Entscheidungsstichwort (Thema)
Ablösung des Liquidationsrecht eines Chefarztes
Orientierungssatz
Für den Wegfall einer vertraglichen Liquidationsbefugnis eines Krankenhausarztes ist ein Ausgleich auf arbeitsvertraglicher Basis vorzunehmen.
Normenkette
KHG § 17; BGB §§ 242, 133, 157; BPflV § 3 Abs. 2; BGB § 611 Abs. 1; BPflV § 3 Abs. 1
Verfahrensgang
LAG Hamm (Entscheidung vom 08.11.1985; Aktenzeichen 16 Sa 1351/85) |
ArbG Paderborn (Entscheidung vom 29.05.1985; Aktenzeichen 2 Ca 1454/84) |
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Angemessenheit des Betrages, den die Klägerin von dem Beklagten als finanziellen Ausgleich dafür verlangen kann, daß sie ein in ihrem Arbeitsvertrag vereinbartes Liquidationsrecht bei der Behandlung von Kassenpatienten auf Belegabteilungen nicht mehr ausüben darf. Der Beklagte hält einen monatlichen Ausgleichsbetrag von 2.800,-- DM für angemessen und zahlt der Klägerin diesen Betrag mit Wirkung ab 1. Januar 1984. Die Klägerin verlangt darüber hinaus einen weiteren Betrag von 1.128,19 DM monatlich. Beide Parteien sind bei der Berechnung des Ausgleichsbetrages von der sogenannten "Bayerischen Regelung" vom 21. Januar 1977 ausgegangen. Ihre gegensätzliche Auffassung beruht auf der Frage, ob der Ausgleichsanspruch der Klägerin sich auch auf die urologische Abteilung des Beklagten erstreckt. Seit Eröffnung dieser Abteilung am 1. Oktober 1974 hat die Klägerin dort etwa ein Drittel ihrer Liquidationserlöse erzielt.
Die Klägerin ist seit dem 5. Februar 1973 als leitende Abteilungsärztin der Anästhesieabteilung in dem von dem Beklagten unterhaltenen Krankenhaus tätig. Grundlage der Rechtsbeziehungen der Parteien ist der zuletzt am 10. September 1973 geschlossene schriftliche Arbeitsvertrag. Darin heißt es unter anderem:
"§ 2
gesundheitliche Versorgung aller Kranken des
Krankenhauses und für den geordneten Dienstbetrieb
seiner Abteilung verantwortlich. ...
§ 3
Der Aufgabenbereich des Chefarztes umfaßt die
Beratung und Behandlung der stationären Kranken
aller Abteilungen des Krankenhauses einschließlich
der Belegabteilungen, soweit sein Fachgebiet
berührt wird. Er hat sich gemäß der Facharztordnung
auf sein Fachgebiet zu beschränken.
Bei Meinungsverschiedenheiten über die Zuständigkeit
zwischen zwei leitenden Ärzten entscheidet
in ärztlichen Fragen der leitende Arzt des Krankenhauses,
im übrigen der Krankenhausträger.
Zu seinen fachlichen Aufgaben gehört - soweit notwendig
in Zusammenarbeit mit den anderen leitenden
Ärzten - insbesondere
a) die praeoperative, operative und postoperative
anästhesiologische Betreuung der Patienten aller
operativen Abteilungen, ...
§ 4
Nach Vollendung des Um- und Erweiterungsbaus des
Krankenhauses W wird
a) die Aufwachstation über 6 Betten
b) die Intensivpflegestation über 8 Betten verfügen.
Der Krankenhausträger behält sich das Recht vor,
den Umfang der Anästhesie-Abteilung zu verändern
und den Aufgabenbereich des Chefarztes neu festzusetzen,
wenn es die Verhältnisse im Interesse
einer besseren Versorgung der Kranken erfordern.
Über die Abgrenzung seines Aufgabenbereiches zu
einer bestehenden oder zu einer neu eingerichteten
Abteilung hat sich der Chefarzt mit dem
leitenden Arzt dieser Abteilung zu einigen, soweit
keine Abgrenzungsvereinbarung zwischen den
Berufsverbänden besteht. Diese Einigung hat
schriftlich zu erfolgen und ist dem Krankenhausträger
zur Zustimmung vorzulegen. Eine Kündigung
oder Änderung dieser Vereinbarung berührt
das Vertragsverhältnis zwischen Chefarzt und
Krankenhausträger nicht. Eine Änderung der vergütungsrechtlichen
Stellung des Chefarztes tritt
durch eine Veränderung seiner Abteilung nicht ein;
ebensowenig kann der Chefarzt daraus einen Anspruch
auf Schadenersatz herleiten. Werden jedoch
durch solche organisatorischen Maßnahmen
die Vertragsgrundlagen für den Chefarzt wesentlich
beeinträchtigt, so ist der Vertrag unter
Wahrung des Grundsatzes der Vertragstreue entsprechend
anzupassen...
§ 11
Der Chefarzt erhält für seine Tätigkeit im Dienst
des Krankenhauses
a) ein Gehalt nach der Vergütungsgruppe I a BAT;
b) die Berechtigung zur Liquidation für die ärztlichen
Leistungen bei der stationären Behandlung
der selbstzahlenden Kranken der 1. und 2.
Pflegeklasse. Auf den Belegabteilungen steht
dem Chefarzt das Liquidationsrecht für seine
ärztlichen Leistungen bei allen Patienten
zu mit der Ausnahme der selbstzahlenden Kranken
der 3. Pflegeklasse;
c) die Berechtigung der Liquidation für die ärztlichen
Leistungen der im Krankenhaus ausgeübten
Ambulanz, Sprechstundenpraxis, Konsiliar- und
Gutachtertätigkeit;
d) eine anteilige Vergütung für die ärztlichen
Leistungen im berufsgenossenschaftlichen Durchgangsarztverfahren
nach der Maßnahme der jeweils
festgesetzten Kostenbedingungen im Bereiche des
Landesverbandes Nordrhein-Westfalen der gewerblichen
Berufsgenossenschaften, sofern die Zustimmung
der Berufsgenossenschaften vorliegt...."
Noch vor Abschluß des Arbeitsvertrages der Parteien hatte die zuständige Kassenärztliche Vereinigung die Klägerin im Februar 1973 durch zwei Verträge ermächtigt, anästhesiologische Leistungen für Patienten der Ersatzkassen und der RVO-Kassen auf den Belegabteilungen des Krankenhauses des Beklagten auszuführen. Mit Schreiben vom 21. Januar 1982 widerrief die Kassenärztliche Vereinigung die Ermächtigungen zum 31. Dezember 1981 und mit weiterem Schreiben vom 29. März 1982 kündigte sie diese zum 30. Juni 1982. Zwischen der Klägerin und der Kassenärztlichen Vereinigung kam es daraufhin zu Auseinandersetzungen, die schließlich durch gerichtlichen Vergleich vor dem Landessozialgericht Essen endeten. In dem Vergleich verzichtete die Kassenärztliche Vereinigung auf die Rückzahlung sämtlicher nach Widerruf und Kündigung der Ermächtigungen noch weiterhin bis zum 31. Dezember 1983 an die Klägerin geleisteten Zahlungen, während die Klägerin darauf verzichtete, die Kündigung weiter zu bekämpfen.
In den Jahren 1979 bis 1983 rechnete die Klägerin mit der Kassenärztlichen Vereinigung folgende Einnahmen ab:
"Kalenderjahr 1979 75.034,97 DM
abzüglich Verwaltungskosten 1.875,86 DM
-----------73.159,11
DM
Kalenderjahr 1980 72.671,07 DM
abzüglich Verwaltungskosten 1.714,88 DM
-----------70.956,19
DM
Kalenderjahr 1981 74.142,86 DM
abzüglich Verwaltungskosten 1.639,96 DM
-----------72.502,90
DM
Kalenderjahr 1982 56.230,85 DM
abzüglich Verwaltungskosten 927,34 DM
-----------55.303,51
DM
Kalenderjahr 1983 107.934,58 DM
abzüglich Verwaltungskosten 2.114,88 DM
------------105.819,70
DM"
Mit ihrer Klage macht die Klägerin über den ihr gewährten monatlichen Ausgleichsbetrag von 2.800,-- DM hinaus weitere Ausgleichsansprüche für die Zeit von Januar 1984 bis April 1985 geltend. Sie hat vorgetragen: Ihr stehe wegen Wegfalls der Geschäftsgrundlage ein angemessener Ausgleich für den Fortfall des Liquidationsrechts zu. Grundlage der Bemessung eines angemessenen Ausgleichs seien die Einnahmen der letzten fünf Jahre vor Auslaufen des Vertrages mit der Kassenärztlichen Vereinigung (ohne Abzug der Verwaltungskosten). Dabei seien die Einnahmen, die sie in der urologischen Abteilung des Krankenhauses erzielt habe, nicht abzuziehen. Danach ergebe sich für sie ein durchschnittlicher jährlicher Einnahmeverlust von 47.138,33 DM. Ihre monatliche Ausgleichsforderung belaufe sich folglich auf 3.928,19 DM. Da der Beklagte lediglich 2.800,-- DM monatlich zahle, ergebe sich eine monatliche Restforderung von 1.128,19 DM.
Die Klägerin hat demgemäß beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an sie 18.051,04 DM
nebst 4 v. H. Zinsen nach näherer Staffelung zu
zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat die Auffassung vertreten, die der Klägerin eingeräumte Liquidationsbefugnis auf den Belegabteilungen sei kein Teil der ihr durch den Arbeitsvertrag zugesagten Vergütung. Der Klägerin sei nur vertraglich das Recht eingeräumt, entsprechend tätig zu werden. Die in § 11 des Arbeitsvertrages vereinbarte Vergütung nach der Vergütungsgruppe I a BAT sei angemessen und üblich. Falls der Klägerin jedoch ein Ausgleichsanspruch zustehe, dürften die Liquidationseinnahmen aus der urologischen Abteilung nicht berücksichtigt werden. Diese Abteilung sei erst nach Abschluß des Arbeitsvertrages eingerichtet worden. Nach den Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage müsse von den Umständen ausgegangen werden, die die Parteien bei Vertragsabschluß in Betracht gezogen hätten. Da damals die urologische Abteilung noch nicht bestanden habe, habe bei der Klägerin im Zeitpunkt des Vertragsabschlusses ein entsprechender Vertrauenstatbestand nicht entstehen können.
Das Arbeitsgericht hat der Klage in Höhe eines Betrages von 16.765,52 DM brutto nebst 4 % Zinsen nach näherer Staffelung stattgegeben. Im übrigen hat es die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Dagegen richtet sich die Revision des Beklagten, der sein Ziel der Abweisung der Klage weiterverfolgt.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, die Klägerin könne von dem Beklagten ab 1. Januar 1984 die vom Arbeitsgericht zugesprochene höhere Vergütung (d.h. also weitere 1.047,85 DM brutto monatlich) verlangen. Die Geschäftsgrundlage ihres Arbeitsvertrages sei mit dem Verlust des Liquidationsrechtes weggefallen. Die im Vertrag vereinbarten Leistungen der Parteien stünden nach Wegfall des Liquidationsrechts nicht mehr in einem angemessenen Verhältnis zueinander. Die Liquidationsbefugnis der Klägerin gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung sei Teil der Vergütung gewesen, die der Beklagte als Krankenhausträger der Klägerin für ihre Tätigkeit als Anästhesistin im Krankenhaus geschuldet habe. Nach dem Wegfall der Liquidationsbefugnis sei der Beklagte zum Ausgleich verpflichtet. Ein angemessener Ausgleich lasse sich nach den Maßstäben der Vereinbarung ermitteln, die zwischen dem Berufsverband Deutscher Anästhesisten, der Bayerischen Krankenhausgesellschaft und der Arbeitsgemeinschaft der Bayerischen Krankenkassen am 21. Januar 1977 für das Land Bayern (sog. "Bayerische Regelung") abgeschlossen worden sei.
Entgegen der Auffassung des Beklagten seien bei der Berechnung des Ausgleichs auch die Einnahmen der Klägerin aus ihrer Tätigkeit in der urologischen Abteilung zu berücksichtigen. Diese Einnahmen stünden der Klägerin nach ihrem Arbeitsvertrag zu, auch wenn die Abteilung erst am 1. Oktober 1974 eingerichtet worden sei. Der Arbeitsvertrag erstrecke sich auf sämtliche Abteilungen des Krankenhauses. Für ihre Tätigkeit in der urologischen Abteilung sei die Klägerin auch in der Vergangenheit durch Ausübung ihres Liquidationsrechtes vergütet worden. Auszugleichen sei der Klägerin der Vergütungsverlust, der ihr durch den Wegfall des Liquidationsrechts am 31. Dezember 1983 entstanden sei. Bei der Ermittlung des Ausgleichbetrages sei abzustellen auf den Zeitpunkt, in dem die Geschäftsgrundlage verändert worden sei, nicht aber auf den Zeitpunkt des Abschlusses des Arbeitsvertrages. Die Angriffe der Revision gegen diese Begründung bleiben ohne Erfolg.
II.1. Die Revision rügt, das Landesarbeitsgericht habe den Arbeitsvertrag der Klägerin nicht richtig ausgelegt. Es habe den Wortlaut nicht hinreichend beachtet und damit wesentlichen Auslegungsstoff vernachlässigt. In § 11 Buchst. b) des Arbeitsvertrages seien zwei Tatbestände angesprochen, die Selbstzahler und die Belegabteilungen. Nur in Bezug auf die Selbstzahler heiße es, daß der Chefarzt für seine Tätigkeit "die Berechtigung zur Liquidation ...." erhalte. Wegen der Belegabteilungen sei dagegen nur gesagt, daß "dem Chefarzt das Liquidationsrecht zustehe". Enthalte der Vertrag aber nur einen Hinweis auf das bestehende Liquidationsrecht in den Belegabteilungen, dann sei diese Liquidationsbefugnis nicht Teil der vom Beklagten geschuldeten arbeitsvertraglichen Vergütung.
Diese Rüge greift nicht durch. § 11 des Arbeitsvertrages zählt die der Klägerin zustehenden Vergütungsleistungen auf. Die Aufstellung wird eingeleitet mit den Worten "Der Chefarzt erhält für seine Tätigkeit im Dienst des Krankenhauses". Damit spricht schon der Aufbau der Vertragsbestimmung dafür, daß auch das unter dem Buchstaben b) erwähnte Liquidationsrecht für die ärztlichen Leistungen auf den Belegabteilungen Teil der Vergütung der Klägerin ist. Arbeitgeber und Schuldner der Vergütung ist der Beklagte. Daran ändert sich auch dadurch nichts, daß für bestimmte Leistungen das Entgelt von der Kassenärztlichen Vereinigung verlangt werden kann. Auch diese Leistungen gehören zu der Vergütung, die die Klägerin als Angestellte des Beklagten erhält.
Allerdings führt § 11 Buchst. b) des Vertrages die Ausdrücke "Berechtigung zur Liquidation" und "Liquidationsrecht" nebeneinander auf. Auch § 11 Buchst. c) spricht von der "Berechtigung zur Liquidation". Zuzugeben ist der Revision, daß insoweit sprachlich eine Unterscheidung getroffen worden ist. Es ist aber nicht zu erkennen, daß darin auch ein sachlicher Unterschied liegen soll. Die Worte " Liquidationsrecht" oder "Liquidationsbefugnis" oder "Berechtigung zur Liquidation" sagen etwas aus über ein bestimmtes rechtliches Können, ohne dieses in seiner Qualität abzustufen oder in seiner Reichweite einzuschränken.
2.a) Die Revision führt aus, der vorliegende Sachverhalt unterscheide sich von dem Sachverhalt, der durch das Urteil des Senats vom 4. Mai 1983 (BAGE 42, 336 = AP Nr. 12 zu § 611 BGB Arzt-Krankenhaus-Vertrag) entschieden worden ist. Dort sei der Chefarzt seit 1971 liquidationsberechtigt gewesen, also geraume Zeit vor Erlaß des Gesetzes zur wirtschaftlichen Sicherung der Krankenhäuser und zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - KHG - vom 29. Juni 1972 und der darauf beruhenden Verordnung zur Regelung der Krankenhauspflegesätze - BPflV - vom 25. April 1973. Der Chefarztvertrag mit der Klägerin sei dagegen erst nach Erlaß der erwähnten Vorschriften geschlossen. Diesem Umstand habe das Landesarbeitsgericht zu Unrecht keine Bedeutung beigemessen. Dabei habe es übersehen, daß der Wegfall der Geschäftsgrundlage nicht immer zu einer Vertragsanpassung führe. Grundsätzlich werde eine Anpassung abgelehnt, wenn der Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Vertragsabschluß vorhersehbar gewesen sei. Ob die Vertragsparteien ihn vorausgesehen hätten, sei unerheblich. Die Vorhersehbarkeit schließe eine Anpassung aus. Bei Abschluß des Arbeitsvertrages der Klägerin und bei Aufnahme der Chefarzttätigkeit hätten die erwähnten gesetzlichen Vorschriften bereits bestanden. Sie hätten erkennen lassen, daß im Zuge ihrer Ausführung die Liquidationsbefugnis der Klägerin wegfallen werde. Der Wegfall der Geschäftsgrundlage sei daher bei Vertragsabschluß bereits vorhersehbar gewesen. Damit entfalle aber ein Anspruch auf Ausgleich. Dieser Auffassung kann nicht gefolgt werden.
b) Nicht nur im Jahre 1973, sondern auch noch in der Folgezeit herrschte völlige Unsicherheit darüber, ob die Krankenkassen nicht doch verpflichtet seien, die Leistungen der sogenannten Funktionsärzte auf den Belegabteilungen zu honorieren. Diese Unsicherheit wurde endgültig erst beseitigt durch die Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 7. Oktober 1981 (BSGE 52, 181). Die Entscheidung des BSG vom 15. September 1977 (BSGE 44, 244, 245) hatte eine vollständige Klärung noch nicht erbracht. Damals hatte das Bundessozialgericht die Auffassung vertreten, der Funktionsarzt könne ausnahmsweise zur gesonderten Abrechnung seiner Leistungen gegenüber der Kassenärztlichen Vereinigung ermächtigt werden, wenn ein dringendes, auf andere Weise nicht zu befriedigendes Bedürfnis nach seiner Beteiligung an der stationären Versorgung der Versicherten bestehe. Diese Auffassung ist in der späteren Entscheidung von 1981 aufgegeben worden. Seither gilt, daß der bei einem Krankenhaus angestellte Chefarzt für Anästhesie keinen Anspruch gegen die Kassenärztliche Vereinigung hat, zur Durchführung anästhesiologischer Leistungen auf Belegabteilungen des Krankenhauses ermächtigt zu werden. Erst diese endgültige Klärung hat eine weitere Entscheidung darüber erforderlich gemacht, wie die Liquidationsausfälle der betroffenen Ärzte auszugleichen sind (vgl. das nicht veröffentlichte Senatsurteil vom 4. September 1985 - 5 AZR 13/84 - zu II 2 d der Gründe).
Bei diesem hohen Maß an Unsicherheit kann man nicht davon ausgehen, daß der Wegfall der Geschäftsgrundlage bei Abschluß des Arbeitsvertrages der Klägerin am 10. September 1973 vorhersehbar war. Die Kassenärztliche Vereinigung hat im Streitfall erst im Januar 1982 die der Klägerin erteilten Ermächtigungen zur Liquidation widerrufen. Erst zum Jahresende 1983 ist das Ende der Liquidationsermächtigung vergleichsweise vereinbart worden. Daher ist erst mit dem 1. Januar 1984 die Geschäftsgrundlage der Vergütungsregelung für die Klägerin entfallen.
3. Soweit die Revision sich dagegen wendet, daß das Landesarbeitsgericht der Rechtsauffassung des Senats im Urteil vom 4. Mai 1983 (BAGE 42, 336 = AP Nr. 12 aaO) gefolgt ist, für den Wegfall der Liquidationsbefugnis sei ein Ausgleich auf arbeitsvertraglicher Basis vorzunehmen, sei darauf verwiesen, daß der Senat seine Rechtsansicht im Urteil vom 4. September 1985 (5 AZR 13/84) noch einmal ausdrücklich bestätigt hat. Daran wird festgehalten.
4. Ohne Erfolg erhebt die Revision Bedenken gegen die Anwendung der sog. "Bayerischen Regelung" im Streitfall. Sie macht geltend, in dieser Vereinbarung sei in Abschnitt II vorgesehen, daß die Ausgleichszahlung von den Krankenanstalten in die Pflegesatzberechnung aufgenommen werden könne, womit wenigstens mittelbar die Krankenkassen den Ausgleich leisteten. Wo eine solche Vereinbarung aber fehle und die Kassen die Ausgleichszahlungen nicht als pflegesatzrelevant anerkennen, führe eine Anwendung der "Bayerischen Regelung" dazu, daß eine Krankenanstalt den ihr auferlegten Ausgleich aus dem Vermögenskapital ihres Trägers leisten müsse. Das sei unzumutbar. Die Krankenkassen im Bezirk der Beklagten hätten es abgelehnt, eine Ausgleichszahlung an die Klägerin anzuerkennen. Das habe der Beklagte im Schriftsatz vom 7. Februar 1985, von der Klägerin unwidersprochen, vorgetragen. Diesen Umstand habe das Landesarbeitsgericht außer acht gelassen.
Der Wegfall der Geschäftsgrundlage muß zur Anpassung des Vertrages führen. Angepaßt hat das Landesarbeitsgericht nach einer Regelung, die schon früh die - wenn auch regional begrenzte - Zustimmung der sachkundigen Beteiligten gefunden hat. Die am 8. November 1984 abgeschlossene entsprechende Regelung für Rheinland-Pfalz und andere Bereiche kennt eine ähnliche Staffelung wie die "Bayerische Regelung". Gegen deren inhaltliche Angemessenheit sind durchgreifende Bedenken nicht zu erheben. Wenn das Landesarbeitsgericht seine Entscheidung hieran ausgerichtet hat, begegnet dies jedenfalls keinen revisionsrechtlichen Bedenken. Hinzukommt folgendes:
Die Prozeßparteien haben sich schon bald nach Klärung des Wegfalles der Liquidationsbefugnis der Klägerin auf der Grundlage der Bayerischen Regelung um eine Einigung bemüht. Gescheitert ist diese Einigung letztlich nur daran, daß der Beklagte die Tätigkeit der Klägerin in der urologischen Abteilung nicht einbeziehen wollte. Bei der seit dem 1. Januar 1984 an die Klägerin geleisteten Zahlung von monatlich 2.800,-- DM ist der Beklagte gerade von jener Bayerischen Regelung ausgegangen, die er jetzt als nicht angemessen bekämpft. Damit setzt er sich jedoch in Widerspruch zu seinem eigenen früheren Verhalten.
5. Auch die Einwendungen des Beklagten zur Höhe der vom Landesarbeitsgericht ermittelten Ausgleichsleistung sind nicht durchschlagend.
Die Tätigkeit der Klägerin in der urologischen Abteilung muß bei der Berechnung mitberücksichtigt werden, auch wenn diese Abteilung erst am 1. Oktober 1974 eröffnet worden ist. Die Klägerin hat ständig in der Urologie gearbeitet. Der Beklagte konnte diese Arbeit von ihr auch verlangen, wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat. Damit haben die Parteien aber den Vertrag vom 10. September 1973 stillschweigend ergänzt. Die Geschäftsgrundlage dieses ergänzten Vertrages ist zum 1. Januar 1984 entfallen.
6. Die Revision meint, es sei ein Vorteil für die Klägerin gewesen, daß die Kassenärztliche Vereinigung in ihrem Fall die Ermächtigung zur Liquidation erst zum 30. Juni 1982 gekündigt hat. Während in anderen Fällen die Liquidationsbefugnis schon zum Jahresende 1974 weggefallen sei, habe die Klägerin bis zum 31. Dezember 1983 keine Kürzung ihrer Einnahmen hinzunehmen brauchen. Sie habe für neun Jahre noch ihre vollen Einnahmen erzielen können. Dies sei ein Umstand, der bei der Abwägung eine Rolle spielen müsse. Billigerweise müsse die Klägerin nun neun Jahre lang die Minderung ihres Einkommens ohne Ausgleich hinnehmen.
Dem kann nicht gefolgt werden. Hätte die Klägerin schon zum Jahresende 1974 ihre Liquidationsbefugnis verloren, hätte der Beklagte vom 1. Januar 1975 ab einen Ausgleich zahlen müssen. Jetzt wird die Leistung eines solchen Ausgleichs erst vom 1. Januar 1984 ab von ihm verlangt. Der frühere Vorteil der Klägerin bedeutet jedenfalls keinen Nachteil für den Beklagten, der bei dem Ausgleich besonders berücksichtigt werden müßte.
Dr. Thomas Dr. Gehring Dr. Olderog
Dr. Koffka Buschmann
Fundstellen