Entscheidungsstichwort (Thema)
Arbeitspflicht eines Orchestermusikers
Leitsatz (amtlich)
Ein Orchestermusiker, der nach dem Arbeitsvertrag zum Spielen des Instrumentes Fagott verpflichtet und dem die Tätigkeit eines stellvertretenden 1. Solo-Fagottisten übertragen ist, ist nicht verpflichtet, über die in § 6 Abs. 2 Buchst. a TVK genannten Fälle hinaus generell die 3. Fagottstimme zu spielen.
Normenkette
Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 §§ 6, 26; Protokollnotiz zu § 6 Abs. 2
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 22.02.1994; Aktenzeichen 8 Sa 71/94) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 20.10.1993; Aktenzeichen 3 Ca 3759/93) |
Tenor
- Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 22. Februar 1994 – 8 Sa 71/94 – wird zurückgewiesen.
- Die Beklagte hat die Kosten der Revison zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darum, ob der Kläger als Musiker arbeitsvertraglich verpflichtet ist, im Sinfonieorchester der Beklagten die 3. Fagottstimme zu spielen.
Der Kläger ist aufgrund eines schriftlichen Arbeitsvertrages vom 8. Januar 1988 seit dem 1. Februar 1988 als Musiker in dem von der Beklagten unterhaltenen städtischen Sinfonieorchester beschäftigt. In § 3 dieses Arbeitsvertrages heißt es:
“Herr D… ist zum Spielen des Instrumentes Fagott verpflichtet. Ihm wird nach Maßgabe des § 26 TVK die Tätigkeit eines stellv. 1. (Solo-)Fagottisten übertragen.”
Weiter haben die Parteien in § 4 dieses Arbeitsvertrages vereinbart:
“Das Arbeitsverhältnis bestimmt sich nach dem Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern (TVK) vom 1. Juli 1971 in der jeweils geltenden Fassung und den ihn ergänzenden, ändernden oder an seine Stelle tretenden Tarifverträgen.”
Der Tarifvertrag für die Musiker in Kulturorchestern vom 1. Juli 1971, zuletzt geändert durch Tarifvertrag vom 5. Oktober 1988 (fortan: TVK), hat – soweit für den Rechtsstreit von Bedeutung – folgenden Wortlaut:
Ҥ 6
Arbeitspflicht
Protokollnotiz zu Absatz 2:
§ 26
Tätigkeitszulagen
- Der Arbeitgeber kann dem Musiker mit seiner Zustimmung bei der Einstellung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmte Tätigkeiten und das Spielen von Nebeninstruenten übertragen. Die Übertragung bedarf der Schriftform. Der Arbeitgeber kann die Überragung jederzeit widerrufen, ohne daß es einer Kündigung bedarf. Der Widerruf bedarf der Schriftform. Er ist unwirksam, wenn er aus Gründen erfolgt, die nicht in der Leistungsähigkeit oder der sonstigen Eignung des Musikers liegen.
- Der Musiker erhält während der Zeit, in der ihm eine der in Absatz 3 genannten Tätigkeiten oder das Spielen eines Nebeninstrumentes übertragen ist, eine Tätigkeitszulage. Die Höhe der Zulage richtet sich nach den Stufen der Absätze 3 und 4 und nach der Vergütungsgruppe des Orchesters, dem der Musiker angehört.
Es werden zugeteilt:
der Stufe 1
die Tätigkeit als
der Stufe 2
die Tätigkeit als
Der Kläger wird überwiegend als stellvertretender 1. (Solo-) Fagottist eingesetzt. Mit Schreiben vom 25. Mai 1993 teilte die Beklagte dem Kläger folgendes mit:
“Ihr Schreiben vom 16.05.1993 haben wir erhalten. Gemäß § 3 des mit Ihnen am 8. Januar 1988 abgeschlossenen Arbeitsvertrages sind Sie generell zum Spielen des Instrumentes Fagott verpflichtet. Darüberhinaus ist Ihnen nach Maßgabe des § 26 TVK die Tätigkeit eines stellvertretenden 1. (Solo)- Fagottisten übertragen worden. Hierfür erhalten Sie gemäß § 26 Abs. 3 TVK die Tätigkeitszulage der Stufe 2. Hiermit weise ich Sie darauf hin, daß Sie selbstverständlich zum Spielen der 3. Fagottstimme verpflichtet sind.
…”
Der Kläger hat die Auffassung vertreten, er sei tarifrechtlich nicht generell zum Spielen der 3. Fagottstimme verpflichtet.
Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß er nicht verpflichtet sei, 3. Fagott im Sinfonieorchester der Beklagten zu spielen.
Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und die Auffassung vertreten, die Tätigkeit eines stellvertretenden 1. (Solo-) Fagottisten sei dem Kläger zusätzlich zu seiner Pflicht, im Orchester das Instrument Fagott zu spielen, übertragen worden.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung des Klägers mit dem Antrag
festzustellen, daß er nicht über die Voraussetzung des § 6 Abs. 2 Ziff. a des TVK hinaus generell verpflichtet ist, das 3. Fagott im Sinfonieorchester der Beklagten zu spielen,
hatte Erfolg. Mit der zugelassenen Revision verfolgt die Beklage ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet um Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet.
Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht angenommen, daß der Kläger nicht über die in § 6 Abs. 2 Buchst. a TVK genannten Fälle hinaus generell verpflichtet ist, die 3. Fagottstimme im Sinfonieorchester der Beklagten zu spielen. Dies folgt aus § 6 Abs. 1 TVK.
1. Die Parteien haben in § 4 des Arbeitsvertrags vereinbart, daß sich das Arbeitsverhältnis nach den Vorschriften des TVK richtet. Die Regelung in § 3 des Arbeitsvertrags zur Arbeitspflicht des Klägers entspricht § 3 des Arbeitsvertragsmusters der Anlage 1 zum TVK. Aus § 3 des Arbeitsvertrags der Parteien i. V. mit § 6 Abs. 1 TVK folgt, daß der Kläger in seinem Orchester das Instrument Fagott zu spielen hat. Weiter folgt daraus, daß er dieses Instrument in der tarifrechtlich “ihm übertragenen Tätigkeit” als stellvertretender 1. (Solo-) Fagottist zu spielen hat (vgl. BAG Urteile vom 18. April 1984 – 4 AZR 121/82 – AP Nr. 7 zu § 611 BGB Musiker; – 4 AZR 427/82 – BAGE 45, 330 = AP Nr. 8 zu § 611 BGB Musiker). Zu dieser Tätigkeit muß der Kläger nicht zusätzlich generell eine weitere Tätigkeit ausüben.
2. § 6 TVK regelt als Hauptpflicht des Arbeitnehmers die Arbeitspflicht des Musikers. Nach dem Tarifwortlaut, von dem bei der Tarifauslegung entsprechend den Grundsätzen der Gesetzesauslegung auszugehen ist, handelt es sich um eine abschließende Regelung.
§ 6 Abs. 1 TVK bestimmt zunächst, wozu der Musiker grundsätzlich verpflichtet ist, nämlich zum Spielen der im Arbeitsvertrag genannten Instrumente in der ihm übertragenen Tätigkeit.
§ 6 Abs. 2 TVK regelt, wozu der Musiker im Rahmen seines Leistungsvermögens ferner, d. h. über den Anwendungsbereich des § 6 Abs. 1 TVK hinaus, verpflichtet ist. Danach hat er im hier interessierenden Regelungsbereich des § 6 Abs. 2 Buchst. a TVK, vorübergehend oder vertretungsweise auch eine andere als die ihm nach Abs. 1 obliegende Tätigkeit mit dem im Arbeitsvertrag genannten Instrument auszuüben. Im Wege des Umkehrschlusses folgt daraus, daß der Musiker, abgesehen von den Fällen des § 6 Abs. 2 TVK, nicht verpflichtet ist, generell eine andere als die ihm nach § 6 Abs. 1 TVK obliegende Tätigkeit auszuüben. Andernfalls wäre § 6 Abs. 2 TVK überflüssig.
3. Dieses Auslegungsergebnis steht nicht im Widerspruch zu § 26 TVK. Diese Tarifbestimmung regelt die Vergütung, nicht aber die Art der geschuldeten Arbeitsleistung.
Nach § 26 Abs. 1 TVK kann der Arbeitgeber dem Musiker mit dessen Zustimmung bei der Einstellung und während der Dauer des Arbeitsverhältnisses bestimmte Tätigkeiten übertragen (§ 26 Abs. 1 Satz 1 TVK) und die Übertragung aus Gründen der Leistung oder Eignung des Musikers auch jederzeit widerrufen, ohne daß es einer Kündigung bedarf (§ 26 Abs. 1 Satz 3 und 4 TVK). Für nach § 26 Abs. 1 TVK übertragene Tätigkeiten erhält der Musiker eine Tätigkeitszulage (§ 26 Abs. 2 TVK). Aus dieser Tarifbestimmung folgt aber nicht, daß der Musiker über seine nach § 6 TVK bestimmte Arbeitspflicht hinaus generell zu anderen Tätigkeiten verpflichtet ist. Nach seinem Wortlaut bestimmt § 26 TVK lediglich, ob und welche Zulagen dem Musiker für die Zeit der Übertragung bestimmter Tätigkeiten zustehen. Im Rahmen der allgemeinen Arbeitspflicht des Musikers nach § 6 TVK gibt es auch Tätigkeiten, für die keine Tätigkeitszulage nach § 26 TVK zu zahlen ist (vgl. Protokollnotiz Nr. 1 Satz 1 zu § 6 Abs. 2 TVK). Dieser Fall kann auch bei Widerruf einer übertragenen Tätigkeit nach § 26 Abs. 1 TVK eintreten. § 26 TVK konkretisiert aber nicht die Arbeitspflicht des Musikers. Diese bestimmt sich allein nach § 6 Abs. 1 und 2 TVK und der zu § 6 Abs. 2 TVK ergangenen Protokollnotiz.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Dr. Peifer, Dr. Jobs, Dr. Armbrüster, P. Stahlheber, Mergenthaler
Fundstellen
Haufe-Index 856776 |
NZA 1995, 957 |
AfP 1996, 101 |
ZUM 1995, 620 |