Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestimmtheit des Klageantrags
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2
Verfahrensgang
Tenor
Die Revisionen der Kläger gegen das Urteil des Landesarbeitsgerichts Hamburg vom 24. Juni 1996 – 4 Sa 7/95 – werden zurückgewiesen.
Der Kläger zu 1) hat die Kosten der Revision zu 10/37, der Kläger zu 2) zu 12/37 und der Kläger zu 3) zu 15/37 zu tragen.
Von Rechts wegen!
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Richtigkeit der von der Beklagten für die Kläger geführten Arbeitszeitkonten und sich daraus ergebende Ansprüche der Kläger.
Die Kläger sind Mitarbeiter der Beklagten. Sie gehören zum Bodenpersonal und sind im Wartungsbereich tätig. Auf ihre Arbeitsverhältnisse ist der jeweils gültige Manteltarifvertrag für das bei der Beklagten beschäftigte Bodenpersonal anzuwenden. Ab 1. Oktober 1992 ist das der Manteltarifvertrag Nr. 14 (MTV). Seit dem 1. Januar 1993 gilt die von den Tarifvertragsparteien unterzeichnete Protokollnotiz X.
Die wöchentliche Grundarbeitszeit der Kläger beträgt nach § 5 Abs. 1 MTV 37,5 Stunden ausschließlich der Pausen. Die Verlängerung der Grundarbeitszeit ist zulässig, wenn der Ausgleich auf durchschnittlich 37,5 Stunden je Woche u.a. im Rahmen einer Schichtperiode erfolgt. Nach § 6 Abs. 2 MTV kann die wöchentliche Grundarbeitszeit aus betrieblichen Gründen auch auf Sonn- und Feiertage verteilt werden. Nach § 9 Abs. 1 MTV kann sich die tägliche Arbeitszeit eines Mitarbeiters dadurch verlängern, daß er über die durch den Dienstplan oder Schichtplan bestimmte Grundarbeitszeit hinaus auf Anordnung Überarbeit (Überstunden) leistet. Geleistete Überarbeit ist grundsätzlich durch eine Verkürzung der Grundarbeitszeit an anderen Tagen auszugleichen (§ 9 Abs. 3 Satz 1 MTV). Wird sie nicht bis zum Ende des folgenden Quartals ausgeglichen, gilt sie als Mehrarbeit (nicht abgefeierte Überstunden) nach § 9 Abs. 4 MTV. Die Vergütung für geleistete Mehrarbeit bemißt sich nach § 15 MTV nach dem individuellen Stundensatz zzgl. eines Zuschlags nach § 23 Abs. 5 MTV.
Arbeitnehmer, die planmäßig im Durchschnitt fünf Arbeitstage und weniger pro Woche arbeiten, haben nach § 32 Abs. 3 MTV einen jährlichen Urlaubsanspruch von 30 Tagen. Urlaubstage sind die dienst- bzw. schichtplanmäßigen Arbeitstage (§ 32 Abs. 4 a MTV). Für jeden Urlaubstag erfolgt eine Zeitgutschrift in Höhe der Stunden, die der durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit in der Fünf-Tage-Woche entspricht. In der Protokollnotiz X heißt es hierzu auszugsweise:
„Fehlzeitenberechnung/Zeitkonto
(1) Mitarbeiter, die planmäßig im Durchschnitt an 5 Arbeitstagen oder weniger pro Woche arbeiten, erhalten für jeden Abwesenheitstag unter Fortzahlung der Vergütung – ausgenommen Abwesenheitszeiten gemäß § 27 (Krankheit) – eine Zeitgutschrift in Höhe der Stunden, die der durchschnittlichen täglichen Grundarbeitszeit in der 5-Tage-Woche entspricht.
(2) In Höhe der Zeitdifferenz soll zu den an den jeweiligen Abwesenheitstagen im Sinne des Abs. (1) planmäßig vorgesehenen Arbeitszeiten eine Verrechnung (Zeitkonto) mit folgenden be- bzw. entstehenden Freizeitguthaben vorgenommen werden: Plus-Stunden aus Gleitzeit im Schichtbetrieb, Reisestunden, Rufbereitschaft, Überarbeit (§ 9), schichtfreie Wochenfeiertage (§ 11 Abs. (4)), Arbeit an Vorfesttagen (§ 11 Abs. (2)), Arbeit an Feiertagen (§ 1 Abs. (3)), Zusatzurlaub (§ 33).
Die Kläger arbeiten im Schichtdienst. Die regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit wird bei einer Schichtperiode von 14 Wochen erreicht. Ihre Arbeitstage verteilen sich auf Montag bis Sonntag mit einer täglichen Arbeitszeit zwischen vier und neun Stunden. Die tarifliche Grundarbeitszeit von 37,5 Stunden/Woche wird durch zusätzliche Freitage erreicht. Die Mehrzahl der Schichten dauert länger als 7,5 Stunden.
Ab Januar 1993 hat die Beklagte bei Abwesenheiten der Kläger infolge Erholungs- oder Sonderurlaubs auf ihren Zeitkonten für Tage, an denen nach dem Schichtplan mehr als 7,5 Arbeitsstunden abzuleisten waren, 7,5 Stunden angerechnet und die darüber hinausgehende Zeit als Minusstunden gebucht. Bei einer Schichtdauer von weniger als 7,5 Stunden wurde die Zeitdifferenz gutgeschrieben. Hierdurch ergaben sich im Zeitraum vom 1. Januar 1993 bis 31. März 1994 für den Kläger zu 1) 25,5 Fehlstunden, für den Kläger zu 2) 29,3 Fehlstunden und für den Kläger zu 3) 37,75 Fehlstunden. Der rechnerische Stundenlohn beläuft sich bei den Klägern zu 1) und 2) auf 31,00 DM brutto, bei dem Kläger zu 3) auf 34,00 DM brutto. Das monatliche Festgehalt zzgl. tariflich geregelter Zuschläge ist durchgehend bezahlt worden. Die Beklagte hat die sich nach dem Arbeitszeitkonto ergebenden Minusstunden mit Plusstunden aus Überarbeit und Ansprüchen auf Zusatzurlaub für geleistete Nachtschicht teilweise verrechnet. Zusatzurlaub für Nachtschichtarbeit steht den Beschäftigten nach § 33 MTV zu, wenn sie 112 Nachtstunden geleistet haben.
Die Kläger halten die Regelung in der Protokollnotiz für rechtsunwirksam. Sie entspreche nicht dem Bundesurlaubsgesetz und benachteilige die im Schichtdienst tätigen Arbeitnehmer. Durch die Verrechnung von vermeintlichen Minusstunden werde der tariflich gewährte Anspruch auf Zusatzurlaub wegen Nachtschicht ebensowenig gewährt, wie der Freistellungsanspruch aufgrund geleisteter Überstunden.
Nachdem die Kläger zunächst beantragt hatten, die Beklagte zu verpflichten, die bis zum 31. März 1994 berechneten Minusstunden zu streichen und die hierfür zum Ausgleich gestrichenen Stunden gutzuschreiben, haben sie im Berufungsverfahren ihre Anträge auf Zahlung umgestellt. Auf der Grundlage eines Stundenlohns von 32,00 DM zzgl. 25 % Überstundenzuschlag begehren sie für jede Minusstunde 40,00 DM. Sie haben insoweit beantragt, die Beklagte zu verurteilen, an den Kläger zu 1) 1.020,00 DM, an den Kläger zu 2) 1.172,00 DM und an den Kläger zu 3) 1.510,00 DM jeweils brutto nebst 4 % Zinsen auf die sich ergebenden Nettobeträge ab dem 23. November 1995 zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Arbeitsgericht und Landesarbeitsgericht haben die Klagen als unbegründet abgewiesen. Hiergegen wenden sich die Kläger mit der vom Landesarbeitsgericht zugelassenen Revision.
Entscheidungsgründe
Das Landesarbeitsgericht hat im Ergebnis zu Recht die Zahlungsklagen abgewiesen. Die Klageanträge sind unzulässig. Sie sind nicht hinreichend bestimmt im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO.
1. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die im Wege der Klageänderung im Berufungsverfahren gestellten Zahlungsanträge. Diese Klageänderung hat das Landesarbeitsgericht stillschweigend für zulässig erachtet, indem es die geänderten Klageanträge in seinen Entscheidungsgründen beschieden hat. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts über die Zulässigkeit der Klageänderung ist nach § 268 ZPO unanfechtbar. Die erstinstanzlich gestellten Anträge auf Streichung und Gutschrift von Stunden sind damit nicht mehr rechtshängig (vgl. BGH Urteil vom 1. Juni 1990 – V ZR 48/89 – NJW 1990, 2682).
2. Die Zahlungsanträge sind nicht zulässig.
a) Nach § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muß eine Klage einen bestimmten Antrag enthalten und den Grund des erhobenen Anspruchs angeben. Dabei genügt es nicht, das Rechtsverhältnis zu kennzeichnen, aus dem der Anspruch hergeleitet wird. Andererseits ist die Angabe der Anspruchsgrundlage nicht erforderlich. Der angegebene Grund muß jedoch erkennen lassen, aus welchem Lebenssachverhalt der geltend gemachte Anspruch herrührt. Es ist zu verdeutlichen, in welchem Rahmen sich die Entscheidung des Gerichts bewegen soll. Das „Programm” des Rechtsstreits muß feststehen, damit der Streitgegenstand und der Umfang der Rechtskraft des erstrebten Urteils bestimmt werden können (vgl. BAG Urteil vom 10. Dezember 1991 – 9 AZR 319/90 – AP Nr. 20 zu § 253 ZPO). Daran fehlt es.
b) Die gestellten Zahlungsanträge sind zwar hinreichend bestimmt, weil sie auf eine konkrete Summe an Geld lauten. Es fehlt jedoch an der Substantiierung der Sachverhalte, aus denen sich die Zahlungsansprüche ergeben sollen. Dabei ist unschädlich, daß es den Klägern, wie von ihnen in der Revision vorgetragen wird, eigentlich „nicht um Geld” geht. Wenn sie trotz dieses Vorbehalts einen die Anträge stützenden Lebenssachverhalt vorgetragen hätten, wäre der Streitgegenstand gleichwohl bestimmbar. Die Kläger behaupten jedoch nicht einmal, daß ihnen wegen der errechneten Minusstunden Zahlungsansprüche zustehen. Vielmehr bestreiten sie die Berechtigung der Beklagten, Ansprüche auf Zusatzurlaub für geleistete Nachtschichten, Ansprüche auf Freizeitausgleich wegen geleisteter Überstunden oder wegen nicht gewährter Pausen mit den auf dem Arbeitszeitkonto verbuchten Minusstunden zu verrechnen. Ihr materielles Ziel ist damit auf die Gewährung dieser Ansprüche gerichtet, die nach ihrer Auffassung wegen der rechtswidrigen Fehlzeitenberechnung nicht erfüllt und damit auch nicht erloschen sind.
Tatsächliche Feststellungen des Landesarbeitsgerichts, inwieweit die Fehlzeiten mit Zusatzurlaub nach § 33 MTV Nr. 14 oder mit Überstunden im Sinne von § 9 MTV Nr. 14 verrechnet worden sind, fehlen. Seine Aussage, ein Ausgleich der Minusstunden sei vornehmlich über diese beiden Sachverhalte möglich gewesen, enthält keine bindende tatsächliche Feststellung. Weitere Angaben, mit welchen Überstunden und welchen Ansprüchen auf Zusatzurlaub eine Verrechnung erfolgt ist, fehlen ebenfalls. Der Streitgegenstand ist auch insoweit nicht bestimmbar. Zudem sehen die tariflichen Bestimmungen keine Abgeltung nicht genommenen oder nicht gewährten Zusatzurlaubs vor. Er verfällt vielmehr ohne Anspruch auf Abgeltung gemäß § 33 Abs. 3 i.V.m. § 37 Abs. 1 MTV Nr. 14 am 31. März des folgenden Jahres. Allenfalls kann der Arbeitnehmer die Nachgewährung von Zusatzurlaub verlangen, wenn er den Anspruch erfolglos geltend gemacht hat (§ 37 Abs. 2, § 33 Abs. 3 MTV Nr. 14).
3. Es fehlt deshalb an einer ordnungsgemäßen Klageerhebung. Die Klagen sind als unzulässig abzuweisen (BAG Urteil vom 2. November 1961 – 5 AZR 148/60 – AP Nr. 8 zu § 253 ZPO).
4. Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO.
Unterschriften
Leinemann, Reinecke, Böck, R. Schmidt, Hans Unger
Fundstellen