtete in den Fächern Russisch und Geographie, seit 1990 auch im Fach Latein.
Von 1971 bis 1975 war die Klägerin stellvertretende Direktorin an einer Polytechnischen Oberschule in Hoyerswerda. Danach wechselte sie an die Erweiterte Oberschule Gottfried-Ephraim-Lessing in Hoyerswerda. Dort war sie von 1976 bis 1982 Mitglied der Schulparteileitung und von 1982 bis 1989 ehrenamtliche Parteisekretärin der SED. Seit 1982 waren an ihrer Schule stets etwa 20 Lehrer tätig, davon 10–12 Mitglieder der SED. 1977/78 und 1989 besuchte die Klägerin die Kreisparteischule der SED.
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 29. Juni 1992, der Klägerin zugegangen am 30. Juni 1992, ordentlich zum 30. September 1992 wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin.
Mit ihrer am 16. Juli 1992 erhobenen Kündigungsschutzklage hat die Klägerin vorgetragen:
Zweifel an ihrer Verfassungstreue seien nicht begründet. Sie sei im Jahre 1976 in die Schulparteileitung der Erweiterten Oberschule gewählt worden, weil kein anderes geeignetes Parteimitglied zur Übernahme dieser Funktion bereit gewesen sei. Dabei habe es sich um eine formale, mit keiner Aufgabe verbundene Funktion gehandelt. Im Frühjahr 1982 habe sie das Amt des Parteisekretärs übernehmen müssen, da sonst niemand zur Verfügung gestanden habe. Bei einer Weigerung hätte sie die Schule verlassen müssen. Trotz mehrerer Abberufungsanträge seit 1986 habe sie das Amt auch bei den nächsten Wahlen nicht wieder abgeben können.
Die Ausübung der Funktion eines Parteisekretärs mache sie für den Lehrerberuf nicht persönlich ungeeignet. Als ehrenamtliche Parteisekretärin sei sie die Vorsitzende der Betriebsparteiorganisation der SED innerhalb des Betriebs „Schule” gewesen. Die Betriebsparteiorganisationen hätten als kleinste Einheiten im Rahmen der Gesamtparteiorganisation selbst keinen Einfluß und keine Entscheidungskompetenz gehabt. Die Aufgaben eines hauptamtlichen und eines ehrenamtlichen Parteisekretärs hätten sich voneinander unterschieden. Sie, die Klägerin, habe kein Entscheidungsrecht und ein Mitspracherecht nur wie die anderen Lehrer an der Schule gehabt. Als Parteisekretärin sei sie nicht Mitglied der Schulleitung gewesen. Entscheidungen des Direktors habe sie nicht auf Einhaltung der Parteilinie kontrollieren können. Sie habe auch keine Verantwortung für die politische Bildung der Kinder. Jugendlichen und Lehrer gehabt und Parteiversammlungen nicht in diesem Sinne leiten können. Dagegen habe sie Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik befürwortet. Dem Parteisekretär habe nicht die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs und für die Teilnahme an der Jugendweihe oblegen. In den monatlichen Berichten an die Kreisleitung seien nur die Themen der Parteisitzungen und Fragen der Parteigruppe zu politischen Fragen der Schule aufgeführt worden. Einzelne Namen und insbesondere Nichtmitglieder seien nicht genannt worden. Das politische Klima an der Schule sei ebenfalls nicht besprochen worden und habe deshalb auch nicht erwähnt werden können. Ein Vorschlagsrecht über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen habe nicht dem Parteisekretär, sondern dem Direktor zugestanden. Für ihre politische Glaubwürdigkeit spreche, daß sie seit dem 1. Januar 1990 hinsichtlich politischer Äußerungen unbeanstandet unterrichtet habe. Schließlich habe der Beklagte die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte nicht beachtet.
Die Klägerin hat beantragt
- festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den Parteien nicht durch die Kündigung des Beklagten vom 29. Juni 1992 aufgelöst worden sei, sondern zu unveränderten Arbeitsbedingungen weiterbestehe.
- für den Fall des Obsiegens mit dem Feststellungsantrag den Beklagten zu verurteilen, die Klägerin zu unveränderten Arbeitsbedingungen als Lehrerin bis zum rechtskräftigen Abschluß des Kündigungsrechtsstreits weiterzubeschäftigen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich aus deren persönlicher und beruflicher Lebensgeschichte. Der Werdegang der Klägerin offenbare, daß sie sich mit der einseitig politisch-ideologischen Ausrichtung der Bildungsziele der SED in hohem Maße identifiziert und diese freiwillig aktiv gefördert habe. Es sei unzutreffend, daß sie die Funktionen in der Schulparteileitung und als Parteisekretär habe übernehmen müssen und sich um eine Abberufung bemüht habe. Als Parteisekretärin habe sie bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Recht zur Mitsprache gehabt. Der Parteisekretär habe den Direktor kontrolliert, damit dieser die Parteilinie an der Schule eingehalten habe. Ferner habe der Parteisekretär für die politische Bildung der Kinder, Jugendlichen und Lehrer Verantwortung getragen. In diesem Sinne habe er die Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Er sei bei Anträgen für Besuchsreisen in die damalige Bundesrepublik Deutschland beteiligt worden. Er habe ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt. Ihm habe die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs und für die Jugendweiheteilnahme oblegen. Er habe monatlich Berichte über das politische Klima an die Kreisleitung der SED abliefern müssen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht hat sie abgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Klägerin die Wiederherstellung des erstinstanzlichen Urteils.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landesarbeitsgericht (§ 565 Abs. 1 Satz 1 ZPO).
A. Das Landesarbeitsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe von 1976 bis 1989 ununterbrochen besondere Funktionen in der SED ausgeübt. Sie habe in dieser Zeit, zwar auf der untersten Ebene, aber doch in besonderem Maße, an den Zielen des SED-Staates, vor allem der Bekämpfung der freiheitlich-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland, mitgewirkt. Als Mitglied der Schulparteileitung sei sie dem Parteisekretär der Schule zugeordnet gewesen; dieser habe ihr besondere Aufgaben zuweisen können, auch wenn dies hier nicht geschehen sein möge. Als Parteisekretärin habe sie an ihrer Schule Parteiversammlungen leiten und monatliche Berichte an die SED-Kreisleitung über die Themen von Parteisitzungen und zu politischen Fragen der Schule abliefern müssen. Damit sei sie voll in die Parteiarbeit der SED eingebunden gewesen und habe den SED-Staat in besonderem Maße nach außen repräsentiert. Ihre Berufung auf die Folgen einer Weigerung, Parteisekretärin zu werden, zeige gerade, daß sie aus SED-Mitgliedschaft und Amtsübernahme persönlichen Nutzen gezogen habe. Es komme hinzu, daß Mitgliedschaft und Engagement in der SED keine Voraussetzung für den Zugang zum Lehrerberuf gewesen seien. In der Regel seien weniger als die Hälfte der Lehrer an einer Schule Mitglied der SED gewesen. Wer sich gleichwohl für die SED engagiert habe, habe nicht aus einer Zwangslage, sondern um des persönlichen Vorteils willen gehandelt. Es seien keine Umstände ersichtlich, nach denen sich das Bekenntnis der Klägerin zum Grundgesetz zum Zeitpunkt der Kündigung zweifelsfrei manifestiert habe. Die beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts durch die Klägerin seit dem 1. Januar 1990 genüge angesichts ihres 14-jährigen besonderen Engagements für den SED-Staat nicht. Daraus lasse sich nur ableiten, daß sie sich den jeweiligen politischen Verhältnissen anpassen könne. Ein besonderes Eintreten der Klägerin für demokratische Institutionen sei nicht dargetan. Der Beklagte habe die maßgebende Kündigungsfrist des § 55 Abs. 2 AGB-DDR eingehalten.
B. Diese Ausführungen halten einer revisionsrechtlichen Überprüfung nicht in allen Punkten stand. Die Wirksamkeit der Kündigung kann noch nicht abschließend beurteilt werden.
I. Der Feststellungsantrag der Klägerin umfaßt allein den punktuellen Streitgegenstand der §§ 4, 7 KSchG. Die Antragsbegründung behandelt ausschließlich die Frage, ob die Kündigung vom 29. Juni 1992 wirksam ist. Die Auslegung des Klagantrags ergibt daher, daß die Klägerin nur eine Kündigungsschutzklage, jedoch keine weitergehende Feststellungsklage gem. § 256 ZPO erhoben hat (vgl. Senatsurteil vom 16. März 1994 – 8 AZR 97/93 – AP Nr. 29 zu § 4 KSchG 1969, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen).
II. Die Klägerin hat schon in erster Instanz erklärt, sie erhalte die zunächst erhobene Rüge der fehlerhaften Personalratsbeteiligung nicht aufrecht. Sie hat auch später eine fehlerhafte Personalratsbeteiligung nicht mehr geltend gemacht. Das Landesarbeitsgericht hat daher eine Unwirksamkeit der Kündigung aus personalvertretungsrechtlichen Gründen zu Recht nicht geprüft.
III. Soweit das Landesarbeitsgericht die Kündigung gem. Abs. 4 Ziff. 1 EV für gerechtfertigt erachtet hat, tragen seine Feststellungen die Entscheidung nicht.
1. Nach Art. 20 Abs. 1 EV gelten für die Rechtsverhältnisse der Angehörigen des öffentlichen Dienstes zum Zeitpunkt des Beitritts der neuen Länder die in der Anlage I zum Einigungsvertrag vereinbarten Regelungen. Die Klägerin unterrichtete zum Zeitpunkt des Beitritts an einer öffentlichen Schule, gehörte daher dem öffentlichen Dienst an.
2.a) Nach Abs. 4 Ziff. 1 EV ist die ordentliche Kündigung eines Arbeitsverhältnisses in der öffentlichen Verwaltung auch zulässig, wenn der Arbeitnehmer wegen mangelnder persönlicher Eignung den Anforderungen nicht entspricht. Wie bei der Frage der Sozialwidrigkeit einer Kündigung gem. § 1 KSchG handelt es sich bei der entsprechenden Eignungsfeststellung, die nach einer auf den Kündigungszeitpunkt bezogenen Einzelfallprüfung zu treffen ist, um die Anwendung unbestimmter Rechtsbegriffe, die vom Revisionsgericht nur daraufhin überprüft werden kann, ob das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe selbst verkannt, ob es bei der Subsumtion Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt und alle wesentlichen Umstände berücksichtigt hat und ob das Urteil in sich widerspruchsfrei ist. Auch dieser eingeschränkten Überprüfung hält das angefochtene Urteil nicht stand.
b) Die mangelnde persönliche Eignung i. S. von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die sich auch aus der bisherigen Lebensführung herausgebildet haben kann. Die persönliche Eignung eines Angestellten des öffentlichen Dienstes erfordert, daß er sich durch sein gesamtes Verhalten zur freiheitlichen-demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen muß. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens zu rechnen: die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition.
c) Die hiernach zu stellenden Anforderungen haben sich an den Aufgaben des Angestellten auszurichten. Ein Lehrer muß den ihm anvertrauten Schülern glaubwürdig die Grundwerte des Grundgesetzes vermitteln. Er muß insbesondere die Gewähr dafür bieten, daß er in Krisenzeiten und ernsthaften Konfliktsituationen zu den Grundwerten der Verfassung steht.
d) Abs. 4 Ziff. 1 EV zwingt den öffentlich-rechtlichen Arbeitgeber nicht, gleichsam die rechtsstaatliche Einstellung eines Arbeitnehmers zunächst zu erproben. Ein gerichtlich nur beschränkt überprüfbarer Beurteilungsspielraum hinsichtlich der gesetzlichen Voraussetzungen des Abs. 4 EV ist damit nicht verbunden. Es gelten nicht die Grundsätze für Einstellungen in den öffentlichen Dienst, sondern die für Kündigungen; denn durch eine auf Abs. 4 Ziff. 1 EV gestützte Kündigung wird in besonderer Weise in das Grundrecht der Berufsfreiheit des einzelnen Beschäftigten eingegriffen. Ein Beurteilungsspielraum kann sich nur im Rahmen der vorzunehmenden Einzelfallprüfung auf eine Abwägung besonders belastender Umstände bei der Identifikation mit den Staats- und Parteizielen in der ehemaligen DDR gegenüber spezifisch entlastenden Tatsachen zur persönlichen Eignung des Arbeitnehmers beziehen.
e) Ein Lehrer ist nicht schon deshalb ungeeignet, weil er nach den früheren gesetzlichen Bestimmungen bei der Verwirklichung der Staatsziele der DDR mitzuwirken hatte. Eine mangelnde persönliche Eignung ist aber indiziert, wenn er sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Dies ist anzunehmen, wenn der Arbeitnehmer nicht nur kurzfristig Funktionen wahrgenommen hat, aufgrund derer er in hervorgehobener Position oder überwiegend an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der kündigende Arbeitgeber des öffentlichen Dienstes hat die vom Arbeitnehmer wahrgenommene Funktion einschließlich ihrer Grundlagen und ihrer Bedeutung in der Verfassungswirklichkeit der DDR darzulegen und ggf. zu beweisen. Der Arbeitnehmer hat die Möglichkeit, die Annahme der besonderen Identifikation durch substantiierten Sachvortrag zu erschüttern. Dabei können neben den Umständen der früheren Tätigkeit auch sonstige die Eignung des Arbeitnehmers begründende Tatsachen berücksichtigt werden. Liegt ein dahingehender schlüssiger und nachprüfbarer substantiierter Vortrag vor, hat der Arbeitgeber darzutun, daß die behaupteten erheblichen nachprüfbaren Tatsachen nicht vorliegen oder daß trotz dieser Umstände aus weiteren Tatsachen auf eine Ungeeignetheit zu schließen ist. Eine Umkehr der im Kündigungsschutzprozeß allgemein bestehenden Beweislast findet nicht statt (vgl. u.a. Senatsurteile vom 18. März 1993 – 8 AZR 356/92 – AP Nr. 12 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX; vom 4. November 1993 – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 18 a.a.O., jeweils zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 68 und 128/93 –; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –, jeweils nicht veröffentlicht; vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 a.a.O., auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen).
3. Bei der Auslegung und Anwendung des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist der Bedeutung und Tragweite von Art. 12 Abs. 1 und Art. 33 Abs. 2 GG Rechnung zu tragen. Danach begründet die für Verbleib und Aufstieg im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation für sich allein keine mangelnde Eignung. Die Kündigung erfordert – auf der Grundlage des Parteivortrags – eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers nach seinem gesamten Verhalten vor und nach dem Beitritt. Abs. 4 Ziff. 1 EV eröffnet nicht die Möglichkeit, die Tragbarkeit eines Arbeitnehmers für den öffentlichen Dienst allein nach seiner Stellung in der Hierarchie der DDR und seiner früheren Identifikation mit dem SED-Regime pauschal zu beurteilen. Die innere Einstellung eines Menschen kann sich ändern, und die Erfahrungen und Einsichten, die gerade Bürger der DDR nach 1989 gemacht haben, können eine solche Änderung herbeigeführt haben (BVerfG Beschluß des 1. Senats vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, zu C I 3 der Gründe). Der besondere Kündigungstatbestand des Abs. 4 Ziff. 1 EV ist in dieser – der dargestellten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts entsprechenden – Auslegung verfassungsgemäß (BVerfG, a.a.O., zu C I der Gründe).
4. Entgegen der Ansicht der Klägerin verstößt eine solche Anwendung von Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gegen das ILO-Übereinkommen Nr. 111 über die Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf vom 25. Juni 1958 (BGBl. 1961 II, S. 98). Die Kündigung wegen Nichteignung eines Lehrers knüpft nicht an die politische Meinung des einzelnen Lehrers an, sondern an die durch seine in der ehemaligen DDR wahrgenommenen Funktionen begründete mangelnde persönliche Eignung, als Lehrer gemäß seiner arbeitsvertraglichen Verpflichtung die Grundwerte unserer Verfassung den Schülern glaubwürdig zu vermitteln. Wer über längere Zeit aufgrund seiner Funktion eine verfassungsmäßige Ordnung als revanchistisch und imperialistisch zu bekämpfen hatte, kann nun nicht glaubhaft eine gegenteilige Auffassung vertreten, wenn er sich nicht durch konkretes Verhalten von dem ideologischen Auftrag distanziert hat. Es kann deshalb dahingestellt bleiben, ob nicht das mit dem Rang eines innerstaatlichen Gesetzes geltende Übereinkommen Nr. 111 verfassungskonform im Lichte der mit Verfassungsrang bestehenden politischen Treuepflicht (Art. 33 Abs. 2 und 5 GG) einschränkend auszulegen ist (vgl. BAG Urteil vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – a.a.O., zu B II 2 e der Gründe, m.w.N.; BAG Urteil vom 13. Oktober 1994 – a.a.O., zu B II 5 der Gründe).
5. Ob entsprechend diesen Grundsätzen die Kündigung wegen mangelnder persönlicher Eignung der Klägerin nach Abs. 4 Ziff. 1 EV wegen deren Parteisekretärtätigkeit gerechtfertigt ist, kann der Senat nicht abschließend entscheiden.
a) Das Landesarbeitsgericht hat die Funktion eines Mitglieds der Schulparteileitung unzutreffend bewertet. Eine besondere Mitwirkung an der Bekämpfung der freiheitlichen-demokratischen Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland liegt insoweit nicht vor. Der Beklagte hat schon nicht, was ihm oblegen hätte, die Aufgabenstellung und Tätigkeit eines Mitglieds der Schulparteileitung allgemein beschrieben. Der bloße Hinweis auf die Zuordnung zu dem Parteisekretär ist nichtssagend und genügt für die Annahme des Indizes mangelnder persönlicher Eignung nicht. Zudem ist nach dem beiderseitigen Parteivortrag unstreitig, daß die Klägerin im Rahmen der Schulparteileitung keinerlei Tätigkeiten ausgeführt und eine rein formale Funktion wahrgenommen hat. Dadurch konnte die Klägerin nicht für den Lehrerberuf ungeeignet werden.
b) Allerdings ist das Landesarbeitsgericht zu Recht davon ausgegangen, daß die langjährige Tätigkeit der Klägerin als ehrenamtlicher Parteisekretär für ihre Ungeeignetheit spricht, weiterhin als Lehrerin tätig zu sein. Immerhin übte die Klägerin das Amt des ehrenamtlichen Parteisekretärs von 1982 bis 1989 aus. Die Parteisekretäre hatten als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetzfeindlichen Ziele der SED mitzuwirken. Wer wiederholt in ein solch wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für eine Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (ständige Rechtsprechung des erkennenden Senats, vgl. nur Senatsurteile vom 16. Dezember 1993 – 8 AZR 15/93 – n.v., zu B II 2 der Gründe; vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 – n.v., zu B III 2 c aa der Gründe; vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 128/93 – n.v., zu B III 3 a der Gründe; vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 –, a.a.O., zu B II 3 a der Gründe; vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 – n.v., zu B II 2 c aa der Gründe).
c) Der Beklagte hat darüber hinaus keine konkreten Tatsachen vorgetragen, die eine Ungeeignetheit der Klägerin ergeben könnten. Deren Besuche der Kreisparteischule in den Jahren 1977/78 und 1989 waren aus der SED-Mitgliedschaft erwachsene allgemein übliche, zudem kurzfristige Betätigungen für die Partei, aus denen ein besonderes Engagement für den SED-Staat nicht hergeleitet werden kann (ständige Rechtsprechung des Senats, vgl. z.B. Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – nicht veröffentlicht, zu B 2 c der Gründe).
d) Das Landesarbeitsgericht wird erneut prüfen müssen, ob die Klägerin die sich aus der Funktionsausübung ergebende Indizwirkung entkräftet hat.
aa) Die Darstellung der Klägerin, sie habe das Amt des Parteisekretärs übernehmen müssen, weil keine anderen Parteimitglieder in der Schule zur Verfügung gestanden hätten, vermag sie freilich nicht zu entlasten. Die Klägerin hat nicht behauptet, die Amtsübernahme konkret abgelehnt zu haben. Die von ihr vorgebrachten Folgen einer etwaigen Weigerung gelten für jeden Parteisekretär. Sie stellen keinen Umstand dar, die Ausübung der Tätigkeit in einem anderen Licht erscheinen zu lassen. Der Klägerin kann aber entgegen der Auffassung des Landesarbeitsgerichts nicht vorgeworfen werden, sie habe aus ihrer Position persönlichen Nutzen gezogen, weil sie die Versetzung an eine Polytechnische Oberschule vermieden habe; denn es ist nicht ersichtlich, daß ihre Tätigkeit an der Erweiterten Oberschule von Anfang an nur auf der Parteitätigkeit beruht habe. Wenn die Klägerin von „mehreren Abberufungsanträgen” seit 1986 spricht, so bleibt ganz unklar, welches Verhalten damit gemeint ist. Die Klägerin hätte darlegen müssen, wann sie wem gegenüber bestimmte auf eine Beendigung der Parteisekretärtätigkeit zielende Versuche unternommen habe. Dazu muß ihr noch Gelegenheit gegeben werden.
bb) Das Landesarbeitsgericht hat den Vortrag der Klägerin zu ihrer persönlichen Amtsausübung nicht rechtsfehlerfrei gewürdigt. Die Klägerin hat das Amt des Parteisekretärs allgemein und damit gerade auch ihre persönliche Amtsführung im besonderen in einem bestimmten, den Behauptungen des Beklagten entgegengesetzten Sinne dargestellt. Das Berufungsgericht ist hierauf nicht eingegangen. Träfe die Beschreibung der Klägerin zu ihrer Amtsausübung zu, so hätte die Klägerin entgegen der Funktion und dem Erscheinungsbild eines Parteisekretärs nur untergeordnete Tätigkeiten ausgeführt. Damit wäre, worauf sich der Beklagte einstellen muß, eine entscheidende Entlastung der Klägerin im Rahmen der Einzelfallprüfung verbunden. Das Landesarbeitsgericht wird daher beiden Parteien Gelegenheit geben müssen, zur persönlichen Amtsausübung der Klägerin näheren Vortrag zu leisten.
cc) Der Senat kann nicht zugunsten der Klägerin abschließend entscheiden, daß die Indizwirkung durch ihr Verhalten nach der Wiedervereinigung entkräftet sei. Die entgegengesetzte Würdigung durch das Landesarbeitsgericht ist zwar von dessen fehlerhafter Auffassung beeinflußt, die Klägerin habe sich 14 Jahre lang (statt 7 1/2 Jahre) besonders für den SED-Staat engagiert. Andererseits hat die Klägerin ein Eintreten für demokratische Institutionen nicht dargetan. Die beanstandungsfreie Erteilung des Unterrichts hinsichtlich politischer Äußerungen läßt nicht ohne weiteres ein Bekenntnis zum Grundgesetz erkennen. Das Landesarbeitsgericht wird erneut eine umfassende Einzelfallabwägung vornehmen und prüfen müssen, ob bei der Klägerin nur eine vordergründige Anpassung an die gegebenen politischen Verhältnisse oder eine tatsächliche Änderung der inneren Einstellung zur Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland vorlag.
IV. Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Kündigungsfrist entsprechen der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts. Danach fand weder die Kündigungsfrist des § 9 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte noch die des § 53 Abs. 2 BAT-O Anwendung (vgl. nur Senatsurteil vom 28. April 1994 – a.a.O., zu B III der Gründe). Der Beklagte hat die maßgebende dreimonatige Kündigungsfrist zum Ende eines Kalendervierteljahres gem. § 55 Abs. 2 AGB-DDR eingehalten.
V. Das Landesarbeitsgericht hat von seinem Standpunkt aus konsequent nicht über den Weiterbeschäftigungsanspruch der Klägerin entschieden. Sofern sich im erneuten Berufungsverfahren die Unwirksamkeit der Kündigung ergeben sollte, wird das Landesarbeitsgericht über den Antrag auf vorläufige Weiterbeschäftigung nach den Grundsätzen der Entscheidung des Großen Senats vom 27. Februar 1985 (– GS 1/84 – BAGE 48, 122 ff. = AP Nr. 14 zu § 611 BGB Beschäftigungspflicht) zu befinden haben.
Unterschriften
Ascheid, Müller-Glöge, Mikosch, E. Schmitzberger, Morsch
Fundstellen