Entscheidungsstichwort (Thema)
Befristeter Arbeitsvertrag. Lektor
Leitsatz (redaktionell)
Sachlicher Grund für die Befristung vor dem 26. Juni 1985 (vgl § 57 f HRG) abgeschlossener Lektorenarbeitsverträge
Normenkette
BGB § 620
Verfahrensgang
LAG Niedersachsen (Urteil vom 29.06.1989; Aktenzeichen 10 Sa 44/89) |
ArbG Göttingen (Urteil vom 31.10.1988; Aktenzeichen 1 Ca 14/88) |
Tenor
Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 29. Juni 1989 – 10 Sa 44/89 – wird auf Kosten des Klägers zurückgewiesen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Der Kläger ist Spanier und stand spätestens seit dem Jahre 1982 in Verbindung mit dem Institut für Romanistische Philologie der Universität G., als er sich um eine zum 1. September 1982 ausgeschriebene Stelle für die befristete Anstellung eines Lektors der spanischen Sprache bewarb. Eingestellt wurde die Südamerikanerin T. aus Uruguay. Im Jahre 1983 beendete der Kläger erfolgreich seine Promotion an der Universität Salamanca und zog zu seiner deutschen Ehefrau nach Hannover. Im Jahre 1984 schied Frau T. vorzeitig aus dem Dienst des beklagten Landes aus. Dem bereits als Lehrbeauftragten für das Sommersemester 1984 mit sechs Wochenstunden vorgesehenen Kläger wurde nunmehr diese Lektorenstelle angeboten.
Mit Schreiben des Präsidenten der Universität G. vom 3. April 1984 wurde der Kläger unter Übersendung eines Exemplars der Niedersächsischen Lektorenordnung vom 23. November 1982 (Runderlaß des Ministers für Wissenschaft und Kunst, Niedersächsisches Ministerialblatt 1982, 2179 ff. – im folgenden: Lektorenordnung 1982 –) u.a. darauf hingewiesen, daß er gemäß Ziffer III 5 der Lektorenordnung 1982 für die Zeit ab 1. Mai 1984 nur befristet eingestellt werden könne. Der Kläger nahm seinen Dienst am 2. Mai 1984 auf.
Nachdem zuvor zwischen dem Kläger und Professor Dr. E. vom Institut für Romanistische Philologie von einer zwei- oder dreijährigen Dauer des Arbeitsverhältnisses gesprochen worden war, wurde der schriftliche Arbeitsvertrag entsprechend der Regeldauer der Ziffer III 5 Abs. 2 der Lektorenordnung 1982 für die Dauer von vier Jahren ausgefertigt, dem Kläger mit Schreiben vom 13. September 1984 übersandt und vom Kläger am 30. Oktober 1984 unterschrieben. Mach diesem Vertrag wurde der Kläger für die Zeit vom 2. Mai 1984 bis zum 31. März 1988 als Lektor im außertariflichen Angestelltenverhältnis für die Fremdsprache Spanisch eingestellt. Zur Begründung für die Befristung wurde in § 2 des Arbeitsvertrages folgendes vereinbart:
Das Arbeitsverhältnis der Lektoren für die Ausbildung in lebenden Fremdsprachen wird befristet, um ihre Entfremdung vom Herkunftsland zu vermeiden und hierdurch sicherzustellen, daß sie einen aktualitätsbezogenen Unterricht erteilen sowie um einen laufenden kulturellen Austausch zu gewährleisten.
In § 6 des Arbeitsvertrages wurde die Geltung der Lektorenordnung 1982 vereinbart.
In den Anstellungsgesprächen hatte Professor Dr. E. gegenüber dem Kläger betont, daß der Kläger im Institut einen „spanischen Spanischschwerpunkt” als Gegengewicht zu dem an dem Institut bis dahin vorherrschenden „südamerikanischen Spanisch” setzen sollte. Der Kläger wurde u.a. in der Ausbildung der angehenden Gymnasiallehrer für das Fach Spanisch eingesetzt. Nach den Prüfungsordnungen für diese Lehrer sollen ihnen geographische, wirtschaftliche, soziale und politische Zusammenhänge sowie sonstige kulturelle Gegebenheiten der Gegenwart vermittelt werden, wobei deren historische Voraussetzungen beachtet werden sollen. Die in der Gegenwart bestehenden Ordnungen und wirkenden Kräfte sollen durch Rückgriff auf die Geschichte formuliert werden. Gleichzeitig soll durch Vergleiche mit der fremden Wirklichkeit die eigene Umwelt besser verstanden werden. Neben Sprachübungen Espanol I bis IV veranstaltet der Kläger auch Proseminare Landeskunde zu den Themen „Spanischer Bürgerkrieg, auch in heutiger Sicht” und zu „Kastilien gestern und heute”.
Mit der am 13. Januar 1988 eingereichten Klage begehrt der Kläger die Feststellung, daß ein unbefristetes Arbeitsverhältnis besteht. Hierzu vertritt er im wesentlichen die Auffassung, für die Befristung seines Arbeitsvertrages habe es an einem sachlichen Grund gefehlt. Insbesondere beweise die erfolgreiche Tätigkeit aller unbefristet tätigen Lektoren, daß sich ein Lektor die wirklich notwendige Aktualität seines Kenntnisstandes aus der Nutzung der heimatlichen Medien und durch Besuche in der Heimat erhalten könne. Der Kläger hat beantragt
festzustellen, daß der Kläger sich in einem unbefristeten Arbeitsverhältnis zum beklagten Land befindet, das sich im einzelnen und im übrigen nach dem Arbeitsvertrag auf Blatt 4 der Gerichtsakte richtet.
Das beklagte Land hat beantragt, die Klage abzuweisen.
Das beklagte Land meint, die Befristung sei durch einen sachlichen Grund gerechtfertigt. Gemäß der durch Beschluß der Kultusministerkonferenz vom 30. Januar 1981 verabschiedeten Rahmenordnung für Lektoren in Verbindung mit der danach in Niedersachsen erlassenen Lektorenordnung 1982 würden Lektoren in der gesamten Bundesrepublik Deutschland nur noch befristet eingestellt. Es hätte sich nämlich herausgestellt, daß nur ausländische und außerdem aus ihrer Heimat nur relativ kurzfristig ausgereiste Lektoren in der Lage seien, einen den heutigen universitären Anforderungen gerecht werdenden Sprachunterricht zu erteilen. Die weitere Beschäftigung der früher unbefristet eingestellten Lektoren könne von den Ländern nicht einseitig beendet werden, weil das neue Erfordernis wirklich auf eigenem Erleben beruhenden aktualitätsbezogenen Unterrichts die Kündigung bestehender Dauerarbeitsverhältnisse sozial nicht rechtfertigen könne. Das Erfordernis aktualitätsbezogenen Unterrichts gerade durch den Kläger ergebe sich aus § 2 des Arbeitsvertrages, den mit dem Kläger geführten Vorgesprächen, den im Arbeitsvertrag vereinbarten Regelungen der Lektorenordnung 1982, den im Tatbestand wiedergegebenen Prüfungsanforderungen und vom Kläger tatsächlich gehaltenen Unterrichtsveranstaltungen.
Das Arbeitsgericht hat die Klage abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen.
Mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision verfolgt der Kläger seinen Klageantrag weiter. Das beklagte Land beantragt, die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Die Revision ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben die Klage zu Recht abgewiesen, denn das zwischen den Parteien begründete Arbeitsverhältnis hat aufgrund rechtswirksamer Befristung mit dem 31. März 1988 geendet.
1. Das Landesarbeitsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, daß die §§ 57 a ff. HRG auf den Entscheidungsfall noch nicht anzuwenden sind, weil der Arbeitsvertrag des Klägers vor dem 26. Juni 1985 abgeschlossen wurde (vgl. § 57 f HRG).
2. Für die Wirksamkeit der vereinbarten Befristung bedarf es daher eines sachlichen Grundes im Sinne der allgemeinen arbeitsrechtlichen Befristungskontrolle (vgl. grundlegend BAGE GS 10, 65, 70 ff. = AP Nr. 16 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C der Gründe; ferner z.B. BAGE 56, 241, 247 = AP Nr. 5 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 2 der Gründe, m.w.N.).
Das Landesarbeitsgericht hat das Vorliegen eines sachlichen Grundes bejaht. Es sieht ihn in dem für berechtigt gehaltenen Anliege des beklagten Landes, die fremdsprachliche Ausbildung der Studenten auf ein höheres Niveau zu stellen und hierzu in Übereinstimmung mit allen anderen Bundesländern von den neu einzustellenden Lektoren eine jeweils in eigener Person bis in die jüngste Vergangenheit in der Heimat selbst erlebte Aktualität zu fordern. Spätestens seit der Lektorenordnung 1982 würden nur noch Ausländer, die ihre Heimat vor nicht mehr als zwei Jahren verlassen hätten, als Lektoren angestellt, und zwar sämtlich in befristeten Arbeitsverhältnissen. Eine willkürliche Unterscheidung zwischen befristeten und unbefristeten Arbeitsverhältnissen sei damit ausgeschlossen. Im Entscheidungsfall ergebe sich der Aktualitätsbezug sowohl der Sprachübungen als auch der landeskundlichen Proseminare sowohl aus den im Tatbestand genannten Prüfungsordnungen für die zukünftigen Gymnasiallehrer für lebende Fremdsprachen als auch aus den eingereichten Unterlagen der Vorlesungskommentare. Auch die mit dem Kläger erörterte und von ihm praktizierte Betonung der spanischen Spanischkomponente im Gegensatz zu dem südamerikanischen Spanisch zeige, welcher Wert auf die selbsterlebte Aktualität gelegt worden sei.
3. Die Würdigung des Berufungsgerichts, ob ein sachlicher Befristungsgrund vorliegt, unterliegt in der Revisionsinstanz nur einer eingeschränkten Nachprüfung. Bei dem Begriff der sachlichen Rechtfertigung einer Befristung handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der vom Revisionsgericht nur beschränkt überprüft werden kann. Eine nachprüfbare Rechtsverletzung liegt insoweit nur vor, wenn der Rechtsbegriff selbst verkannt, Denkgesetze oder allgemeine Erfahrungssätze verletzt oder wesentliche Umstände bei der Bewertung übersehen worden sind (vgl. z.B. BAG Urteil vom 21. Januar 1987 – 7 AZR 265/85 – AP Nr. 4 zu § 620 BGB Hochschule, zu II 1 der Gründe, m.w.N.). Derartige Rechtsfehler des Berufungsgerichts sind weder von der Revision aufgezeigt worden noch sonst ersichtlich.
a) Nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts ist die Befristung des Arbeitsvertrages eines Lektors an einer Universität dann sachlich gerechtfertigt, wenn der Lektor aktualitätsbezogenen Unterricht in seiner Heimatsprache speziell hinsichtlich moderner Sprachentwicklung und unter Einbeziehung aktueller landeskundlicher Bezüge zu erteilen hat. Denn dann besteht die Möglichkeit, daß nach einer bestimmten Dauer der Abwesenheit des Lektors vom Heimatland die Fähigkeit nachläßt oder ganz entfällt, aktualitätsbezogenen Unterricht zu erteilen (vgl. z.B. BAGE 39, 38, 51 = AP Nr. 68 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag, zu C III 1 der Gründe; Senatsurteil vom 18. September 1987 – 7 AZR 481/86 – n.v., zu II 3 b der Gründe, jeweils m.w.N.).
Einen derartigen Aktualitätsbezug des vom Kläger zu haltenden Unterrichts hat das Landesarbeitsgericht mit ausreichender Begründung festgestellt. Auch die Revision erhebt insoweit keine Einwendungen. Sie weist diesbezüglich vielmehr nur darauf hin, daß das beklagte Land diesen Gesichtspunkt selbst nicht ernst nehme, weil es Lektoren weiterbeschäftige, die ihrem Heimatland bereits entfremdet seien. Auch hier ist indessen der Würdigung des Landesarbeitsgerichts zu folgen, daß das beklagte Land in Übereinstimmung mit den übrigen Bundesländern durch die Lektorenordnung 1982 neue Maßstäbe einführen durfte.
Soweit in der Revisionsbegründungsschrift (III 1) erstmals vorgetragen wird, das beklagte Land halte sich selbst nicht an diese Maßstäbe, sondern stelle auch nach Erlaß der Lektorenordnung Lektoren im unbefristeten Arbeitsverhältnis ein, handelt es sich um neuen Sachvortrag, der in der Revisionsinstanz unzulässig ist.
b) Auch die Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur vereinbarten Dauer der Befristung sind nicht zu beanstanden. Das Landesarbeitsgericht hat zutreffend erkannt, daß es zur wirksamen Befristung eines Arbeitsvertrages unter dem Gesichtspunkt der Umgehung zwingender Kündigungsschutzvorschriften außer einem sachlichen Grund für die Befristung selbst nicht noch zusätzlich einer eigenen sachlichen Rechtfertigung auch der gewählten Dauer der Befristung bedarf. Die im Einzelfall vereinbarte Vertragsdauer hat nur Bedeutung im Rahmen der Prüfung des sachlichen Befristungsgrundes selbst. Sie muß sich am Sachgrund der Befristung orientieren und so mit ihm im Einklang stehen, daß sie nicht gegen das Vorliegen des Sachgrundes spricht. Aus der vereinbarten Vertragsdauer darf sich nicht ergeben, daß der Sachgrund tatsächlich nicht besteht oder nur vorgeschoben wurde (Senatsurteil vom 26. August 1988, BAGE 59, 265 = AP Nr. 124 zu § 620 BGB Befristeter Arbeitsvertrag).
Es ist weder ersichtlich noch von der Revision aufgezeigt worden, inwieweit die vereinbarte Vertragsdauer von vier Jahren dagegen sprechen sollte, daß der Grund für die Befristung des Arbeitsvertrages tatsächlich in dem für erforderlich gehaltenen Aktualitätsbezug des vom Kläger zu haltenden Unterrichts lag. Auf die weiteren Ausführungen des Landesarbeitsgerichts zur Vertragsdauer kommt es daher nicht an.
4. Auch die weiteren Angriffe der Revisionsbegründung zeigen keinen Rechtsfehler des Landesarbeitsgerichts auf.
a) Das Landesarbeitsgericht brauchte sich in den Entscheidungsgründen nicht ausdrücklich mit der Frage zu befassen, ob zwischen den Parteien ein unbefristetes Arbeitsverhältnis vielleicht deshalb bestanden haben könnte, weil der Kläger seinen Dienst bereits am 2. Mai 1984 aufgenommen hatte, der schriftliche Arbeitsvertrag aber erst am 30. Oktober 1984 geschlossen wurde. Denn nach dem unstreitigen Tatbestand war dem Kläger schon mit Schreiben vom 3. April 1984 mitgeteilt worden, daß er nur befristet eingestellt werden könne. Schon deshalb kann in der Beschäftigung des Klägers durch das beklagte Land nicht – wie die Revisionsbegründung (III 2) meint – der formlose Abschluß eines unbefristeten Arbeitsvertrages gesehen werden. Auch § 625 BGB greift deshalb nicht ein. Im übrigen wäre selbst dann, wenn zunächst ein unbefristetes Arbeitsverhältnis bestanden hätte, dieses durch den schriftlichen Arbeitsvertrag befristet worden, denn auch die Vereinbarung einer nachträglichen Befristung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses ist rechtlich möglich. Ob diese Befristungsvereinbarung rechtswirksam ist, ist allein eine Frage des sachlichen Grundes. Dieser liegt, wie oben dargestellt, vor.
b) Auch die in der Revisionsbegründung (III 3) erhobene Aufklärungsrüge gemäß § 139 ZPO ist jedenfalls unbegründet. Es ist nicht ersichtlich, daß das Landesarbeitsgericht die im ersten Absatz der Seite 5 des Berufungsurteils enthaltene Sachverhaltsdarstellung bei seiner Entscheidung verwertet hätte. Schon deshalb kann kein Verfahrensfehler darin gesehen werden, daß das Landesarbeitsgericht diesen Sachverhalt nicht weiter aufklärte.
5. Die Revision des Klägers war daher mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO als unbegründet zurückzuweisen.
Unterschriften
Dr. Steckhan, Schliemann, Dr. Weller, Nehring, Kordus
Fundstellen