Entscheidungsstichwort (Thema)
Zurückbehaltungsrecht bei Arbeit in gefahrstoffbelasteten Räumen
Leitsatz (redaktionell)
1. Beschränkt sich die Gefährdung des Arbeitnehmers darauf, daß er in gefahrstoffbelasteten Räumen arbeitet, kann sich ein Zurückbehaltungsrecht nur aus § 273 Abs 1, § 618 Abs 1 BGB, nicht aber aus § 21 Abs 6 Satz 2 der Gefahrstoffverordnung ergeben (Aufgabe von BAG Urteil vom 02.02.1994, 5 AZR 273/93 = BAGE 75, 332).
2. Der Arbeitgeber ist nach § 618 Abs 1 BGB, § 120a GewO, § 62 Abs 1 HGB verpflichtet, die Arbeitsplätze möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrstoffen zu halten. Dieser Pflicht genügt der Arbeitgeber in aller Regel dadurch, daß er einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, dessen Belastung mit Schadstoffen nicht über das in der Umgebung übliche Maß hinausgeht.
3. Mehrfach wechselnder Vortrag des Klägers kann bei der Beweiswürdigung zu seinen Lasten berücksichtigt werden.
Normenkette
GewO § 120a; HGB § 62 Abs. 1; BGB § 273 Abs. 1; ChemG § 3 Nr. 10; BGB § 618 Abs. 1; ZPO § 286 Abs. 1; GefStoffV § 3 Abs. 2, § 2 Abs. 3 S. 1, § 21 Abs. 6 S. 2
Verfahrensgang
Hessisches LAG (Entscheidung vom 11.10.1994; Aktenzeichen 7 Sa 1304/93) |
ArbG Wiesbaden (Entscheidung vom 06.05.1993; Aktenzeichen 5 Ca 411/89) |
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob der Kläger wegen der von ihm behaupteten Gesundheitsschädlichkeit seines Arbeitsplatzes berechtigt war, seine Arbeitsleistung zu verweigern, und ob der Beklagte aus diesem Grund die Bezüge des Klägers trotz unterbliebener Arbeitsleistung nachzuzahlen hat.
Der 1950 geborene Kläger erlernte den Beruf eines Büromaschinenmechanikers und war anschließend in diesem Beruf tätig. Im Zusammenhang mit dieser Arbeit hatte er bis zum 20. Lebensjahr mehrere Jahre lang Chemikalienkontakt mit Trichloräthylen und Waschbenzin. Von 1966 bis 1970 litt er an wiederkehrenden Nebenhodenentzündungen. Vom Wehrdienst wurde er wegen Kniegelenksbeschwerden freigestellt.
Von 1973 bis 1975 studierte der Kläger Sozialpädagogik. Etwa seit 1977 arbeitet er in diesem Beruf. 1977 hatte der Kläger Linksschenkelblock-Beschwerden. Das ist eine Störung der Reizleitung im Herzen, die bis auf einen arteriellen Bluthochdruck kein organisches Korrelat aufwies. Seit 1979 litt der Kläger an einer Nierensteinkrankheit.
Seit dem 1. April 1981 arbeitete der Kläger in der Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie R des Beklagten in E . Ihm wurde dort ein Arbeitszimmer zugewiesen. Seine Tätigkeit beschränkte sich jedoch nicht auf diesen Raum. Nach eigenen Angaben war der Kläger im Rahmen einer 40-Stunden-Woche in den folgenden Räumen tätig: 11 Stunden im Arbeitsraum, 8 Stunden im Arztzimmer, 6,5 Stunden im Besprechungszimmer der Station, 4 Stunden im Ergotherapie-Spielzimmer, 3 Stunden im Psychologenzimmer, 2,5 Stunden im Konferenzzimmer und 3 Stunden außerhalb der Klinik. Das Arztzimmer, das Besprechungszimmer und das Psychologenzimmer weisen die gleiche Ausstattung wie das Arbeitszimmer des Klägers auf. Die Tagesräume sind erheblich größer, haben mehr Fenster und Holzleisten an den Zwischenwänden. Ob der Kläger zum Betreten des Ergotherapiezimmers einen dienstlichen Auftrag hatte, ist streitig.
Im Sommer 1983 bat der Kläger den Klinikkämmerer S , etwas gegen die Fliegenplage in seinem Arbeitszimmer zu unternehmen. Es handelt sich darum, daß - nicht nur in dem Zimmer des Klägers, sondern auch in anderen Räumen der Klinik - immer wieder massenhaft Fliegen auftraten und jeweils nach kurzer Zeit starben. Über ein Wochenende wurde daraufhin mit einem sogenannten KO-Gas das Arbeitszimmer des Klägers ausgegast. Dieses Gas enthält Permethrin und Pyrethrin. Bestimmte Vorsichtsmaßnahmen, wie sie neun Jahre später in einem an den Sachverständigen Dr. Gagelmann gerichteten Schreiben des Bundesgesundheitsamtes vom 20. März 1992 dargestellt worden sind, wurden damals nicht beachtet.
1985 unterzog sich der Kläger in einer Kurklinik einer Kur wegen "Herzbeschwerden bei Linksschenkelblock, labiler Hypertonie, Nierenkelchstein links, Neigung zu Nackenkopfschmerzen, allgemeiner Erschöpfungszustand". 1985 war er außerdem wegen wiederkehrendem Nasenbluten in ärztlicher Behandlung.
Im November 1985 und im Mai 1986 wandte sich der Kläger erneut an den Klinikkämmerer wegen des weiterhin auftretenden massenhaften Fliegensterbens. Daraufhin führte der Sicherheitsingenieur des Beklagten am 10. Juni 1986 im Arbeitszimmer des Klägers mit Teströhrchen eine Schadstoffuntersuchung durch, deren Ergebnis in einem Vermerk vom 20. August 1986 festgehalten wurde: "Der Teppichboden und sein Kleber lassen Gase austreten (Formaldehyd 0,5 ppm, Aceton etwa 80 - 100 ppm). Außerdem wirkt der Raum mangelhaft belüftet". Der Sicherheitsingenieur schlug vor, den Teppichboden samt Kleber zu entfernen und gegen schadstoffarme bzw. -freie Produkte auszutauschen. Außerdem regte er an, den Raum öfter und intensiv zu belüften und wegen der Fliegenplage Fliegengitternetze vor dem Fenster anzubringen.
Nach seiner Behauptung stellte der Kläger etwa ab 1985 bei sich körperliche Beschwerden fest, nämlich Kopfschmerzen, Hautausschläge und -rötungen sowie -schwellungen, besonders im Gesichtsbereich, aber auch an den Fingern, Mißempfindungen, insbesondere Kribbeln in den Armen und Beinen und auf dem Rücken, Furunkel in Nase und Ohren, Schmerzen im Leberbereich und schlechte Leberwerte, geschwollene Lymphknoten, trockene Schleimhäute in Nase und Mund, Schluckbeschwerden und Brennen in der Brust.
Im Juli 1986 war der Kläger bei einem Neurologen in Behandlung wegen "diffusem Schwindelgefühl, und zwar dem Gefühl, seitlich abzudriften". Im Dezember 1986 wurde bei dem Kläger eine Fettleber ersten bis zweiten Grades und eine Gefäßsklerose festgestellt, die in den folgenden Jahren nicht mehr nachgewiesen werden konnte. Nach dem ärztlichen Gutachten der Bundesversicherungsanstalt für Angestellte vom 8. Dezember 1986 litt der Kläger "unter Hinterkopfschmerzen bei ausgeprägten Myogelosen" (= Muskelverhärtungen mit Druckschmerzhaftigkeit) "der Nacken- und Schultermuskulatur", war "starkem beruflichen Streß ausgesetzt" und hatte einen "psycho-physischen Erschöpfungszustand erreicht".
Mit Schreiben vom 7. November 1986 hatte sich der Kläger nunmehr an die Betriebsleitung der Klinik gewandt und eine Erklärung der Ursachen für das Fliegensterben verlangt. Er bat um Einschaltung des Landesgewerbearztes und der Berufsgenossenschaft und teilte mit, daß er sich in seiner Gesundheit gefährdet fühle. Er sei der Auffassung, daß das, was den Fliegen schade, auch ihn schädige.
Hierauf wurde dem Kläger von Ende 1986 bis Januar 1987 ein anderes Dienstzimmer zugewiesen. Außerdem maß am 8. Dezember 1986 der Sicherheitsingenieur des Beklagten erneut den Gehalt der Raumluft im Arbeitszimmer des Klägers an Formaldehyd und Aceton und ermittelte diesmal nur noch Werte von 0,0 ppm bzw. 0,1 ppm. Dennoch wurde im Januar 1987 der Teppichboden nebst Kleber im Zimmer des Klägers durch einen PVC-Boden ersetzt.
Nachdem der Hausarzt des Klägers, Dr. G , einen Zusammenhang der vom Kläger beklagten Hautveränderungen mit seinem Arbeitsplatz vermutet hatte, wurde der Kläger durch den Arbeitsmediziner Dr. S vom Betriebsärztlichen Dienst des Beklagten am 9. Dezember 1986 untersucht. Dieser ermittelte bei dem Kläger ein Übergewicht von 10 %, eine Beschleunigung der Blutsenkungsgeschwindigkeit, Transaminasen im oberen Grenzbereich, ebenso Harnsäure, Cholesterin und Triglyceride erhöht. Einen arbeitsmedizinisch-toxikologischen Zusammenhang zwischen diesen Befunden und dem Arbeitsplatz des Klägers konnte er nicht feststellen. Gleichwohl hielt Herr Dr. S eine Klärung des Fliegensterbens für erforderlich und schlug deswegen eine toxikologische Untersuchung der toten Insekten, eine Prüfung durch einen Desinfektor und eine arbeitsmedizinische Arbeitsplatzbeurteilung vor.
Die von dem Beklagten aufgrund weiterer Beschwerden des Klägers wegen des Fliegensterbens eingeschaltete Schädlingsbekämpfungsfirma vertrat mit Schreiben vom 17. März 1987 die Auffassung, es sei auszuschließen, daß die Fliegen durch Ausgasungen aus Baustoffen oder Bodenpflegemitteln zu Tode kämen. In den Wintermonaten gingen vielmehr die Insekten, die durch die Heizung und die Sonneneinstrahlung in ihrer Winterruhe gestört würden, an Ernährungsmangel zugrunde. In den Sommermonaten könnte ihr Absterben darauf zurückzuführen sein, daß Insektizide und Herbizide sowohl in den angrenzenden Weinbergen und Obstgärten als auch in landwirtschaftlichen Betrieben verwendet würden. Der Kläger widersprach unter dem 14. April 1987 den Ausführungen der Firma und forderte wiederum die Zuweisung eines anderen Arbeitszimmers sowie weitere Maßnahmen.
In der Folgezeit kam der Kläger mit der Interessengemeinschaft der Holzschutzmittelgeschädigten in Berührung und erhielt von dieser Hinweise, daß das Fliegensterben und seine Beschwerden auf Holzschutzmittelinhaltsstoffe wie Pentachlorphenol (PCP), Lindan, Dioxine und Furane zurückzuführen sein könnten.
1988 befand sich der Kläger erneut zur Kur, diesmal wegen "Hypertonus-Nierensteindiathese". Im selben Jahr wurde bei dem Kläger außerdem eine 3 cm große Ausbuchtung der Speiseröhre festgestellt.
Im Januar 1988 machte der Kläger ein Experiment. Er besorgte sich Fliegenlarven und ließ diese in Experimentierkästen in seinem Zimmer ausschlüpfen. Einen Teil der geschlüpften Fliegen ließ der Kläger sodann in seinem Arbeitszimmer frei. Diese waren ohne Ausnahme spätestens nach zwei Tagen tot. Die in den Kästen zurückgebliebenen Fliegen waren hingegen nach acht Tagen noch am Leben. Ein Unbekannter setzte zur gleichen Zeit in dem Arbeitszimmer des Stationsarztes Dr. V ebenfalls etwa 50 Fliegen aus. Auch diese starben alle nach ganz kurzer Zeit. Daraufhin teilte der Beklagte dem Kläger ein anderes Zimmer zu.
Noch im Januar 1988 sandte der Kläger der "Ingenieursozietät für Umwelttechnik und Bauwesen" Holzspäneproben von dem Fensterrahmen aus seinem Arbeitszimmer. Die Fensterrahmen des Klinikgebäudes waren 1974 mit Holzschutzmitteln behandelt worden. Die Ingenieursozietät ermittelte daraufhin, die Holzspäne seien mit 119 mg PCP und 14,2 mg Lindan je kg belastet. In dem Gutachten vom 12. März 1988 wurde ausgeführt, daß Holz ab einer Belastung von 5 mg PCP bzw. 1,2 mg Lindan je kg als überhöht kontaminiert anzusehen sei. Dort heißt es weiter, im industriellen Produktionsprozeß entstünden regelmäßig technische Verunreinigungen von PCP und Lindan wie Dioxine und Furane, die für den Menschen noch erheblich gefährlicher als PCP und Lindan seien.
Gleichzeitig mit den Holzspänen übersandte der Kläger der Ingenieursozietät Blut- und Urinproben von sich zur Untersuchung. Diese ermittelte gemäß ihrem Gutachten vom 12. März 1988 im Blut des Klägers 1,2 Mikrogramm PCP und 10 Nanogramm Lindan je Liter. Die Ingenieursozietät wies hierzu darauf hin, daß als überhöhte Belastung erst ein Wert von 10 - 20 Mikrogramm PCP bzw. ab 100 Nanogramm Lindan je Liter anzusehen sei. In dem Gutachten wurde weiterhin ausgeführt, daß es sich bei PCP und Lindan mittlerweile um überall vorkommende Schadstoffe handele, die inzwischen jede Person über Nahrung, imprägnierte Textilien, Aufenthalt in belasteten Arbeitsräumen, Gaststätten, öffentlichen Gebäuden usw. in sich aufnehme.
Der Beklagte holte seinerseits ein Gutachten des "Instituts Fresenius" über die Belastung von Holzproben von Fenstern aus dem Arbeitsraum des Klägers ein. Fresenius ermittelte einen Gehalt von 600 - 750 mg PCP und 0,4 - 3 mg Lindan je kg. In dem Gutachten vom 31. Mai 1988 wurde hierzu ausgeführt, der Gehalt an Lindan sei gering, der an PCP dagegen hoch. Bei einem derart hohen PCP-Gehalt in Holzproben seien generell gesundheitsschädliche Auswirkungen auf die in diesen Räumen lebenden oder arbeitenden Menschen nicht auszuschließen. Ob das beobachtete Fliegensterben mit dem hohen PCP-Gehalt zusammenhänge, könne Fresenius nicht beantworten; dies müsse ein Toxikologe beurteilen.
Daraufhin beauftragte der Beklagte das Institut Fresenius mit einer Raumluftmessung von PCP, Lindan und Hausstaub. Die Messung wurde in einem Tagesraum der Klinik am 25. Juli 1988 durchgeführt, in dem nicht nur die Fenster, sondern darüber hinaus auch die Zwischenwände aus Holz waren, das mit Holzschutzmitteln behandelt war. Bei einer Bestimmungsgrenze von 0,2 Mikrogramm je Normkubikmeter für Lindan und 0,5 Mikrogramm je Normkubikmeter für PCP waren diese Stoffe bei der Raumluftmessung nicht nachzuweisen. In dem Gutachten vom 31. August 1988 wurde hierzu ausgeführt, daß nach einer Broschüre des Bundesgesundheitsamtes mit dem Titel "Vom Umgang mit Holzschutzmitteln" unterhalb von maximalen Innenraumluftkonzentrationen von 60 Mikrogramm je Kubikmeter für PCP und 4 Mikrogramm je Kubikmeter für Lindan im allgemeinen keine gesundheitlichen Beschwerden mehr auftreten. Weiter untersuchte Fresenius bei einer 4 qcm großen Probe, die aus der Mitte des verwendeten Filters entnommen wurde, die Partikelanzahl und -verteilung des Gesamtstaubes. Dabei wurden keine Mineralfasern gefunden.
In einer vom Beklagten nunmehr eingeholten Stellungnahme teilte das Bundesgesundheitsamt unter dem 20. Dezember 1988 mit, es halte weitere Messungen für entbehrlich. In Räumen, in denen nur die Fenster mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln behandelt worden seien, liege die Raumluftbelastung mit PCP, Lindan und Dioxin in der Regel im Bereich der üblichen häuslichen Hintergrundbelastung. Diese Einschätzung hatte das Bundesgesundheitsamt bereits in einer früheren Stellungnahme vom 13. Juli 1988 gegenüber dem Beklagten vertreten.
Am 15. September 1988 erstattete das Institut Fresenius im Auftrag des Beklagten ein weiteres Holzprobengutachten aus dem Zimmer des Klägers. Dabei wurde bei einer Entnahmetiefe von 0 bis 3 mm PCP mit einem Gehalt von 500 mg je kg nachgewiesen. Lindan war bei einer Bestimmungsgrenze von 0,1 mg je kg nicht feststellbar. Dioxine und Furane wurden im Bereich von Mikrogramm pro kg nachgewiesen.
Der Kläger übersandte das obige Gutachten zusammen mit dem Raumluftgutachten des Instituts Fresenius der Ingenieursozietät zur Beurteilung. Diese vertrat in ihrer Stellungnahme vom 17. Oktober 1988 die Auffassung, angesichts der starken PCP-Belastung des Holzes sowie der nachgewiesenen Dioxin- und Furanwerte müsse eine überhöhte Kontamination der Raumluft mit Dioxinen und Furanen in Betracht gezogen werden. Da die Hölzer schon vor mehr als zehn Jahren eingebracht worden seien, müsse damit gerechnet werden, daß die langlebigen Dioxine und Furane seit dieser Zeit ausgasten und sich über die Raumluft und den Hausstaub an Möbeln, Teppichen, Tapeten usw. anlagerten und einerseits diese kontaminierten, andererseits von diesen Gegenständen wieder erneut in die Atemluft diffundierten.
Unter Hinweis auf diese Stellungnahme äußerte der anwaltliche Vertreter des Klägers mit Schriftsatz vom 2. November 1988 gegenüber dem Beklagten die Meinung, daß der Arbeitsplatz des Klägers gesundheitsschädlich sei. Er setzte dem Beklagten eine Frist bis 30. November 1988, um für einen gesundheitsunschädlichen Arbeitsplatz des Klägers zu sorgen, und kündigte an, daß der Kläger sich andernfalls nach Fristablauf auf sein Leistungsverweigerungsrecht berufe, aber weiterhin seine Arbeitskraft für einen gesundheitsunschädlichen Arbeitsplatz anbiete.
Der Beklagte lehnte unter dem 29. November 1988 ein Leistungsverweigerungsrecht des Klägers ab unter Berufung auf das Raumluftgutachten des Instituts Fresenius vom 31. August 1988 und die Stellungnahme des Bundesgesundheitsamtes, nach der sich eine weitere Untersuchung erübrige. Daraufhin erschien der Kläger ab 1. Dezember 1988 nicht mehr zur Arbeit; der Beklagte stellte die Zahlung der Bezüge ein.
Nach dem 1. Dezember 1988 bot der Kläger dem Beklagten an, seine Tätigkeit für die Klinik R künftig ambulant zu verrichten. Dies lehnte der Beklagte ab, weil die Arbeit des Klägers ohne dessen ständigen Kontakt mit dem Therapie-Team nicht durchführbar sei. Der Beklagte hatte in seinen Anstalten in W und R je eine freie Stelle für einen Sozialarbeiter. Er schlug dem Kläger Anfang 1989 und danach wiederholt vor, sich in diesen Anstalten für eine Versetzung des Klägers einzusetzen. Das lehnte der Kläger ab, da er die Verlängerung seines Arbeitsweges, die mit einer Versetzung an diese Kliniken verbunden gewesen wäre, für nicht annehmbar hielt.
In der Folgezeit ließ der Beklagte von dem "Institut für mobile Arbeitsmedizin Pima" das Gutachten beurteilen, das die Ingenieursozietät über die Blut- und Urinproben des Klägers erstattet hatte. Das Pima-Institut stellte in seinem Gutachten vom 27. Februar 1989 fest, der Kläger weise in seinem Blut eine Konzentration von PCP und Lindan auf, die dem Bevölkerungsdurchschnitt entspreche. Weitergehende Untersuchungen seien überflüssig.
Ferner holte der Beklagte bei dem von Prof. L geleiteten "Institut für Arbeits- und Sozialmedizin" der Universität Erlangen ein Gutachten darüber ein, ob bei dem Kläger eine Gesundheitsgefährdung durch Holzschutzmittel bzw. deren Inhaltsstoffe vorliege. In dem Gutachten vom 13. April 1989 wurde die Auffassung vertreten, daß der Grad der beruflichen Gefährdung besonders von der Konzentration eines Gefahrstoffes in der Arbeitsatmosphäre abhänge. Insoweit seien hauptsächlich die Meßergebnisse von PCP und Lindan in der Raumluft bedeutsam, die deutlich unter den damals vom Bundesgesundheitsamt vorgeschlagenen maximalen Innenraumkonzentrationen und in noch stärkerem Maße unter den - damals gültigen - maximalen Arbeitsplatzkonzentrationen (MAK-Werten) lägen. Unter diesen Umständen sei auch eine relevante Innenraumbelastung mit möglichen Holzschutzmittelverunreinigungen wie Dioxinen und Furanen ausgeschlossen. Die geringe, eindeutig im Normbereich beruflich nicht exponierter Personen liegende innere Belastung des Klägers werde auch durch seine völlig normalen Blut- und Urinwerte für PCP und Lindan bestätigt.
Im Frühjahr 1989 ließ sich der Kläger von den Ärzten Fabig und Dr. Bieler nach der sog. SPECT-Methode (SPECT = Single Photon Emission Computed Tomography) auf Gesundheitsschädigungen durch PCP-haltige Holzschutzmittel untersuchen. Gem. dem darauf erstatteten Gutachten vom 6. Mai 1989 geht die SPECT-Methode davon aus, daß die Exposition mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln zu einer neuro-toxischen Verminderung des Blutflusses im Gehirn führt, die im Wege der Kernspintomographie sichtbar gemacht werden kann. Hauptwirkort der Schädigung sei die sog. Blut-Hirn-Schranke. Von einer merklichen pathologischen Verminderung des Blutflusses im Gehirn sei bei einer Abweichung vom Normalwert um +/- 10 % auszugehen. Bei der Untersuchung des Klägers nach dieser Methode wurde eine Verminderung des Blutflusses im präzentralen Cortex um 7 % und im parietalen Cortex um 5 % festgestellt. Dieser Befund wurde als "nicht signifikant" bezeichnet. Dessen ungeachtet kam das Gutachten zu dem Ergebnis, es bestehe "kein Zweifel - wegen fehlender anderer Ursachen (genetischer Art, biologischer Herkunft) an der Bedingtheit der Schädigung des zentralen Nervensystems des Herrn Z durch die Inhalation von Löse- und Holzschutzmitteln". In dem Gutachten der Ärzte Fabig und Dr. Bieler wurde im übrigen für eine neuro-toxikologische Abklärung der Neuro-Toxikologe Prof. Dr. Altenkirch empfohlen.
Der Kläger war in der Zeit vom 1. Dezember 1988 bis zum 22. April 1990 abgesehen von einer kurzzeitigen anderweitigen Beschäftigung arbeitslos. An Bezügen entgingen ihm 61.363,35 DM brutto. Der Kläger erwirkte im Wege der einstweiligen Verfügung Arbeitsentgelt in Höhe von 4.359,16 DM netto und erhielt für die übrige Zeit Arbeitslosengeld in Höhe von 21.887,40 DM. Seit dem 23. April 1990 wird der Kläger als Sozialarbeiter in der Notaufnahme des Beklagten in W beschäftigt.
Im Juli 1991 wurde der Kläger auf Veranlassung des Gemeindeunfallversicherungsverbandes in der neurologischen Abteilung des Krankenhauses S stationär darauf untersucht, ob bei ihm eine Berufskrankheit auf neurologischem oder neurotoxikologischem Gebiet vorliege. Der Gutachter Prof. Dr. Altenkirch stellte in seinem Gutachten vom 2. Dezember 1991 hierzu zusammenfassend fest, bei dem Kläger liege keine chronische neuro-toxische Erkrankung durch PCP, Lindan und deren Verunreinigungen vor. Die von den Ärzten Fabig und Dr. Bieler angewandte SPECT-Methode wurde von Prof. Dr. Altenkirch dahin kommentiert, daß diese Methode nicht zum üblichen Instrumentarium einer neurotoxikologischen Untersuchung gehöre, von radiologischen und neuroradiologischen Experten nicht als neurotoxikologische Screening-Methode eingesetzt werde und keine zum Nachweis von Holzschutzmittelvergiftungen geeignete Analysemethode sei. Außerdem hätten Fabig und Dr. Bieler selbst die von ihnen beim Kläger gefundenen Ergebnisse als normal bezeichnet.
Des weiteren führte der Gutachter Prof. Dr. Altenkirch aus, er sei der Überzeugung, bei dem Kläger habe ein Krankheitsbild vorgelegen, das als "Sick-Building-Syndrom" (im folgenden SBS) bezeichnet werde. Darunter verstehe man ein Krankheitsbild, bei dem es in geschlossenen Räumen zu Überempfindlichkeit gegenüber häufig nicht genau identifizierten Schadstoffen komme. Es handele sich nicht um hysterische oder psychogene Störungen, sondern um nachvollziehbare Gesundheits- bzw. Befindlichkeitsstörungen, die teilweise ganze Kollektive in Großraumbüros oder anderen Neubauten beträfen. Es liege damit eine an den Arbeitsraum gebundene Befindlichkeitsstörung vor, die als Berufskrankheit zu werten sei.
Schließlich ließ sich der Kläger Anfang 1992 in der Allergieklinik V untersuchen. In deren schriftlichen Gutachten vom 20. Februar 1992 sind als "Hauptbeschwerden" bezeichnet: "Pelziges Gefühl an Oberarmen und Rücken, Kopfschmerzen, Augenbrennen, Beklemmungsgefühl und Brennen in der Brust, Luftnot, Müdigkeit, Unruhe, Schleimhauttrockenheit mit Schluckbeschwerden (Kloßgefühl)". "Als wesentlicher ursächlicher Faktor für das Beschwerdebild (sei) die chronische Chemikalienbelastung des Klägers zu sehen". Die Tatsache, daß die Blutuntersuchung auf PCP keine wesentliche Belastung ergeben habe, erkläre sich daraus, daß bei schwer belasteten Personen durch die Leber ein vermehrter Abbau von PCP ermöglicht werde, jedoch schon vorher eine toxische Schädigung stattgefunden habe.
Im vorliegenden Verfahren nimmt der Kläger den Beklagten auf Zahlung seines Verdienstausfalls aus dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges in Anspruch. Er hat vorgetragen: Ihm habe für die Zeit vom 1. Dezember 1988 bis zum 22. April 1990 ein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zugestanden. Sein Arbeitsplatz in der Klinik sei gesundheitsgefährend gewesen. Seine seit 1985 aufgetretenen Beschwerden seien auf diesen Arbeitsplatz zurückführen. Sie seien immer nur während des Aufenthalts in der Klinik aufgetreten und schlagartig an Wochenenden und besonders während der Urlaube zurückgegangen. Seit seiner Beschäftigung in W ab April 1990 sei er beschwerdefrei.
An seinem Arbeitsplatz in der Klinik sei er den schädlichen Einflüssen von PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen ausgesetzt gewesen, möglicherweise auch von Permethrin und Pyrethrin, letzteres im Zusammenhang mit der Ausgasung seines Arbeitsplatzes mit dem sogenannten KO-Gas im Sommer 1983. Die Schädlichkeit seines früheren Arbeitsplatzes ergebe sich bereits daraus, daß für PCP aufgrund dessen krebserregenden Eigenschaften ein MAK-Wert inzwischen nicht mehr bestehe. Allein die Kontamination von Fensterrahmen mit Holzschutzmitteln reiche zur Annahme der Gesundheitsschädlichkeit aus. Die Gesundheitsschädlichkeit werde durch das Fliegenexperiment bestätigt. Auch hätten andere Arbeitnehmer der Klinik ähnliche Beschwerden wie er gehabt. Gegebenenfalls sei eine toxikologische Untersuchung der abgestorbenen Fliegen und eine chemische Untersuchung des Hausstaubs erforderlich gewesen, um die Gesundheitsunschädlichkeit festzustellen. Im übrigen bestehe ein Zurückbehaltungsrecht auch wegen der Belastung mit Formaldehyd und Glaswolle. Auch wenn es sich nur um eine Überempfindlichkeit gehandelt hätte, sei der Beklagte nach Treu und Glauben verpflichtet gewesen, ihm, dem Kläger, einen gesundheitsunschädlichen Arbeitsplatz zuzuweisen.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 61.333,55 DM
brutto nebst 4 % Zinsen seit dem 1. August 1989
zu zahlen abzüglich bereits erhaltener
4.359,16 DM netto sowie abzüglich der vom Ar-
beitsamt erhaltenen 21.887,40 DM netto.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Er hat vorgetragen: Der Arbeitsplatz des Klägers sei nicht gesundheitsschädlich.
Das Arbeitsgericht hat nach Beweisaufnahme die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat nach erneuter Beweisaufnahme die Berufung des Klägers gegen das arbeitsgerichtliche Urteil zurückgewiesen. Mit der zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Antrag weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben richtig entschieden. Der Kläger hat keinen Vergütungsanspruch nach § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte befand sich nicht in Annahmeverzug; dem Kläger stand kein Zurückbehaltungsrecht an seiner Arbeitsleistung zu.
A. Das Landesarbeitsgericht hat das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts nach § 21 Abs. 6 der Gefahrstoffverordnung und § 273 Abs. 1 BGB mit folgender Begründung verneint:
Es sei nicht bewiesen, daß der Arbeitsplatz des Klägers in der Klinik R gesundheitsschädlich gewesen sei. Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme sei der Arbeitsplatz mit keinem der in Frage kommenden Schadstoffe in einem die Gesundheit des Klägers gefährdenden Ausmaß belastet gewesen.
Ein Zurückbehaltungsrecht bestehe dann nicht, wenn sich die Gefahrstoffkonzentration am Arbeitsplatz im Rahmen der überall anzutreffenden Belastung halte. Wegen der Belastung der Raumluft am Arbeitsplatz mit PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen habe der Kläger seine Arbeitskraft schon deshalb nicht zurückbehalten dürfen, weil diese Stoffe entweder nicht nachweisbar gewesen seien oder sich im Rahmen der ubiquitären Belastung gehalten hätten. Eine Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln in einem über die normale Belastung hinausgehenden Maße habe der Kläger auch nicht durch die eingereichten medizinischen Gutachten nachgewiesen.
Der Kläger habe auch kein Zurückbehaltungsrecht wegen angeblicher Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle. Zum einen habe sich der Kläger darauf erst nachträglich berufen, zum anderen könne von einer relevanten Belastung mit den genannten Stoffen nicht die Rede sein.
Der Kläger könne sein Zurückbehaltungsrecht auch nicht darauf stützen, daß er an einem sog. Sick-Building-Syndrom (SBS) gelitten habe. Davon könne trotz der dahingehenden Diagnose des Gutachters Prof. Dr. Altenkirch nicht ausgegangen werden. Dieser stelle entscheidend darauf ab, daß die Beschwerden des Klägers an seine Anwesenheit am früheren Arbeitsplatz gebunden gewesen seien. Gerade das sei aber wegen der vom Kläger bei späteren Untersuchungen angegebenen Beschwerden sehr zweifelhaft.
Der Kläger habe somit weder gewichtige Indizien für die behauptete Gesundheitsschädlichkeit seines Arbeitsplatzes noch gar einen Beweis des ersten Anscheins dafür erbracht. Die Rechtsansicht des Klägers, nicht er habe den Ursachenzusammenhang zwischen seinen Beschwerden und dem Arbeitsplatz nachzuweisen, sondern die Beklagte habe nachzuweisen, daß kein solcher Zusammenhang bestehe, treffe nicht zu.
Dem ist im Ergebnis und in den wesentlichen Teilen der Begründung zu folgen.
B. Allerdings kommt ein Zurückbehaltungsrecht nach § 21 Abs. 6 Satz 2 der Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) schon aus Rechtsgründen nicht in Betracht.
I. § 21 Abs. 6 Satz 2 GefStoffV gibt dem einzelnen Arbeitnehmer das Recht, die Arbeit zu verweigern, wenn durch die Überschreitung bestimmter Konzentrations- oder Toleranzwerte eine unmittelbare Gefahr für Leben oder Gesundheit besteht. Der Senat hat in seinem Urteil vom 2. Februar 1994 (- 5 AZR 273/93 - BAGE 75, 332 = AP Nr. 4 zu § 273 BGB) entschieden, daß die genannte Vorschrift schon dann anwendbar ist, wenn das Gebäude, in dem gearbeitet wird, Gefahrstoffe enthält. Diese Entscheidung hat in der Literatur überwiegend Kritik erfahren (Wank, Anm. zu AP Nr. 4 zu § 273 BGB; Borchert, NZA 1995, 877; Molkenthin/Müller, NZA 1995, 873; Mummenhoff, SAE 1995, 67; Schmidt, BB 1994, 1865; zustimmend dagegen Mayer, AiB 1994, 509; Schwab, Anm. zu AR-Blattei ES 200, Nr. 2; Schölzel, BetrR 1994, 98; Bücker, Zeitschrift für Umweltrecht 1994, 202). Der Senat hält an dieser Auffassung nach erneuter Überprüfung nicht mehr fest.
Die auf der Grundlage des Chemikaliengesetzes und anderer Gesetze erlassene Gefahrstoffverordnung sieht in ihrem Fünften Abschnitt, zu dem auch § 21 gehört, "allgemeine Umgangsvorschriften für Gefahrstoffe" vor. Gemäß § 2 Abs. 3 Satz 1 GefStoffV gelten die §§ 15 a bis 15 e und der Fünfte Abschnitt "für den Umgang mit Gefahrstoffen einschließlich Tätigkeiten in deren Gefahrenbereich". Unter "Umgang" versteht § 3 Abs. 2 GefStoffV "das Herstellen, Gewinnen oder Verwenden im Sinne des § 3 Nr. 10 Chemikaliengesetzes". § 3 Nr. 10 ChemG definiert "Verwenden" als "Gebrauchen, Verbrauchen, Lagern, Aufbewahren, Be- und Verarbeiten, Abfüllen, Umfüllen, Mischen, Entfernen, Vernichten und innerbetriebliches Befördern".
II. Der Wortlaut der genannten Bestimmungen läßt für sich allein zwar auch die Auslegung zu, daß es genügt, wenn der Arbeitnehmer in schadstoffbelasteten Räumen arbeitet. Aus Sinn und Zweck der Gefahrstoffverordnung und der Entstehungsgeschichte ergibt sich jedoch etwas anderes. Die Gefahrstoffverordnung will den Arbeitnehmer vor arbeitsspezifischen Gefahren schützen, nicht aber vor den Gefahren, die jedem Menschen drohen. Neben dem eigentlichen Umgang sollen die Tätigkeiten erfaßt sein, die zwar kein Umgang im definierten Sinne sind, die aber im Gefahrenbereich des Umgangs erfolgen. Die §§ 15 a bis 15 e und der Fünfte Abschnitt der Gefahrstoffverordnung schützen daher auch den Arbeitnehmer, der in der Nähe eines anderen tätig wird, der selbst mit Gefahrstoffen umgeht, dagegen nicht den Arbeitnehmer, der in belasteten Gebäuden arbeitet (Wank, Anm. zu BAG AP Nr. 4 zu § 273 BGB).
Die Entstehungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. In der Begründung der Bundesregierung zu § 3 GefStoffV heißt es, daß unter "Verwenden" im Sinne dieser Vorschrift nicht die Nutzung von bestehenden Gebäuden, die Gefahrstoffe enthalten, gemeint ist. Die Verwendungsbeschränkungen der Verordnung umfaßten nicht das Belassen der Gefahrstoffe in bestehenden Gebäuden; ein Sanierungsgebot werde nicht ausgelöst (BR-Drucks. 200/93, S. 96 ff., 104). Daraus läßt sich schließen, daß der Verordnungsgeber die Arbeit oder den Aufenthalt in belasteten Räumen nicht als eine Art des Umgangs mit Gefahrstoffen ansah. Dieselbe Auffassung vertritt auch der Ausschuß für Gefahrstoffe in den vom ihm aufgestellten Technischen Regeln für Gefahrstoffe (TRGS). So heißt es in der durch Beschluß vom 18./19. Mai 1995 neugefaßten TRGS 101 "Begriffsbestimmungen", daß im Sinne von § 15 a und § 15 b GefStoffV Beschäftigte dann "einem Gefahrstoff ausgesetzt (sind), wenn eine über die ubiquitäre Luftverunreinigung ("Hintergrundbelastung") hinausgehende Exposition vorliegt" (BArbBl. 7 - 8/ 1995, 53).
Die §§ 15 a bis 15 e und der Fünfte Abschnitt der Gefahrstoffverordnung sind daher nur auf Personen anwendbar, die selbst mit Gefahrstoffen umgehen oder dadurch Gefahrstoffen ausgesetzt sind, daß andere in ihrer Gegenwart damit umgehen. Sie sind nicht anwendbar, wenn sich die Gefährdung darauf beschränkt, daß jemand in belasteten Räumen arbeitet oder sich dort aufhält.
Damit fällt die frühere Tätigkeit des Klägers in der Klinik R nicht unter den Anwendungsbereich des Fünften Abschnitts der Gefahrstoffverordnung. Der Kläger ging selbst nicht mit Gefahrstoffen um und wurde auch nicht in deren Gefahrenbereich tätig.
C. Ein Zurückbehaltungsrecht nach § 273 Abs. 1, § 618 Abs. 1 BGB ist nicht gegeben, weil sich der Arbeitsplatz des Klägers nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht in einem ordnungswidrigen Zustand befand. Dagegen wendet sich die Revision ohne Erfolg.
I. Seiner Pflicht aus § 618 Abs. 1 BGB genügt der Arbeitgeber in aller Regel dadurch, daß er einen Arbeitsplatz zur Verfügung stellt, dessen Belastung mit Schadstoffen nicht über das in der Umwelt sonst übliche Maß hinausgeht.
1. Nach § 618 Abs. 1 BGB hat der Arbeitnehmer Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen gegen Gefahren für Leben und Gesundheit nur insoweit, "als die Natur der Dienstleistung es gestattet". Damit ist nichts anderes gemeint als die "Natur des Betriebs", wie es in den gleichbedeutenden §§ 120 a GewO und § 62 Abs. 1 HGB heißt. Aus den genannten Bestimmungen folgt die Pflicht des Arbeitgebers, die Arbeitsplätze möglichst frei von gesundheitsschädlichen Chemikalien und sonstigen Gefahrstoffen zu halten. Diese Pflicht ist aber durch die Ubiquität, also durch das allgemeine Vorhandensein dieser Stoffe in der Umwelt begrenzt. Insoweit kann vom Arbeitgeber i.d.R. nicht verlangt werden, am Arbeitsplatz günstigere Bedingungen zu schaffen. Meist wird er dazu auch gar nicht in der Lage sein. Das Arbeitsschutzrecht soll die Arbeitnehmer vor erhöhten Gefahren schützen, die ihnen durch die Arbeit drohen, nicht aber gegen das allgemeine Lebensrisiko aller Menschen.
Soweit der Senat in seinem Urteil vom 2. Februar 1994 (- 5 AZR 273/93 - BAGE 75, 332 = AP Nr. 4 zu § 273 BGB) zu § 21 Abs. 6 Satz 2 GefStoffV eine andere Auffassung vertreten hat, wird daran nicht mehr festgehalten. Auch das Zurückbehaltungsrecht nach dieser Vorschrift verlangt, daß die Gefahr für Leben oder Gesundheit durch die Überschreitung bestimmter Konzentrationen oder Toleranzwerte besteht. Die Kausalität zwischen der Überschreitung dieser Werte und der Gesundheitsgefährdung ist aber zu verneinen, wenn sich die Gefahrstoffbelastung im Rahmen der üblichen Umweltbelastung hält.
2. Das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß der Arbeitsplatz des Klägers weder mit den Inhaltsstoffen PCP-haltiger Holzschutzmittel, noch mit Pyrethroiden, noch mit Formaldehyd oder Glaswolle in einem gesundheitsgefährenden Ausmaß belastet war. Eine Belastung mit PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen lasse sich entweder nicht nachweisen oder halte sich jedenfalls im Rahmen der ubiquitären Belastung. Auch von einer relevanten Belastung des Arbeitsplatzes mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle könne keine Rede sein.
Die Angriffe der Revision gegen diese Beweiswürdigung greifen nicht durch. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Beweiswürdigung - genauer: Die Würdigung des gesamten Inhalts der Verhandlung und des Ergebnisses einer etwaigen Beweisaufnahme (§ 286 Abs. 1 ZPO) - ist durch das Revisionsgericht nur beschränkt überprüfbar, nämlich nur auf die Wahrung der Voraussetzungen und Grenzen von § 286 ZPO. Das bedeutet: Der erkennende Senat kann lediglich überprüfen, ob das Landesarbeitsgericht den gesamten Inhalt der Verhandlung berücksichtigt hat, ob es alle erhobenen Beweise gewürdigt hat und ob die Beweiswürdigung in sich widerspruchsfrei ist sowie frei von Verstößen gegen die Denkgesetze und allgemeine Erfahrungssätze ist (BAG Urteil vom 28. September 1991 - 5 AZR 581/90 - AP Nr. 10 zu § 14 MuSchG 1968 = EzA § 14 MuSchG 1968 Nr. 10).
a) Die Würdigung der Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen Dr. Ball vom 26. März 1991 und 28. Januar 1993 sowie seiner mündlichen Vernehmung vor dem Landesarbeitsgericht ist nicht zu beanstanden. Die Revision rügt, daß der von Dr. Ball zu Dioxinen und Furanen festgestellte Summenwert von 2,71 Pikogramm/cbm über den entsprechenden Außenluftwerten liege und das Landesarbeitsgericht deshalb von falschen Tatsachen ausgegangen sei. Das trifft jedoch nicht zu. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, es handele sich bei dem Wert von 2,71 Pikogramm/cbm um einen Summenwert, der nach der Aussage des Gutachters ohne wesentliche Bedeutung für die Luftbelastung sei. Entscheidend sei der toxische Äquivalenzwert, bei dem die einzelnen gemessenen Dioxine und Furane entsprechend dem Grad ihrer Giftigkeit gewichtet würden. Der danach gemessene toxische Äquivalenzwert von 0,04 Pikogramm/cbm liege deutlich unter der durchschnittlichen Außenluftbelastung. Gegen diese Beurteilung hat die Revision Einwände nicht vorgebracht.
Bezogen auf die Raumluftbelastung mit PCP und Lindan hat sich das Landesarbeitsgericht ebenfalls auf die Gutachten des Sachverständigen Dr. Ball gestützt, der bei einer Nachweisgrenze von 10 Nanogramm keine PCP- und Lindanbelastung feststellte. Unter Heranziehung des vom Kläger überreichten Gutachtens der Ingenieursozietät vom 2. November 1989 hat es dazu ausgeführt, daß Werte unter 10 Nanogramm/cbm im unteren Normalbereich liegen. Dabei hat das Landesarbeitsgericht als Vergleichsmaßstab nicht die normale Außenluftbelastung herangezogen, sondern die Belastung von Innenräumen, in denen keine sichtbaren PCP-Quellen vorhanden sind. Nach der vom Kläger vorgelegten Übersicht der Ingenieursozietät bewegt sich die Luftbelastung in solchen Räumen zwischen 0,4 und 30 Nanogramm/cbm. Die Heranziehung nicht erkennbar belasteter Innenräume als Ubiquitätsmaßstab ist nicht zu beanstanden.
Soweit die Revision darauf verweist, daß der Sachverständige Dr. Ball als Physiker/Chemiker nach eigener Aussage die gesundheitliche Schädlichkeit der von ihm gemessenen Werte beurteilen könne, ist dies unbeachtlich. Denn das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts setzt die Überschreitung der Ubiquitätswerte voraus. Eine Begutachtung, ob die Gesundheit auch bei Einhaltung der ubiquitären Belastungswerte gefährdet ist, war in diesem Zusammenhang nicht erforderlich.
b) Es ist nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht neben der Raumluftmessung zusätzliche Untersuchungen des Hausstaubs und der Fliegen nicht für erforderlich hielt. Es hat sich dabei auf die Vernehmung des Sachverständigen Dr. Ball und einen Aufsatz von Krause gestützt (Wirkstoffe von Holzschutzmitteln im häuslichen Bereich, in: Aurand u.a., Luftqualität in Innenräumen, 1982, S. 309). Danach sind Hausstaubuntersuchungen lediglich für bloßes Screening-Zwecke zu empfehlen, da die Raumluftmessung regelmäßig die feinere Ermittlungsmethode sei. Die toxikologische Untersuchung der im Arbeitszimmer des Klägers abgestorbenen Fliegen sei überflüssig, da sie allenfalls die Belastungswerte der Raumluft widerspiegeln könne. Dagegen wendet sich die Revision auch nicht.
Soweit die Revision darauf hinweist, daß eine Kontamination mit Holzschutzmitteln auch durch Öffnen und Schließen der Fenster eintreten könne, hat sich das Landesarbeitsgericht in nicht zu beanstandender Weise der Auffassung des Sachverständigen Dr. Ball angeschlossen. Dieser hatte erklärt, daß der Hautkontakt, der durch Berühren von Fensterrahmen beim Öffnen und Schließen der Fenster entstehe, für eine Kontamination zu vernachlässigen sei. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den beiden u.a. von Gebefügi verfaßten wissenschaftlichen Veröffentlichungen (Oberflächenanreicherung von halogenierten Verbindungen in Innenräumen, in: Halogenierte organische Verbindungen in der Umwelt, VDI-Berichte 745, Bd. I S. 503; und: Anreicherung von Bioziden in Innenräumen, in: Schadstoffbelastung in Innenräumen, Bd. 19 der Schriftenreihe der Kommission Reinhaltung der Luft im VDI und DIN, S. 229) und den über ihn verfaßten Artikel in einer Tageszeitung, die vom Kläger eingereicht wurden. Dr. Gebefügi und andere haben festgestellt, daß sich bestimmte Schadstoffe der Luft auf Oberflächen von Textilien und dadurch auch im Hausstaub anreichern und die Exposition, die durch den intensiven Hautkontakt mit Körpertextilien und Hausstaub verursacht wird, für die Bewohner der Innenräume wesentlich höhere Werte als die Exposition mit der belasteten Innenraumluft erreicht. Zur Kontamination durch Berühren von belasteten Holzteilen nehmen die Veröffentlichungen nicht Stellung. Im übrigen liegt es nach diesem Untersuchungsergebnissen auch fern, daß es schon durch das gelegentliche Berühren von belasteten Fensterrahmen anläßlich des Öffnens der Fenster zu erheblichen Kontaminationen kommt. Es ist daher nicht zu beanstanden, daß das Landesarbeitsgericht angesichts der Aussage des Sachverständigen Dr. Ball von einer Vernehmung der Zeugin B abgesehen hat. Damit hätte der Kläger den Beweis dafür, daß das Berühren der Fenster seines Arbeitszimmers für ihn gesundheitsschädlich war, nicht führen können.
c) Das Urteil des Landesarbeitsgericht hält den Angriffen der Revision auch insoweit stand, als es zu dem Ergebnis gekommen ist, der Kläger habe eine über das normale Maß hinausgehende Belastung seines früheren Arbeitsplatzes mit PCP-haltigen Holzschutzmitteln auch nicht durch die eingereichten medizinischen Gutachten bewiesen.
Das Landesarbeitsgericht ist dem Gutachten von Prof. Dr. Altenkirch gefolgt, das dieser nach einem stationären Aufenthalt des Klägers in der neurologischen Abteilung des Krankenhaus S erstellt hat. Danach besteht das klassische Spektrum einer PCP- und einer Lindanvergiftung aus einer Kombination von Hautveränderungen (Chlorakne mit Hepatopathien), peripher-neurogenen Störungen im Sinne einer Polyneuropathie, myotoxischen Störungen und einer schwer faßbaren Encephalopathie; außerdem besteht ein erhöhtes Malignomrisiko. Keine dieser Krankheiten habe sich bei dem Kläger feststellen lassen. Entgegen der Auffassung der Revision beziehen sich diese Feststellungen sowohl auf den Zeitpunkt der Untersuchung als auch auf die damalige Zeit, als der Kläger noch in der Klinik R arbeitete.
Soweit das Landesarbeitsgericht dem vom Kläger vorgelegten Gutachten des Arztes Fabig vom 6. Mai 1989 nicht folgte, liegt hierin entgegen den Angriffen der Revision keine gesetzwidrige Beweiswürdigung. Der Arzt Fabig hatte den Kläger nach der sog. SPECT-Methode untersucht und war zu dem Ergebnis gelangt, es bestehe kein Zweifel an der Bedingtheit der Schädigung des zentralen Nervensystems des Klägers durch die Inhalation von Löse- und Holzschutzmitteln. Dem ist das Landesarbeitsgericht aus zwei Gründen nicht gefolgt: Zum einen gehöre die SPECT-Methode nicht zum üblichen Instrumentarium einer neurotoxikologischen Untersuchung. Zum anderen bewegten sich die von Fabig nach der SPECT-Methode festgestellten Ergebnisse (ein um 7 % bzw. 5 % verringerter Blutfluß im Cortex) innerhalb des von dieser Methode selbst vorgegebenen Normalbereichs, nach welchem eine Verminderung des Blutflusses um 10 % als pathologisch gelte. Selbst wenn die SPECT-Methode mittlerweile wissenschaftlich anerkannt sein sollte, wie die Revision meint, bleibt dieser Widerspruch zwischen den Meßergebnissen und den Schlußfolgerungen des Arztes bestehen. Die Ansicht des Berufungsgerichts, daß das Gutachten deshalb unbrauchbar ist, ist daher nicht zu beanstanden.
d) Zu Recht ist das Landesarbeitsgericht ferner zu dem Ergebnis gelangt, daß der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht auch nicht auf die behauptete Gesundheitsschädlichkeit seines früheren Arbeitsplatzes wegen einer angeblichen Belastung mit Pyrethroiden, Formaldehyd oder Glaswolle stützen kann. Es hat ausgeführt, der Kläger könne die vorgenannten Belastungen schon deshalb nicht anführen, weil er sich darauf erst nach der Wiederaufnahme seiner Arbeit in dem Krankenhaus berufen habe.
Die Kritik der Revision an der Rechtsauffassung des Landesarbeitsgerichts ist unerheblich. Denn das Landesarbeitsgericht hat festgestellt, daß bereits die tatsächlichen Voraussetzungen eines solchen Zurückbehaltungsrechts nicht vorliegen. Es hat ausgeführt, daß von einer relevanten Belastung des Arbeitsplatzes mit den genannten Stoffen nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme keine Rede sein könne. Zu der Frage, ob der Kläger durch das im Sommer 1983 zur Insektenvertilgung verwendete "KO-Gas" erkrankte, ist das Landesarbeitsgericht nicht dem Distanzgutachten von Prof. Müller-Mohnssen gefolgt, der aus den Beschwerden des Klägers lediglich einen Verdacht auf eine chronische Pyrethroid-Intoxikation ableitete, sondern dem Gutachten von Prof. Dr. Altenkirch, das nach stationären Aufenthalt des Klägers der von ihm geleiteten Klinik erstellt wurde, und zu dem Ergebnis kam, daß beim Kläger gerade keine neurotoxikologische Erkrankung vorlag.
3. Dem Landesarbeitsgericht ist weiter darin zu folgen, daß der Kläger ein Zurückbehaltungsrecht auch nicht auf das bei ihm diagnostizierte Sick-Building-Syndrom (SBS) stützen kann.
a) Nach Gagelmann und Fonfara (in: Klinisches Labor 1992, 447 ff.) gibt es in jedem größeren Gebäude einen gewissen Anteil von Personen, die über die verschiedensten unspezifischen Beschwerden klagen. Sie träten in der Regel wenige Stunden nach dem Betreten des Gebäudes auf und schwächten sich ab oder verschwänden völlig, wenn das Gebäude verlassen werde. Der Anteil dieser Personen liege nach Schätzungen "normalerweise" zwischen 10 und 20 %. Ein Pegel von 15 % Befindlichkeitsstörungen werde nach der derzeitigen Meinung als sog. "Grenzwert" angesehen, oberhalb dessen ein Gebäude als "sick" (krank) definiert werde. Als Ursachen würden neben interindividuellen Empfindlichkeiten (Vorschädigungen) und der Zeitdauer der Exposition vor allem die Mischexpositionen diskutiert. Die Ursachen für SBS könnten multifaktoriell sein. Physikalische (Temperatur, relative Luftfeuchte, Lüftungsrate, Beleuchtung, Schall, Ionen usw.), chemische (Schwebestäube wie z.B. Tabakrauch, anorganische Gase, flüchtige organische Verbindungen aus Reinigungs- und Klebemitteln, Biozide, Gerüche usw.) und biologische Ereignisse (Bakterien, Pilze usw.) könnten SBS auslösen. Psychische Faktoren könnten die Problematik verstärken bzw. unterstützen (Überlastungen, Streß, Bildschirmarbeiten, Massenhysterie).
Es ist schon fraglich, ob ein SBS überhaupt zu einem Zurückbehaltungsrecht führen kann, wenn - wie hier - die Belastung der Arbeitsumwelt mit Schadstoffen das für Innenräume übliche Maß nicht überschreitet. Das kann jedoch zugunsten des Klägers unterstellt werden.
b) Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt: Ob der Kläger an einem SBS gelitten habe, erscheine trotz der diesbezüglichen Diagnose von Prof. Dr. Altenkirch keineswegs sicher. Der Gutachter stelle entscheidend darauf ab, daß die Beschwerden des Klägers an seiner Anwesenheit am früheren Arbeitsplatz gebunden gewesen seien. Der Kläger habe zwar vorgetragen, die Beschwerden seien schlagartig zurückgegangen, wenn er sich nicht an seinem damaligen Arbeitsplatz aufgehalten habe. Er habe ferner vorgetragen, er sei seit seiner neuen Beschäftigung in W nicht mehr krank. Anfang 1992 habe er dagegen bei einer Klinikuntersuchung ähnliche Beschwerden wie zuvor angegeben. Diesen Widerspruch habe der Kläger nicht erklären können. Im übrigen habe das Gutachten keine Feststellungen darüber getroffen, daß in der Klinik R der Grenzwert von 15 % gesundheitsgestörter Personen erreicht bzw. überschritten gewesen sei.
Diese Beweiswürdigung ist nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat - wie es § 286 Abs. 1 ZPO vorschreibt - das Ergebnis der Beweisaufnahme auch insoweit nicht isoliert, sondern "unter Berücksichtigung des gesamten Inhalts der Verhandlungen" gewürdigt (vgl. Senatsurteil vom 4. Dezember 1985 - 5 AZR 656/84 - AP Nr. 42 zu § 63 HGB, zu II 2 der Gründe). Es hat daher den vielfach wechselnden Vortrag des Klägers vor Gericht und bei ärztlichen Untersuchungen über seinen späteren Gesundheitszustand in seine Überzeugungsbildung einbezogen.
Die Revision macht geltend, das Berufungsgericht habe das Vorbringen des Klägers zu seinem späteren Gesundheitszustand zu Unrecht als widersprüchlich angesehen. Der Kläger habe sein Vorbringen nur dahin "ergänzt", daß sein Körper durch jahrelange Exposition übersensibilisiert sei und daher die Beschwerden immer dann aufträten, wenn er holzschutzmittelbelastete Räume betrete. Dem kann nicht gefolgt werden. Nach den von der Revision mit Verfahrensrügen nicht angegriffenen Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hat der Kläger, vom Gericht auf seine widersprüchlichen Äußerungen hingewiesen, zunächst erklärt, die in dem Bericht der Veramed-Klinik aufgeführten "Hauptbeschwerden" seien keine damals aktuell vorhandenen Beschwerden gewesen, sondern die in der Vergangenheit bis einschließlich 1988 von ihm beobachteten Störungen. Erst zu einem späteren Zeitpunkt hat der Kläger mitgeteilt, inzwischen sei sein Körper so sensibilisiert, daß die im Veramed-Gutachten genannten "Hauptbeschwerden" ihn auch heutzutage noch oft heimsuchten, und zwar häufig ganz plötzlich ohne erkennbare Ursache. Zu Recht hat es das Landesarbeitsgericht unter diesen Umständen als unverständlich bezeichnet, daß der Kläger in der Berufungsbegründung vorgetragen hat, er sei seit April 1990 "ohne jegliche Gesundheitsstörungen".
Da sonach bereits erhebliche Zweifel daran bestehen, daß die Beschwerden des Klägers überhaupt mit seinem damaligen Arbeitsplatz in der Klinik R zusammenhängen, kann dahinstehen, ob aufgrund der Untersuchung eines einzelnen Patienten ohne eigene Kenntnis von dem Gebäude überhaupt ein Sick-Building-Syndrom und damit auch der Zustand eines Gebäudes diagnostiziert werden kann.
c) Die Beweiswürdigung des Landesarbeitsgerichts ist entgegen der Revision auch nicht deshalb zu beanstanden, weil es ohne bessere Sachkunde von einem Sachverständigengutachten abgewichen wäre (vgl. BGH Urteil vom 9. Mai 1989 - VI ZR 268/88 - NJW 1989, 2948). Denn die Abweichung betrifft nicht das Fachwissen des Sachverständigen und seine Wertungen, Schlußfolgerungen und Hypothesen, sondern die zugrundeliegenden Tatsachen. Deren Feststellung obliegt aber dem Gericht, es sei denn, daß bereits hierfür die dem Gericht fehlende besondere Sachkunde in Anspruch genommen werden muß (BGHZ 37, 389 = NJW 1962, 1770). Das ist hier nicht der Fall.
d) Soweit schließlich die Revision ein Überraschungsurteil darin sieht, daß das Landesarbeitsgericht einen Grenzwert von 15 % der in einem Gebäude tätigen Personen angenommen hat, kann ihr ebenfalls nicht gefolgt werden. Denn die Veröffentlichung von Gagelmann und Fonfara, auf die sich das Landesarbeitsgericht stützt, ist vom Kläger selbst vorgelegt worden.
4. Entgegen der Auffassung der Revision kann auch keine Rede davon sein, daß "erdrückende" Indizien für einen Ursachenzusammenhang zwischen den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Klägers und seinem damaligen Arbeitsplatz bestanden. Das Landesarbeitsgericht hat sämtliche Gesichtspunkte, die nach Meinung der Revision für eine Gesundheitsschädigung des Klägers durch seinen Arbeitsplatz sprechen, in die Beweiswürdigung einbezogen und abgewogen.
II. Im Ergebnis zu Recht hat das Landesarbeitsgericht Beweiserleichterungen zugunsten des Klägers abgelehnt.
Nach ständiger Rechtsprechung hat allerdings der Arbeitnehmer, der wegen Verletzung der Pflichten aus § 618 BGB Schadenersatz beansprucht, neben dem Schaden nur den objektiv ordnungswidrigen Zustand der Räume, Vorrichtungen oder Gerätschaften nachzuweisen, wenn dieser generell geeignet ist, den eingetretenen Schaden herbeizuführen. Der Arbeitgeber hat dann den Gegenbeweis dahin zu führen, daß der ordnungswidrige Zustand für den Schaden nicht ursächlich gewesen ist oder daß ihn kein Verschulden trifft (BGHZ 27, 79; BAG Urteile vom 8. Juni 1955 - 2 AZR 200/54 - und vom 27. Februar 1970 - 1 AZR 258/69 - AP Nr. 1, 16 zu § 618 BGB; BAGE 12, 15 = AP Nr. 2 zu § 611 BGB Gefährdungshaftung des Arbeitgebers; vgl. Baumgärtel, Handbuch der Beweislast im Privatrecht, 2. Aufl., 1991, § 618 BGB Rz 2 mit weit. Nachw.).
Es kann zugunsten des Klägers unterstellt werden, daß die dargestellten Grundsätze auch dann anwendbar sind, wenn um das Bestehen eines Zurückbehaltungsrechts gestritten wird. Denn der Arbeitsplatz des Klägers war nach den Feststellungen des Landesarbeitsgerichts nicht in ordnungswidrigem Zustand. Er wies keine überhöhte Belastung mit Schadstoffen auf.
Weitergehende Beweiserleichterungen kommen hier nicht in Betracht. Der Kläger kann sich zur Stützung seiner Ansicht auch nicht auf das Urteil des Bundesgerichtshofs vom 10. Januar 1995 (- VI ZR 31/94 - NJW 1995, 1160) berufen. Der Bundesgerichtshof hat dort den Vortrag der Kläger, sie hätten durch die inhalative Aufnahme von PCP, Lindan, Dioxinen und Furanen bleibende Gesundheitsschäden erlitten, nach § 823 BGB entgegen den Vorinstanzen für schlüssig gehalten und dem Berufungsgericht aufgegeben, durch Einholung eines Sachverständigengutachtens klären zu lassen, ob die behaupteten Gesundheitsstörungen tatsächlich vorliegen und ob diese Schädigungen auf Ausgasungen aus den mit dem Holzschutzmittel der Beklagten gestrichenen Profilholzdecken zurückzuführen sind. Aussagen zum Beweismaß und zu Beweiserleichterungen enthält dieses Urteil nicht.
D. Das Zurückbehaltungsrecht kann auch nicht darauf gestützt werden, daß der Beklagte verpflichtet gewesen wäre, den Kläger wegen einer Übersensibilität auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen.
Besonders schutzbedürftige Arbeitnehmer können unter Umständen Anspruch auf besondere Schutzmaßnahmen haben. Ist ein Arbeitnehmer gegen bestimmte Schadstoffe nachweisbar besonders empfindlich, so trifft den Arbeitgeber eine gesteigerte Fürsorgepflicht. Wie weit diese reicht, kann aber im Streitfall offenbleiben. Denn Voraussetzung eines Anspruchs auf Zuweisung eines anderen Arbeitsplatzes an einem anderen Ort ist zumindest, daß der Arbeitgeber weiß oder wissen muß, wie er den gesundheitlichen Beeinträchtigungen des Arbeitnehmers Rechnung tragen kann. Daran fehlt es hier. Der Kläger hat dem Beklagten nicht mitgeteilt, wo er eingesetzt werden will. Er hat vielmehr eine Versetzung in andere Krankenhäuser des Beklagten unstreitig von vornherein und immer wieder kategorisch abgelehnt, weil ihm der Weg dorthin zu weit war. Eine Berufung darauf, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, ihm einen anderen Arbeitsplatz zuzuweisen, verstößt daher gegen Treu und Glauben (§ 242 BGB).
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht ausgeführt, es sei unverständlich, daß der Kläger angesichts der ihm in der Klinik R angeblich drohenden Gesundheitsgefahren einen längeren Anfahrtsweg zu einer anderen Klinik des Beklagten für unzumutbar gehalten habe.
Schliemann Reinecke Düwell
Schütters Dr. Müller
Fundstellen
BAGE 83, 105-127 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
BAGE, 105 |
BB 1996, 1170 |
BB 1996, 2524 (Leitsatz 1-3) |
BB 1997, 208-210 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
DB 1996, 2446-2448 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
DStR 1997, 211 (Kurzwiedergabe) |
NJW 1997, 611 |
NJW 1997, 611 (Leitsatz 1-3) |
BuW 1996, 448 (Kurzwiedergabe) |
EBE/BAG Beilage 1996, Ls 367/96 (Leitsatz 1-3) |
ARST 1996, 265-266 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ASP 1996, Nr 7/8, 60 (Kurzwiedergabe) |
JR 1997, 352 |
JR 1997, 352 (Leitsatz 1-3) |
NZA 1997, 86 |
NZA 1997, 86-92 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
RdA 1997, 58 (Leitsatz 1-3) |
SAE 1997, 316-324 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
ZAP, EN-Nr 463/96 (red. Leitsatz) |
ZTR 1997, 181-184 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
AP § 120a GewO (Leitsatz 1-3), Nr 2 |
AP § 273 BGB (Leitsatz 1-3), Nr 6 |
AP § 286 ZPO (Leitsatz 1-3), Nr 27 |
AP § 618 BGB (Leitsatz 1-3 und Gründe), Nr 23 |
AP, 0 |
AR-Blattei, ES 1880 Nr 3 (Leitsatz 1-2 und Gründe) |
ArbuR 1996, 506 (Kurzwiedergabe) |
EzA-SD 1996, Nr 24, 5-7 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
EzA § 273 BGB, Nr 5 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
EzA § 618 BGB, Nr 12 (Leitsatz 1-3) |
EzBAT § 8 BAT Fürsorgepflicht, Nr 33 (red. Leitsatz 1-2 und Gründe) |
MDR 1997, 272 |
MDR 1997, 272-273 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
PERSONAL 1997, 213 (Leitsatz 1-2) |
PersR 1997, 43 |
PersR 1997, 43-47 (Leitsatz 1-3 und Gründe) |
PersR 1997, 43-47 (Leitsatz und Gründe) |
VuR 1997, 76-79 (Leitsatz und Gründe) |
ZUR 1997, 42-43 (Leitsatz und Gründe) |
ZfPR 1996, 200 (Leitsatz) |