Entscheidungsstichwort (Thema)

Ordentliche Kündigung nach Einigungsvertrag (EV)

 

Normenkette

EV Anlage I Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1

 

Verfahrensgang

Sächsisches LAG (Urteil vom 15.04.1994; Aktenzeichen 3 Sa 191/93)

ArbG Dresden (Urteil vom 01.04.1993; Aktenzeichen 1 Ca 2663/92)

 

Tenor

Die Revision des Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Chemnitz vom 15. April 1994 – 3 Sa 191/93 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Klägerin (geb. am 12. November 1950) steht seit 1971 im Schuldienst, und zwar von 1971 bis 1974 als Pionierleiterin, von 1975 bis 1977 als Horterzieherin und seit 1977 als Lehrerin; 1988 bis 1989 war sie stellvertretende Direktorin für Planung an der Oberschule Dresden, und zwar zuletzt mit einer Vergütung von 2.595,– DM brutto. Die Klägerin übte im Zusammenhang mit ihrer Lehrertätigkeit folgende ehrenamtlichen Funktionen aus:

1975 bis 1981

Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung

1982 bis 1983

Mitglied der Schulparteileitung der SED an der 3. POS E., einer Schule mit ca. 40 Lehrkräften und etwa 10 SED-Mitgliedern,

1984 bis 1985

wiederum Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung,

1985 bis 1987

Mitglied der Schulparteileitung der SED an der … Oberschule Dresden, einer Schule mit etwa 40 Lehrkräften und ca. 12 SED-Mitgliedern,

1987 bis 1988

an dieser Schule (nach eigenen Angaben der Klägerin seit September 1986) ehrenamtliche Parteisekretärin.

Die Klägerin besuchte 1972/1973 die Kreisparteischule der SED, 1986 die Bezirksparteischule (dreimonatiger Lehrgang) und von 1989 bis 1990 das Institut für Leitung und Organisation (ILO) in Potsdam.

Mit Schreiben des Oberschulamtes vom 20. März 1992 wurde der Klägerin zum 30. Juni 1992 unter Berufung auf Kap. XIX Sachgebiet A Abschn. III Nr. 1 Abs. 4 Ziff. 1 der Anlage I zum Einigungsvertrag (künftig: Abs. 4 Ziff. 1 EV) gekündigt mit der Begründung, mit der freiwilligen Übernahme der Funktionen habe sie sich in besonderer Weise mit den politisch-ideologischen Zielen der SED identifiziert; sie sei deshalb persönlich nicht geeignet, nunmehr die Grundprinzipien der freiheitlich-demokratischen Grundordnung glaubhaft zu vertreten. Zu dieser Kündigung hatte der Beklagte den im Februar 1992 gebildeten Bezirkspersonalrat beim Oberschulamt angehört, wobei nach einer Erörterung der Maßnahme am 16. März 1992 der Bezirkspersonalrat am 19. März 1992 mitteilte, gegen die beabsichtigte Kündigung würden keine Einwendungen erhoben.

Die Klägerin hat eine mangelnde Eignung für den Lehrerberuf bestritten. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus ihrer Tätigkeit als Parteisekretärin und als stellvertretende Direktorin für Planung. Der Beklagte habe insofern mit seiner Funktionsbeschreibung nur allgemein die Tätigkeit eines Parteisekretärs bzw. eines stellvertretenden Direktors vorgetragen, ohne daß diese Beschreibung für sie zutreffe. Sie sei als Parteisekretärin nicht Mitglied der Schulleitung gewesen, habe niemals an deren Sitzungen teilgenommen und auch keine Verantwortung für die politische Bildung getragen; über Besuchsreisen in die BRD habe sie nicht entscheiden dürfen, ebensowenig wie sie für die Werbung des militärischen Berufsnachwuchses verantwortlich gewesen sei. Zu keinem Zeitpunkt habe sie Monatsberichte geschrieben; dies habe vielmehr die stellvertretende Parteisekretärin, Frau Thiel, getan. In den Monatsberichten seien auch niemals Namen genannt worden, sondern lediglich allgemeine Probleme angesprochen worden. Schließlich habe sie als Parteisekretärin auch keine Zuständigkeit für die Jugendweihe-Teilnahme gehabt. Die Funktion als Parteisekretärin habe sie im übrigen nur kurzfristig ausgeübt, ebenso wie die anderen Tätigkeiten als Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung, wobei sie nur die Beiträge von den Mitgliedern zu kassieren gehabt habe, und als Mitglied der Schulparteileitung. Von einer parteigestützten Karriere könne deshalb nicht die Rede sein, zumal sie erst nach 18 Berufsjahren das Amt einer stellvertretenden Direktorin eingenommen habe. Soweit der Beklagte auf eine Beurteilung vom 16. Januar 1989 verweise, wonach sie immer einen klassenbewußten Standpunkt vertreten habe, handle es sich um eine phrasenhafte Formulierung, die sich in jedem Zeugnis eines ehemaligen Werktätigen der DDR finde.

Dem Personalrat seien im übrigen als Kündigungsgründe nur ihre Tätigkeit als Parteisekretärin und als stellvertretende Direktorin mitgeteilt worden. Zu den anderen Funktionen sei der Personalrat nicht angehört worden, so daß der Beklagte hierauf die Kündigung nicht stützen könne.

Die Klägerin hat beantragt,

  1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 22. März 1992 nicht beendet wird.
  2. für den Fall des Obsiegens, den Beklagten zu verurteilen, sie, die Klägerin, zu unveränderten Bedingungen bis zur rechtskräftigen Entscheidung weiterzubeschäftigen.

Der Beklagte hat zu seinem Klageabweisungsantrag vorgetragen, die mangelnde persönliche Eignung der Klägerin ergebe sich aus ihrer individuellen beruflichen Lebensgeschichte, die offenbare, daß die Klägerin sich in hohem Maße mit den Bildungszielen der SED identifiziert habe. Das gelte schon für die Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin, also als hauptberufliche Funktionärin der FDJ, ferner als Mitglied der Schulgewerkschafts- und später der Schulparteileitung, schließlich aus der Tatsache, daß die Klägerin die Kreis- und Bezirksparteischule besucht habe und dann noch Parteisekretärin geworden sei. In dieser Funktion sei die Klägerin Bindeglied zwischen der SED und der Schule gewesen. Der Parteisekretär habe darauf hinzuwirken gehabt, die parteipolitischen Ideen und Vorstellungen in den Schulalltag hineinzutragen; er sei in der Regel Mitglied der Schulleitung gewesen und habe bei jeder politischen Entscheidung des Direktors ein Recht zur Mitsprache gehabt; er habe den Direktor darauf kontrolliert, daß dieser die Parteilinie an der Schule einhalte. Er habe Verantwortung für die politische Bildung getragen und in diesem Sinne Parteiversammlungen geleitet, in denen ständig das politische Klima an der Schule besprochen worden sei. Der Parteisekretär sei daran beteiligt gewesen, Anträge für Besuchsreisen in die BRD zu bescheiden, habe ein Mitspracherecht bei Entscheidungen über Prämierungen, Auszeichnungen und Beförderungen gehabt und schließlich habe ihm die Werbung für militärischen Berufsnachwuchs und für die Jugendweiheteilnahme oblegen. Er sei verpflichtet gewesen, monatlich schriftliche Berichte an die SED-Kreisleitung abzugeben, in denen das politische Klima darzulegen gewesen sei. Schließlich habe er auch die Arbeit des Freundschaftspionierleiters zu kontrollieren gehabt. Das besondere Engagement der Klägerin für die SED ergebe sich auch aus der letzten Beurteilung vom 16. Januar 1989. wonach die Klägerin „immer ihren klassenbewußten Standpunkt zum Ausdruck” gebracht habe.

Der Personalrat sei über sämtliche Funktionen und Aktivitäten der Klägerin informiert worden.

Das Arbeitsgericht hat nach den Klageanträgen erkannt. Die Berufung des Beklagten ist erfolglos geblieben. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt der Beklagte die Klageabweisung.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision des Beklagten ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zu Recht entschieden, die der Klägerin ausgesprochene Kündigung sei unwirksam.

I. Das Landesarbeitsgericht hat seine Entscheidung im wesentlichen wie folgt begründet: Die Kündigung sei nach Abs. 4 Ziff. 1 EV nicht gerechtfertigt, weil sich aus den Betätigungen der Klägerin eine besondere Identifikation mit den Zielsetzungen des SED-Staates nicht herleiten lasse. Bezüglich der Tätigkeit als Freundschaftspionierleiterin und als stellvertretende Schuldirektorin sei weder vorgetragen noch ersichtlich, daß die Klägerin diese Tätigkeiten nicht überwiegend sachbezogen ausgeübt habe. Welche Aufgaben der Klägerin als Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung zufielen, sei vom Beklagten nicht im einzelnen vorgetragen worden; dieser habe die Behauptung der Klägerin, sie habe lediglich die Mitgliedsbeiträge kassiert, nicht einmal in Abrede gestellt. Ebensowenig sei dargelegt, welche Aufgaben die Klägerin als Mitglied der Schulparteileitung wahrzunehmen gehabt habe. Die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Parteisekretärs der SED an einer Schule könne zwar zu Zweifeln an der Eignung des Lehrers Anlaß geben; dies gelte jedoch nur für eine längerfristige Ausübung dieser Tätigkeit. Die Klägerin sei aber nur während einer Wahlperiode Parteisekretärin gewesen. Wenn die Klägerin erst im Alter von 38 Jahren stellvertretende Direktorin für Planung geworden sei, spreche dies nicht für eine auffällige berufliche Karriere. Der Besuch der Bezirksparteischule und des ILO sei für diejenigen Lehrer, die ein Direktorenamt anstrebten, notwendig gewesen und spreche nicht gegen die persönliche Eignung eines Lehrers.

II. Dieser Entscheidung tritt der Senat im Ergebnis und weitgehend in der Begründung bei. Die Revision rügt zu Unrecht, das Berufungsgericht habe die einzelnen Funktionen und Tätigkeiten dahin werten müssen, daß eine besondere Identifikation der Klägerin mit den Zielsetzungen des SED-Staates anzunehmen sei.

Da die Klägerin als Lehrerin dem öffentlichen Dienst in den Beitrittsländern angehörte (Art. 20 Abs. 1 EV), ist die Kündigung zulässig, wenn die Klägerin wegen mangelnder persönlicher Eignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV den Anforderungen nicht entspricht. Dazu sind in der einschlägigen Rechtsprechung des Achten und Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts (Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 – AP Nr. 22 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen, m.w.N., vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 248/93 –; vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – AP Nr. 35 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zum Abdruck in der Amtlichen Sammlung vorgesehen und vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen; vgl. dazu neuerdings auch BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, MDR 1995, 721) zum Nachweis einer solchen mangelnden Eignung aufgrund besonderer Identifikation des Lehrers mit den grundgesetzfeindlichen Zielen der SED bzw. von Entlastungstatsachen – kurz zusammengefaßt – folgende Grundsätze entwickelt worden:

Die mangelnde persönliche Eignung im Sinne von Abs. 4 Ziff. 1 EV ist eine der Person des Arbeitnehmers anhaftende Eigenschaft, die dann indiziert ist, wenn z.B. ein in der früheren DDR tätig gewesener Lehrer sich in der Vergangenheit in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert hat. Positionen in Staat und Partei, die ein Lehrer seinerzeit innegehabt hat, können Anhaltspunkte für eine mangelnde Eignung sein. Allerdings erfordern Bedeutung und Tragweite des Grundrechts auf freie Arbeitsplatzwahl (Art. 12 Abs. 1 GG) und im öffentlichen Dienst ergänzend Art. 33 Abs. 2 GG eine konkrete, einzelfallbezogene Würdigung der Persönlichkeit des Arbeitnehmers, die sein Verhalten nach dem Beitritt der neuen Bundesländer unter Prüfung der Fähigkeit und inneren Bereitschaft einbezieht, seine dienstlichen Aufgaben nach den Grundsätzen der Verfassung glaubwürdig wahrzunehmen (BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93, a.a.O.). Die Beweislast für den Nachweis der mangelnden persönlichen Eignung obliegt dem Arbeitgeber, wobei allerdings die Darlegungslast für be- und entlastendes Vorbringen abgestuft ist: Schon angesichts der Tatsache, daß zahlreiche Personalakten nach der sog. Wende „gesäubert” wurden, würden die Anforderungen an die Darlegungslast des Arbeitgebers überspannt, wenn von ihm ohne konkretes Gegenvorbringen die dataillierte Darlegung verlangt würde, der mit der Umsetzung der grundgesetzfeindlichen SED-Ideologie beauftragte Funktionsträger habe im konkreten Fall die Funktion auch tatsächlich entsprechend diesen Zielen ausgeübt. Wie er im Einzelfall die Funktion tatsächlich ausübte, weiß der belastete Arbeitnehmer in aller Regel weitaus besser. Er hat sich deshalb zu der allgemeinen Funktionsbeschreibung konkret zu äußern. Das Maß der gebotenen Substantiierung von Entlastungsvorbringen hängt ebenfalls davon ab, wie sich die andere Seite darauf einläßt (§ 138 Abs. 2 ZPO). Es bedarf des Vortrages konkreter Entlastungstatsachen unter Benennung geeigneter Beweismittel. Der Arbeitgeber kann dann seine Ermittlungen auf die vorprozessual oder im Prozeß konkretisierten Tatsachen konzentrieren, wobei die Beweislast auch insoweit bei ihm verbleibt.

1. Die Bedeutung der Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs für die Durchsetzung der SED-Ideologie an den Schulen hat der Beklagte nur allgemein dargelegt. Traf dieser Sachvortrag zu, so hätten die Parteisekretäre als Repräsentanten der staatstragenden Partei in den Schulen der DDR in einer herausgehobenen Funktion an der ideologischen Umsetzung der grundgesetz-feindlichen Ziele der SED mitzuwirken gehabt; wer wiederholt in ein solches wichtiges Parteiamt gewählt wurde, bei dem kann auch davon ausgegangen werden, daß er sich mit den Zielen des SED-Staates besonders identifiziert hat, was ihn für die Tätigkeit als Lehrer ungeeignet macht (vgl. BAG Urteile vom 28. April 1994 – 8 AZR 57/93 –, a.a.O., m.w.N.; Senatsurteile vom 13. Oktober 1994 – 2 AZR 201/93 – und – 2 AZR 261/93 –, a.a.O.).

Das Landesarbeitsgericht hat hinsichtlich der Funktion und Aufgabe des ehrenamtlichen Parteisekretärs keine für den Senat nach § 561 ZPO verbindlichen Feststellungen getroffen. Im Berufungsurteil heißt es dazu lediglich lapidar, die Ausübung der ehrenamtlichen Tätigkeit eines Parteisekretärs der SED könne Anlaß zu Zweifeln an der Eignung des Lehrers geben. Da die allgemeine Sachdarstellung des Beklagten von der Klägerin erst- und zweitinstanzlich, wie oben wiedergegeben worden ist, substantiiert bestritten wurde, kann der Senat nicht etwa von der Funktionsbeschreibung des Beklagten als unstreitig (§ 138 Abs. 3 ZPO) ausgehen. Der Senat hat nämlich im Urteil vom 13. Oktober 1994 (– 2 AZR 261/93 – zur Veröffentlichung vorgesehen) im einzelnen ausgeführt, daß sich aus dem gültigen SED-Statut hinsichtlich der Aufgaben eines Parteisekretärs in den Grundorganisationen der SED keine detaillierten Aufgabenstellungen entnehmen ließen und daß es auch nicht offenkundig sei, welche Bedeutung das Amt des Parteisekretärs in der Schulwirklichkeit der DDR gehabt habe. Angesichts der mangelnden Feststellung des Landesarbeitsgerichts könnte deshalb nicht davon ausgegangen werden, die Klägerin habe an der … Oberschule in Dresden die (angeblich) typische Stellung des Parteisekretärs innegehabt.

2. Selbst wenn die Funktionsbeschreibung des Beklagten zur üblichen Tätigkeit eines Schulparteisekretärs als zutreffend unterstellt wird, ist dem Landesarbeitsgericht aber darin zu folgen, daß eine besondere Identifizierung der Klägerin mit den Zielen des SED-Staates deshalb zu verneinen ist, weil die Klägerin nicht wiederholt in ein solches Parteiamt gewählt worden ist. Es ist unstreitig, daß die Klägerin die Funktion des ehrenamtlichen Parteisekretärs nur während einer Wahlperiode ausgeübt hat. Auch der Senat hat in den genannten Entscheidungen (vgl. zuletzt noch Urteil vom 11. Mai 1995 – 2 AZR 265/94 – n.v.) betont, eine so kurzfristige Funktionswahrnehmung könne nicht als Indizierung einer besonderen Identifikation mit den SED-Zielen angesehen werden.

3. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die anderen Tätigkeiten der Klägerin:

a) Was zunächst die Funktion als Mitglied der Schulgewerkschaftsleitung (1975 bis 1981 und 1984 bis 1985) angeht, hat das Landesarbeitsgericht einen näheren Sachvortrag des Beklagten vermißt, inwiefern die Klägerin über die Kassierung der Mitgliedsbeiträge hinaus sich hiermit für die Ziele der SED engagiert habe. Der Beklagte hat nicht dargestellt, worin die Funktion und Aufgabe eines Mitglieds der Schulgewerkschaftsleitung bestanden habe, insbesondere daß es sich um eine Funktion gehandelt habe, aufgrund derer die Klägerin überhaupt in herausgehobener Position an der ideologischen Umsetzung der Ziele der SED mitzuwirken hatte. Der Beklagte hat insofern nur allgemein dargestellt, es sei Aufgabe des FDGB gewesen, die SED zu unterstützen und daß die Gewerkschaften in Zusammenarbeit mit der Partei an der Umsetzung der Schulpolitik der SED in den Schulen mitwirkten. Zwar kann davon ausgegangen werden, daß der FDGB keinen neutralen und unabhängigen Standpunkt im Verhältnis zu den Zielsetzungen der SED einnahm, sondern im Gegenteil grundsätzlich an den Zielvorstellungen der SED ausgerichtet war. Diese Ausrichtung oblag einem Lehrer in der ehemaligen DDR allerdings schon ohnehin (§ 2 Abs. 1 der Arbeitsordnung für pädagogische Kräfte), so daß es angesichts dieser Situation entscheidend auf das Maß seiner Identifikation mit den Zielen des FDGB bzw. der SED ankommt. Es hätte daher, wie das Berufungsgericht zutreffend ausgeführt hat, einer Darstellung der einzelnen Aufgaben eines Schulgewerkschaftsmitglieds bedurft, um daraus Rückschlüsse für den Grad der Identifizierung der klägerischen Tätigkeit mit den Zielen der SED zu ziehen. Um annehmen zu können, die Klägerin habe sich in besonderer Weise mit dem SED-Staat identifiziert, hätte es daher zusätzlicher Umstände bedurft, so zum Beispiel einer nicht sachbezogenen, im Sinne der SED doktrinären Amtsführung (ebenso BAG Urteil vom 17. Februar 1994 – 8 AZR 100/93 – n.v., zu B I 3 der Gründe). Der entsprechenden Würdigung des Landesarbeitsgerichts ist die Revision nicht entgegengetreten.

b) Das gleiche gilt für die Funktion der Klägerin als Mitglied der Schulparteileitung (1982 bis 1983 und 1985 bis 1987). Auch hierzu hat das Berufungsgericht eine nähere Darlegung vermißt, welche Aufgaben die Klägerin in dieser Punktion wahrzunehmen gehabt habe. Die Revision verweist hierzu darauf, es sei allgemein die Tätigkeit der Grundorganisation beschrieben und sodann darauf verwiesen worden, daß die Klägerin in ihrer Eigenschaft als Mitglied der Schulparteileitung stellvertretende Parteisekretärin war. Letzteres hatte die Klägerin ausdrücklich bestritten, ohne daß der Beklagte in der Berufungsinstanz hierzu weiteren Sachvortrag, geschweige denn einen Beweisantritt gebracht hätte. Wie die Revision richtig darstellt, war die Tätigkeit der Grundorganisation nur allgemein beschrieben worden, und zwar mit einem Hinweis auf Ziff. VI 57 des SED-Statuts. Die dortigen allgemeinen Formulierungen, alle Mitglieder hätten die Kampfkraft der Partei ständig zu erhöhen usw., lassen indessen keine Rückschlüsse zu, wieso die Klägerin als Mitglied der Schulparteileitung tatsächlich an der Umsetzung der SED-Ideologie beteiligt war. Auch die Revision macht hierzu keine weiteren Ausführungen.

c) Zutreffend hat das Landesarbeitsgericht auch in dem weit zurückliegenden Besuch der Kreisparteischule (1972/1973) keine besondere Identifikation mit dem SED-Staat gesehen, zumal der Besuch solcher Schulen eine aus der SED-Mitgliedschaft erwachsene, allgemein übliche Betätigung für die Partei war (ebenso BAG Urteil vom 23. Juni 1994 – 8 AZR 320/93 – n.v., zu B 2 c der Gründe). Was den kurzfristigen Besuch der Bezirksparteischule im Jahre 1986 (3 Monate) angeht, ist einem derartigen einmaligen und kurzfristigen Besuch ebenfalls keine ausschlaggebende Bedeutung zuzumessen (BAG Urteil vom 26. Mai 1994 – 8 AZR 168/93 – n.v., zu II 4 b der Gründe). Aufgrund dieser Betätigungen der Klägerin kann zwar davon ausgegangen werden, daß sie das für SED-Mitglieder Übliche mitgemacht hat, also im allgemeinen Trend mitgeschwommen ist. Daraus läßt sich indessen nicht die von der Rechtsprechung geforderte besondere Identifizierung mit den SED-Zielen ableiten. So hat auch das Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, a.a.O.) ausgeführt, die im öffentlichen Dienst der DDR notwendige und übliche Loyalität und Kooperation mit der SED könne nicht schon für sich allein die mangelnde Eignung belegen. Insofern kann zwanglos davon ausgegangen werden, daß auch die Beurteilung der Klägerin vom 16. Januar 1989, wo ihr ein klassenbewußter Standpunkt attestiert wird, tatsächlich nicht mehr als die seinerzeit üblichen Floskeln enthält. Der Beklagte ist auch nicht der Darstellung der Klägerin entgegengetreten, diese Formulierung finde sich in jedem Zeugnis eines ehemaligen Werktätigen der DDR.

d) Soweit die Revision schließlich im Hinblick auf die frühere Tätigkeit der Klägerin als Freundschaftspionierleiterin und später als stellvertretende Direktorin eine Gesamtschau vermißt, vermag dies an dem Ergebnis nichts zu ändern: Es ist zwar richtig, daß eine langjährige Tätigkeit als Freundschaftspionierleiter einen Grund darstellt, die persönliche Eignung eines Lehrers kritisch zu prüfen (BAG Urteil vom 4. November 1993 – 8 AZR 127/93 – AP Nr. 18 zu Einigungsvertrag Anlage I Kap. XIX, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen). Auch diese Tätigkeit liegt indessen 20 Jahre zurück und währte nur von 1971 bis 1974 und wurde dann durch eine Tätigkeit als Horterzieherin abgelöst. Diese Tätigkeiten dienten der Qualifizierung zu einer höherwertigeren Tätigkeit, die die Klägerin als Lehrerin und wesentlich später auch als stellvertretende Direktorin erreicht hat. In diesen Zusammenhang gehört auch der Besuch des ILO Potsdam in den Jahren 1989/90, einer Einrichtung der Akademie der pädagogischen Wissenschaften der ehemaligen DDR, die u.a. zur Durchführung eines post-gradualen Studiums zur Qualifizierung als Direktor diente, wie der Beklagte selbst vorgetragen hat. Die bei solchen, dem beruflichen Aufstieg dienenden, Qualifizierungsmaßnahmen an den Tag gelegte Kooperation im Rahmen der SED-Bildungspolitik kann für sich genommen nicht die mangelnde persönliche Eignung begründen (ebenso BVerfG Beschluß vom 21. Februar 1995, a.a.O., zu C I 3 b bb der Gründe).

Richtig ist schließlich auch, daß durch die Tätigkeit als stellvertretende Direktorin eine festgestellte Indizwirkung verstärkt werden kann, zumal sich dieses Amt nicht ausschließlich auf den organisatorischen Ablauf des Schulgeschehens beschränkte, sondern parteinah ausgerichtet war (BAG Urteile vom 20. Januar 1994 – 8 AZR 24/93 –, n.v., zu B III 2 c bb der Gründe und vom 21. Juli 1994 – 8 AZR 340/93 –, n.v., zu B II 2 b der Gründe). Insofern hat aber schon das Landesarbeitsgericht darauf hingewiesen, die Klägerin habe erst im Alter von 38 Jahren die Position als stellvertretende Direktorin für Planung erreicht, ohne daß darin eine auffällige berufliche Karriere zu sehen sei. Gegenüber dieser einzelfallbezogenen Würdigung hat die Revision auch keine erhebliche Rüge vorgebracht. Es kann deshalb nicht als rechtsfehlerhaft angesehen werden, wenn das Landesarbeitsgericht ausgeführt hat, es spreche nicht gegen die persönliche Eignung eines Lehrers, wenn er auch in der DDR höhere fachliche Positionen angestrebt habe.

Auch wenn man den Werdegang der Klägerin insgesamt betrachtet, erscheint es zwar nicht völlig ausgeschlossen, darin eine parteiunterstüzte Karriere zu sehen; andererseits ist die Würdigung des Landesarbeitsgerichts nicht rechtsfehlerhaft, wenn es darin eine besondere Identifizierung mit den SED-Zielen nicht gesehen hat. Dies entspricht auch dem vom Bundesverfassungsgericht (Beschluß vom 21. Februar 1995 – 1 BvR 1397/93 –, a.a.O.) angelegten Maßstab, wenn dort für eine Nichteignung nach Abs. 4 Ziff. 1 EV beispielhaft Handlungen stark repressiven oder schädigenden Charakters als in Betracht kommend genannt werden und jedenfalls hohe Ränge im öffentlichen Dienst oder hauptamtliche Parteiarbeit eine Nichteignung indizieren sollen. Auch dann, also bei Vorliegen solcher Indizien, werden vom Bundesverfassungsgericht (a.a.O.) Feststellungen dazu gefordert, daß sie den Bediensteten im Einzelfall für Aufgaben im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik als ungeeignet erscheinen lassen. Derartige Feststellungen sind nicht getroffen. Angesichts des Alters der Klägerin (zur Zeit der Kündigung 42 Jahre alt) und der von ihr erteilten Fächer (Mathematik und Sport), die nicht ideologienah ausgeprägt sind, kann vielmehr davon ausgegangen werden, daß sie für eine Tätigkeit als Lehrerin im öffentlichen Dienst der Bundesrepublik nicht ungeeignet ist.

 

Unterschriften

Bitter, Bröhl, Fischermeier, Nielebock, Bartz

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1093038

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