Entscheidungsstichwort (Thema)
Erziehungsurlaub. Tarifliche Sonderzahlungen
Leitsatz (redaktionell)
Bestätigung der Rechtsprechung aus dem Urteil vom 10. Februar 1993 – 10 AZR 450/91 – zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen.
Normenkette
BErzGG § 15
Verfahrensgang
Tenor
Die Revision der Klägerin gegen das Urteil es Landesarbeitsgerichts Frankfurt am Main vom 24. Juni 1991 – 11 Sa 285/91 – wird zurückgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten der Revision.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der tariflichen Sonderzahlungen für die Jahre 1988 und 1989.
Die Klägerin ist bei dem beklagten Luftfahrtunternehmen als Mitarbeiterin des Bordpersonals beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien findet der Manteltarifvertrag Nr. 3 a für das Bordpersonal der Deutschen Lufthansa (im folgenden: MTV-Bord Nr. 3 a) in der Fassung vom 1. Januar 1987 kraft einzelvertraglicher Vereinbarung Anwendung. Dieser bestimmt zur Zahlung von Urlaubs- und Weihnachtsgeld:
„§ 18
Urlaubs- und Weihnachtsgeld
(1) Alle Angehörigen des Bordpersonals erhalten jährlich Urlaubs- und Weihnachtsgeld in Höhe von je einem halben Betrag der für die Monate Mai und November zustehenden Vergütung (§ 5 Abs. 1 a), b), c), d) und f)).
(2) Angehörige des Bordpersonals, deren Beschäftigungsverhältnis im Laufe eines Kalenderjahres beginnt oder endet, erhalten das Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilig nach der Zahl der Beschäftigungsmonate im Kalenderjahr.
Bei vor dem 1. Mai eines Jahres ausscheidenden Angehörigen des Bordpersonals richtet sich die Berechnung des Urlaubsgeldes nach der für den Ausscheidemonat zugrunde liegenden vollen Vergütung (§ 5 Abs. 1 a), b), c), d) und f)). § 17 c Abs. 1, Satz 2 gilt entsprechend.
Bei vor dem 1. November eines Jahres ausscheidenden Angehörigen des Bordpersonals richtet sich die Berechnung des Weihnachtsgeldes nach der für den Ausscheidemonat zugrunde liegenden vollen Vergütung (§ 5 Abs. 1 a), b), c), d) und f)).
(3) Bei Arbeitsbefreiung ohne Fortzahlung der Vergütung – ausgenommen die Fälle des § 15 a Abs. 1 – und vertraglichem oder gesetzlichem Ruhen des Arbeitsverhältnisses wird das Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilig nach der Anzahl der gearbeiteten Kalendermonate gewährt, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruhte. § 17 c Abs. 1, Satz 2 gilt entsprechend.
(4) Der Anspruch nach den Absätzen 1, 2 und 3 entfällt, wenn für keinen Kalendertag eines Kalenderjahres Anspruch auf Vergütung oder Krankenbezüge nach § 13 Abs. 1 bis 4, 10 und 11 besteht.
(5) Das Urlaubsgeld wird mit den Mai-Bezügen, das Weihnachtsgeld mit den November-Bezügen gezahlt.”
In der Fassung vom 1. Juli 1990 des MTV-Bord Nr. 3 a lautet § 18 Abs. 3 wie folgt:
„Bei Arbeitsbefreiung und Fortzahlung der Vergütung – ausgenommen die Fälle des § 15 a Abs. 1 – und Ruhen des Arbeitsverhältnisses wird das Urlaubs- und Weihnachtsgeld anteilig nach der Anzahl der gearbeiteten Kalendermonate gewährt, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruhte …”
Die Klägerin befand sich, in der Zeit vom 9. Dezember 1987 bis 12. August 1988 und nochmals vom 1. Mai 1989 bis 4. März 1990 im Erziehungsurlaub. Die Beklagte zahlte der Klägerin für das Jahr 1988 5/12 und für das Jahr 1989 4/12 des tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgelds.
Mit ihrer Klage vom 19. April 1990 macht die Klägerin die Zahlung des ungekürzten Urlaubs- und Weihnachtsgelds für die Jahre 1988 und 1989 geltend.
Sie ist der Ansicht, ihr stehe der volle Betrag des Urlaubs- und Weihnachtsgelds zu, weil ihr Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs nicht gesetzlich oder vertraglich geruht habe. Das Bundesarbeitsgericht habe in den Entscheidungen vom 10. Mai 1989 und vom 7. Dezember 1989 bei Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ein Ruhen des Arbeitsverhältnisses kraft Gesetzes oder aufgrund einer Vereinbarung verneint.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an sie 6.108,26 DM nebst 4 % Zinsen seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie ist der Auffassung, § 18 Abs. 3 des MTV-Bord Nr. 3 a sehe die Kürzungsmöglichkeit vor; bei „vertraglichem oder gesetzlichem Ruhen des Arbeitsverhältnisses” sei das Urlaubs- und Weihnachtsgeld nur anteilig nach der Anzahl der gearbeiteten Kalendermonate zu gewähren. Diese Kürzung könne auch dann, vorgenommen werden, wenn der gesetzliche Erziehungsurlaub verlangt werde. Es reiche aus, daß das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach einer gesetzlich eingeräumten Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub erfolge, also eine Gesetzesfolge darstelle.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin blieb ohne Erfolg. Mit der Revision verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsanspruch weiter. Die Beklagte beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin kann die Zahlung des ungekürzten tariflichen Urlaubs- und Weihnachtsgelds für die Jahre 1988 und 1989 nicht verlangen.
I. Das Landesarbeitsgericht hat ausgeführt, die Klägerin habe keinen Anspruch auf das volle Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 1988 und 1989 nach § 18 Abs. 1 MTV-Bord Nr. 3 a, weil die Ausnahmevorschrift des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a eingreife. Danach sei bei vertraglichem oder gesetzlichem Ruhen des Arbeitsverhältnisses eine nur anteilige Gewährung des Urlaubs- und Weihnachtsgeldes nach der Anzahl der gearbeiteten Kalendermonate vorgesehen, in denen das Arbeitsverhältnis nicht ruhte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin habe wegen des in Anspruch genommenen Erziehungsurlaubs in diesem Sinne geruht. Die Regelung des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a betreffe nicht nur den Fall des Ruhens kraft Gesetzes, sondern könne nur so verstanden werden, daß damit alle Ruhenstatbestände erfaßt werden sollten, die auf eine gesetzliche Grundlage zurückzuführen seien. Es bestehe nämlich ein erheblicher sprachlicher Unterschied zwischen „Ruhen kraft Gesetzes” und „gesetzlichem Ruhen”. Bei der bloßen Erwähnung des Begriffs „bei gesetzlichem Ruhen” fehle es an jedem Anhaltspunkt, daß damit nur gesetzliche Ansprüche gemeint seien, die ohne zusätzliche Handlungen begründet würden. Bei dem Erziehungsurlaub handele es sich um einen derartigen gesetzlichen Anspruch, da bei Vorliegen der gesetzlichen Voraussetzungen jede Arbeitnehmerin/jeder Arbeitnehmer das Recht habe, Erziehungsurlaub in gesetzlichem Umfang zu nehmen. Zweck des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a sei es, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld auf die Monate zu beschränken, in denen tatsächlich gearbeitet worden sei und den Anspruch für die Zeit des Ruhens des Arbeitsverhältnisses zu kürzen. Das „gesetzliche Ruhen” im Sinne von § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a erfasse daher alle Fälle, bei denen der Ruhenstatbestand aus der Geltendmachung gesetzlicher Ansprüche folge wie bei der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub. Auch die Streichung der Worte „vertraglichem oder gesetzlichem” vor dem Wort „Ruhen” in § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a mit Wirkung vom 1. Juli 1990 mache deutlich, daß die Tarifvertragsparteien den Erziehungsurlaub als gesetzlichen Ruhenstatbestand verstanden wissen wollten.
Die Angriffe der Revision gegen diese Urteilsbegründung vermögen am Ergebnis der Entscheidung nichts zu ändern.
II. Zu Recht hat das Landesarbeitsgericht den Anspruch der Klägerin auf Zahlung des ungekürzten Urlaubs- und Weihnachtsgelds für 1988 und 1989 verneint. Der Klägerin steht nach § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a lediglich das anteilige Urlaubs- und Weihnachtsgeld für die Jahre 1988 und 1989 zu, weil ihr Arbeitsverhältnis gesetzlich geruht hat.
1. Dabei hat das Landesarbeitsgericht zunächst zutreffend angenommen, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin während des Erziehungsurlaubs geruht hat. Das hat das Bundesarbeitsgericht bisher in ständiger und insoweit unangefochtener Rechtsprechung entschieden (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG; BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG; Urteil vom 24. Oktober 1989 – 8 AZR 253/88 – AP Nr. 52 zu § 7 BUrlG Abgeltung).
2. Die Beklagte war nach § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a in der im streitigen Zeitraum geltenden Fassung vom 1. Januar 1987 berechtigt, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Klägerin für die Jahre 1988 und 1989 anteilig nach der Zahl der gearbeiteten Kalendermonate, in denen das Arbeitsverhältnis nicht geruht hat, im Verhältnis zu den Monaten, in denen das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen des Erziehungsurlaubs ruhte, zu kürzen, da aufgrund des Erziehungsurlaubs der Klägerin ein Fall des „vertraglichen oder gesetzlichen Ruhens” ihres Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a vorliegt.
a) Im Falle der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht das Arbeitsverhältnis der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers zwar nicht „vertraglich” im Sinne von § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a in der Fassung vom 1. Januar 1987. Mit den Entscheidungen des Sechsten Senats (BAGE 62, 35 = AP Nr. 2 zu § 15 BErzGG und BAGE 63, 375 = AP Nr. 3 zu § 15 BErzGG) ist davon auszugehen, daß das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs nicht auf eine Vereinbarung zwischen dem Arbeitgeber und der Arbeitnehmerin/dem Arbeitnehmer zurückzuführen ist. Bei Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen des § 15 BErzGG erhält die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer den Erziehungsurlaub allein auf ihr/sein Verlangen hin. Ein Einverständnis des Arbeitgebers hiermit ist nicht erforderlich. Die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub liegt im Alleinentscheidungsrecht der anspruchsberechtigten Arbeitnehmerin/des anspruchsberechtigten Arbeitnehmers; der Arbeitgeber muß das Fernbleiben der Arbeitnehmerin/des Arbeitnehmers von dem gewünschten Zeitpunkt an hinnehmen.
b) Die Vorinstanzen haben aber zutreffend entschieden, daß ein gesetzliches Ruhen des Arbeitsverhältnisses der Klägerin im Sinne von § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a in der maßgeblichen Fassung vorliegt.
Der Senat hat in seiner Entscheidung vom 10. Februar 1993 (– 10 AZR 450/91 – zur Veröffentlichung vorgesehen) festgestellt, daß das Ruhen des Arbeitsverhältnisses nach der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub durch die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer bei Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen des § 15 BErzGG „kraft Gesetzes” eintritt. Wie bei der Einberufung zum Wehrdienst, ist die Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ein Tatbestand, an dessen Verwirklichung die gesetzliche Regelung das Ruhen des Arbeitsverhältnisses anknüpft. Ebenso wie das Ruhen des Arbeitsverhältnisses des zum Grundwehrdienst einberufenen Arbeitnehmers eintritt, wenn dieser einberufen wird, tritt das Ruhen des Arbeitsverhältnisses während des Erziehungsurlaubs dann ein, wenn die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer Erziehungsurlaub in Anspruch nimmt. Aus der gesetzlichen Regelung des Erziehungsurlaubs im BErzGG ergibt sich damit „kraft Gesetzes” oder „gesetzlich” das Ruhen des Arbeitsverhältnisses, obwohl die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer den Erziehungsurlaub selbst – ggf. gegen den Willen des Arbeitgebers – durch einseitige gestaltende Willenserklärung verlangen kann. Dem steht nicht entgegen, daß das BErzGG – anders als § 1 ArbPlSchG – nicht ausdrücklich bestimmt, daß das Arbeitsverhältnis während des Erziehungsurlaubs ruht. Auch im Falle der Inanspruchnahme von Erziehungsurlaub ruht das Arbeitsverhältnis deswegen, weil sich das aus der gesetzlichen Regelung und damit „kraft Gesetzes” ergibt, nicht aber, weil die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer Erziehungsurlaub auch gegen den Willen des Arbeitgebers in Anspruch nehmen kann.
c) Nach diesen Grundsätzen ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, daß während des Erziehungsurlaubs der Klägerin ein gesetzliches Ruhen ihres Arbeitsverhältnisses im Sinne des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a in der Fassung vom 1. Januar 1987 vorgelegen hat. Wenn der MTV-Bord Nr. 3 a in der maßgeblichen Fassung von „gesetzlichem Ruhen” spricht, sind die Ruhenstatbestände gemeint, die sich aus der gesetzlichen Ausgestaltung, hier des Erziehungsurlaubs im BErzGG, ergeben; dieses sieht die Bedingungen für die Inanspruchnahme des Erziehungsurlaubs vor. Bei tatsächlichem Verlangen des Erziehungsurlaubs durch die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer ergibt sich dann das Ruhen des Arbeitsverhältnisses als gesetzliche Folge.
d) Dieses Ergebnis wird durch die weitere Tarifentwicklung bestärkt. Die Tarifvertragsparteien haben den MTV-Bord Nr. 3 a mit Wirkung vom 1. Juli 1990 dahin geändert, daß sie die Merkmale „vertraglichem oder gesetzlichem” vor „Ruhen” in § 18 Abs. 3 gestrichen und somit klargestellt haben, daß die Kürzung des Urlaubs- und Weihnachtsgelds bei jedem Fall des Ruhens des Arbeitsverhältnisses eingreifen soll.
Liegt nach allem ein „gesetzliches Ruhen” des Arbeitsverhältnisses der Klägerin im Sinne des § 18 Abs. 3 MTV-Bord Nr. 3 a in der hier maßgeblichen Fassung vom 1. Januar 1987 vor, so war die Beklagte berechtigt, das Urlaubs- und Weihnachtsgeld der Klägerin für die Jahre 1988 und 1989 im Verhältnis der Kalendermonate, in denen die Klägerin gearbeitet hat, zu den Kalendermonaten, in denen das Arbeitsverhältnis der Klägerin wegen des Erziehungsurlaubs ruhte, zu kürzen. Somit steht der Klägerin ein Anspruch auf das ungekürzte Urlaubs- und Weihnachtsgeld für 1988 und 1989 nicht zu. Das hat das Landesarbeitsgericht zu Recht erkannt. Die Revision der Klägerin ist daher unbegründet.
III. Die Kosten ihrer erfolglosen Revision hat nach § 97 Abs. 1 ZPO die Klägerin zu tragen.
Unterschriften
Matthes Der ehrenamtliche Richter Grimm ist wegen Beendigung der Amtszeit an der Unterschrift verhindert. Matthes, Dr. Freitag, Hauck, Seyd
Fundstellen