Entscheidungsstichwort (Thema)
Insolvenzanfechtung. inkongruente Deckung bei Erfüllung unter dem Druck der Zwangsvollstreckung. Geltung tariflicher Ausschlussfristen. Säumnislage in der Revisionsinstanz
Orientierungssatz
1. Um eine inkongruente Deckung im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich
2. Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden
3. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen. Er unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht.
4. Ist der Revisionsbeklagte säumig, wird nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §§ 555, 557 ZPO durch echtes Versäumnisurteil sachlich entschieden, wenn die Revision nach ihrer Begründung zulässig und begründet ist. Die Fiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach das tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden gilt, ist jedoch nicht anzuwenden, weil das Revisionsgericht auf der Grundlage des schon vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts zu entscheiden hat.
5. Die ehrenamtlichen Richter wirken an dem Versäumnisurteil mit. § 72 Abs. 6 ArbGG verweist nicht auf § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG. Das Versäumnisurteil ist nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. § 62 ArbGG gilt nicht.
6. Gegen das Versäumnisurteil ist entsprechend §§ 565, 539 Abs. 3, § 339 ZPO binnen zweiwöchiger Frist der Rechtsbehelf des Einspruchs eröffnet. Der Einspruch unterliegt dem Vertretungszwang. § 59 Satz 2 ArbGG ist für das Revisionsverfahren durch § 72 Abs. 6 ArbGG anders als für das Berufungsverfahren nach § 64 Abs. 7 ArbGG nicht in Bezug genommen.
7. Ein Versäumnisurteil braucht inhaltlich nicht auf der Säumnis zu beruhen. Der Klage kann auch aufgrund sachlicher Prüfung stattgegeben werden.
Normenkette
InsO § 131 Abs. 1 Nr. 1; ZPO § 331; InsO § 139 Abs. 1 S. 1, § 143 Abs. 1, § 147; GG Art. 3 Abs. 1, Art. 14 Abs. 1, Art. 20 Abs. 1; BGB § 187 Abs. 1, § 288 Abs. 1 S. 2, § 291 S. 1 Hs. 2, § 819 Abs. 1; ZPO § 251a Abs. 2 S. 1, § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 331 Abs. 1 S. 1, § 331a S. 2, §§ 339, 539 Abs. 3, § 555 Abs. 1 S. 1, §§ 557, 565, 708 Nr. 2; ArbGG § 55 Abs. 1 Nr. 4, § 59 S. 2, §§ 62, 64 Abs. 7, § 72 Abs. 5-6; Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV) vom 30. März 1992 in seiner jeweiligen Fassung § 49 Abs. 1
Verfahrensgang
Tenor
1. Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 22. März 2012 – 7 Sa 1053/11 – unter Zurückweisung der weiter gehenden Revision teilweise aufgehoben.
2. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hannover vom 12. Mai 2011 – 4 Ca 379/10 – unter Zurückweisung der Berufung im Übrigen teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt neu gefasst:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.535,20 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 1. Mai 2007 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das der Klage teilweise stattgebende Versäumnisteilurteil ist vorläufig vollstreckbar.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Verpflichtung des Beklagten, Arbeitsentgelt, das er unter dem Druck der Zwangsvollstreckung erlangte, im Weg der Insolvenzanfechtung an die Masse zurückzugewähren.
Der Kläger ist Insolvenzverwalter in dem am 30. April 2007 eröffneten Insolvenzverfahren über das Vermögen der S GmbH (Schuldnerin). Der Insolvenzantrag der AOK vom 9. Februar 2007 war am 12. Februar 2007 beim Insolvenzgericht eingegangen. Der Beklagte war bei der Schuldnerin beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis unterfiel dem allgemeinverbindlichen Rahmentarifvertrag für die gewerblichen Arbeitnehmer im Maler- und Lackiererhandwerk (RTV) vom 30. März 1992 in seiner jeweiligen Fassung. Nach § 49 Abs. 1 RTV in seiner Ursprungsfassung und in sämtlichen Folgefassungen verfallen alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, wenn sie nicht innerhalb von zwei Monaten nach der Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich erhoben werden.
Die Schuldnerin hatte im Monat vor und im Monat nach Stellung des Insolvenzantrags aufgrund von Zwangsvollstreckungsmaßnahmen zu Händen des Gerichtsvollziehers auf dessen Aufforderungen hin insgesamt 1.535,20 Euro an den Beklagten geleistet, um Ansprüche auf Arbeitsentgelt zu erfüllen. Am 12. Januar 2007 leistete die Schuldnerin 500,00 Euro, am 8. Februar 2007 weitere 500,00 Euro und am 12. März 2007 535,20 Euro.
Der Kläger focht die Zahlungen mit Schreiben vom 20. September 2010 nach § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO an und forderte die geleisteten Beträge nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Insolvenzeröffnung zurück.
Der Kläger hat mit seiner dem Beklagten am 30. Dezember 2010 zugestellten Klage die Auffassung vertreten, die geleisteten Beträge seien nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO zurückzugewähren. Tarifliche Ausschlussfristen seien auf Ansprüche des Insolvenzverwalters aus § 129 Abs. 1, § 131 Abs. 1, § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO nicht anzuwenden. Daran habe sich durch den Beschluss des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes vom 27. September 2010 (– GmS-OGB 1/09 – BGHZ 187, 105) nichts geändert. Durch diese Entscheidung sei lediglich die Rechtswegzuständigkeit im Verhältnis von Bundesarbeitsgericht und Bundesgerichtshof geklärt worden. Rückgewähransprüche aufgrund einer Insolvenzanfechtung beruhten auf einem gesetzlichen Schuldverhältnis und seien der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien deshalb entzogen. Es handle sich nicht um „Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis”. Im Übrigen seien die Rückgewähransprüche jedenfalls nicht verfallen. Die Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 RTV stelle auf die Fälligkeit aller beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und damit darauf ab, ob die Ansprüche für den Gläubiger feststellbar seien. Dem Insolvenzverwalter werde jedoch die dreijährige Verjährungsfrist der § 146 Abs. 1 InsO, § 195 BGB eingeräumt, um zu prüfen, ob Anfechtungstatbestände gegeben seien.
Der Kläger hat beantragt,
den Beklagten zu verurteilen, an ihn 1.535,20 Euro nebst Zinsen iHv. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 30. April 2007 zu zahlen.
Der Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Nachdem der Beklagte in der Berufungsverhandlung nicht erschienen und nicht vertreten gewesen war, hat das Landesarbeitsgericht die Berufung des Klägers gegen das Urteil erster Instanz durch sog. unechtes Versäumnisurteil zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Leistungsantrag weiter.
Entscheidungsgründe
Über die Revision ist durch Versäumnisteilurteil zu entscheiden, soweit die Klage begründet ist, weil der Beklagte in der Revisionsverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht vertreten war. Die Revision hat ganz überwiegend – hinsichtlich der Hauptsache und des Hauptteils der Zinsforderung – Erfolg. Dem Kläger stehen die erhobenen Rückgewähransprüche zu. Unbegründet ist die Revision lediglich, soweit die Vorinstanzen den Zinsantrag für den Tag der Insolvenzeröffnung am 30. April 2007 abgewiesen haben. Insoweit hat der Senat ein sog. unechtes Versäumnisteilurteil in Form eines Schlussurteils zu erlassen, das keinem Rechtsbehelf oder Rechtsmittel unterliegt (vgl. GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 149). Die sog. gemischte Entscheidung eines Versäumnisteil- und Schlussurteils dient dazu, den Streitstoff im Ganzen aufzuarbeiten (vgl. zB BGH 27. Januar 2012 – V ZR 272/10 – Rn. 6; OLG Düsseldorf 17. Dezember 2012 – I-9 U 87/10 – zu I der Gründe).
A. Soweit der Klage entgegen der Auffassung der Vorinstanzen stattzugeben ist, hat der Senat durch Versäumnisteilurteil zu entscheiden.
I. Eine Entscheidung nach Aktenlage (§ 331a ZPO) kommt nicht in Betracht. Dem stehen § 331a Satz 2, § 251a Abs. 2 Satz 1 ZPO entgegen, weil in der Revisionsinstanz bisher keine zweiseitige mündliche Verhandlung stattgefunden hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 – 8 AZR 796/06 – Rn. 10 mwN, BAGE 123, 301; BGH 4. April 1962 – V ZR 110/60 – zu A der Gründe, BGHZ 37, 79).
II. Für das Säumnisverfahren gelten nach § 555 Abs. 1 Satz 1 ZPO grundsätzlich §§ 330 ff. ZPO.
1. Ist der Revisionsbeklagte säumig, wird nach § 72 Abs. 5 ArbGG iVm. §§ 555, 557 ZPO durch (echtes) Versäumnis(-teil)urteil sachlich entschieden, wenn die Revision nach ihrer Begründung – wie hier im genannten Umfang – zulässig und sachlich gerechtfertigt ist (vgl. BAG 10. April 1991 – 5 AZR 226/90 – zu I der Gründe, BAGE 68, 10; 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – zu I der Gründe). Die Fiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO, wonach das tatsächliche Vorbringen des Klägers als zugestanden gilt, ist jedoch nicht anzuwenden, weil das Revisionsgericht auf der Grundlage des schon vom Landesarbeitsgericht festgestellten Sachverhalts zu entscheiden hat (vgl. BAG 26. Juli 2007 – 8 AZR 796/06 – Rn. 12, BAGE 123, 301; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 133; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 145). Die ehrenamtlichen Richter wirken an dem Versäumnis(-teil)urteil mit. § 72 Abs. 6 ArbGG verweist nicht auf § 55 Abs. 1 Nr. 4 ArbGG (vgl. GMP/Müller-Glöge aaO Rn. 148). Das Versäumnis(-teil)urteil ist nach § 708 Nr. 2 ZPO für vorläufig vollstreckbar zu erklären. § 62 ArbGG gilt nicht (vgl. BAG 28. Oktober 1981 – 4 AZR 251/79 – BAGE 36, 303).
2. Gegen das Versäumnis(-teil)urteil ist entsprechend §§ 565, 539 Abs. 3, § 339 ZPO binnen zweiwöchiger Frist der Rechtsbehelf des Einspruchs eröffnet (vgl. BAG 16. August 1990 – 2 AZR 113/90 – am Ende der Gründe; GK-ArbGG/Mikosch Stand April 2011 § 73 Rn. 134; GMP/Müller-Glöge 8. Aufl. § 74 Rn. 148). Der Einspruch unterliegt dem Vertretungszwang. § 59 Satz 2 ArbGG ist für das Revisionsverfahren durch § 72 Abs. 6 ArbGG anders als für das Berufungsverfahren nach § 64 Abs. 7 ArbGG nicht in Bezug genommen (vgl. BAG 4. Mai 1956 – 1 AZR 284/55 –; GMP/Müller-Glöge aaO).
III. Das Versäumnisteilurteil beruht inhaltlich allerdings nicht auf der Säumnis, sondern auf einer sachlichen Prüfung der Klage (vgl. BGH 28. Januar 2014 – II ZR 154/13 – Rn. 5; 27. Januar 2012 – V ZR 272/10 – Rn. 6; 4. April 1962 – V ZR 110/60 – zu A der Gründe, BGHZ 37, 79). Die Geständnisfiktion des § 331 Abs. 1 Satz 1 ZPO tritt nicht ein. Das Urteil wäre inhaltlich ebenso ergangen, wenn der Beklagte nicht säumig gewesen wäre, sondern eine zweiseitige streitige mündliche Verhandlung stattgefunden hätte. Das steht einem Versäumnis(-teil)urteil nicht entgegen. Ein solches Urteil setzt begrifflich zwar voraus, dass es gegen die säumige Partei ergeht, aber nicht auch, dass es inhaltlich auf einer Säumnisfolge beruht (vgl. näher BGH 4. April 1962 – V ZR 110/60 – aaO).
IV. Die Revision ist bis auf einen geringen Teil des Zinsantrags begründet.
1. Die Klage ist zulässig, insbesondere hinreichend bestimmt iSv. § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Der Kläger verlangt die durch drei Zahlungen der Schuldnerin vom 12. Januar 2007, 8. Februar 2007 und 12. März 2007 erlangten Beträge zurück. Es kommt nicht darauf an, wie sich die Beträge auf die Vergütungsforderungen des Beklagten verteilen.
2. Die Klage hat bis auf den Zinsantrag für den 30. April 2007 in der Sache Erfolg. Der Beklagte muss das von der Schuldnerin am 12. Januar 2007, 8. Februar 2007 und 12. März 2007 gezahlte Entgelt von 1.535,20 Euro nach § 131 Abs. 1 Nr. 1 iVm. § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO an die Masse zurückgewähren. Der Rückforderungsanspruch begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken und unterfällt entgegen der Ansicht der Vorinstanzen nicht der tariflichen Ausschlussfrist des § 49 Abs. 1 RTV.
a) Anfechtungsgegner ist der Beklagte. Die Anfechtung richtet sich grundsätzlich gegen denjenigen, dem gegenüber die anfechtbare Handlung vorgenommen wurde, dh. gegen den Empfänger des anfechtbar übertragenen oder begründeten Rechts (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 11; 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 11). Das ist hier der Beklagte. Dass die Zahlungen an den Gerichtsvollzieher geleistet wurden, unterstreicht den Vollstreckungsdruck und ist für die Stellung des Beklagten als Anfechtungsgegner unschädlich. Hat der Schuldner in anfechtbarer Weise an einen vom Gläubiger mit dem Empfang der Leistung beauftragten Dritten geleistet, trifft die Rückgewährpflicht den Gläubiger und nicht den Empfangsbeauftragten (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 11; BGH 17. Dezember 2009 – IX ZR 16/09 – Rn. 12).
b) Der Beklagte erlangte im Monat vor Stellung des Insolvenzantrags und danach Leistungen, die zu seiner inkongruenten Befriedigung führten. Damit ist der Tatbestand des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO erfüllt.
aa) Um eine inkongruente Deckung im Sinn des Anfechtungsrechts handelt es sich bereits dann, wenn der Schuldner während der „kritischen Zeit” der letzten drei Monate vor dem Eröffnungsantrag oder in der Zeit nach Stellung des Insolvenzantrags unter dem Druck unmittelbar drohender Zwangsvollstreckungsmaßnahmen leistet, um sie zu vermeiden (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 14). Der Schuldner gewährt damit eine Befriedigung, die der Gläubiger „nicht in der Art” zu beanspruchen hat. Unerheblich ist, ob die Zwangsvollstreckung im verfahrensrechtlichen Sinn schon begonnen hatte, als die Leistung des Schuldners erfolgte. Die Inkongruenz wird durch den zumindest unmittelbar bevorstehenden hoheitlichen Zwang begründet (vgl. BAG 24. Oktober 2013 – 6 AZR 466/12 – Rn. 24 f.; 19. Mai 2011 – 6 AZR 736/09 – Rn. 12; BGH 18. Dezember 2003 – IX ZR 199/02 – zu I 2 a aa der Gründe, BGHZ 157, 242). Ein die Inkongruenz begründender Druck einer unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung besteht dagegen noch nicht, wenn der Schuldner nach Zustellung eines Titels die titulierte Forderung erfüllt, ohne dass der Gläubiger die Zwangsvollstreckung zuvor eingeleitet oder angedroht hat (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 14; BGH 20. Januar 2011 – IX ZR 8/10 – Rn. 8).
bb) Die Schuldnerin erbrachte die angefochtenen Zahlungen erst auf die Zahlungsaufforderungen des Gerichtsvollziehers hin und damit unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung. Sie musste aufgrund der Zahlungsaufforderungen damit rechnen, dass die Zwangsvollstreckung unmittelbar bevorstand, wenn sie die titulierten Forderungen nicht erfüllte. Deshalb handelte es sich nicht um freiwillige Zahlungen, sondern um Zahlungen unter dem Druck der unmittelbar bevorstehenden Zwangsvollstreckung im Sinn der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Solche Zahlungen sind nicht insolvenzfest.
cc) Die zeitlichen Erfordernisse des § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO sind gewahrt. Die ersten beiden Zahlungen erfolgten am 12. Januar 2007 und 8. Februar 2007, also im letzten Monat vor dem nach § 139 Abs. 1 Satz 1 InsO maßgeblichen Eingang des Eröffnungsantrags beim Insolvenzgericht am 12. Februar 2007. Die letzte Zahlung leistete die Schuldnerin nach Eingang des Insolvenzantrags am 12. März 2007. Weitere tatbestandliche Voraussetzungen enthält § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO nicht.
dd) § 131 Abs. 1 Nr. 1 InsO begegnet keinen verfassungsrechtlichen Bedenken. Er verletzt insbesondere nicht die Eigentumsgarantie des Art. 14 Abs. 1 GG oder den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG iVm. dem durch Art. 20 Abs. 1 GG gewährleisteten Sozialstaatsprinzip. Das hat der Senat mit seiner Entscheidung vom 27. Februar 2014 eingehend begründet (– 6 AZR 367/13 – Rn. 19 ff., 27 ff.; s. auch BAG 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 17 ff.). Darauf nimmt er Bezug, um Wiederholungen zu vermeiden. Hervorzuheben ist, dass eine verfassungskonforme Auslegung der §§ 129 ff. InsO zum Schutz des Existenzminimums in Fällen der hier gegebenen inkongruenten Deckung durch Erfüllung von Entgeltrückständen unter dem Druck der Zwangsvollstreckung ausscheidet. Bei solchen Vergütungsrückständen können Arbeitnehmer die zur Sicherung des Existenzminimums vorgesehenen und geeigneten staatlichen Hilfen in Anspruch nehmen (vgl. BAG 27. März 2014 – 6 AZR 989/12 – Rn. 43; 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 34; 29. Januar 2014 – 6 AZR 345/12 – Rn. 43).
c) Die geltend gemachten Ansprüche bestehen fort. Der insolvenzrechtliche Rückgewähranspruch aus § 143 Abs. 1 Satz 1 InsO ist als gesetzliches Schuldverhältnis der Regelungsmacht der Tarifvertragsparteien entzogen. Er unterfällt tariflichen Ausschlussfristen nicht. Das hat der Senat in seiner jüngeren Rechtsprechung ausführlich begründet (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 35 ff.; 24. Oktober 2013 – 6 AZR 466/12 – Rn. 18 ff.; zustimmend Hamann/Böing jurisPR-ArbR 7/2014 Anm. 1; Froehner NZI 2014, 133, 134). Darauf verweist der Senat. Der Beklagte führt keine Argumente an, die Anlass zu einer abweichenden Würdigung geben. Er hat die erlangte Vergütung an den Kläger zurückzugewähren (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 38 mwN).
B. Der Beklagte hat die Rückgewähransprüche des Klägers seit 1. Mai 2007 – dem Folgetag der Insolvenzeröffnung – mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zu verzinsen (§ 143 Abs. 1 Satz 2 InsO; § 819 Abs. 1, § 291 Satz 1 Halbs. 2, § 288 Abs. 1 Satz 2 BGB). § 143 Abs. 1 Satz 2 InsO enthält eine Rechtsfolgenverweisung auf § 819 Abs. 1 BGB. Aufgrund dieser Anknüpfung ist der Rückgewähranspruch auf anfechtbar erlangtes Geld als rechtshängiger Anspruch zu behandeln. Die Regeln über Prozesszinsen sind anzuwenden. Unerheblich ist, dass der Kläger den Rückgewähranspruch erst mit Schreiben vom 20. September 2010 gegenüber dem Beklagten geltend gemacht hat. Die Insolvenzanfechtung braucht nicht gesondert erklärt zu werden. Der Rückgewähranspruch wird – von den Fällen des § 147 InsO abgesehen – mit Eröffnung des Insolvenzverfahrens fällig (vgl. BGH 1. Februar 2007 – IX ZR 96/04 – Rn. 14, 19 f., BGHZ 171, 38). Die Rückgewähransprüche sind jedoch nicht, wie vom Kläger beantragt, bereits mit dem Tag der Insolvenzeröffnung, dem 30. April 2007, sondern erst mit dem Folgetag, dem 1. Mai 2007, zu verzinsen. Die Verzinsungspflicht nach § 187 Abs. 1 BGB beginnt erst mit dem Folgetag der Fälligkeit (vgl. BAG 27. Februar 2014 – 6 AZR 367/13 – Rn. 39 f.; 17. September 2013 – 9 AZR 9/12 – Rn. 20). Soweit die Zinsen zuzusprechen sind, hat das im Rahmen des Versäumnisteilurteils zu geschehen. Das Schlussurteil umfasst die Abweisung des Zinsantrags für den 30. April 2007.
C. Die Kostenentscheidung beruht auf § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Versäumnisteilurteils auf § 708 Nr. 2 ZPO.
Unterschriften
Fischermeier, Gallner, Spelge, Koch, Wollensak
Fundstellen