Entscheidungsstichwort (Thema)
Verspätete Inanspruchnahme der Arbeitnehmerweiterbildung
Tenor
Auf die Revision des Klägers wird das Urteil
des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 30. Oktober 1998 - 15 Sa
377/99 - aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweiten
Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten der
Revision - an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Vergütung des Klägers für die Dauer seiner Teilnahme an einer Bildungsveranstaltung.
Der Kläger ist Arbeitnehmer der Beklagten und Mitglied der IG-Metall. Mit Schreiben vom 15. August 1995 teilte er der Beklagten mit, er beabsichtige vom (10.) 11. bis 15. September 1995 an einem Seminar mit dem Titel "Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I" teilzunehmen und beantrage Freistellung nach dem Arbeitnehmerweiterbildungsgesetz NRW (AWbG). Unter dem 17. August 1995 schrieb die Beklagte an den Kläger:
"Seminar "Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I"
Sehr geehrter Herr ...,
Sie erhalten vom 11.09.1995 bis zum 15.09.1995 unbezahlten
Sonderurlaub.
Diese Zeit wird nachträglich wie Arbeitszeit vergütet, wenn
gerichtlich rechtskräftig die Rechtsauffassung bestätigt wird, daß
die Bildungsmaßnahme durch das AWbG abgedeckt ist. In diesem Fall
erfolgt eine Verrechnung mit den gerichtlich festgestellten
Ansprüchen aus dem AWbG.
Mit freundlichen Grüßen"
Der Kläger nahm an der genannten Veranstaltung teil. Der Themenplan lautete:
"LERNZIELE
Angestrebt wird die Vermittlung von Grundkenntnissen der sozialen
und ökonomischen Zusammenhänge in Betrieb, Wirtschaft und
Gesellschaft sowie von Informationen über die Aufgaben des
Betriebsrates.
INHALT
Arbeitnehmende in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft
Die Stellung abhängig Beschäftigter im Betrieb:
- Aufbau, Funktion, Ziele und Strukturen von Betrieben und
Unternehmen;
- Der Betrieb im Spannungsfeld sozialer Interessen;
- Der Betriebsrat als Träger der Interessenvertretung;
- Die Situation der Arbeitnehmenden in Betrieb und Gesellschaft;
- Die Stellung und wirtschaftliche Lage der Arbeitnehmenden;
- Die Stellung des Betriebsrates im System der Rechtsordnung;
- Verhalten bei der Zusammenarbeit;
- Strategie und Taktik;
- Informationsaustausch und Kommunikation des Betriebsrates mit
der Belegschaft und anderen Stellen.
Die Arbeitsteilung der Funktionsträger im Betrieb
Die Vertretung der Interessen der abhängig Beschäftigten im
Betrieb durch Vertrauenskörper, Betriebsrat und Jugend- und
Auszubildendenvertretung:
- Vertrauensleute;
- Betriebsratsmitglieder;
- Jugend- und Auszubildendenvertreter/-innen;
- Vertrauensleute der Schwerbehinderten;
- Sicherheitsbeauftragte usw.;
- Die Stellung der Gewerkschaft im Betrieb nach dem
Betriebsverfassungsgesetz und der Rechtsprechung.
Entwicklung von Perspektiven für die weitere Arbeit."
Die Beklagte verweigerte dem Kläger die Zahlung der Vergütung, die der Kläger sodann mit Schreiben vom 22. Dezember 1995 in Höhe von 1.057,53 DM brutto verlangte.
Der Kläger macht geltend, das Seminar habe der politischen Weiterbildung gedient und sei entsprechend den Bedingungen des Weiterbildungsgesetz von dem als Träger der Weiterbildung anerkannten DGB-Bildungswerk durchgeführt worden. Unerheblich sei, daß er die Bildungsveranstaltung nicht innerhalb der in § 5 Abs. 1 AWbG bestimmten Frist von mindestens vier Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung schriftlich mitgeteilt habe.
Der Kläger hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 1.086,12 DM brutto nebst 4%
Zinsen aus dem sich ergebenden Nettobetrag seit dem 11. Juni 1996
zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
den Kläger mit der Klage abzuweisen.
Das Arbeitsgericht und das Landesarbeitsgericht haben die Klage abgewiesen. Hiergegen wendet sich der Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision. Die Beklagte bittet um deren Zurückweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision des Klägers ist begründet. Sie führt zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht zur anderweiten Verhandlung und Entscheidung.
I. Ein Anspruch des Klägers ergibt sich nicht nach § 7 AWbG. Ein gesetzlicher Anspruch auf Entgeltfortzahlung entsteht nach dieser Vorschrift nur, wenn der Arbeitgeber den Arbeitnehmer von seiner Arbeitspflicht zur Teilnahme an einer Maßnahme der Arbeitnehmerweiterbildung freistellt (ständige Rechtsprechung des Senats vgl. BAG 21. Oktober 1997 - 9 AZR 253/96 - AP BildungsurlaubsG NRW § 1 Nr. 24, mwN = EzA AWbG NW § 7 Nr. 28). Die Beklagte hat dem Kläger indessen lediglich unbezahlten Sonderurlaub gewährt.
II. Den Erwägungen des Landesarbeitsgerichts zum Anspruch des Klägers aus der Sondervereinbarung folgt der Senat nicht.
1. Die Arbeitsvertragsparteien können aufgrund ihrer Vertragsfreiheit vereinbaren, daß dem Arbeitnehmer durch die Gewährung von unbezahltem Sonderurlaub die Teilnahme an einer umstrittenen Bildungsveranstaltung ermöglicht und der Streit über die Entgeltpflicht des Arbeitgebers der späteren gerichtlichen Klärung vorbehalten wird (ständige Senatsrechtsprechung vgl. BAG 9. Februar 1993 - 9 AZR 648/90 - AP BildungsurlaubsG Hessen § 9 Nr. 1 = EzA HBUG § 1 Nr. 2). Eine solche Vereinbarung haben die Parteien getroffen. Die Beklagte hat dem Kläger vom 11. bis 15. September 1995 unbezahlten Sonderurlaub gewährt und ihm gleichzeitig angeboten, diese Tage unter den in ihrem Schreiben vom 17. August 1995 näher bestimmten Voraussetzungen zu vergüten. Dieses Angebot hat der Kläger angenommen, indem er während der fraglichen Zeit der Arbeit ferngeblieben ist und an dem Seminar teilgenommen hat. Eine ausdrückliche Annahmeerklärung war nicht erforderlich (§ 151 BGB).
2. Das Landesarbeitsgericht hat einen vertraglichen Anspruch des Klägers verneint und dies im wesentlichen damit begründet, die Beklagte habe die nachträgliche Vergütung nur für den Fall zugesagt, daß sämtliche Voraussetzungen für einen Anspruch des Klägers nach dem AWbG erfüllt seien. Daran fehle es, weil der Kläger seine Freistellung entgegen § 5 Abs. 1 AWbG nicht spätestens vier Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung beantragt habe. § 5 Abs. 1 AWbG enthalte eine materiell-rechtliche Ausschlußfrist, bei deren Versäumung der Arbeitnehmer keinen Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an der mitgeteilten Bildungsveranstaltung habe. Nach dem Inhalt ihres Schreibens habe die Beklagte auf die Einhaltung der Frist als Voraussetzung des Zahlungsanspruchs des Klägers nicht verzichtet. Die Gewährung des Sonderurlaubs habe die Fristversäumung nicht geheilt.
3. Mit dieser Begründung kann die Klage nicht abgewiesen werden.
a) Das Landesarbeitsgericht ist zunächst zutreffend davon ausgegangen, daß der Kläger die Frist des § 5 Abs. 1 AWbG nicht gewahrt hat. Zwischen dem Zugang seiner Mitteilung bei der Beklagten und dem Beginn der Bildungsveranstaltung lagen keine vollen vier Wochen (§ 187 Abs. 2 iVm. § 188 Abs. 2 Halbsatz 2 BGB). Zu Recht hat es auch angenommen, daß ein Arbeitnehmer, der dem Arbeitgeber seine Teilnahmeabsicht an einer bestimmten Bildungsveranstaltung nicht fristgerecht mitteilt, keinen Anspruch auf Freistellung für die angegebene Bildungsveranstaltung hat. Diese Rechtsfolge ist im Gesetz zwar nicht ausdrücklich bestimmt. Sie ergibt sich aber aus dem systematischen Zusammenhang der Norm mit dem Ablehnungsrecht des Arbeitgebers nach § 5 Abs. 2 AWbG und dem Zweck dieser Verfahrensvorschriften.
Die Mitteilung des Arbeitnehmers soll dem Arbeitgeber erkennbar ermöglichen, die Abwesenheit des Arbeitnehmers von der Arbeit einzuplanen. Ihm wird Gelegenheit gegeben, festzustellen, ob sich die Freistellung mit den betrieblichen Interessen und den Urlaubsanträgen anderer Arbeitnehmer (§ 5 Abs. 2 AWbG) vereinbaren läßt. Das dem Arbeitgeber danach ggf. zustehende Ablehnungsrecht ist ebenfalls fristgebunden geltend zu machen. Die Ablehnungserklärung muß dem Arbeitnehmer spätestens drei Wochen vor Beginn der Bildungsveranstaltung zugehen und ist außerdem schriftlich zu begründen. Hierdurch wird der Arbeitnehmer in die Lage versetzt, die Richtigkeit der angegebenen Gründe zu überprüfen, um ggf. seine Teilnahme an der Bildungsfreistellung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu erreichen. Diese zeitlich abgestimmte förmliche Regelung bedingt, daß der Arbeitnehmer selbst die ihm obliegende gesetzliche Mitteilungsfrist gewahrt hat. Andernfalls wird dem Arbeitgeber eine Pflicht zur begründeten Reaktion auf das Freistellungsbegehren auferlegt, die im Gesetz nicht vorgesehen ist. Hat der Arbeitnehmer seine Freistellung verspätet verlangt, ist der Arbeitgeber daher auch dann nicht verpflichtet, die sonst geschuldete Freistellungserklärung (vgl. BAG 24. August 1993 - 9 AZR 240/90 - AP BildungsurlaubsG NRW § 1 Nr. 9 = EzA AWbG NW § 7 Nr. 16) abzugeben, wenn die Bildungsveranstaltung den Anforderungen des § 1 AWbG entspricht und nach Maßgabe von § 9 AWbG durchgeführt wird.
Ob die Frist des § 5 Abs. 1 AWbG deshalb als "materiellrechtliche Ausschlußfrist" zu bezeichnen ist, wie das Landesarbeitsgericht meint, ist für die Entscheidung ohne Bedeutung. Das gilt auch für die Erwägung des Klägers, in § 5 Abs. 1 AWbG seien lediglich Verfahrensfragen und keine materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen geregelt. Welcher Rechtsnachteil sich aus der verspäteten Inanspruchnahme der Arbeitnehmerweiterbildung ergibt, bestimmt sich nach dem Inhalt der Vorschrift und nicht nach deren Zuordnung. Richtig ist insoweit nur, daß eine verspätete Mitteilung den kalenderjährlichen (§ 3 Abs. 1 AWbG) Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitnehmerweiterbildung im übrigen unberührt läßt.
b) Die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts tragen das von ihm gefundene Auslegungsergebnis nicht, die Beklagte habe nach dem Inhalt ihres Schreibens vom 17. August 1997 den Zahlungsanspruch des Klägers von der Einhaltung der Frist des § 5 Abs. 1 AWbG abhängig gemacht.
aa) Feststellungen des Landesarbeitsgerichts dazu, ob es sich bei dem Schreiben um das typische Formularschreiben handelt, mit dem die Beklagte regelmäßig auf die Inanspruchnahme der Arbeitnehmerweiterbildung reagiert und dessen Auslegung durch das Tatsachengericht deshalb der uneingeschränkten Rechtskontrolle des Revisionsgerichts unterliegt, fehlen. Es ist daher zu unterstellen, daß das Schreiben eine auf den Einzelfall abgestimmte und damit nicht typische Willenserklärung ist. Die Auslegung solcher Individualvereinbarungen obliegt grundsätzlich dem Tatsachengericht. Sie ist revisionsrechtlich nur eingeschränkt darauf zu überprüfen, ob die allgemeinen Auslegungsregeln (§§ 133, 157 BGB) verletzt sind, die Auslegung gegen Erfahrungs- oder Denkgesetze verstößt oder für die Auslegung wesentlicher Tatsachenstoff nicht berücksichtigt worden ist (ständige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, vgl. BAG 26. Mai 1992 - 9 AZR 27/91 - AP HGB § 74 Nr. 63 = EzA HGB § 74 Nr. 54).
bb) Auch diesem eingeschränkten Prüfmaßstab hält das Berufungsurteil nicht stand.
Die Auslegung des Landesarbeitsgerichts erschöpft sich im wesentlichen in einem Hinweis auf den "erklärten Willen der Beklagten", gerichtlich sämtliche Anspruchsvoraussetzungen überprüfen zu lassen und auf eine Betonung der Formulierung, die streitige Bildungsmaßnahme müsse durch das AWbG "abgedeckt" sein. Der vollständige Wortlaut des Schreibens der Beklagten wird nicht erwähnt und dementsprechend auch nicht ausgewertet. Zu vermissen ist eine Abwägung der für und gegen die Auslegung sprechenden Gründe und deren nachvollziehbare Darlegung im Urteil (vgl. BGH 9. Juli 1992 - XII ZR 268/90 - NJW - RR 1992, 1226). Hiervon durfte das Landesarbeitsgericht auch nicht im Hinblick auf § 5 Abs. 1 AWbG absehen. Im Streit ist nicht der gesetzliche Anspruch des Arbeitnehmers nach dem AWbG, sondern der Inhalt der von der Beklagten eingegangenen rechtsgeschäftlichen Verpflichtung. Dieser bestimmt sich nach ihren Erklärungen und nicht nach den sich aus einer verfristeten Mitteilung nach § 5 Abs. 1 AWbG ergebenden Rechtsfolgen. Erwägungen zu einem "Verzicht" der Beklagten auf die Einhaltung der Frist und zur "Heilung" durch die Gewährung des Sonderurlaubs kommen danach nur zum Tragen, soweit sie für den Inhalt des vertraglichen Anspruchs des Klägers von Bedeutung sind. Das Landesarbeitsgericht hätte mithin auch prüfen müssen, wie der Kläger als Empfänger der Erklärungen der Beklagten die mit der gleichzeitigen Gewährung von Sonderurlaub verbundene Vergütungszusage verstehen durfte. Zu Recht rügt daher die Revision die Verletzung der allgemeinen Regel, nach der sich die Auslegung empfangsbedürftiger Willenserklärungen nach dem Empfängerhorizont bestimmt.
4. Dieser Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts führt indessen nicht zur Aufhebung des Berufungsurteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das Landesarbeitsgericht. Der Senat kann das Schreiben der Beklagten selbst auslegen, da der erforderliche Sachverhalt vollständig festgestellt und weiteres tatsächliches Vorbringen nicht zu erwarten ist (vgl. BAG 26. August 1997 - 9 AZR 761/95 - AP BGB § 611 Lehrer, Dozenten Nr. 137). Danach kommt es auf die verspätete Geltendmachung der Arbeitnehmerweiterbildung durch den Kläger nicht an.
a) Die Beklagte hat sich zur nachträglichen Vergütung des einwöchigen unbezahlten Sonderurlaubs verpflichtet, "wenn gerichtlich rechtskräftig die Rechtsauffassung bestätigt wird, daß die Bildungsmaßnahme durch das AWbG abgedeckt ist". Die Beklagte hat also nicht etwa formuliert, der Kläger erhalte nachträglich die Vergütung, wenn gerichtlich bestätigt werde, er habe einen Anspruch auf Freistellung zur Teilnahme an der Bildungsveranstaltung nach dem AWbG gehabt oder dessen Anforderungen müßten in jeder Hinsicht erfüllt sein. Nach dem Wortlaut des Schreibens hat sie ausschließlich einen Bezug zwischen der Bildungsveranstaltung als solcher und dem AWbG hergestellt. Entgegen ihrer Auffassung ist anderes dem Begriff "abgedeckt" nicht zu entnehmen. Auch dieser bezieht sich nur auf das Verhältnis der Bildungsveranstaltung zum AWbG.
Die Zahlungspflicht der Beklagte sollte zudem bestehen, wenn "die" Rechtsauffassung bestätigt wird. Die Beklagte hat mit dieser Formulierung auf das Freistellungsbegehren des Klägers zurückgegriffen, in dem er die Bildungsveranstaltung als solche der Arbeitnehmerweiterbildung iSd. AWbG beurteilte. Der Ablehnung seines Antrags bei gleichzeitiger Gewährung des (zunächst) unbezahlten Sonderurlaubs konnte der Kläger dementsprechend nur entnehmen, daß die Beklagte seine Auffassung nicht teilt und sein Vergütungsanspruch daher von einer seine Auffassung bestätigenden Entscheidung über Inhalt und Durchführung der Bildungsveranstaltung nach § 1 und § 9 AWbG abhängen sollte. Unterstrichen wird dieses Verständnis durch den Umstand, daß das Antragsschreiben des Klägers zwar einen Hinweis auf das dem Arbeitgeber aus organisatorischen Gründen zustehende Ablehnungsrecht nach § 5 Abs. 2 AWbG enthält. Die Frist des § 5 Abs. 1 AWbG ist aber weder dort genannt noch haben die Parteien beim Abschluß ihrer Sondervereinbarung die verspätete Mitteilung des Klägers angesprochen.
b) Folgt man der Vorstellung der Beklagten, so lief die Vereinbarung überdies von vornherein ins Leere. Denn die Überschreitung der Frist stand unabänderlich fest. Ein durchsetzbarer Anspruch des Klägers auf Gewährung der Freistellung nach dem AWbG schied damit für diese Bildungsveranstaltung ersichtlich aus (vgl. LAG Düsseldorf 12. November 1992 - 13 (8) Sa 1198/92 - LAGE AWbG NW § 5 Nr. 1; Schlömp, AiB 1986, 58; Schiefer, Schulung und Weiterbildung im Arbeits- und Dienstverhältnis Rn. 322 a). Der Einwand der Beklagten, die Auslegung ihres Schreibens iS des Klägers unterstelle ihr einen juristischen Kenntnisstand des AWbG , den sie nicht gehabt haben könne, verfängt demgegenüber nicht. Im Streit ist nicht der Wissensstand der Beklagten von der gesetzlichen Regelung sondern der Inhalt der von ihr rechtsgeschäftlich begründeten Zahlungsverpflichtung. Der Senat unterstellt der Beklagten indessen nicht, sie habe dem Kläger den Abschluß einer Sondervereinbarung angeboten, nach deren Inhalt er keinen Vergütungsanspruch erwerben konnte.
c) Das Auslegungsergebnis der Beklagten steht überdies nicht mit dem Ziel der Sondervereinbarung in Einklang. Danach sollte dem Kläger in seinem Interesse die Teilnahme an der gewünschten Bildungsveranstaltung ermöglicht werden, während das Interesse der Beklagten darauf gerichtet war, die ausgefallene Arbeitszeit nicht ohne weiteres zu vergüten. Gleichwohl wollte sie mit der von ihr vorgeschlagenen Regelung den Anspruch des Klägers auf Arbeitnehmerweiterbildung für 1995 durch diese Arbeitsbefreiung erfüllen. Deutlich wird das aus der von ihr angebotenen Umsetzung bei einem Obsiegen des Klägers. So sollte in diesem Fall "eine Verrechnung mit den ... Ansprüchen aus dem AWbG" erfolgen. Die Gewährung des Sonderurlaubs sollte mithin nachträglich als Erfüllung des Anspruchs des Klägers auf Arbeitnehmerweiterbildung für 1995 gelten. Aus der Sicht des Klägers hatte die Annahme des Angebots der Beklagten daher zur Folge, daß er für 1995 keinen neuerlichen - fristgerechten - Antrag auf Freistellung für eine andere Bildungsmaßnahme stellen konnte, weil er seinen Anspruch insoweit "verbraucht" hatte. Auch die Beklagte verkennt nicht, daß eine verspätete Mitteilung nach § 5 Abs. 1 AWbG den Anspruch des Arbeitnehmers auf Arbeitnehmerweiterbildung für das jeweilige Kalenderjahr unberührt läßt. Damit ist nicht zu vereinbaren, daß ihre Vergütungszusage gleichwohl von der rechtzeitigen Geltendmachung der Arbeitnehmerweiterbildung abhängen soll.
III. Der Senat kann in der Sache nicht abschließend entscheiden. Das Landesarbeitsgericht hat nicht geprüft, ob die vom Kläger besuchte Bildungsveranstaltung der politischen oder beruflichen Arbeitnehmerweiterbildung im Sinne von § 1 Abs. 2 AWbG gedient hat und ob die Veranstaltung nach den Bestimmungen des AWbG im Sinne von § 9 AWbG durchgeführt ist und damit die für einen Zahlungsanspruch des Klägers vorausgesetzten Bedingungen erfüllt sind. Das wird das Landesarbeitsgericht nachzuholen haben:
1. Der Senat hat ein Seminar mit dem Titel "Arbeitnehmer in Betrieb, Wirtschaft und Gesellschaft I" bereits als politische Arbeitnehmerweiterbildung beurteilt ( BAG 21. Oktober 1997 - 9 AZR 253/96 - AP BildungsurlaubsG NRW § 1 Nr. 24 = EZA AWbG NW § 7 Nr. 28). Ob das auch für das hier streitbefangene Seminar gilt, ist vom Landesarbeitsgericht zu beurteilen.
2. Zu klären ist, ob die Veranstaltung von einem anerkannten Träger der Weiterbildung im Sinne von § 9 Satz 1 a AWbG durchgeführt worden ist. Zwar hat der Kläger behauptet, die Bildungsveranstaltung sei von dem als Einrichtung der Weiterbildung in anderer Trägerschaft anerkannten DGB-Bildungswerk durchgeführt worden. Das hat die Beklagte bestritten. Feststellungen des Landesarbeitsgerichts hierzu fehlen.
3. Dem Anspruch des Klägers steht grundsätzlich nicht entgegen, daß der Träger der Bildungsveranstaltung nur von Nicht-Gewerkschaftsmitgliedern einen Kostenbeitrag erhoben hat (ständige Senatsrechtsprechung vgl. BAG 21. Oktober 1997 - 9 AZR 253/96 - AP BildungsurlaubsG NRW § 1 Nr. 24 = EzA AWbG NW § 7 Nr. 28). Nicht geklärt ist jedoch die Richtigkeit der Behauptung des Klägers, das Seminar sei auch im übrigen für jedermann zugänglich gewesen und im Betrieb der Beklagten bekannt gemacht worden.
IV. Sollte das Landesarbeitsgericht dem Grunde nach einen vertraglichen Anspruch des Klägers bejahen, wird es zu beachten haben, daß nach den Feststellungen des Arbeitsgerichts auf das Arbeitsverhältnis der Parteien die Tarifverträge der Eisen-, Metall- und Elektroindustrie NRW in ihrer jeweiligen Fassung anzuwenden sind. Da der Kläger im Dezember 1995 vorgerichtlich lediglich 1.057,53 DM brutto geltend gemacht hat, ist nicht auszuschließen, daß ein Anspruch auf den Differenzbetrag zu den nunmehr verlangten 1.086,12 DM brutto wegen Nichtwahrung der tariflichen Ausschlußfrist in § 19 MTV Metall NRW erloschen ist. Seine Berechnung ist im übrigen unklar. Bei dem vom Kläger angegebenen Stundenlohn von 30,17 DM und 36 Stunden/Woche ergibt sich ein Betrag von 1.086,12 DM brutto.
V. Das Landesarbeitsgericht hat auch über die Kosten der Revision zu entscheiden.
Leinemann
Düwell ReinH. Kranzusch
Rainer Otto
Fundstellen