Entscheidungsstichwort (Thema)

Nebentätigkeitsvereinbarung-Widerruf

 

Normenkette

Tarifvertrag zur Regelung der Rechtsverhältnisse der leitenden Krankenhausärzte vom 16. Dezember 1975 (TVR) § 5

 

Verfahrensgang

LAG Hamburg (Urteil vom 12.04.1989; Aktenzeichen 5 Sa 105/88)

ArbG Hamburg (Urteil vom 02.09.1988; Aktenzeichen 22 Ca 71/88)

 

Tenor

1. Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 12. April 1989 – 5 Sa 105/88 – wird zurückgewiesen.

2. Die Beklagte hat die Kosten der Revision zu tragen.

Von Rechts wegen!

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit des Widerrufs einer Nebentätigkeitsabrede.

Der Kläger ist bei der Beklagten in dem der Beklagten unterstehenden Allgemeinen Krankenhaus … aufgrund des Arbeitsvertrages vom 13. August 1985 seit dem 1. September 1985 als leitender Krankenhausarzt tätig. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Bestimmungen des Tarifvertrages zur Regelung der Rechtsverhältnisse der leitenden Krankenhausärzte (TVR) vom 16. Dezember 1975 kraft Vereinbarung Anwendung. § 5 des TVR bestimmt:

Nebentätigkeit ist den leitenden Krankenhausärzten sowie den wissenschaftlichen Angestellten im Rahmen zwischen der Freien und Hansestadt Hamburg und dem Hamburger Verband Leitender Krankenhausärzte e.V. vereinbarten Tarifverträge über die Nebentätigkeit der leitenden Krankenhausärzte vom 10. Juli 1974 und vom 16. Dezember 1975 und der diese ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge gestattet.

Der Arbeitsvertrag beinhaltet zudem die Zusage einer Nebentätigkeitsmöglichkeit mit folgendem Wortlaut:

Nebentätigkeit ist entsprechend den Bestimmungen des zum 30. Juni 1984 gekündigten Tarifvertrages über die Nebentätigkeit der leitenden Krankenhausärzte vom 26. November 1979 gestattet.

Im Hinblick auf die beabsichtigte Neuregelung der Nebentätigkeit der leitenden Krankenhausärzte ist diese Nebenabrede jederzeit kündbar.

Obwohl die Tarifvertragsparteien in den Jahren 1985 bis 1990 verschiedentlich Verhandlungen führten, wurde bisher ein neuer Tarifvertrag über die Nebentätigkeit der leitenden Krankenhausärzte (TVN) nicht abgeschlossen.

Mit Schreiben vom 8. Januar 1988 kündigte die Beklagte die Nebenabrede mit sofortiger Wirkung und bot dem Kläger den Abschluß einer neuen Nebenabrede an. Danach sollte sich die Nebentätigkeit des Klägers künftig nach den Bestimmungen der Verordnung über die Inanspruchnahme von Einrichtungen, Personal und Material des Dienstherrn sowie über das hierfür zu entrichtende Entgelt bei Nebentätigkeiten der hamburgischen Beamten (Inanspruchnahme- und Entgelt-Verordnung) vom 15. Dezember 1987 (IEVO) richten.

Der Kläger ist der Auffassung, die ausgesprochene Kündigung sei unwirksam. Der in der Nebenabrede vereinbarte Kündigungsvorbehalt verstoße gegen § 5 TVR.

Der Kläger hat beantragt

festzustellen, daß die Kündigung der Nebenabrede vom 8. Januar 1988 durch die Beklagte unwirksam ist und daß das Dienstverhältnis des Klägers gemäß den Vereinbarungen vom 13. August 1985, insbesondere auch der Nebenabrede vom 13. August 1985, zu unveränderten Bedingungen fortbesteht.

Die Beklagte hat Klageabweisung beantragt und gemeint, die ausgesprochene Kündigung stelle nur eine Ausübung des in der Nebenabrede vorbehaltenen Rechts dar. § 5 TVR bedeute nur, daß Nebentätigkeit grundsätzlich gestattet sei.

Das Arbeitsgericht hat der Klage entsprochen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Mit der Revision verfolgt die Beklagte ihren Klageabweisungsantrag weiter. Der Kläger bittet, die Revision zurückzuweisen.

 

Entscheidungsgründe

Die Revision ist unbegründet.

I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, bei der ausgesprochenen Kündigung handle es sich um einen Widerruf. Dieser sei von dem wirksam vereinbarten Widerrufsvorbehalt nicht gedeckt. Nach dem Wortlaut der Nebenabrede soll diese jederzeit „im Hinblick auf die beabsichtigte Neuregelung” kündbar sein. Daraus ergebe sich, daß der Widerruf der Nebentätigkeitsregelung nicht in das freie Ermessen des Arbeitgebers gestellt worden sei, sondern nur im Zusammenhang mit einer Neuregelung der Nebentätigkeitsbedingungen erfolgen könne. Durch den Hinweis auf den gekündigten Tarifvertrag in der Nebentätigkeitsabrede müsse weiter davon ausgegangen werden, daß nur der Abschluß eines neuen Tarifvertrages das Widerrufsrecht der Beklagten auslösen könne.

Diese Ausführungen des Landesarbeitsgerichts halten im Ergebnis und in der Begründung der revisionsrechtlichen Überprüfung stand.

II. Der Feststellungsantrag ist begründet. Da die arbeitsvertragliche Nebentätigkeitsregelung nicht wirksam geändert worden ist, besteht das Arbeitsverhältnis unverändert fort.

1. Die arbeitsvertraglich vorgesehene Änderungsmöglichkeit der Nebentätigkeitsregelung ist nur im Hinblick auf die beabsichtigte Neuregelung der Nebentätigkeit der leitenden Krankenhausärzte möglich. Diese hat jedoch noch nicht stattgefunden.

2. Das Landesarbeitsgericht hat die Nebenabrede dahin ausgelegt, daß die Beklagte sich einen Widerruf der Nebentätigkeitsregelung vorbehalten und diesen mit Schreiben vom 8. Januar 1988 ausgesprochen hat. Dies ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden und wird auch von der Revisionsklägerin nicht angegriffen.

3. Der Widerruf ist aber von dem vereinbarten Vorbehalt nicht gedeckt und deshalb unwirksam. Die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung, daß nur der Abschluß eines neuen Tarifvertrages das Widerrufsrecht der Beklagten auslösen könne, ist revisionsrechtlich nicht zu beanstanden.

Bei der Nebenabrede handelt es sich um einen atypischen Vertrag, dessen Auslegung durch den Tatrichter das Revisionsgericht nur dahingehend überprüfen kann, ob sie gegen zwingende Auslegungsregeln, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verstößt oder wesentliche Umstände unberücksichtigt läßt (ständige Rechtsprechung: vgl. BAG Urteil vom 11. November 1987 – 4 AZR 339/87BAGE 56, 326, 333 = AP Nr. 5 zu § 3 BAT und zuletzt BAG Urteil vom 7. November 1991 – 6 AZR 514/89 – nicht veröffentlicht, zu I 1 der Gründe). Solche Rechtsfehler sind nicht ersichtlich und werden auch von der Revision nicht aufgezeigt.

Die Nebenabrede nimmt ausdrücklich auf den gekündigten TVN Bezug und bestimmt weiter, daß diese Vereinbarung „im Hinblick auf die beabsichtigte Neuregelung” kündbar sein soll. Dadurch ist eindeutig zum Ausdruck gebracht worden, daß der Widerruf der Nebentätigkeitsregelung nur im Zusammenhang mit einer tariflichen Neuregelung der Nebentätigkeitsbedingungen erfolgen konnte, nicht jedoch ins freie Ermessen des Arbeitgebers gestellt werden sollte. Nur der Abschluß eines neuen Tarifvertrages sollte das Widerrufsrecht der Beklagten auslösen.

Auch außerhalb der Nebenabrede liegende Umstände führen nicht zu einer anderen Auslegung der Vereinbarung. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend berücksichtigt, daß es zum Zeitpunkt des Vertragsschlusses bereits eine IEVO gab, die nur durch die Neuregelung der IEVO vom 15. Dezember 1987 ersetzt worden ist. Zudem enthalten weder der TVN noch die Nebenabrede selbst einen Hinweis auf die IEVO. Die Nebentätigkeit war bisher immer durch Tarifvertrag geregelt worden. Auch wenn der bisherige Tarifvertrag gekündigt war, kann daraus nicht der Schluß gezogen werden, in Zukunft sollte die Nebentätigkeit nicht mehr tarifvertraglich geregelt werden. Die Tarifvertragsparteien standen zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses sogar in Vertragsverhandlungen über einen Neuabschluß des Nebentätigkeitstarifvertrages. Dem Widerrufsvorbehalt kann nicht entnommen werden, daß die Beklagte die Nebentätigkeitsabrede auch dann kündigen kann, wenn sie beabsichtigt, andere, außerhalb des TVN liegende Regelungen, zur Anwendung zu bringen.

Entgegen der Auffassung der Revision verstößt die dargelegte Auslegung auch nicht gegen Denkgesetze. Da es an der Feststellung der Tarifgebundenheit des Klägers, insbesondere zur Zeit des Vertragsschlusses fehlt, war es erforderlich die Nebentätigkeit des Klägers einzelvertraglich zu vereinbaren. Die Vereinbarung bezog sich lediglich auf den gekündigten TVN, nicht jedoch auf die den TVN ändernden, ergänzenden oder ersetzenden Tarifverträge. Um nicht für alle Zeiten an den gekündigten TVN gebunden zu sein, mußte zwangsläufig ein Widerrufsvorbehalt vereinbart werden, den die Parteien wegen der absehbaren Zeit an die Neuregelung des TVN gekoppelt haben.

Auf die vom Landesarbeitsgericht vorgenommene Prüfung, ob die Beklagte einen Anspruch auf Vertragsanpassung wegen der neugefaßten Bundespflegesatzverordnung hat, war nicht mehr einzugehen, da diese Prüfung über den vom Kläger erhobenen Feststellungsantrag hinausgeht. Maßgebend ist allein der Sachantrag, an den das Gericht gebunden ist (§ 308 ZPO). Weil die Kündigung der Nebenabrede schon vom Widerrufsvorbehalt nicht gedeckt ist, war auch die Prüfung der vom Kläger behaupteten Zuständigkeit des Gesamtpersonalrats entbehrlich.

III. Die Kostenfolge ergibt sich aus § 97 Abs. 1 ZPO.

 

Unterschriften

Dr. Jobs, Dr. Freitag, Dr. Armbrüster, Wax, Mergenthaler

 

Fundstellen

Dokument-Index HI1099389

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