Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterbrechung der Bewährungszeit
Leitsatz (amtlich)
Durch den 66. Änderungstarifvertrag ist geregelt worden, daß die Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zur Dauer von insgesamt fünf Jahren nicht zur Unterbrechung der Bewährungszeit führt. Von dieser Tarifänderung werden auch solche Beurlaubungen erfaßt, die vor dem Inkrafttreten des 66. Änderungstarifvertrages liegen.
Normenkette
BAT § 23a Ziff. 4 i. d. Fassung des 66. Änderungstarifvertrages vom 24. April 1991
Verfahrensgang
LAG Rheinland-Pfalz (Urteil vom 13.10.1992; Aktenzeichen 3 Sa 257/92) |
ArbG Koblenz (Urteil vom 24.01.1992; Aktenzeichen 8 Ca 1936/91) |
Tenor
- Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Rheinland-Pfalz vom 13. Oktober 1992 – 3 Sa 257/92 – teilweise aufgehoben, soweit es die Klage auch für die Zeit ab 26. April 1991 abgewiesen hat.
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Koblenz vom 24. Januar 1992 – 8 Ca 1936/91 – teilweise abgeändert und wie folgt neu gefaßt:
Es wird festgestellt, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin ab dem 26. April 1991 aus der VergGr. Ib der Anlage 1a zum BAT zu vergüten.
- Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Klägerin eine tariflich vorgeschriebene Bewährungszeit erfüllt und damit ab 26. April 1991 Anspruch auf Vergütung nach der VergGr. Ib der Anlage 1a BAT hat.
Die Klägerin ist promovierte Diplom-Chemikerin und hat die Zweite Staatsprüfung abgelegt. Sie ist bei dem beklagten Land im Chemischen Untersuchungsamt K… seit dem 15. August 1978 als Lebensmittelchemikerin beschäftigt. Nach § 2 des Arbeitsvertrages vom 8. August 1978 “bestimmt” sich das Arbeitsverhältnis nach dem Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) vom 23. Februar 1961 und den diesen ergänzenden oder ändernden Tarifverträgen. In der Zeit vom 6. Juli 1980 bis 31. Dezember 1980 und erneut vom 1. Januar 1988 bis 31. Dezember 1994 ist sie unter Vereinbarung der hälftigen regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit eines vollbeschäftigten Arbeitnehmers tätig. Im übrigen war das Arbeitsverhältnis der Klägerin in den folgenden Zeiträumen unterbrochen:
- vom 22. November 1979 bis 5. Juli 1980 wegen Inanspruchnahme der Mutterschutzfristen und des Mutterschaftsurlaubes
- vom 23. November 1980 bis 7. Juli 1981 wie vor
- vom 8. Juli 1981 bis 7. Juli 1982 wegen Beurlaubung zur Kinderbetreuung in analoger Anwendung des § 87a LBG.
Nachdem die Dienststelle der Klägerin bereits am 4. Juni 1991 erfolglos beantragt hatte, die Klägerin im Wege des Bewährungsaufstiegs in die VergGr. Ib der Anlage 1a zum BAT höherzugruppieren, hat die Klägerin selbst diesen Anspruch mit Schreiben vom 21. September und 16. Oktober 1991 für die Zeit ab 1. Januar 1991 geltend gemacht.
Die Klägerin hat zunächst die Auffassung vertreten, die 11jährige Bewährungszeit sei bereits im August 1989 erfüllt gewesen; lediglich im Hinblick auf die Ausschlußfrist des § 70 BAT werde das Höhergruppierungsbegehren auf die Zeit ab dem 1. Januar 1991 beschränkt. Die Unterbrechung zur Kinderbetreuung 1981/1982 sei nach der ab dem 1. April 1991 geltenden Fassung des § 23a BAT als Unterbrechungszeit für die Berechnung der Bewährungszeit unschädlich. Da die Tarifvertragsparteien keine Übergangsregelung getroffen hätten, seien auch Kinderbetreuungszeiten vor dem 1. April 1991 vom Wortlaut der Tarifbestimmung erfaßt. Nur so ergäben sich aus dem Änderungstarifvertrag auch keine Auslegungsschwierigkeiten bei der Berechnung der Bewährungszeit. Die Klägerin hat gemeint, allein entscheidend sei auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem sie ihr Höhergruppierungsverlangen geltend gemacht habe. Aus der danach anzuwendenden Fassung des § 23a Ziff. 4 Buchst. d BAT ergebe sich keine Einschränkung dieser Regelung auf die erst nach Inkrafttreten der Vorschrift am 1. April 1991 eingetretenen Unterbrechungszeiten wegen Kinderbetreuung.
Darüber hinaus verstoße die Regelung in der Auslegung des beklagten Landes gegen das Diskriminierungsverbot des § 611a BGB und des Art. 119 EWG-Vertrag.
Die Klägerin hat beantragt
festzustellen, daß das beklagte Land verpflichtet ist, die Klägerin mit Wirkung ab dem 1. Januar 1991 in die VergGr. Ib der Anlage 1a BAT höherzugruppieren.
Das beklagte Land hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Es hat erstinstanzlich vorgetragen, die 11jährige Bewährungszeit sei erst zum 1. Juli 1993 erfüllt. Bei der in analoger Anwendung des § 87a LBG gewährten Beurlaubung der Klägerin zur Kinderbetreuung für die Zeit vom 8. Juli 1981 bis 7. Juli 1982 handele es sich um eine schädliche Unterbrechung der Bewährungszeit mit der Folge, daß die vor der Beurlaubung abgelaufene Bewährungszeit nicht angerechnet werden könne. Die ab dem 1. April 1991 in Kraft getretene tarifliche Neuregelung sei nicht auf die lange vor Inkrafttreten dieser Bestimmung in Anspruch genommene Beurlaubung anzuwenden. Ein derartiger Rückwirkungswille der Tarifpartner sei dem 66. Änderungstarifvertrag zum BAT nicht zu entnehmen. Sofern von den Tarifvertragsparteien eine Rückwirkung gewollt gewesen wäre, hätten sie dies im Interesse der Rechtsklarheit und Rechtssicherheit klar und unmißverständlich vereinbaren und in dem Tarifvertrag zum Ausdruck bringen müssen. Indes sei bereits mit der tarifvertraglichen Regelung über den Zeitpunkt des Inkrafttretens klargestellt, daß diese Ausweitung des als Unterbrechung unschädlichen Höchstzeitraumes der Bewährungszeit keine Rückwirkung haben solle. Aus der Tarifgeschichte und in Betrachtung der bisherigen Änderungstarifverträge, soweit diese § 23a Ziff. 4 BAT abgeändert hätten, nämlich des 47. Änderungstarifvertrages zum BAT vom 1. Juli 1981, des 55. Änderungstarifvertrages zum BAT zum 9. Januar 1987, des 59. Änderungstarifvertrages zum BAT vom 12. November 1987 und des 63. Änderungstarifvertrages zum BAT vom 23. Oktober 1989 sei zu folgern, daß die Tarifvertragsparteien den als Unterbrechung unschädlichen Zeitraum dem früheren Mutterschaftsurlaub und der jeweiligen Dauer des Erziehungsurlaubes nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz angepaßt hätten. Bei der durch den 66. Änderungstarifvertrag vorgenommenen Erweiterung des § 23a Ziff. 4 BAT seien sich die Tarifvertragsparteien durchaus bewußt gewesen, daß eine rückwirkende Anwendung der Vorschrift nicht nur zu praktischen Schwierigkeiten, sondern auch zu einer erheblichen arbeits- und kostenmäßigen Mehrbelastung geführt hätte. Von daher sei, um diese zu vermeiden, die Stichtagsregelung vereinbart worden, keinesfalls jedoch beabsichtigt gewesen, in der Vergangenheit liegende abgeschlossene Lebenssachverhalte nachträglich neu zu regeln.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen und die Revision gegen sein Urteil nicht zugelassen. Der Senat hat sie jedoch durch Beschluß vom 17. Februar 1993 zugelassen. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren für die Zeit ab 26. April 1991 weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet, denn die Klägerin hat ab dem 26. April 1991 im Wege des Bewährungsaufstieges Anspruch auf Vergütung aus der VergGr. Ib der Anlage 1a zum BAT. Die Unterbrechung der Bewährungszeit vom 8. Juli 1981 bis 7. Juli 1982 hat diese im Tarifsinne nicht unterbrochen, sondern nur aufgeschoben, so daß sie am 25. April 1991 abgelaufen ist.
I. Die Klage ist zulässig, denn es handelt sich um eine der im Bereich des öffentlichen Dienstes üblichen und zulässigen Eingruppierungsfeststellungsklagen (BAGE 51, 59, 65 = AP Nr. 115 zu §§ 22, 23 BAT 1975).
II.1. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet kraft arbeitsvertraglicher Bezugnahme der Bundes-Angestelltentarifvertrag in seiner jeweiligen Fassung einschließlich der diesen ändernden oder ergänzenden Tarifverträge Anwendung.
a) Danach kommt es für die Entscheidung des vorliegenden Rechtsstreits auf die folgenden Tarifbestimmungen an:
Anlage 1a Vergütungsgruppe IIa Fallgruppe 1a
Angestellte mit abgeschlossener wissenschaftlicher Hochschulbildung und entsprechender Tätigkeit sowie sonstige Angestellte, die aufgrund gleichwertiger Fähigkeiten und ihrer Erfahrungen entsprechende Tätigkeiten ausüben. *
…
Vergütungsgruppe Ib Fallgruppe 2
Angestellte, die nach mit dem Hinweiszeichen * gekennzeichneten Tätigkeitsmerkmalen in der Vergütungsgruppe IIa eingruppiert sind, nach elfjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe II a, wenn sie eine Zweite Staatsprüfung abgelegt haben, im übrigen nach fünfzehnjähriger Bewährung in einer Tätigkeit der Vergütungsgruppe II a.
…
b) Voraussetzung für den von der Klägerin geltend gemachten Anspruch auf Eingruppierung in die VergGr. Ib Fallgr. 2 der Anlage 1a zum BAT ist also, daß sie eine entsprechende Tätigkeit ausübt, die volle Bewährungszeit abgelaufen ist und sie sich tatsächlich bewährt hat. Alle diese Anspruchsvoraussetzungen müssen kumulativ vorliegen (BAGE 34, 57 = AP Nr. 14 zu § 23a BAT)
c) Unstreitig hat die Klägerin während der gesamten Dauer ihrer Beschäftigung eine der mit einem * gekennzeichneten Tätigkeiten der VergGr. IIa der Anlage 1a BAT ausgeübt und ebenso unstreitig hat sie auch eine Zweite Staatsprüfung als staatlich geprüfte Lebensmittelchemikerin abgelegt. Es kommt damit allein darauf an, ob die Klägerin die vorgeschriebene Bewährungszeit von 11 Jahren ab dem 26. April 1991, wie sie geltend macht oder erst zum 1. Juli 1993, wie das beklagte Land meint, erfüllt.
III. 1. Nach § 23a Ziff. 4 Satz 1 BAT muß die Bewährungszeit ununterbrochen zurückgelegt sein. Nach Satz 2 1. Halbsatz dieser Vorschrift sind jedoch Unterbrechungen von jeweils bis zu sechs Monaten unschädlich. Unabhängig hiervon sind nach Satz 2 … 2. Halbsatz Buchst. d der Vorschrift in der ab 1. April 1991 gültigen Fassung Unterbrechungen wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz und sonstige Beurlaubung zur Kinderbetreuung bis zu insgesamt fünf Jahren ebenfalls unschädlich. In der vorhergehenden Fassung vom 23. Oktober 1989, gültig ab 1. Juli 1989, waren dagegen nach § 23a Ziff. 4 Satz 2 Unterbrechungen unschädlich wegen der Schutzfristen und des Mutterschaftsurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz und wegen Erziehungsurlaubs nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz i.d.F. vom 25. Juli 1989 oder in einer früheren Fassung.
2. Nachdem die Bewährungszeit der Klägerin wegen “Urlaubs zur Kinderbetreuung” in der Zeit vom 8. Juli 1981 bis 7. Juli 1982 unterbrochen war, ist für den vorliegenden Rechtsstreit allein entscheidungserheblich, ob diese Unterbrechung von der ab 1. April 1991 geltenden Fassung des § 23a Ziff. 4 Satz 2 Buchst. d BAT erfaßt wird oder nicht.
a) Die Klägerin war unstreitig seit dem 15. August 1978 unter Eingruppierung in die VergGr. IIa der Anlage 1a zum BAT bei dem beklagten Land beschäftigt. Die 11-jährige Bewährungsfrist wäre danach ohne Berücksichtigung von Unterbrechungen am 14. August 1989 abgelaufen. Wegen der Unterbrechungen vom 22. November 1979 bis 5. Juli 1980 und vom 23. November 1980 bis 7. Juli 1981 jeweils wegen Mutterschutzfristen und Inanspruchnahme von Mutterschaftsurlaub verlängert sich die Bewährungszeit mit Rücksicht auf § 23a Ziff. 4 Satz 3 Buchst. e BAT um acht Monate und elf Tage bis zum 25. April 1990, da nach dieser Vorschrift zwar die Schutzfristen nach dem Mutterschutzgesetz auf die Bewährungszeit angerechnet wird, Zeiten des Mutterschaftsurlaubs jedoch zur Verlängerung der Bewährungszeit führen. Denn nach dieser Vorschrift in Verb. mit § 23a Ziff. 4 Satz 2 BAT sind Unterbrechungen wegen Inanspruchnahme des Mutterschaftsurlaubes nach dem Mutterschutzgesetz zwar für die Berechnung der Bewährungszeit unschädlich, ihre Dauer wird jedoch auf diese Zeit nicht angerechnet – sie hemmt also deren Ablauf. Für den geltend gemachten Anspruch der Klägerin kommt es mithin entscheidend allein darauf an, ob die Unterbrechung wegen Kinderbetreuung von einem Jahr (1981/82) den Ablauf der Bewährungszeit lediglich gehemmt hat.
b) Macht eine Rechtsnorm die höhere Eingruppierung von dem Ablauf von Bewährungszeiten abhängig, so können diese Bewährungszeiten auch zurückgelegt werden, bevor die Rechtsnorm den Bewährungsaufstieg eingeführt hat. Dies hat der Senat in ständiger Rechtsprechung entschieden und hat mit einer “Rückwirkung” der Rechtsnorm nichts zu tun. Es ist nämlich nichts Ungewöhnliches, wenn Vergütungsvorschriften die Höhe der Vergütung an in der Vergangenheit liegende Tatbestände (hier 11-jährige Bewährung) anknüpfen (vgl. zuletzt BAG Urteile vom 25. September 1991 – 4 AZR 631/90 – und – 4 AZR 33/91 – AP Nr. 13 und 14 zu § 2 BeschFG 1985 und vom 12. Januar 1994 – 4 AZR 102/93 –, zur Veröffentlichung in der Fachpresse vorgesehen; zur Rückwirkung von Gesetzen vgl. BAG Urteil vom 1. Dezember 1993 – 7 AZR 506/92 –, nicht zur Veröffentlichung vorgesehen, mit weiteren Nachweisen).
c) Die Tarifvertragsparteien haben nicht ausdrücklich geregelt, ob sich die mit dem 66. ÄnderungsTV zum BAT erfolgte Ergänzung des § 23a Ziff. 4 Satz 2 Buchst. d BAT um die Worte “und sonstiger Beurlaubung zur Kinderbetreuung” auch auf in der Vergangenheit liegende Tatbestände erstreckt. Diese Frage ist daher durch Auslegung der tariflichen Regelung zu ermitteln.
Die Auslegung des normativen Teils eines Tarifvertrages folgt den für die Auslegung von Gesetzen geltenden Regeln. Auszugehen ist zunächst vom Tarifwortlaut. Zu erforschen ist der maßgebliche Sinn der Erklärung, ohne am Buchstaben zu haften. Der wirkliche Wille der Tarifvertragsparteien ist über den reinen Wortlaut hinaus mitzuberücksichtigen, soweit er in den tariflichen Normen seinen Niederschlag gefunden hat. Abzustellen ist ferner auf den tariflichen Gesamtzusammenhang, weil dieser Anhaltspunkte für den wirklichen Willen der Tarifvertragsparteien liefern und nur so der Sinn und Zweck der Tarifnorm zutreffend ermittelt werden kann (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAGE 42, 86, 89 = AP Nr. 128 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 46, 308, 313 = AP Nr. 135 zu § 1 TVG Auslegung; BAGE 60, 219, 223 f. = AP Nr. 127 zu § 611 BGB Gratifikation; Schaub, Arbeitsrechts-Handbuch, 7. Aufl., XV. Buch (Das Tarifrecht), § 198 III 2b, S. 1488 f.).
Für die Frage, ob ein Tarifvertrag sich auch auf Tatbestände erstreckt, die in der Vergangenheit liegen, somit rückwirkende Bedeutung hat, hat die höchstrichterliche Rechtsprechung im Interesse der Rechtssicherheit und Rechtsklarheit eine klare und unmißverständliche Vereinbarung verlangt (BAG Urteile vom 19. September 1958 – 2 AZR 487/55 – AP Nr. 1 zu § 611 BGB Deputat; vom 27. November 1958 – 2 AZR 9/58 – AP Nr. 69 zu § 1 TVG Auslegung; vom 5. März 1957 – 1 AZR 420/56 –, vom 6. Februar 1980 – 4 AZR 158/78 –, vom 21. Juli 1988 – 2 AZR 527/87 – AP Nr. 1, 7, 10 zu § 1 TVG Rückwirkung). Eine solche eindeutige Vereinbarung einer Rückwirkung ist notwendig und unverzichtbar, da Tarifnormen ebenso wie Gesetze grundsätzlich nur für die Zukunft eine Geltungswirkung beanspruchen (BAG Urteil vom 1. Dezember 1977 – 2 AZR 429/76 – DB 1978, 701).
d) Geht man von diesen Grundsätzen aus, ergibt sich aus dem Wortlaut des Tarifvertrages zunächst kein Anhaltspunkt dafür, daß die Neuregelung, die keinerlei Einschränkung hinsichtlich der von ihr erfaßten Tatbestände enthält, nur solche Beurlaubungen erfassen wollte, die in Zukunft wegen Kinderbetreuung gewährt werden. Würde man der Auffassung des Landesarbeitsgerichts folgen, würde diese Regelung im Extremfall erst nach 11 Jahren wirksam werden. Denn nach dieser Auffassung wäre auch eine am 31. März 1991 endende Unterbrechung schädlich und würde zum Verlust aller vorhergehenden Bewährungszeiten führen. Eine solche gravierende Beschränkung des Wirkungsbereiches der Norm hätten die Tarifvertragsparteien aber im Text der Regelung deutlich machen müssen, etwa durch eine Übergangsregelung oder sonstige eindeutige Angaben im Tarifvertrag.
Zu Unrecht meint das Landesarbeitsgericht, aus der Übergangsvorschrift des § 2 Abs. 1 Buchst. a des 66. Änderungstarifvertrages, nach dem am 1. April 1991 erreichte Beschäftigungs- und Dienstzeiten unberührt bleiben, folge, daß eine frühere Unterbrechung wegen Kinderbetreuung für den Ablauf der Bewährungszeit schädlich sein solle. Wie der eindeutige Wortlaut dieser Regelung zeigt, bezieht sie sich nur auf die Beschäftigungsund Dienstzeiten, nicht jedoch auf die hier in Frage stehende Bewährungszeit.
e) Auch aus dem Zusammenhang der Norm mit anderen Tarifbestimmungen ergibt sich nichts für die Annahme, sie solle allein für solche Unterbrechungen wegen Kinderbetreuung gelten, die in Zukunft eintreten. Das Gegenteil ist vielmehr richtig. Aus der Gleichstellung der Unterbrechungen wegen der Erziehungszeiten nach dem Bundeserziehungsgeldgesetz, den Schutzfristen und dem Mutterschaftsurlaub nach dem Mutterschutzgesetz und schließlich der ständigen Anpassung der Tarifnormen an die Fristen dieser Gesetze folgt, daß die Tarifvertragsparteien demjenigen keine Nachteile aufbürden wollten, dessen Bewährungszeit mit Rücksicht auf die Betreuung von Kindern unterbrochen worden war.
f) Aus der Neuregelung des § 23a Ziff. 4 Satz 2 Buchst. d BAT durch den 66. Änderungstarifvertrag läßt sich auch sonst kein Regelungszweck entnehmen, der darauf gerichtet wäre, vor Inkrafttreten der Neuregelung eingetretene Unterbrechungen wegen Kinderbetreuung als schädliche Unterbrechungen anzusehen mit der Folge, daß sie zum völligen Wegfall der zuvor zurückgelegten Bewährungszeiten führen. Vielmehr läßt sich aus dem Gesamtzusammenhang der Regelung nur entnehmen, daß diese Zeiten im Rahmen der Höchstzeit von fünf Jahren den Ablauf der Bewährungszeit zwar hemmen, aber ebenso wie die Zeiten des Mutterschaftsurlaubs oder des Erziehungsurlaubs nicht zum Wegfall zuvor abgelaufener Bewährungszeiten führen.
3. Nach alledem verlängert sich die Bewährungszeit wegen der Unterbrechung vom 8. Juli 1981 bis 7. Juli 1982 um ein weiteres Jahr, mithin bis zum 25. April 1991. Damit ist die Klage aber für die Zeit ab 26. April 1991 begründet.
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Schaub, Dr. Wißmann, Schneider, Dr. Konow, Schmalz
Fundstellen
Haufe-Index 856652 |
BB 1994, 1359 |
NZA 1995, 130 |