Entscheidungsstichwort (Thema)
Darlegungslast für Sozialauswahl bei Interessenausgleich mit Namensliste
Verfahrensgang
LAG Düsseldorf (Urteil vom 12.08.1998; Aktenzeichen 12 (9) Sa 246/98) |
ArbG Wuppertal (Urteil vom 27.11.1997; Aktenzeichen 2 Ca 3585/97) |
Tenor
Die Revision der Beklagten gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 12. August 1998 – 12 (9) Sa 246/98 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der am 6. Oktober 1949 geborene, verheiratete und gegenüber seiner getrennt lebenden Ehefrau sowie drei Kindern unterhaltspflichtige Kläger ist seit 12. März 1984 als gewerblicher Arbeitnehmer bei der Beklagten beschäftigt. Er war zuletzt in der Sägerei als Fertigungslöhner eingesetzt und erhielt in Lohngruppe 4 des Lohnrahmenabkommens der Metallindustrie Nordrhein-Westfalen vom 19. Februar 1975 in der Fassung vom 16. Mai 1991 eine monatliche Bruttovergütung von 4.072,00 DM.
Am 27. Juni 1996 kündigte die Beklagte fristgerecht das Arbeitsverhältnis mit der Begründung, daß in der Sägerei Arbeiten in der Lohngruppe 4 entfallen seien und eine anderweitige Weiterbeschäftigung des Klägers nicht möglich sei. Der Kläger erhob daraufhin Kündigungsschutzklage, der die zehnte Kammer des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf durch Urteil vom 16. Juni 1997 – 10 Sa 368/97 – stattgab.
Im Jahr 1997 beschloß die Beklagte, die Zulieferer für die Automobilindustrie ist und in ihrem Werk in R… über 750 Arbeitnehmer beschäftigte, die … “Fertigung mittlerer und kleinerer Serien-Profilteile” und die “Produktionspalette Nissan” zum 31. Dezember 1997 ins Ausland zu verlagern. Hingegen hat sie die zwei großen Abteilungen “Presserei und Montage” und “Profilscharniere” sowie eine kleine Abteilung zur Teilefertigung für Saab behalten und läßt fortan nur noch in Gruppenarbeit arbeiten. Bei der Auswahl der 125 zu kündigenden Mitarbeiter verfuhr sie wie folgt: Sie erstellte ein “Werkerprofil”, nach dessen Vorgaben die Vorgesetzten in einem persönlichen Profil die Leistungen, Fähigkeiten, Kenntnisse und sonstigen Eigenheiten (z. B. Krankheitszeiten, Belastbarkeit) eines jeden Mitarbeiters zu beurteilen hatten. Entsprechend der individuellen Erfüllung des Werkerprofils wählte die Beklagte die Mitarbeiter aus: Die günstig beurteilten Mitarbeiter wurden im Umfang des nach der Betriebsänderung verbleibenden Personalbedarfs nicht zur Kündigung vorgesehen; die übrigen, schlechter beurteilten Mitarbeiter wurden auf eine Namensliste gesetzt. In den Verhandlungen über einen Interessenausgleich erhob der Betriebsrat gegen die Namensliste in sechs Fällen Einwände. Danach kam am 30. Juni 1997 der Interessenausgleich mit der Namensliste zustande, in der auch der Kläger aufgeführt ist.
Mit Schreiben vom 16. Juli 1997 hörte die Beklagte den Betriebsrat unter Bezugnahme auf die Betriebsänderung zu der beabsichtigten Kündigung an. Mit Schreiben vom 25. Juli 1997 sprach sie gegenüber dem Kläger die ordentliche Kündigung des Arbeitsverhältnisses zum 31. Januar 1998 aus, die der Kläger mit seiner am 7. August 1997 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage angegriffen hat.
Nachdem der Kläger sie davon in Kenntnis setzte, die Anerkennung als Schwerbehinderter beantragt zu haben, beantragte die Beklagte bei der Hauptfürsorgestelle die Zustimmung zu einer beabsichtigten vorsorglichen Kündigung. Nach Erteilung der Zustimmung sprach sie mit Schreiben vom 14. Oktober 1997 eine weitere betriebsbedingte Kündigung zum 31. März 1998 aus. Am 16. Oktober 1997 hat der Kläger auch diese Kündigung vor dem Arbeitsgericht angegriffen.
Der Kläger hat insbesondere die Sozialauswahl gerügt und die Beklagte aufgefordert, die Gesichtspunkte ihrer sozialen Auswahl offenzulegen. Er hat vorgetragen, daß er die Anforderungen des “Werkerprofils” erfülle. Er beherrsche die deutsche Sprache soweit, wie es für das Arbeitsverhältnis erforderlich sei. Ihm fehle auch nicht die Qualifikation, einen anderen Arbeitsplatz der Lohngruppe 3, z. B. in der Presserei oder Montageabteilung, zu übernehmen. Zwar sei er bisher vorwiegend in der Sägerei beschäftigt gewesen. Im Rahmen von Urlaubsvertretungen habe er aber auch in anderen Bereichen ausgeholfen. Seine Eingruppierung in Lohngruppe 4 stehe der Vergleichbarkeit mit Arbeitnehmern der Lohngruppe 3 nicht entgegen, wie das Landesarbeitsgericht schon in seinem Urteil vom 16. Juni 1997 entschieden habe.
Der Kläger hat, soweit für die Revisionsinstanz von Belang, beantragt,
1. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis bei der Beklagten durch die Kündigung der Beklagten mit Schreiben vom 25. Juli 1997 zum 31. Januar 1998 nicht aufgelöst wird;
2. festzustellen, daß das Arbeitsverhältnis auch nicht durch die Kündigung vom 14. Oktober 1997 aufgelöst worden ist;
3. die Beklagte zu verurteilen, ihn über den 31. Januar 1998 hinaus zu unveränderten Bedingungen zu beschäftigten.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Sie hat vorgetragen, nach dem Wegfall sämtlicher Arbeitsplätze der Lohngruppe 4 in der Sägerei seien die Beschäftigungsmöglichkeiten für den Kläger entfallen. Er weise nur sehr begrenzte Deutschkenntnisse auf. Nach dem persönlichen “Werkerprofil” fehlten ihm die Qualifikationen, über die die weiterbeschäftigten Werker der Lohngruppe 3 verfügten.
Das Arbeitsgericht hat nach den genannten Feststellungsanträgen erkannt und die Beklagte verurteilt, den Kläger zu unveränderten Bedingungen über den Ablauf der Kündigungsfrist weiterzubeschäftigen.
Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
Mit ihrer vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision begehrt die Beklagte weiterhin Klageabweisung.
Entscheidungsgründe
Die Revision der Beklagten ist unbegründet. Die streitige Kündigung ist gemäß § 1 Abs. 1, 3 KSchG in der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung sozial ungerechtfertigt und daher rechtsunwirksam.
I. Das Landesarbeitsgericht hat angenommen, eine generelle Vorselektion nach betrieblichen Interessen, wie sie die Beklagte vorgenommen habe, sei unzulässig. Zudem sei die Beklagte ihren Darlegungspflichten nach § 1 Abs. 3 KSchG nicht ausreichend nachgekommen, weshalb die grobe Fehlerhaftigkeit der Sozialauswahl im Sinne von § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG zu unterstellen sei.
II. Das angefochtene Urteil ist im Ergebnis nicht zu beanstanden.
1. Wie das Landesarbeitsgericht zutreffend ausgeführt hat, kann hier offenbleiben, ob die streitigen Kündigungen im Hinblick auf den Vorprozeß (Arbeitsgericht Wuppertal – 5 Ca 3056/96 –, LAG Düsseldorf – 10 Sa 368/97 –) schon unter dem Aspekt der “Wiederholungs-” bzw. “Trotzkündigung” als unwirksam anzusehen sind (vgl. Senatsurteil vom 7. März 1996 – 2 AZR 180/95 – AP Nr. 76 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung). Geht man zugunsten der Beklagten davon aus, daß das inzwischen rechtskräftige Urteil des Landesarbeitsgerichts im Vorprozeß der erneuten Sachprüfung für die hier streitigen Kündigungen nicht grundsätzlich entgegensteht, so hat das Landesarbeitsgericht auf die streitigen Kündigungen zutreffend § 1 Abs. 5 Satz 1 KSchG angewandt (vgl. zur Anwendbarkeit der bis 31. Dezember 1998 geltenden Fassung des KSchG auf vor dem 1. Januar 1999 zugegangene Kündigungen die Senatsurteile vom 21. Januar 1999 – 2 AZR 624/98 – und vom 10. Februar 1999 – 2 AZR 716/98 –, beide zur Veröffentlichung vorgesehen). Danach wird vermutet, daß die Kündigungen durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG bedingt sind. Insoweit kann dahinstehen, ob das Landesarbeitsgericht die grundlegende Darlegungslast des Klägers (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1998 – 2 AZR 536/97 – AP Nr. 94 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung, auch zur Veröffentlichung in der Amtlichen Sammlung vorgesehen) verkannt hat; denn zum einen ändert dies nichts am Ergebnis der Betriebsbedingtheit der Kündigungen, zum anderen ist dem Landesarbeitsgericht darin beizupflichten, daß die streitigen Kündigungen jedenfalls gemäß § 1 Abs. 3 KSchG sozial ungerechtfertigt und daher unwirksam sind.
2. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 3 KSchG hat grundsätzlich der Arbeitnehmer die Tatsachen darzulegen und zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG erscheinen lassen, d. h. als unwirksam deshalb, weil der Arbeitgeber bei der Auswahl die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter und die Unterhaltspflichten des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat. Gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG hat allerdings der Arbeitgeber auf Verlangen des Arbeitnehmers die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt hatten. An dieser Bestimmung hat § 1 Abs. 5 KSchG nichts geändert, d. h. sie gilt auch dann, wenn wie hier ein Interessenausgleich mit einer Namensliste der zu kündigenden Arbeitnehmer abgeschlossen wurde (vgl. Senatsurteil vom 7. Mai 1998, aaO; LAG Düsseldorf Urteil vom 16. Februar 1998 – 5 Sa 2029/97 – BB 1998, 1268; KR-Etzel, 5. Aufl., § 1 KSchG Rz 746; Kohte, BB 1998, 946, 953 f.; jeweils m. w. N.).
a) Vorliegend hat der Kläger mangels ausreichender eigener Kenntnis die Angabe der Auswahlgründe von der Beklagten verlangt. Bezogen auf die vier noch in Lohngruppe 4 weiterbeschäftigten Arbeitnehmer hat die Beklagte die Auswahlgründe hinreichend dargelegt. Insoweit wird die getroffene Auswahl vom Kläger auch nicht beanstandet.
b) Allerdings hat der Kläger darüber hinaus bezogen auf die mit Lohngruppe 3 weiterbeschäftigten Arbeitnehmer geltend gemacht, er sei mit diesen vergleichbar, und er hat sich dafür auf das inzwischen rechtskräftige Urteil im Vorprozeß gestützt. Dies hat die Beklagte, sieht man zunächst von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG ab, nicht substantiiert bestritten, und zudem hat insoweit das Landesarbeitsgericht in dem angefochtenen Urteil für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend die Vergleichbarkeit des Klägers mit den in Lohngruppe 3 weiterbeschäftigten Arbeitnehmern festgestellt, ohne daß dem die Revision mit zulässigen Rügen gemäß § 561 Abs. 2 letzter Halbsatz ZPO entgegengetreten wäre. Ihre Ansicht, die Annahme der Vergleichbarkeit der Arbeitnehmer aus beiden Lohngruppen verbiete sich schon aus Rechtsgründen, ist unzutreffend. Gerade auch in der von der Revision angezogenen Entscheidung vom 5. Oktober 1995 (– 2 AZR 269/95 – BAGE 81, 86 = AP Nr. 71 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung) hat der Senat betont, einer eventuell unterschiedlichen Vergütung könne für die Frage der Vergleichbarkeit zwar indizielle Bedeutung beizumessen sein, in erster Linie sei aber eine tätigkeitsbezogene Prüfung anzustellen (vgl. II 3 vor c der Gründe; vgl. ferner schon Senatsurteil vom 7. Februar 1985 – 2 AZR 91/84 – AP Nr. 9 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl). Es kann somit offenbleiben, ob das Urteil des Landesarbeitsgerichts Düsseldorf vom 16. Juni 1997 nicht zumindest insoweit präjudiziell wirkt, als es die Vergleichbarkeit des Klägers mit den in Lohngruppe 3 beschäftigten Arbeitnehmern angenommen und zur tragenden Begründung erhoben hat.
c) Mangels zulässiger Revisionsrügen für den Senat gemäß § 561 Abs. 2 ZPO bindend ist weiter die Feststellung des Landesarbeitsgerichts, die Beklagte habe bezogen auf die in Lohngruppe 3 beschäftigten Arbeitnehmer überhaupt nicht nach § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG ausgewählt, sondern die Auswahl ausschließlich anhand eines Spektrums von Leistungs- und Fähigkeitskriterien vorgenommen. Was die eigentlichen Sozialkriterien im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG anbetrifft, brauchte der Kläger deshalb nichts weiter darzulegen. Läßt man die sogenannte Leistungsträgerregelung (§ 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG) außer acht, ist die streitige Kündigung ohne weiteres als sozialwidrig anzusehen (vgl. BAG Urteile vom 21. Dezember 1983 – 7 AZR 421/82 – AP Nr. 4 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; vom 18. Oktober 1984 – 2 AZR 61/83 – AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Betriebsbedingte Kündigung; vom 21. Juli 1988 – 2 AZR 75/88 – AP Nr. 17 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl und vom 15. Juni 1989 – 2 AZR 580/88 – BAGE 62, 116 = AP Nr. 18 zu § 1 KSchG 1969 Soziale Auswahl; KR-Etzel, aaO, Rz 716 a, 717; Löwisch, KSchG, 7. Aufl., § 1 Rz 379). Der Prüfungsmaßstab der groben Fehlerhaftigkeit gemäß § 1 Abs. 5 Satz 2 KSchG ändert daran nichts. Dieser Prüfungsmaßstab könnte erst dann Bedeutung erlangen, wenn es aufgrund entsprechenden Sachvortrags der Beklagten überhaupt etwas zu prüfen gäbe.
d) Auch die Berufung der Beklagten auf § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG führt zu keinem anderen Ergebnis. Danach sind in die soziale Auswahl nach Satz 1 Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Insoweit obliegt dem Arbeitgeber von vornherein die Darlegungs- und Beweislast (vgl. Bader, NZA 1996, 1125, 1129; Matthießen, NZA 1998, 1153, 1158 f.), und zwar entgegen der Ansicht der Revision auch im Anwendungsbereich von § 1 Abs. 5 KSchG (vgl. Fischermeier, NZA 1997, 1089, 1097). In jedem Fall oblag sie der Beklagten hier aber zunächst schon deshalb, weil sich die durch die Aufforderung des Klägers gemäß § 1 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 KSchG ausgelöste Mitteilungspflicht der Beklagten auch auf die Darlegung solcher betrieblichen Interessen erstreckte (vgl. Ascheid, RdA 1997, 333, 339; KR-Etzel, aaO, Rz 712; Hueck/von Hoyningen-Huene, KSchG, 12. Aufl., § 1 Rz 490; Löwisch, aaO, Rz 336).
Im Ergebnis hat das Landesarbeitsgericht völlig zu Recht erkannt, daß die Beklagte ihrer diesbezüglichen Darlegungslast nicht substantiiert nachgekommen ist. Die Beklagte hat sich damit begnügt, angebliche Fehler und Schwächen des Klägers pauschal zu behaupten. Zu den Kenntnissen, Fähigkeiten und Leistungen der vergleichbaren Arbeitnehmer in Lohngruppe 3, die deren Weiterbeschäftigung als im berechtigten betrieblichen Interesse liegend begründen könnten, hat sie nichts vorgetragen. Bei § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG geht es nicht um die Darlegung von Gründen, weshalb ein Arbeitnehmer ungeachtet sozialer Gesichtspunkte in jedem Fall entlassen werden soll, sondern um die Darlegung, weshalb an sich vergleichbare Arbeitnehmer im betrieblichen Interesse nicht in die soziale Auswahl einbezogen werden sollen. Dies hat die Beklagte verkannt.
Selbst wenn es aber als ausreichend anzusehen wäre, daß die Beklagte Defizite des Klägers darlegte und für alle weiterbeschäftigten Arbeitnehmer der Lohngruppe 3 behauptete, bei ihnen habe es im Gegensatz zum Kläger keine oder nur deutlich geringere Beanstandungen gegeben, wäre jedenfalls zu verlangen gewesen, daß die Beklagte die gegenüber dem Kläger erhobenen Vorwürfe ausreichend konkretisierte, so daß sie einem substantiierten Bestreiten und einer Beweisaufnahme zugänglich gewesen wären. Der Sachvortrag der Beklagten genügt jedoch nicht einmal diesen Anforderungen. Wie sie selbst auf den Auflagenbeschluß des Landesarbeitsgerichts vom 13. Mai 1998 hin einräumen mußte, hatte sie nicht das individuelle “Werkerprofil” des Klägers vorgelegt, sondern versehentlich das eines anderen Arbeitnehmers. Sie hat das individuelle “Werkerprofil” des Klägers auch nicht nachgereicht. Weder zu den angeblichen Defiziten des Klägers noch zu den für die Weiterbeschäftigung der anderen Arbeitnehmer pauschal behaupteten Vorzügen hat die Beklagte Beweis angetreten, obwohl der Kläger ihre Behauptungen – soweit ihm dies bei der mangelnden Substantiierung überhaupt möglich war – bestritten hatte.
e) Nach alledem kann dahinstehen, welches Gewicht die betrieblichen Interessen im Sinne von § 1 Abs. 3 Satz 2 KSchG haben müssen, welche Anforderungen insoweit an die Darlegungen des Arbeitgebers gerade bei Massenentlassungen zu stellen sind und ob es nach der gesetzlichen Regelung überhaupt zulässig gewesen sein könnte, bei derartigen Massenentlassungen ausschließlich nach betrieblichen Interessen auszuwählen, so daß § 1 Abs. 3 Satz 1 KSchG völlig leerlaufen würde.
Unterschriften
Etzel, Bröhl, Fischermeier, Piper, Bartz
Fundstellen
Haufe-Index 2628891 |
ZInsO 1999, 543 |