Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag mit einer iranischen Lektorin - funktionswidrige Verwendung einer gesetzlichen Befristungsmöglichkeit
Orientierungssatz
1. Der vom Gesetzgeber mit § 57b Abs 3 HRG aF verfolgte und gemessen an Art 5 Abs 3 GG legitime Sinn und Zweck bestand darin, einen aktualitätsbezogenen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen zu sichern. Um dieses Ziel zu erreichen erachtete der Gesetzgeber die Befristung der Arbeitsverhältnisse mit Lektoren als geeignetes und erforderliches Mittel. Dies beruhte auf der Annahme, es bestehe typischerweise die Gefahr, daß Lektoren, die in der Regel Unterricht in ihrer Muttersprache erteilen, nach einem längeren Aufenthalt in Deutschland den Aktualitätsbezug zu ihrer Sprache verlieren.
2. Diesem Gesetzeszweck des § 57b Abs 3 HRG aF konnte die im Streitfall vereinbarte Befristung offensichtlich nicht dienen.
Tenor
Die Revision des beklagten Landes gegen das
Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 23. September 1997 -
5 Sa 2471/96 - wird auf Kosten des beklagten Landes
zurückgewiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit der Befristung ihres Arbeitsverhältnisses.
Die 1954 geborene, verheiratete Klägerin ist iranische Staatsangehörige und Mutter von zwei in Deutschland lebenden Kindern. Nachdem sie im Jahre 1976 an der Universität Maschhad den Hochschulabschluß in persischer Sprache und Literatur abgelegt hatte, übersiedelte sie nach Deutschland. Hier lebt sie seit 1977. Sie erwarb 1984 an der Universität Köln den Magister Artium in orientalischer Philologie und promovierte 1991 an der Universität Tübingen im Fach Orientalistik.
Mit Vertrag vom 13. November 1992 wurde die Klägerin vom beklagten Land "für die Zeit vom 02.11.1992 bis 30.09.1996 an der Ruhr-Universität Bochum als Angestellte (Lehrkraft für besondere Aufgaben) im Sinne von § 55 WissHG eingestellt". Weiter heißt es in § 1 des Arbeitsvertrags:
"Sie übernimmt die Aufgaben eines Lektors für Persisch.
Die Befristung des Arbeitsvertrages erfolgt nach § 57 b Abs. 3 des
Gesetzes über befristete Arbeitsverträge mit wissenschaftlichem
Perszur Sicherstellung aktueller Bezüge zur sprachlichen Situation
des Heimatlandes entsprechend der Üblichkeit an den
Wissenschaftlichen Hochschulen."
Laut § 3 des Vertrags bestimmte sich das Arbeitsverhältnis nach dem BAT und den diesen ergänzenden, ändernden oder ersetzenden Tarifverträgen und Bestimmungen sowie dem "Runderlaß des Ministers für Wissenschaft und Forschung des Landes Nordrhein-Westfalen vom 15. April 1985 - Az.: I B 4 - 3201 - betr. Beschäftigung und Vergütung von Lehrkräften für besondere Aufgaben im Angestelltenverhältnis in der Stellung von Studienräten im Hochschuldienst". Gemeint waren freilich die einschlägigen, unter demselben Datum bekannt gemachten Richtlinien für die Beschäftigung und Vergütung von Lektoren an den wissenschaftlichen Hochschulen des Landes in der Bekanntmachung des Ministers für Wissenschaft und Forschung vom 15. April 1985 - I B 4 - 3811. Unter deren Nr. 4 "Einstellungsvoraussetzungen" ist ua. folgendes vorgesehen:
"4.3 Lektoren, die sich bis zum Zeitpunkt der beabsichtigten
Einstellung überwiegend nicht im Herkunftsland aufgehalten
haben, können nicht beschäftigt werden. Dies gilt ebenso, wenn
sie sich länger als 1 Jahr vor der beabsichtigten Einstellung
nicht im Herkunftsland aufgehalten haben; Kurzaufenthalte
können dabei nicht berücksichtigt werden.
4.4 Als Lektor darf nicht eingestellt werden, wer auf Dauer
den Mittelpunkt seiner Lebensbeziehungen im Geltungsbereich
des Grundgesetzes begründet hat oder zu begründen
beabsichtigt."
Mit ihrer am 18. April 1996 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage hat die Klägerin die Auffassung vertreten, § 57 b Abs. 3 HRG in der bis zum 24. August 1998 geltenden Fassung (HRG aF) rechtfertige die Befristung nicht. Nachdem der EuGH die Unanwendbarkeit der Bestimmung auf die Angehörigen der EU-Länder festgestellt habe, müsse § 57 b Abs. 3 HRG aF verfassungskonform dahin ausgelegt werden, daß allein die Beschäftigung als Fremdsprachenlektor auch bei Angehörigen von Drittstaaten keinen Sachgrund für eine Befristung darstelle.
Die Klägerin hat beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis zwischen den
Parteien nicht kraft Befristung mit Ablauf des 30. September
1996 geendet hat,
2. das beklagte Land zu verurteilen, die Klägerin über den 30.
September 1996 hinaus zu sonst unveränderten
Arbeitsbedingungen als Lehrkraft für besondere Aufgaben
(Lektorin) in der Vergütungsgruppe BAT II a an der
Ruhr-Universität Bochum weiter zu beschäftigen.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Es hat die Auffassung vertreten, die Befristung sei nach § 57 b Abs. 3 HRG aF sachlich gerechtfertigt.
Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des beklagten Landes zurückgewiesen. Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision erstrebt das beklagte Land weiterhin die Klagabweisung. Die Klägerin beantragt die Zurückweisung der Revision.
Entscheidungsgründe
Die Revision des beklagten Landes ist unbegründet. Das Landesarbeitsgericht hat der Klage im Ergebnis zu Recht entsprochen. Das Arbeitsverhältnis der Parteien wurde durch die vereinbarte Befristung nicht wirksam zum 30. September 1996 beendet.
I. Die im Vertrag vom 13. November 1992 vereinbarte Befristung zum 30. September 1996 gilt nicht etwa nach § 7 KSchG iVm. § 1 Abs. 5 Satz 2 BeschFG als von Anfang an rechtswirksam. Die Klägerin hat zwar nicht innerhalb von drei Wochen ab dem Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG in der Fassung vom 25. September 1996, also in der Zeit vom 1. Oktober 1996 bis 21. Oktober 1996 Klage nach § 1 Abs. 5 Satz 1 BeschFG erhoben. Ausgehend von Sinn und Zweck dieser Frist und der an ihre Versäumung anknüpfenden Fiktionswirkung wurde die Frist aber durch die bereits vor Inkrafttreten des § 1 Abs. 5 BeschFG erhobene und hernach fortgeführte Feststellungsklage gewahrt.
II. Die vereinbarte Befristung bedurfte, da der Klägerin der ihr ohne die Befristung zustehende Kündigungsschutz nach § 1 Abs. 1, § 23 Abs. 1 KSchG vorenthalten wurde, nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit dem Beschluß des Großen Senats vom 12. Oktober 1960 - GS 1/59 - BAGE 10, 65) zu ihrer Rechtfertigung eines sachlichen Grundes. Zu Unrecht beruft sich das beklagte Land zur Begründung der Befristung auf § 57 b Abs. 3 HRG aF. Dieser sah vor, daß ein sachlicher Grund, der die Befristung eines Arbeitsverhältnisses mit einer fremdsprachlichen Lehrkraft für besondere Aufgaben rechtfertigt, auch vorliegt, wenn die Beschäftigung überwiegend für die Ausbildung in Fremdsprachen erfolgt (Lektor).
Nach Auffassung des Landesarbeitsgerichts konnte die Anwendbarkeit des § 57 b Abs. 3 HRG aF dahingestellt bleiben. Denn jedenfalls verstoße die Praxis des beklagten Landes, sich gegenüber den Lektoren, die nicht von Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag (jetzt: Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag) erfaßt werden, weiterhin auf den Befristungsgrund des § 57 b Abs. 3 HRG aF zu berufen, gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz.
Mit dieser Begründung kann der Klage nicht entsprochen werden. Auch wenn man - trotz des Fehlens entsprechender tatsächlicher Feststellungen durch das Landesarbeitsgericht - davon ausgeht, das beklagte Land hätte sich von einem bestimmten Zeitpunkt an auf die mit Fremdsprachenlektoren aus EU-Staaten vereinbarten Befristungen nicht mehr berufen, während es dies gegenüber der iranischen Klägerin weiterhin tut, so liegt allein darin kein Verstoß gegen den arbeitsrechtlichen Gleichbehandlungsgrundsatz. Ungeachtet der Frage, ob dieser beim Streit über die Wirksamkeit von Befristungen überhaupt Anwendung finden kann, gibt es nämlich für die unterschiedliche Behandlung einen sachlichen Grund. Wenn das beklagte Land die Rechtsprechung des EuGH (20. Oktober 1993 - Rs. C-272/92 - Spotti - AP EWG-Vertrag Art. 48 Nr. 17) und die sich daran anschließende ständige Rechtsprechung des Senats (zuletzt 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14 mwN) respektiert, nach welcher Art. 48 Abs. 2 EG-Vertrag (jetzt: Art. 39 Abs. 2 EG-Vertrag) der Anwendung des § 57 b Abs. 3 HRG aF auf befristete Arbeitsverträge von Fremdsprachenlektoren aus EU-Ländern entgegensteht, so bedeutet dies nicht, daß es gegenüber der iranischen Klägerin aus Gründen der Gleichbehandlung eine wirksame Befristung nicht mehr geltend machen dürfte. Vielmehr rechtfertigen unterschiedliche Rechtspositionen eine unterschiedliche Behandlung (BAG 1. Dezember 1999 - 7 AZR 236/98 - zVv., zu III 2 der Gründe).
III. Dennoch kommt es im Streitfall nicht auf die Frage an, ob § 57 b Abs. 3 HRG aF weiterhin auf Lektorenverträge, die vor dem Inkrafttreten des Vierten Gesetzes zur Änderung des HRG mit Angehörigen von Drittstaaten geschlossen wurden, anwendbar war. Dem beklagten Land ist es verwehrt, sich auf § 57 b Abs. 3 HRG aF zu berufen, weil es die Bestimmung objektiv funktionswidrig eingesetzt hat.
Der vom Gesetzgeber mit § 57 b Abs. 3 HRG aF verfolgte und gemessen an Art. 5 Abs. 3 GG legitime Sinn und Zweck bestand darin, einen aktualitätsbezogenen Fremdsprachenunterricht an Hochschulen zu sichern (vgl. BVerfG 24. April 1996 - 1 BvR 712/86 - AP HRG § 57 a Nr. 2, zu C II 2 f der Gründe). Um dieses Ziel zu erreichen erachtete der Gesetzgeber die Befristung der Arbeitsverhältnisse mit Lektoren als geeignetes und erforderliches Mittel. Dies beruhte auf der Annahme, es bestehe typischerweise die Gefahr, daß Lektoren, die in der Regel Unterricht in ihrer Muttersprache erteilen, nach einem längeren Aufenthalt in Deutschland den Aktualitätsbezug zu ihrer Sprache verlieren.
Diesem Gesetzeszweck des § 57 b Abs. 3 HRG aF konnte die im Streitfall vereinbarte Befristung offensichtlich nicht dienen. Die Klägerin lebte bei Abschluß des Vertrags bereits 15 Jahre in Deutschland und war hier, wie ihr Lebenslauf zeigt, voll integriert. Nach den eigenen Richtlinien des beklagten Landes vom 15. April 1985 können Lektoren, die sich bis zum Zeitpunkt der beabsichtigten Einstellung überwiegend nicht im Herkunftsland aufgehalten haben, nicht beschäftigt werden. Gleiches gilt für Lektoren, die auf Dauer den Mittelpunkt ihrer Lebensbeziehungen in Deutschland begründet haben. Eben dies traf bei der Klägerin zu. Wenn daher das beklagte Land mit ihr gleichwohl eine Befristung des Arbeitsverhältnisses nach § 57 b Abs. 3 HRG aF vereinbarte, so lag hierin ein objektiver Mißbrauch der gesetzlichen Regelung. Diese vermochte eine dem Sinn und Zweck der Vorschrift offenkundig widersprechende Befristung nicht zu rechtfertigen (ebenso bereits BAG 25. Februar 1998 - 7 AZR 31/97 - AP HRG § 57 b Nr. 15 = EzA BGB § 620 Hochschulen Nr. 14, zu B I 1 c und II 1 der Gründe; BAG 26. Januar 1999 - 3 AZR 381/97 - ZTR 1999, 361 f. zu B II 2 c bb der Gründe; BAG 1. Dezember 1999 - 7 AZR 236/98 - zVv., zu III 3 der Gründe).
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Dörner
SteckhanLinsPeter Haeusgen
G. Güner
Fundstellen