Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung des Personalrats bei Kurzarbeit. Mitbestimmung des Personalrats bei der Einführung von Kurzarbeit. Annahmeverzug
Leitsatz (amtlich)
Das Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG erstreckt sich nicht auf die Einführung von Kurzarbeit.
Orientierungssatz
- Nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG hat der Personalrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der betrieblichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Dieses Mitbestimmungsrecht erfasst – wie das nach § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG – nicht den Umfang der vom Arbeitnehmer vertraglich geschuldeten Arbeitszeit. Der Umstand, dass das BPersVG keine der Vorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entsprechende Regelung enthält, berechtigt für sich allein nicht zu einem weitergehenden Verständnis des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG.
- Eine Übertragung der auf § 75 Abs. 4 BPersVG gestützten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zum Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei der Anordnung von Überstunden auf die Einführung von Kurzarbeit ist wegen des Wortlauts von § 75 Abs. 4 BPersVG und der unterschiedlichen Auswirkungen auf vertragliche Rechtspositionen des Arbeitnehmers nicht möglich.
- Ohne das Vorliegen eines gesetzlichen Mitbestimmungstatbestands kommen einer Dienstvereinbarung wegen § 73 Abs. 1 BPersVG keine Rechtswirkungen zu.
- Eine Erweiterung der gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände des BPersVG durch Tarifvertrag ist wegen § 3 BPersVG nicht möglich. Das verstößt nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Die Tarifvertragsparteien können die betreffende Angelegenheit selbst regeln.
- Mit der Anordnung von Kurzarbeit erklärt der Arbeitgeber, dass er eine zeitlich weitergehende Arbeitsleistung des Arbeitnehmers ablehne. Für den Annahmeverzug des Arbeitgebers genügt deshalb regelmäßig ein wörtliches Angebot des Arbeitnehmers nach § 295 BGB.
Normenkette
GG Art. 9 Abs. 3; BPersVG §§ 3, 73 Abs. 1, § 75 Abs. 3 Nr. 1, Abs. 4; BetrVG § 87 Abs. 1 Nrn. 2-3; BGB §§ 295, 615
Verfahrensgang
Tenor
- Auf die Revision des Klägers wird das Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg vom 25. November 2005 – 20 Sa 112/04 – aufgehoben.
Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Stuttgart vom 21. Oktober 2004 – 9 Ca 745/03 – abgeändert:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 2.933,37 Euro brutto abzüglich 89,61 Euro brutto und abzüglich 333,60 Euro Kurzarbeitergeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 1.088,52 Euro brutto vom 24. November 2003 bis 22. Dezember 2003, aus 2.027,37 Euro brutto vom 23. Dezember 2003 bis 25. Januar 2004, aus 2.933,37 Euro brutto vom 26. Januar 2004 bis 22. Februar 2004 und dem sich aus 2.843,76 Euro brutto abzüglich 333,60 Euro Kurzarbeitergeld ergebenden Differenzbetrag seit dem 23. Februar 2004 zu zahlen.
- Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über Gehaltsansprüche aus Annahmeverzug wegen der Anordnung von Kurzarbeit.
Die Beklagte ist eine Betriebskrankenkasse und Körperschaft des öffentlichen Rechts. Der Kläger ist bei ihr als leitender Beauftragter für Widerspruchsangelegenheiten beschäftigt. Die Parteien haben ihren Arbeitsvertrag mit Wirkung vom 1. Mai 2002 neu gefasst und darin ua. vereinbart:
“2. …
Die Tätigkeit (des Klägers) ist auf der Basis einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden in Entgeltgruppe F 2 des Haustarifvertrags vom 20.04.2001 eingruppiert.
…
9. …
9.1
Die Bestimmungen des oder der Haustarifverträge gelten in ihrer jeweiligen gültigen Fassung insoweit, als dieser Arbeitsvertrag nichts anderes regelt. Sollte künftig ein anderer Tarifvertrag für die Kasse verbindlich sein, findet dieser auch im Rahmen des Arbeitsverhältnisses Anwendung, soweit dieser Arbeitsvertrag nichts anderes bestimmt. …
9.2
Allgemeine betriebliche Richtlinien, Dienstvereinbarungen und Bestimmungen sowie insbesondere die Arbeitsordnung sind, soweit sie diesem Arbeitsvertrag nicht widersprechen, in ihrer jeweils gültigen Fassung wesentlicher Bestandteil desselben.”
Nach dem Haustarifvertrag zwischen der Beklagten und der IG Metall vom 20. April 2001 betrug die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit 38,5 Stunden. Am 8. Juli 2003 schlossen die Tarifparteien einen “Änderungs- und Beschäftigungssicherungstarifvertrag” (TV). Darin heißt es:
“3. …
Mit Auslaufen der beantragten Kurzarbeit wird die tarifliche Arbeitszeit von 38,5 auf 38 Wochenstunden unter Beibehaltung der geltenden Tarifeinkommen reduziert.
…
6. Es wird eine Dienstvereinbarung “Kurzarbeit” für die Laufzeit von maximal 12 Monaten zwischen Vorstand und Personalrat vereinbart. Festgelegt werden der Umfang der Reduzierung, die betroffenen Beschäftigten und die Verteilung der ausfallenden Arbeitszeit auf die Arbeitstage bzw. Arbeitswochen.
…”
Am 4. August 2003 schlossen die Beklagte und der bei ihr gebildete Personalrat eine “Dienstvereinbarung über Kurzarbeit” (DV). Sie enthielt auszugsweise folgende Regelungen:
“2. Mit Wirkung vom 01.10.2003 wird für die Zeit vom 01.10.2003 bis 30.09.2004 Kurzarbeit eingeführt.
3. Die tarifliche wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Wochenstunden wird im Durchschnitt aller Beschäftigten auf 34 Wochenstunden reduziert.
Der Arbeitsausfall wird in der Regel zeitlich so gelegt, dass ganze Tage ausfallen und vor und/nach Samstag und Sonntag für einzelne Beschäftigte Arbeitsruhe herrscht. …
Für die jeweiligen Arbeitsbereiche werden bis zum 25. des laufenden Monats Monatspläne aufgestellt. Anschließend ist der jeweilige Monatsplan den Beschäftigten bekannt zu geben.”
Die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte genehmigte die von der Beklagten für ihre Mitarbeiter angemeldete Kurzarbeit. Ende September 2003 wies die Beklagte den Kläger an, in der Zeit von Oktober bis Dezember 2003 jeweils vier Tage monatlich weniger zu arbeiten. Sie kürzte die reguläre Vergütung des Klägers für den Monat Oktober 2003 um 1.088,52 Euro brutto, für November um 938,85 Euro brutto und für Dezember um 906,00 Euro brutto. Im Februar 2004 erhielt der Kläger für den Monat Dezember 2003 333,60 Euro Kurzarbeitergeld. Die Beklagte zahlte an ihn am 23. Februar 2004 außerdem 89,61 Euro brutto nachträglich als Vergütung für den Monat Oktober 2003.
Mit seiner Klage macht der Kläger die verbliebenen Differenzbeträge geltend. Er hat die Auffassung vertreten, die Anordnung von Kurzarbeit durch die Beklagte sei mangels Rechtsgrundlage unwirksam. Der TV selbst enthalte dazu keine abschließende Regelung. Die DV scheide mangels Mitbestimmungsrechts des Personalrats als Ermächtigungsgrundlage aus. Unabhängig davon gingen seine vertraglichen Ansprüche den sie verschlechternden kollektiven Regelungen vor. Im Übrigen habe die Beklagte gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz verstoßen, weil sie für sechs mit ihm vergleichbare Mitarbeiter keine Kurzarbeit angeordnet habe.
Der Kläger hat zuletzt beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, an ihn 2.933,37 Euro brutto abzüglich 89,61 Euro brutto und abzüglich 333,60 Euro Kurzarbeitergeld nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus unterschiedlichen Beträgen für bestimmte Zeiträume zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat die Ansicht vertreten, schon der TV, zumindest aber die DV stelle eine ausreichende Grundlage für die Anordnung von Kurzarbeit dar. Vorrangige vertragliche Ansprüche des Klägers bestünden nicht. Dessen Ungleichbehandlung sei sachlich gerechtfertigt.
Die Vorinstanzen haben die Klage abgewiesen. Mit der Revision verfolgt der Kläger sein Zahlungsbegehren weiter.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist begründet. Dem Kläger steht die Klageforderung zu. Sie folgt aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte vermochte Kurzarbeit nicht wirksam anzuordnen. Nr. 6 TV ist dafür keine geeignete Grundlage. Sie war dazu auch nicht auf der Grundlage der DV berechtigt. Die Einführung von Kurzarbeit kann kein Regelungsgegenstand einer Dienstvereinbarung sein.
I. Der Anspruch des Klägers ergibt sich aus § 615 Satz 1 BGB. Die Beklagte befand sich in der Zeit von Oktober bis Dezember 2003 im Umfang von monatlich vier Arbeitstagen mit der Annahme der Dienste des Klägers im Verzug. Der Kläger besitzt einen vertraglichen Anspruch auf Leistung und Vergütung von 40 Wochenarbeitsstunden. Dieses Zeitvolumen ist durch die Anordnung von Kurzarbeit für den fraglichen Zeitraum nicht wirksam vermindert worden. Der Kläger kann für die infolge des Verzugs nicht geleisteten Dienste Vergütung verlangen, ohne zur Nacharbeit verpflichtet zu sein.
1. Kurzarbeit im vergütungsrechtlichen Sinne ist die vorübergehende Kürzung des Volumens der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit bei anschließender Rückkehr zum vereinbarten Zeitumfang. Ihre Einführung bedarf einer besonderen normativen oder einzelvertraglichen Rechtsgrundlage. Das Direktionsrecht des Arbeitgebers ist kein geeignetes Instrument, um die vertraglich eingegangene Beschäftigungs- und Vergütungspflicht einzuschränken (BAG 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 1 der Gründe; 14. Februar 1991 – 2 AZR 415/90 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4 = EzA BetrVG 1972 § 87 Kurzarbeit Nr. 1, zu II der Gründe).
2. Eine einvernehmliche oder durch Änderungskündigung herbeigeführte vertragliche Abrede der Parteien über eine Verkürzung des Umfangs der regelmäßig geschuldeten Arbeitszeit des Klägers liegt nicht vor.
3. Die arbeitsvertraglich in Bezug genommenen Bestimmungen des TV haben eine solche Verkürzung nicht bewirkt. Das hat das Landesarbeitsgericht zutreffend erkannt.
Nr. 6 TV ist keine unmittelbar gestaltend wirkende Regelung. Die Tarifparteien haben darin schon nach dem Wortlaut Kurzarbeit nicht selbst eingeführt, sondern dazu auf eine noch abzuschließende Dienstvereinbarung zwischen Arbeitgeber und Personalrat abgestellt. Nr. 6 TV gibt hierfür lediglich die längstmögliche Laufzeit und bestimmte Mindestinhalte vor. Hätten die Tarifparteien eine unmittelbar gestaltende Regelung treffen wollen, hätten sie die notwendigen Konkretisierungen selbst vornehmen müssen und dies nicht einer zukünftigen Dienstvereinbarung überlassen dürfen.
4. Auch die DV vom 4. August 2003 hat keine Verkürzung des vertraglich vereinbarten Arbeitszeitvolumens herbeigeführt. Zwar kann im Rahmen der Betriebsverfassung eine Betriebsvereinbarung iSv. § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG auf den Inhalt der Arbeitsverhältnisse auch durch vorübergehende Herabsetzung des vereinbarten Arbeitszeitumfangs einwirken (BAG 14. Februar 1991 – 2 AZR 415/90 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 4 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu IV 3 der Gründe; 21. November 1978 – 1 ABR 67/76 – AP BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 2 = EzA BetrVG 1972 § 87 Arbeitszeit Nr. 7, zu III 4 der Gründe; Wiese GK-BetrVG 8. Aufl. § 87 Rn. 363 mwN). Im Bereich des Bundespersonalvertretungsgesetzes fehlt es jedoch am dafür erforderlichen Mitbestimmungsrecht des Personalrats.
a) Die Rechte der Personalvertretung bei der Beklagten richten sich nach dem Bundespersonalvertretungsgesetz. Die Beklagte ist als Betriebskrankenkasse gemäß § 4 Abs. 1, Abs. 2 SGB V eine Körperschaft des öffentlichen Rechts. Ihr Zuständigkeitsbereich erstreckt sich über das Gebiet eines Landes hinaus. Damit untersteht sie nach § 90 Abs. 1 Satz 1 SGB IV der Aufsicht durch das Bundesversicherungsamt; für das Vorliegen der Voraussetzungen von § 90 Abs. 3 SGB IV ist nichts dargetan. Die Beklagte wird damit gem. Art 87 Abs. 2 Satz 1 GG als bundesunmittelbare Körperschaft des öffentlichen Rechts geführt. Das führt nach § 1 BPersVG zur Anwendung dieses Gesetzes.
b) § 75 Abs. 3 BPersVG sieht kein ausdrückliches Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Einführung von Kurzarbeit vor. Der Mitbestimmungskatalog des § 75 Abs. 3 BPersVG enthält zwar in Nr. 1 eine mit § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nahezu wortgleiche Regelung. Eine § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entsprechende Bestimmung fehlt jedoch.
c) Nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG hat der Personalrat mitzubestimmen über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit und der Pausen sowie die Verteilung der Arbeitszeit auf die einzelnen Wochentage. Dieses Mitbestimmungsrecht erfasst wie der nahezu gleichlautende Tatbestand des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG nur die tägliche Lage der Arbeitszeit und nicht das vom Arbeitnehmer geschuldete Arbeitszeitvolumen (BAG 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 2b (2) der Gründe). Bei der Entscheidung darüber, ob und in welchem Umfang Kurzarbeit eingeführt werden soll, geht es um die Dauer der geschuldeten Arbeitszeit. Die Entscheidung ist danach mitbestimmungsfrei.
aa) Ein anderes Verständnis von § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG ist nicht deshalb geboten, weil im Bundespersonalvertretungsgesetz eine § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG entsprechende Regelung gerade fehlt. Die Nr. 3 ist mit der Neufassung des Betriebsverfassungsgesetzes im Jahr 1972 in den Katalog des § 87 Abs. 1 BetrVG eingefügt worden. Das Bundespersonalvertretungsgesetz wurde im Jahr 1974 neu geregelt. Gleichwohl hat der Gesetzgeber in § 75 Abs. 3 BPersVG keinen der betriebsverfassungsrechtlichen Bestimmung entsprechenden Mitbestimmungstatbestand aufgenommen. Dies kann nur als gewichtiges Anzeichen dafür verstanden werden, dass dem Personalrat anders als dem Betriebsrat ein über § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG hinausgehendes Mitbestimmungsrecht nicht eingeräumt werden sollte (BAG 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 2b (2) der Gründe; Schwerdtfeger ZBR 1977, 176, 177).
bb) Etwas anderes gilt allerdings nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für die Anordnung von Überstunden. Danach enthält die Vorschrift des § 75 Abs. 4 BPersVG einen klaren Hinweis darauf, dass eine solche Anordnung, obwohl auch sie zur Änderung des vom Arbeitnehmer geschuldeten Arbeitszeitvolumens führt, einen Anwendungsfall von § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG darstellt.
Gem. § 75 Abs. 4 BPersVG beschränkt sich, wenn für Gruppen von Beschäftigten die tägliche Arbeitszeit nach Absatz 3 Nr. 1 der Vorschrift wegen unvorhersehbarer Erfordernisse unregelmäßig und kurzfristig festgesetzt werden muss, die Mitbestimmung des Personalrats “auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne, insbesondere für die Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden”. Nach Ansicht des Bundesverwaltungsgerichts muss daraus wegen des ausdrücklichen Bezugs auf § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG geschlossen werden, dass bei Nichtvorliegen der in § 75 Abs. 4 BPersVG genannten Ausnahmen, insbesondere bei Vorhersehbarkeit des dienstlichen Erfordernisses die Anordnung von Mehrarbeit und Überstunden im Einzelfall und nicht nur in Form der Aufstellung von Grundsätzen mitbestimmungspflichtig ist. Da von der “Anordnung” von Überstunden die Rede sei, habe der Personalrat auch darüber mitzubestimmen, ob und in welchem Umfang Mehrarbeit und Überstunden angeordnet würden (30. Juni 2005 – 6 P 9.04 – ZTR 2005, 545 = EzBAT BAT § 17 Nr. 25, zu II 2b bb der Gründe; 3. Dezember 2001 – 6 P 12.00 – AP LPVG Hamburg § 83 Nr. 1 = ZTR 2002, 193, zu II 2c aa der Gründe).
cc) Es muss nicht entschieden werden, ob nicht § 75 Abs. 4 BPersVG stattdessen durch den Bezug auf Absatz 3 Satz 1 bei unvorhersehbar notwendig werdenden Überstunden von Gruppen von Beschäftigten das Mitbestimmungsrecht des Personalrats selbst bei der Bestimmung der Lage der Arbeitszeit einschränkt (so BAG 18. Oktober 1994 – 1 AZR 503/93 – AP BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 11 = EzA BGB § 615 Kurzarbeit Nr. 2, zu I 2b (2) der Gründe mwN) oder ob, wie das Bundesverwaltungsgericht meint, dieser Bezug zu erkennen gibt, dass das Mitbestimmungsrecht nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG außerhalb der Beschränkungen des § 75 Abs. 4 BPersVG auch das Ob und den Umfang der Anordnung von Überstunden erfasst. In keinem Fall lässt sich aus § 75 Abs. 4 BPersVG ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats hinsichtlich des Ob und des Umfangs der Einführung von Kurzarbeit herleiten.
(1) § 75 Abs. 4 BPersVG kommt als Grundlage für ein erweitertes, den Rahmen der Parallelvorschrift des § 87 Abs. 1 Nr. 2 BetrVG überschreitendes Verständnis des § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG nur wegen seines letzten Satzteils in Betracht. Dort ist von der “Anordnung” zusätzlicher Arbeitszeiten die Rede. Ohne diesen Zusatz lautete die Vorschrift dahin, dass sich die Mitbestimmung des Personalrats bei notwendig werdender kurzfristiger Festlegung der täglichen Arbeitszeit “auf die Grundsätze für die Aufstellung der Dienstpläne beschränkt”. Dies wäre keine geeignete Basis für die Schlussfolgerung, § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG sehe ansonsten, dh. außerhalb der Voraussetzungen des § 75 Abs. 4 BPersVG eine Mitbestimmung auch für die vorübergehende Veränderung des Umfangs der geschuldeten Arbeitszeit vor.
Den für diesen Schluss maßgeblichen Anhaltspunkt bietet allenfalls der sich anschließende Satzteil. In diesem wiederum ist allein von der “Anordnung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit und Überstunden” die Rede. Dabei handelt es sich ausschließlich um Erweiterungen der regulär geschuldeten Arbeitszeit. Der Fall einer Verringerung der Arbeitszeit, wie sie mit der Anordnung von Kurzarbeit einhergeht, ist nicht genannt. Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nach § 75 Abs. 3 Nr. 1 BPersVG auch bei der Verkürzung der regelmäßigen Arbeitszeit lässt sich aus diesen Gründen nicht auf den Wortlaut von § 75 Abs. 4 BPersVG stützen.
(2) Ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats bei der Anordnung von Überstunden verlangt nicht aus systematischen Gründen notwendig die Annahme eines Mitbestimmungsrechts auch bei der Anordnung von Kurzarbeit.
(a) In den Auswirkungen beider Arten der Veränderung der vertraglich geschuldeten regelmäßigen Arbeitszeit bestehen deutliche Unterschiede. Das Verlangen des Arbeitgebers nach der Leistung von Dienstbereitschaft, Mehrarbeit oder Überstunden greift nicht in den ausdrücklich geregelten Umfang der gegenseitigen Rechte und Pflichten der Parteien des Arbeitsvertrags ein. Es beschränkt den Beschäftigungs- und Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers nicht, sondern erweitert ihn. Eingeschränkt wird zwar der “Anspruch” auf Freizeit. Dieser Eingriff erscheint jedoch weniger einschneidend als der durch die Anordnung von Kurzarbeit. Durch diese wird der vertraglich vereinbarte Umfang des Beschäftigungsanspruchs des Arbeitnehmers mit entsprechenden Auswirkungen auf die Höhe seiner Vergütung gekürzt. Das kann für ihn zu erheblichen ökonomischen Nachteilen führen.
(b) Angesichts dieser Unterschiede ist es nicht widersprüchlich, ein Mitbestimmungsrecht des Personalrats nur bei der Erweiterung des geschuldeten Arbeitszeitvolumens, nicht aber bei dessen Verringerung anzunehmen. Die Möglichkeit von Arbeitgeber und Personalrat, gemäß § 75 Abs. 3 Nr. 1, § 73 Abs. 1 BPersVG durch eine normativ wirkende Dienstvereinbarung den Umfang der vertraglich geschuldeten Arbeitszeit vorübergehend zu verändern, ist dann auf den die Arbeitnehmer weniger belastenden Fall beschränkt.
Das Ergebnis steht nicht im Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts. Dieses hat über das Bestehen eines Mitbestimmungsrechts des Personalrats bei der Einführung von Kurzarbeit nicht entschieden.
d) Ohne das Vorliegen eines gesetzlichen Mitbestimmungstatbestands kommen der DV Rechtswirkungen nicht zu.
aa) Gemäß § 73 Abs. 1 BPersVG sind Dienstvereinbarungen nur zulässig, soweit das Gesetz dies ausdrücklich vorsieht. Das ist nur in § 75 Abs. 3 und § 76 Abs. 2 BPersVG der Fall.
bb) Die Zulässigkeit der DV folgt nicht aus einer Abschlussermächtigung für Arbeitgeber und Personalrat in Nr. 6 TV. Wegen § 3 BPersVG ist eine Erweiterung der gesetzlichen Mitbestimmungstatbestände durch Tarifvertrag nicht möglich.
Das schließt allerdings nicht aus, dass die Tarifparteien bei Regelungen, die den Inhalt des Arbeitsverhältnisses betreffen, eine Beteiligung des Personalrats vorsehen. Notwendig ist aber, dass sie den materiellen Gehalt der betreffenden Regelung selbst vorgeben und die inhaltliche Gestaltung der Arbeitsverhältnisse nicht Arbeitgeber und Personalrat überlassen (vgl. BAG 20. März 1974 – 4 AZR 266/73 – AP MTB II § 29 Nr. 2, zu III 3 der Gründe; Dietz/Richardi BPersVG 2. Aufl. § 3 Rn. 9). Das ist hier nicht der Fall. Wie ausgeführt, haben die Tarifparteien in Nr. 6 TV eine konkrete inhaltliche Ausgestaltung der von ihnen vorgesehenen Einführung von Kurzarbeit nicht vorgenommen.
cc) § 3 und § 73 BPersVG verstoßen entgegen der Ansicht der Arbeitgeberin nicht gegen Art. 9 Abs. 3 GG. Die Ausgestaltung des Personalvertretungsrechts gehört nicht zum Inhalt der verfassungsrechtlich garantierten Tarifautonomie (Dietz/Richardi § 3 Rn. 5). Die durch die kollektive Koalitionsfreiheit nach Art. 9 Abs. 3 GG geschützte Gestaltung von Arbeitsbedingungen wird den Tarifparteien durch §§ 3, 73 BPersVG nicht genommen. Diese müssen nur selbst von ihr Gebrauch machen.
5. Ein für den Anspruch aus § 615 Satz 1 BGB wegen § 293 BGB erforderliches Leistungsangebot des Klägers liegt vor. Mit Schreiben vom 2. Oktober 2003 hat dieser der Beklagten seine Arbeitsleistung im vertraglich vereinbarten Umfang von 40 Wochenstunden angeboten. Dazu genügte ein wörtliches Angebot nach § 295 BGB. Mit Anordnung der Kurzarbeit hat die Arbeitgeberin erklärt, dass sie eine weitergehende Leistung des Klägers nicht annehmen werde. Rechnerisch steht die Klageforderung zwischen den Parteien außer Streit.
II. Der Zinsanspruch folgt aus § 288 Abs. 1 BGB. Seine korrekte Berechnung wird von der Beklagten nicht bestritten.
Unterschriften
Schmidt, Linsenmaier, Kreft, Brunner, Metz
Fundstellen
Haufe-Index 1705236 |
BAGE 2008, 366 |
EBE/BAG 2007 |
FA 2007, 153 |
NZA 2007, 637 |
ZTR 2007, 407 |
AP 2007 |
EzA-SD 2007, 14 |
EzA |
RiA 2007, 160 |
ZfPR 2007, 69 |
AUR 2007, 185 |
ArbRB 2007, 136 |
SPA 2007, 6 |